WD 6 - 3000 - 049/20 (10. August 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Am 19. Februar 2020 veröffentlichte die britische Regierung ein Strategiepapier, in dem sie das Konzept eines neuen Einwanderungsgesetztes vorstellte, das nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember 2020 gelten soll. Die erste Lesung des Gesetzesentwurfs, dem sogenannten „Immigration and Social Security Co-ordination (EU Withdrawal) Bill“1, fand am 5. März 2020 im britischen Unterhaus (House of Commons) statt. Der Gesetzgebungsprozess ist noch im Gange, der Gesetzesentwurf hat die drei Lesungen des Unterhauses bereits durchlaufen und wurde im britischen Oberhaus (House of Lords) eingebracht, am 22. Juli 2020 fand dort die zweite Lesung statt. Der Gesetzesentwurf sieht das Ende der Freizügigkeit für EU-Bürger vor. Zukünftig soll kein Unterschied mehr zwischen EU- und Nicht-EU-Bürgern gemacht, sondern sich ausschließlich an der Eignung der Zuwanderer orientiert werden. So soll anhand eines punktebasierten Einwanderungssystems festgestellt werden, ob die geforderten Kriterien erfüllt werden. Zwingende Voraussetzung ist hierbei, dass dem Antragsteller ein Stellenangebot vorliegt, das dem eigenen Qualifikationsniveau entspricht und er die englische Sprache beherrscht. Daneben können Punkte erworben werden, wenn bestimmte Gehaltsschwellen erreicht werden, der Antragsteller in einem Beruf mit Fachkräftemangel tätig wird oder er einen Doktortitel besitzt. 2 Das Migration Advisory Committee (MAC) hat in einem am 28. Januar 2020 veröffentlichten Bericht zu der vom britischen Innenministerium gestellten Anfrage Stellung genommen, wie in 1 Immigration and Social Security Co-ordination (EU Withdrawal) Bill. Abrufbar im Internetauftritt des britischen Parlaments: https://publications.parliament.uk/pa/bills/lbill/58-01/121/5801121.pdf (letzter Abruf: 3. August 2020). 2 The UK's Points-Based Immigration System: Policy Statement, S. 6. Abrufbar im Internetauftritt der britischen Regierung: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/866744/CCS0120013106-001_The_UKs_Points-Based_Immigration_System_WEB_ACCES- SIBLE.pdf (letzter Abruf: 3. August 2020). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Einzelfragen zu den Auswirkungen des geplanten Einwanderungssystems im Vereinigten Königreich Kurzinformation Einzelfragen zu den Auswirkungen des geplanten Einwanderungssystems im Vereinigten Königreich Fachbereich WD 6 (Arbeit und Soziales) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Großbritannien ein punktebasiertes System eingeführt werden könnte.3 Es geht davon aus, dass die Zuwanderung von Arbeitnehmern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum seit 2004 um etwa 70 Prozent geringer ausgefallen wäre, wenn es keine Arbeitnehmerfreizügigkeit gegeben hätte.4 Auch wenn zukünftige Migrationsbewegungen von Bürgern, die nicht aus dem Europäischen Wirtschaftsraum kommen, von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst würden und nur schwer vorherzusagen seien, so rechnet das MAC mit einem Anstieg der Migration in dieser Personengruppe . Da EU- und Nicht-EU-Bürger nunmehr im neuen Einwanderungssystem gleichgestellt seien, stiegen die relativen Kosten für arbeitsuchende EU-Bürger, was wiederum die Attraktivität der Migration von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums im Vergleich erhöhen könne.5 Ein Bericht des Migration Observatory at the University of Oxford geht davon aus, dass durch das geplante Einwanderungsgesetz die Rekrutierung von EU-Arbeitnehmern erschwert werde, da sie und ihre Arbeitgeber durch erhöhte Kosten und Bürokratie abgeschreckt würden, selbst wenn ein Anspruch auf ein langfristiges Arbeitsvisum bestünde. Insgesamt seien die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Einwanderung allerdings gering. So erhöhe Migration zwar die britische Wirtschaftskraft leicht, habe aber kaum Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt pro Person, Löhne oder Beschäftigung.6 Analysen oder Einschätzungen zu den Auswirkungen des neuen Einwanderungssystems auf den Arbeitsmarkt in Deutschland oder anderen EU-Mitgliedstaaten liegen soweit ersichtlich noch nicht vor. Auch aus Sicht des um Stellungnahme gebetenen Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit erscheinen konkrete Wirkungen, die sich aus dem geplanten Gesetz ergeben könnten, noch nicht absehbar. Mit allgemeinen Auswirkungen eines möglichen „harten“ Brexit auf den deutschen Arbeitsmarkt hat sich dieser Fachbereich in einer früheren Arbeit befasst: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Auswirkungen des Brexit auf die Beschäftigung in Deutschland - Ausgewählte Studien, Dokumentation WD 6 – 3000 – 112/19 vom 30. August 2019 (abrufbar im Internetauftritt des Deutschen Bundestages: https://www.bundestag.de/resource /blob/662626/c50272e12ec437e7a152d95ed734f3a2/WD-6-112-19-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 10. August 2020). *** 3 MAC, A Points-Based System and Salary Thresholds for Immigration: Report. Abrufbar im Internetauftritt der britischen Regierung: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/873155/PBS_and_Salary_Thresholds_Report_MAC_word_FINAL.pdf (letzter Abruf: 10. August 2020). 4 MAC, A Points-Based System and Salary Thresholds for Immigration: Report (Fn. 3), S. 164. 5 MAC, A Points-Based System and Salary Thresholds for Immigration: Report (Fn. 3), S. 83. 6 Q&A: The UK’s new points-based immigration system after Brexit, The Migration Observatory at the University of Oxford. Abrufbar im Internetauftritt: https://migrationobservatory.ox.ac.uk/resources/commentaries/qa-theuks -new-points-based-immigration-system-after-brexit/ (letzter Abruf: 10. August 2020).