© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 044/20 Auswirkung des insolvenzrechtlichen Schutzschirmverfahrens auf die Auszahlung von Betriebsrenten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/20 Seite 2 Auswirkung des insolvenzrechtlichen Schutzschirmverfahrens auf die Auszahlung von Betriebsrenten Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 044/20 Abschluss der Arbeit: 19. Mai 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Insolvenzsicherung von Betriebsrenten 4 2. Aktueller Bezug: Schutzschirmverfahren der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH 5 3. Aussetzung der Zahlung von Betriebsrenten im Schutzschirmverfahren 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/20 Seite 4 1. Insolvenzsicherung von Betriebsrenten Im Falle einer Unternehmensinsolvenz übernimmt insbesondere für direkt vom Arbeitgeber zugesagte Betriebsrenten der Pensions-Sicherungs-Verein als Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft die sich daraus ergebenden Pflichten. Damit ist die Weiterzahlung der betrieblichen Altersversorgung für Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf eine insolvenzgeschützte Betriebsrente gegen den insolventen früheren Arbeitgeber haben, gewährleistet. Grundlage hierfür sind die §§ 7 bis 15 Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung werden durch gesetzlich vorgeschriebene Beiträge derjenigen Arbeitgeber aufgebracht, die eine insolvenzsicherungspflichtige betriebliche Altersversorgung für ihre Beschäftigten durchführen.1 Über den Pensions-Sicherungs-Verein geschützt sind auch Betriebsrenten, wenn eine Unterstützungskasse oder ein Pensionsfonds die nach ihrer Versorgungsregelung vorgesehene Versorgung nicht erbringt, weil über das Vermögen oder den Nachlass eines Arbeitgebers, der der Unterstützungskasse oder dem Pensionsfonds Zuwendungen leistet (Trägerunternehmen), das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die eine Weiterzahlung der Betriebsrente durch den Pensions-Sicherungs-Verein auslösenden Sicherungsfälle sind in § 7 Abs. 1 BetrAVG abschließend geregelt. Ein Sicherungsfall liegt vor, wenn über das Vermögen oder über den Nachlass des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen worden ist, der Pensions-Sicherungs-Verein einem außergerichtlichen Vergleich (Stundungs-, Quotenoder Liquidationsvergleich) des Arbeitgebers mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens zugestimmt hat, bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.2 1 Vgl. Deutscher Bundestag, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste: Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung als zweite Säule der Alterssicherung in Deutschland, S. 18, abrufbar im Internet unter https://www.bundestag.de/resource/blob/645614/61160a76352336314fe0f21716606157/WD-6-023-19-pdfdata .pdf, zuletzt abgerufen am 19. Mai 2020. 2 Glossarbegriff Insolvenzsicherung auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung , https://www.aba-online.de/infothek/glossar/begriffe/insolvenzsicherung , zuletzt abgerufen am 19. Mai 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/20 Seite 5 2. Aktueller Bezug: Schutzschirmverfahren der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH Nach Informationen des Unternehmens Galeria Karstadt Kaufhof GmbH hat das Amtsgericht Essen am 1. April 2020 der Einleitung eines Schutzschirmverfahrens stattgegeben.3 Nach Medienberichten hat die Galeria Karstadt Kaufhof die Zahlung von Betriebsrenten an ehemalige Mitarbeiter für voraussichtlich mehrere Monate aufgrund des Schutzschirmverfahrens ausgesetzt. Betroffen hiervon sind Empfänger von Betriebsrenten aus Direktzusagen und einer Unterstützungskasse , die von Galeria Karstadt Kaufhof verwaltet und ausgezahlt werden. An frühere Beschäftigte der Galeria Karstadt Kaufhof von der Hamburger Pensionskasse von 1905 VVaG (HPK) gezahlte Betriebsrenten werden dagegen vom Schutzschirmverfahren nicht berührt, da sich der Rechtsanspruch nicht unmittelbar an den Arbeitgeber richtet.4 Das Schutzschirmverfahren wurde mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im Jahr 2012 in § 270b der Insolvenzordnung (InsO) eingeführt. Die Vorschrift bietet noch nicht zahlungsunfähigen oder überschuldeten Unternehmen vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Möglichkeit unter der Sicherheit eines „Schutzschirms“ und in Eigenverwaltung innerhalb von drei Monaten einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Die Unternehmen werden als Schuldner durch den über eine gerichtliche Anordnung erwirkten Schutzschirm für einen begrenzten Zeitraum dem unmittelbaren Zugriff ihrer Gläubiger entzogen.5 Hierzu sind auch die Berechtigten auf einen Anspruch auf Betriebsrente zu zählen, so dass der Arbeitgeber, hier die Galeria Karstadt Kaufhof, die Zahlung für einen überschaubaren Zeitraum aussetzen kann. Das Schutzschirmverfahren wurde in den letzten Jahren nur in rund 0,75 Prozent der Unternehmensinsolvenzen beantragt und kommt insbesondere bei größeren Insolvenzverfahren in Betracht .6 3. Aussetzung der Zahlung von Betriebsrenten im Schutzschirmverfahren Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die im Schutzschirmverfahren über die sogenannte Insolvenzgeldvorfinanzierung gemäß § 170 Abs. 4 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) über laufende Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis verfügen können, besteht für Betriebsrentner vor Eintritt eines Sicherungsfalles kein Rechtsanspruch gegen den Pensions-Sicherungs-Verein, da 3 Pressemitteilung abrufbar unter https://www.presseportal.de/pm/16971/4562390, zuletzt abgerufen am 19. Mai 2020. 4 Vgl. Aktuelle Mitteilung der HPK vom 10. Mai 2020, abrufbar im Internet unter https://www.hhpk.de/index .php?id=5013, zuletzt abgerufen am 19. Mai 2020. 5 Bundestagsdrucksache 17/5712, S. 19, 40-41; näher Brünkmans in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018, § 270b Vorbereitung einer Sanierung, Rn. 1. 6 Insolvenzrecht und Unternehmenssanierung – Jahrbuch 2020, Herausgeber: Schultze & Braun GmbH & Co. KG, Dezember 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/20 Seite 6 der Antrag des Arbeitgebers auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch keinen Sicherungsfall darstellt. Dieser tritt vielmehr vor allem erst dann ein, wenn das zuständige Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgewiesen hat.7 Der in § 7 Abs. 1 BetrAVG enthaltene Katalog der Sicherungsfälle ist enumerativ. Eine Ausdehnung des Insolvenzschutzes auf andere Situationen wäre mit dem hoheitlich geregelten Versicherungsschutz , der konkret angeordneten öffentlich-rechtlichen Beitragspflicht und den Belangen des betroffenen Trägers der Insolvenzsicherung und der dahinter stehenden Solidargemeinschaft der Arbeitgeber nicht vereinbar. Daran scheitert auch jede analoge Anwendung.8 Insofern können Arbeitgeber, die unter dem Schutzschirm des § 270b InsO stehen, die Zahlung von Betriebsrenten an ehemalige Mitarbeiter zunächst aussetzen, ohne dass der Pensions-Sicherungs -Verein die Zahlung übernimmt. Sollte auf das Schutzschirmverfahren der Eintritt eines Sicherungsfalles folgen, ist die Übernahme der ausstehenden Beträge der Betriebsrente der letzten zwölf Monate durch den Pensions- Sicherungs-Verein gemäß § 7 Abs. 1a Satz 3 BetrAVG vorgesehen. Die gegebenenfalls aus der verzögerten Auszahlung der Betriebsrente entstehenden Nachteile sind insoweit von den Berechtigten hinzunehmen. *** 7 Fragen und Antworten auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, abrufbar unter https://www.psvag.de/insolvenz-leistung/fragen-und-antworten.html, zuletzt abgerufen am 14. Mai 2020. 8 Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, 7. Aufl. 201 Rn. 84, BetrAVG § 7 Rn. 84.