© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 044/16 Zur Verwaltungspraxis der Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Steinkohlenbergbaus Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Gewährung von Anpassungsgeld Das Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz - SteinkohleFinG) regelt den Ausstieg aus der subventionierten Förderung der Steinkohle in Deutschland. Gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. d SteinkohleFinG dient dieses Gesetz der Finanzierung des sozialverträglichen Anpassungsprozesses für ältere Arbeitnehmer des deutschen Steinkohlenbergbaus. Ansprüche auf Zuschusszahlungen werden durch die gesetzliche Regelung gemäß § 1 Abs. 3 SteinkohleFinG nicht begründet. § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG sieht vor, Arbeitnehmern, die wegen Stilllegung oder Rationalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren, für längstens fünf Jahre Anpassungsgeld als Überbrückungshilfe bis zum Beginn einer Altersrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung gewähren. Das Nähere bestimmt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Richtlinien. Nach den entsprechenden Richtlinien zur Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Steinkohlenbergbaus vom 12. Dezember 2008 (APG-Richtlinie)1 entscheidet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der hierfür zur Verfügung stehenden haushaltsmäßigen Ermächtigungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Gemäß Ziffer 1.2 der APG-Richtlinie besteht ausdrücklich kein Anspruch auf Gewährung der Zuwendungen, selbst wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Insoweit steht einer antragstellenden Person lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf Zuwendung zu. Anpassungsgeld kann gemäß Ziffer 3.1.2 der APG-Richtlinie unter anderem nur gewährt werden, wenn die antragstellende Person bei Weiterbeschäftigung die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente in längstens fünf Jahren seit der Entlassung erfüllen würde. 2. Frühestmöglicher oder regulärer Rentenbeginn maßgeblich? Fraglich ist, ob für die Gewährung von Anpassungsgeld zwangsläufig auf den frühestmöglichen Beginn einer Altersrente abgestellt werden muss. Altersrenten können unter Inkaufnahme von Rentenabschlägen bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen werden. Mit den Rentenabschlägen werden Vorteile der insgesamt längeren Rentenbezugsdauer bei vorzeitiger Inanspruchnahme vermieden. Die Rentenabschläge verringern die monatlichen Rentenzahlbeträge für die Dauer des gesamten Rentenbezugs, also auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze. Für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme verringert sich die Rente gemäß § 77 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) um 0,3 Prozent. Für einen vorzeitigen Rentenbezug von drei Jahren sind somit Rentenabschläge von (36 Monate x 0,3 =) 10,8 Prozent in Kauf zu nehmen. Rechnerisch erfolgt dies durch den Zugangsfaktor in der Formel für die Berechnung des Monatsbetrags der Rente. Dieser beträgt bei rechtzeitiger Inanspruchnahme 1,0 und mindert sich bei vorzeitiger Inanspruchnahme für jeden Monat um 0,003. 1 Abrufbar im Internet unter http://www.bafa.de/bafa/de/energie/steinkohle/anpassungsgeld/apg_richtlinien.pdf, zuletzt abgerufen am 29. April 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/16 Seite 5 Ziffer 3.1.3 der APG-Richtlinie stellt durch den Verweis auf eine mit dem Zugangsfaktor 1,0 berechnete Altersrente klar, dass für die Gewährung des Anpassungsgeldes zunächst auf einen abschlagfreien Bezug einer Altersrente abzustellen ist. Nur wenn sich die antragstellende Person vor ihrer Entlassung schriftlich und unwiderruflich damit einverstanden erklärt, dass sich der Beginn der Anpassungsgeldzahlung nach einem vorzeitigen Beginn der Altersrente richten soll, ist von diesem auszugehen. Gegebenenfalls sind wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente Rentenabschläge in Kauf zu nehmen. Für Versicherte, die Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, ist gemäß § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB VI als Regelaltersgrenze weiterhin die Erreichung des 65. Lebensjahres maßgeblich. Gleiches gilt gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI für die Altersrente für langjährig Versicherte, die im Gegensatz zur Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Rentenabschlägen auch vor Erreichung des 65. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch genommen werden kann. Letztlich können die von der Beendigung der Steinkohlesubventionierung betroffenen Arbeitnehmer so beispielsweise bereits mit etwa 57 Jahren aus dem Bergbauunternehmen ausscheiden und nach fünf Jahren Anpassungsgeldbezug ab dem 62. Lebensjahr eine vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte mit Rentenabschlägen in Höhe von 10,8 Prozent beziehen.2 Hierzu müssen sie sich vor der Entlassung gemäß Ziffer 3.1.3 der APG-Richtlinie ausdrücklich einverstanden erklären . Für Arbeitnehmer, die beispielsweise erst mit 60 Jahren aus dem Bergbauunternehmen ausscheiden , stellt sich die Frage, ob in Anwendung des § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG und der APG-Richtlinien die Gewährung von Anpassungsgeldbezug für fünf Jahre möglich ist, um dann ab 65 Jahre eine ungeminderte Regelaltersrente erhalten zu können. 3. Bindungswirkung der APG-Richtlinie Bei der APG-Richtlinie handelt es sich um behördliche Anordnungen, die in der Verwaltungspraxis unter den Oberbegriff der Verwaltungsvorschriften fallen. Verwaltungsvorschriften sind generelle Regelungen, die von einer staatlichen Stelle an nachgeordnete Behörden, Verwaltungsstellen oder Bedienstete gerichtet werden und vor allem deren Organisation und Art und Weise des Verwaltungshandels betreffen. Sie stellen kein materielles Recht - wie beispielsweise formelle Gesetze - im Sinne von Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG dar. Der Bürger wird durch die Verwaltungsvorschriften weder berechtigt noch verpflichtet.3 Verwaltungsvorschriften entfalten somit keine unmittelbare Außenwirkung. Eine auf das Außenverhältnis gerichtete Entscheidung der Verwaltung über die Ablehnung eines Antrags auf Zah- 2 Dies gilt gemäß § 236 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b SGB VI für ab November 1948 geborene Versicherte. 3 U.a. Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, Das Handeln des Staates, § 65 Rn. 4; Ehlers: in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage, 2010, § 2 Rn. 65; BVerfGE 78, 214; Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 8. Auflage, 2009, § 6 Rn. 226. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/16 Seite 6 lung von Anpassungsgeld ist deshalb in der Regel nicht von vornherein allein dadurch rechtswidrig , dass sie nicht mit den APG-Richtlinien übereinstimmt. Es ist allerdings anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften zumindest mittelbar das Verhältnis zum Bürger betreffen können.4 In der Literatur und Rechtsprechung werden Verwaltungsvorschriften dem Inhalt nach unterschiedlich eingeteilt. Während das Bundesverwaltungsgericht lediglich von norminterpretierenden und normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften ausgeht, wird in Teilen der Literatur zwischen Organisations- und Dienstvorschriften, gesetzesauslegenden Verwaltungsvorschriften sowie ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften differenziert.5 Bei der APG-Richtlinie handelt es sich nach dieser Klassifikation um ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften , welchen keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber den antragstellenden Personen zukommt. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften bestimmen, in welcher Weise die Verwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch machen soll. Dadurch soll eine einheitliche und gleichmäßige Ermessensausübung sichergestellt werden.6 Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass Verwaltungsvorschriften über die ihnen zunächst nur innenwohnende interne Bindung hinaus mittels des Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs.1 GG sowie des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzes gemäß Art. 20 GG eine anspruchsbegründende Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum Bürger entfalten können.7 Sofern die Verwaltung eine Vielzahl von Fällen auf Grundlage einer Verwaltungsvorschrift entscheidet und dabei dieselben Entscheidungsmaßstäbe ansetzt, entsteht eine Verwaltungspraxis, durch die sich die Verwaltung selbst bindet. Der Bürger kann auf diese sogenannte Selbstbindung der Verwaltung über Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit gleichgelagerten Fällen im Rahmen der verfügbaren Hausmittel herleiten. Die Verwaltung kann von der Verwaltungspraxis gegebenenfalls nur abweichen, wenn hierfür ein rechtfertigender sachlicher Grund besteht.8 Erst mit 60 Jahren aus dem Bergbauunternehmen ausscheidende Arbeitnehmer könnten nur dann über die Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten und bis zum 65. Lebensjahr Anpassungsgeld erhalten, wenn die Verwaltung das Anpassungsgeld regelmäßig nicht nur bis zum frühestmöglichen Beginn einer Altersrente gewähren würde. 4 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Auflage, 2011, § 24 Rn. 3. 5 BVerwGE 72, 300, 320; Bull/Mehde (vgl. Fn. 3), § 24 Rn. 8 - 10. 6 Hessischer VGH, Urteil vom 20. Dezember 2011, Az. 10 A 201/1; Maurer (vgl. Fn. 4), § 24 Rn. 10. 7 BVerwG NVwZ 1998, 273; Hessischer VGH (vgl. Fn. 6). 8 Maurer (vgl. Fn. 4), § 24 Rn. 21; Ossenbühl (vgl. Fn. 3), § 65 Rn. 45; Hessischer VGH (vgl. Fn. 6). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/16 Seite 7 4. Restriktive Anwendung der APG-Richtlinie Aus der Verwaltungspraxis des BAFA ergibt sich, dass für die Gewährung von Anpassungsgeld durchgängig von einem frühestmöglichen Rentenbeginn unter Berücksichtigung von Rentenabschlägen ausgegangen wird. Begründet wird dies unter anderem mit Ziffer 5.1 Buchst. a) der APG-Richtlinie, wonach ein Anpassungsgeld von dem Zeitpunkt an nicht mehr zu gewähren ist, von dem ab ein Anspruch auf Altersrente besteht. Anträgen auf Gewährung von Anpassungsgeld über den frühestmöglichen Rentenbeginn hinaus bis zum 65. Lebensjahr, wird daher generell nicht entsprochen. Eine Gewährung von Anpassungsgeld über den frühestmöglichen Rentenbeginn hinaus könne laut BAFA und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus Gleichbehandlungsgründen und der Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht erfolgen. Infolgedessen sind auch die von der Beendigung der Steinkohlesubventionierung betroffenen Arbeitnehmer, die beispielsweise erst mit 60 Jahren aus dem Bergbauunternehmen ausscheiden, entgegen Ziffer 3.1.3 der APG- Richtlinie durch die geübte Verwaltungspraxis gezwungen, Rentenabschläge in Kauf zu nehmen und bei der Beantragung von Anpassungsgeld eine entsprechende Erklärung abzugeben. Die ausschließliche Gewährung von Anpassungsgeld bis längstens zum frühestmöglichen Beginn einer Altersrente ist gleichwohl nicht stringent, da Ziffer 5.1 Buchst. a) der APG-Richtlinie nicht losgelöst von der Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitnehmers aus Ziffer 3.1.3 betrachtet werden kann, die auch nur eine zum regulären Rentenbeginn zu zahlende abschlagfreie Altersrente vorsieht . Ziffer 5.1 Buchst. a) der APG-Richtlinie sieht zwar vor, Anpassungsgeld von dem Zeitpunkt an nicht mehr zu gewähren, von dem ab ein Anspruch auf Altersrente besteht, jedoch muss dies nicht zwingend der frühestmögliche Rentenbeginn sein. Ein Rentenanspruch entsteht gemäß § 40 Abs. 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I), sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen . Dies sind materiell-rechtlich gemäß § 34 Abs. 1 SGB VI die Erfüllung der maßgeblichen Wartezeit als Mindestversicherungszeit und die Vorlage der jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen. Ferner setzt ein Rentenanspruch gemäß § 19 Satz 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) formell-rechtlich die rechtswirksame Antragstellung voraus. Insoweit kann das Anpassungsgeld in Übereinstimmung mit der APG- Richtlinie auch über den frühestmöglichen Rentenbeginn hinaus gewährt werden, solange die berechtigte Person keine vorzeitige Altersrente beansprucht, also keinen entsprechenden Rentenantrag stellt, selbst wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Die Gewährung von Anpassungsgeld ist somit zeitlich lediglich durch die in Ziffer 3.1.2 der APG-Richtlinie genannte Höchstdauer von fünf Jahren begrenzt. Diese Sichtweise korrespondiert auch mit Ziffer 3.1.3 der APG-Richtlinie, nach der nur bei entsprechender Einverständniserklärung der Antrag stellenden Person vom frühestmöglichen Rentenbeginn auszugehen ist. Gegebenenfalls werden die aus der vorzeitigen Inanspruchnahme folgenden Rentenabschläge bewusst in Kauf genommen. Ist dies nicht der Fall, kann nur die Gewährung von Anpassungsgeld bis zum Beginn einer rechtzeitig in Anspruch genommenen Altersrente , hier ab Vollendung des 65. Lebensjahres, in Betracht kommen. Auch aus dem der APG-Richtlinie zugrunde liegenden § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG ergibt sich nichts anderes. Danach kann von zuvor über Tage Beschäftigten Anpassungsgeld für längstens Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/16 Seite 8 fünf Jahre bezogen werden, wenn sie mindestens 57 Jahre alt sind. Das heißt, ein Bezug von Anpassungsgeld für bis zu fünf Jahre wäre auch für ausgeschiedene Arbeitnehmer möglich, die bereits älter als 57 Jahre sind. Weder § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG noch die APG-Richtlinie sprechen gegen einen späteren Bezug von Anpassungsgeld vom 60. bis zum 65. Lebensjahr. Zu beachten ist allerdings, dass auch bei Erfüllung der in den APG-Richtlinien genannten Voraussetzungen kein Rechtsanspruch auf die Zahlung von Anpassungsgeld besteht und die Gewährung letztlich im Ermessen der Bewilligungsbehörde steht. 5. Rechtmäßigkeit der Gewährung von Anpassungsgeld nur bis zum frühestmöglichen Beginn einer Altersrente Die Entscheidung im Ermessen der Behörde ergibt sich aus der Formulierung des § 5 Abs. 1 SteinkohleFinG. Danach kann Anpassungsgeld bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen gewährt werden. Der Gesetzgeber hat der Verwaltung insoweit einen Ermessensspielraum zugebilligt . Dem entspricht auch Ziffer 1.2 der APG-Richtlinien, nach der das BAFA über die Gewährung von Anpassungsgeld auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der hierfür zur Verfügung stehenden haushaltsmäßigen Ermächtigungen des Bundes und des jeweils beteiligten Landes zu entscheiden hat. Das BAFA übt das ihm zugestandene Ermessen innerhalb des Ermessensspielraums sehr eng aus und gewährt Anpassungsgeld generell nur bis längstens zum Beginn der frühestmöglichen, gegebenenfalls um einen Abschlag verminderten Altersrente. Rechtswidrig wäre diese Verwaltungspraxis nur, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren sieht in § 114 der Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO) eine Überprüfung des Ermessensgebrauchs vor. Dabei können die Ermessenserwägungen von der Verwaltung noch ergänzt werden. Die Behörde beruft sich auf die gebotene wirtschaftliche und sparsame Verwendung der verfügbaren Mittel ohne den Zweck der gesetzlichen Regelung außer Acht zu lassen, nämlich die Anpassung des Steinkohlenbergbaus sozialverträglich zu gestalten und möglichst viele ältere Arbeitnehmer , die aus Anlass einer Stilllegungs- oder Rationalisierungsmaßnahme ihren Arbeitsplatz verlieren, bis zum Beginn einer Altersrente finanziell abzusichern. Aus dem Bergbauunternehmen ausscheidende ältere Arbeitnehmer können auch nicht ohne Weiteres darauf vertrauen auf der Grundlage der APG-Richtlinien bis zum 65. Lebensjahr Anpassungsgeld zu erhalten, da sich die Verwaltung durch ihr bisheriges Handeln nicht selbst gebunden hat und Anpassungsgeld generell nur bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn gewährt. Eine abweichende Ausübung des Ermessens mit dem Bezug auf den regulären Rentenbeginn wäre zwar durchaus vorstellbar, die restriktive Verwaltungspraxis des BAFA dürfte aber vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung noch innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegen und dem Zweck der Ermächtigung entsprechen, da auch sachfremde Erwägungen nicht ersichtlich sind. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt nicht vor, da die restriktive Anwendung der APG-Richtlinie gleichermaßen für alle Arbeitnehmer des Bergbaus gilt. Damit ist von einem rechtmäßigen Ermessensgebrauch auszugehen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 044/16 Seite 9 6. Fazit Die Verwaltungspraxis des BAFA steht nur scheinbar im Widerspruch zu den Vorgaben der APG- Richtlinie. Diese sieht über Ziffer 3.1.3 durchaus vor, Anpassungsgeld bis zum regulären Beginn einer abschlagfreien Altersrente zahlen zu können. Dennoch wird ein Anpassungsgeld an ältere aus einem Bergbauunternehmen ausscheidende Arbeitnehmer aufgrund des sehr restriktiven Ermessensgebrauchs längstens bis zum Beginn der frühestmöglichen Rente gezahlt, so dass aufgrund des vorzeitigen Rentenbezugs ein Rentenabschlag hinzunehmen ist. Nach dem Wortlaut der APG-Richtlinie könnten bei unvoreingenommenen Betrachtern unberechtigte Erwartungen geweckt werden. So geht die Formulierung der Ziffer 3.1.3, nach der die antragstellende Person den Eintritt in den Ruhestand so gestalten kann, dass keine Rentenabschläge hinzunehmen sind, ins Leere. Dies ist im Sinne einer bürgernahen Verwaltung nicht akzeptabel . Soweit eine Änderung der Verwaltungspraxis nicht beabsichtigt ist, würde eine Änderung der APG-Richtlinien dahingehend, dass generell vom frühestmöglichen Rentenbeginn auszugehen ist, dafür sorgen, Unsicherheiten im Vorfeld zu beseitigen. Ende der Bearbeitung