© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 043/21 Geltung tarifvertraglicher Normen für nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 043/21 Seite 2 Geltung tarifvertraglicher Normen für nicht-tarifgebundene Arbeitnehmer Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 043/21 Abschluss der Arbeit: 20. Mai 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 043/21 Seite 3 1. Einleitung Ein Tarifvertrag besteht in der Regel aus einem obligatorischen Teil, der Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien bestimmt, und einem normativen Teil, der Rechtsnormen enthält, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können. 2. Normative Wirkung bei tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Die auf das Einzelarbeitsverhältnis bezogenen Rechtsnormen eines Tarifvertrages gelten nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die beiderseits tarifgebunden sind. Tarifgebunden sind nach den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes1 die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber , wenn er selbst Partei des Tarifvertrages ist. Zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gelten die Tarifnormen unmittelbar und zwingend. Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (sogenanntes Günstigkeitsprinzip ). 3. Geltungserstreckung auf Außenseiter 3.1. Allgemeinverbindlicherklärung Mit dem im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Tarifnormen auf nichttarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber (sogenannte Außenseiter) erstrecken. Voraussetzung ist, dass dies im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Das ist nach den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes in der Regel der Fall, wenn der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt. Die Allgemeinverbindlicherklärung muss von den Tarifvertragsparteien gemeinsam beantragt werden und kann nur im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss erfolgen, der aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt, so erfassen seine Rechtsnormen alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer in seinem Geltungsbereich. 1 Tarifvertragsgesetz, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/tvg/ (Abruf: 19. Mai 2021). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 043/21 Seite 4 3.2. Mindestarbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz Ein weiteres Instrument zur Erstreckung tarifvertraglicher Normen auf Außenseiter bietet das Arbeitnehmer -Entsendegesetz2. Danach kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Normen bundesweit geltender branchenbezogener Tarifverträge über Mindestarbeitsbedingungen durch Rechtsverordnung auf alle unter seinen Geltungsbereich fallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstrecken. Voraussetzung dafür ist auch hier ein gemeinsamer Antrag der Tarifvertragsparteien. Die Erstreckung muss außerdem im öffentlichen Interesse geboten erscheinen, um die Ziele des Arbeitnehmer -Entsendegesetzes, die Schaffung und Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer sowie die Gewährleistung fairer und funktionierender Wettbewerbsbedingungen, zu erreichen. Bei der Erstreckung im Wege der Rechtsverordnung werden die Tarifvertragsnormen allerdings aus dem tarifvertraglichen Zusammenhang gelöst und in unmittelbare staatliche Rechtsetzung überführt. 3.3. Bezugnahme im Arbeitsvertrag Im Übrigen können Normen eines Tarifvertrags für Außenseiter einzelvertragliche Wirkung entfalten , wenn im Arbeitsvertrag eine Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag oder Teile davon enthalten ist. Der in Bezug genommene Tarifvertrag wird auf diesem Wege unabhängig von einer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers ganz oder teilweise Bestandteil des Arbeitsvertrages. 4. Wahrnehmung von Rechten aus einem Tarifvertrag Soweit die tarifvertraglichen Rechtsnormen Anwendung finden, unterliegt die Wahrnehmung von Rechten daraus keinerlei Beschränkung. Auch nichtorganisierte Arbeitnehmer können sie in vollem Umfang geltend machen. Ihre Wahrnehmung wie auch die gerichtliche Durchsetzung sind auch nicht gebühren- oder entgeltpflichtig. Arbeitnehmer, die nicht Gewerkschaftsmitglieder sind, können freilich die in den Satzungen der Gewerkschaften regelmäßig vorgesehenen Mitgliedschaftsrechte auf Beratung oder gerichtliche Vertretung nicht wahrnehmen. *** 2 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz), abrufbar (auch auf Englisch ) unter: https://www.gesetze-im-internet.de/aentg_2009/ (Abruf: 19. Mai 2021).