© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 041/21 Kernpunkte der Überleitung der Sozialpflichtversicherung der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 2 Kernpunkte der Überleitung der Sozialpflichtversicherung der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 041/21 Abschluss der Arbeit: 20. Mai 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage zur Vereinheitlichung der Alterssicherungssysteme 4 2. Grundlagen Rentensystem DDR 4 3. Grundlagen des heutigen Rentensystems 5 4. Rentenanwartschaft und Rentenanspruch 6 5. Grundlagen der Rentenüberleitung 6 6. Überführung der Bestandsrentenansprüche 7 7. Überführung der Rentenanwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung 8 8. Vertrauensschutzregelungen für zum Zeitpunkt der Rentenüberleitung rentennahe Versicherte 9 9. Systembedingte sogenannte Überführungslücken 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 4 1. Ausgangslage zur Vereinheitlichung der Alterssicherungssysteme Zwischen den Rentensystemen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland bestanden vor der Rentenüberleitung grundsätzliche Unterschiede. Im Gegensatz zur früher nur in der Bundesrepublik geltenden bruttolohnbezogenen dynamischen Rentenversicherung waren die Rentenleistungen der Sozialpflichtversicherung der DDR vorwiegend auf eine statische Mindestsicherung orientiert, die durch die Zahlung von Beiträgen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) aufgestockt werden konnte.1 Ferner existierte eine Reihe von Zusatz- und Sonderversorgungssytemen , wie z. B. die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI) aus dem Jahre 1950.2 Während die gesetzliche Rentenversicherung in Westdeutschland in erster Linie auf dem Prinzip der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen beruhte, war für die Sozialpflichtversicherung der DDR das Fürsorge- und Versorgungsprinzip vorherrschend. Dem geringen Rentenniveau standen in der DDR hohe staatliche Subventionen für Grundnahrungsmittel und Wohnraum gegenüber . 2. Grundlagen Rentensystem DDR Die Sozialpflichtversicherung beinhaltete für die Beschäftigten in der DDR neben der Krankenversorgung auch die Absicherung gegen Alter und Invalidität. Die Spreizung der Löhne und Renten zwischen Gering- und Besserverdienenden war im planwirtschaftlichen Wirtschaftssystem nur wenig ausgeprägt. Im Unterschied zur gesetzlichen Rentenversicherung in Westdeutschland mit einer regelmäßigen Anpassung an die Entwicklung der Löhne und Gehälter kam es bei den statischen Rentenleistungen der Sozialpflichtversicherung der DDR weniger auf die tatsächliche Beitragsleistung an. Rentenerhöhungen fanden nur gelegentlich statt und folgten weder der Preis- noch der Lohnentwicklung. Vergleichbar ist die Alterssicherung der DDR mit der bis 1956 in Westdeutschland bestehenden gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 16 Abs. 2 der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 und vorhergehenden Regelungen war bis zum 30. Juni 1990 lediglich ein monatlicher Verdienst in Höhe von 600 Mark beitragspflichtig. Erst durch Einführung der FZR ab 1. März 1971 konnten auch für einen darüber hinausgehenden Verdienst Beiträge gezahlt werden, aus denen gegebenenfalls eine Zusatzrente gewährt werden konnte. Die Rentenhöhe aus der Sozialpflichtversicherung wurde durch die Beiträge zur FZR nicht beeinflusst . Anspruch auf Altersrente bestand gemäß § 3 der Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (1. Renten-VO) vom 23. November 1979 bei Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer, wenn mindestens 15 Jahre tatsächliche oder fiktive versicherungspflichtige Tätigkeit zurückgelegt worden sind. Witwen- und Witwerrenten waren gemäß §§ 19, 20 der 1. Renten-VO grundsätzlich nur für zwei Jahre zu gewähren. 1 Hierzu näher: Ritter, Gerhard A. (2010): Die Rentenversicherung im Prozess der deutschen Wiedervereinigung. In: Eichenhofer-Rische-Schmähl (Hrsg.), Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, Kapitel 3, Köln: Luchterhand. 2 Vgl. Anlage 1 Nr. 20 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 5 Die Höhe der Rente aus der Sozialpflichtversicherung beruhte gemäß §§ 5 ff. der 1. Renten-VO vor allem auf der Anzahl an Arbeitsjahren aus tatsächlicher oder fiktiver versicherungspflichtiger Tätigkeit und bestimmter Zurechnungszeiten, die insbesondere für Frauen in Betracht kamen. Die monatliche Rente ergab sich gemäß § 19 der Vierten Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung (4. Renten-VO) vom 8. Juni 1989 aus dem von der Anzahl der Arbeitsjahre abhängigen Festbetrag und dem Steigerungsbetrag. Bei 40 und mehr Arbeitsjahren betrug der Festbetrag zuletzt 210 Mark. Der Steigerungsbetrag ergibt sich aus der Vervielfältigung des in den letzten 20 Jahren erzielten beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienstes , der Anzahl der Arbeitsjahre und dem Steigerungssatz von regelmäßig einem Prozent.3 Bei 50 Arbeitsjahren und einem häufig erreichten Durchschnittslohn in den letzten 20 Jahren von 600 Mark ergab sich so ein Steigerungsbetrag von (50 x 600 x 1% =) 300 Mark. Die monatliche Höchstrente aus der Sozialpflichtversicherung berechnete sich somit aus dem Festbetrag von 210 Mark zuzüglich dem Steigerungsbetrag von 300 Mark und lag bei 510 Mark. Gegebenenfalls erhöhten sich die Rentenbeträge bei entsprechender Beitragszahlung zur FZR. In Abhängigkeit der Anzahl der Arbeitsjahre waren Mindestrenten zu gewähren. Bei mindestens 45 Arbeitsjahren betrug die monatliche Mindestrente gemäß § 2 der 4. Renten-VO 470 Mark. 3. Grundlagen des heutigen Rentensystems Das System der seit der Rentenreform 1992 im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelten bruttolohnbezogenen dynamischen Rentenversicherung wurde in Westdeutschland 1957 eingeführt . Seitdem richtet sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Für die Rentenberechnung ist gemäß §§ 63 ff. SGB VI die gesamte Erwerbsbiographie und nicht nur etwa die letzten 20 Jahre vor Renteneintritt heranzuziehen. Die in der Anlage 2 SGB VI für die einzelnen Jahre bestimmte Beitragsbemessungsgrenze, bis zu der Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen versichert sind, beträgt heute etwa das Doppelte des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten . Anspruch auf Regelaltersrente besteht gemäß §§ 35, 235 SGB VI nach mindestens fünf Jahren Beitragszahlung für vor 1948 geborene Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Altersgrenze wird seit dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2029 stufenweise auf das 67. Lebensjahr angehoben. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein vorzeitiger Bezug einer Altersrente gemäß §§ 36 ff., 236 ff. SGB VI möglich. Auf Witwen- und Witwerrenten ist gemäß § 97 SGB VI eigenes Einkommen anzurechnen. Für bestimmte Tatbestände sind gemäß §§ 57 ff., 249 ff. SGB VI auch rentenrechtliche Zeiten anzurechnen , für die eine Beitragszahlung nicht erfolgt ist. Für die Rentenberechnung wird das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Die Durchschnittsentgelte der einzelnen Kalenderjahre sind in der Anlage 1 zum SGB VI aufgeführt. Mit der Gesamtleistungsbewertung werden für beitragsfreie Zeiten Entgeltpunkte ermittelt, deren 3 Für besondere Personengruppen wie beispielsweise Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen betrug der Steigerungssatz 1,5 Prozent. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 6 Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist. Der Monatsbetrag einer rechtzeitig in Anspruch genommenen Altersrente ergibt sich, indem die Summe der in den einzelnen Jahren aus den versicherten Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen errechneten Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt wird. Der aktuelle Rentenwert wird entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter unter Berücksichtigung der Veränderung des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung und dem Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenempfängern jährlich zum 1. Juli angepasst und beträgt derzeit 34,19 Euro.4 Nach 45 Jahren mit einem in Westdeutschland versicherten Verdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts beträgt die monatliche Bruttorente als Standardrente zurzeit (45 x 34,19 Euro =) 1.538,55 Euro. 4. Rentenanwartschaft und Rentenanspruch Soweit Versicherte durch die Zahlung von Beiträgen rentenrechtliche Zeiten zurücklegen, erwerben sie Anwartschaften auf eine spätere Rentenzahlung in bestimmbarer Höhe. Bei Erfüllung der materiell- und formellrechtlichen Voraussetzungen wie das Erreichen eines bestimmten Lebensjahres sowie der entsprechenden Antragstellung erwächst aus den erworbenen Rentenanwartschaften der Anspruch auf die laufende monatliche Rentenzahlung. Insoweit waren bei der Rentenüberleitung die in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften als auch die bereits bestehenden Rentenansprüche in das bruttolohnbezogene dynamische Rentenversicherungssystem zu überführen. Von den Rentenversicherungsträgern im Rahmen der Kontenklärung oder im Rahmen der Rentenantragstellung festgestellte rentenrechtliche Zeiten werden zum Einen für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch erfüllt sind, und zum Anderen für die Ermittlung des monatlichen Rentenzahlbetrags in der Rentenberechnung herangezogen. 5. Grundlagen der Rentenüberleitung Grundsätze und Maßgaben für die Rentenüberleitung sind bereits mit den zwischen beiden deutschen Staaten geschlossenen Staatsverträgen vorgegeben worden. Bereits Artikel 20 des Staatsvertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 sah die Angleichung der in der DDR geltenden Regelungen zur Alterssicherung an das in der Bundesrepublik bestehende Rentenrecht und die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung vor. Artikel 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 enthält die Aufforderung an den gesamtdeutschen Gesetzgeber, die erforderlichen Vorschriften für die Überleitung des SGB VI auf die neuen Länder zu schaffen. Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, sollten aus Vertrauensschutzgründen eine Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags erhalten, der sich am 30. Juni 1990 aus der Sozialversicherung der DDR ergeben hätte. Eine Angleichung der Renten in Ost und West sollte erst mit der Angleichung der Löhne und Gehälter verwirklicht werden. 4 § 1 der Rentenwertbestimmungsverordnung 2020 vom 8. Juni 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 7 Die Vorgaben aus dem Einigungsvertrag wurden mit dem Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) umgesetzt und sämtliche staatliche Alterssicherungssysteme der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung überführt.5 Artikel 1 RÜG enthielt die für die Rentenüberleitung erforderlichen Regelungen des SGB VI sowohl für Bestandsrenten als auch für Renten, die ab 1. Januar 1992 beginnen. Das Übergangsrecht mit den Vertrauensschutzregelungen wurde in Artikel 2 RÜG geregelt. Dabei wurde der Zeitraum, für den rentennahen Jahrgängen ein Vertrauensschutz zu gewähren war, während des Gesetzgebungsverfahrens zum RÜG über den im Einigungsvertrag genannten Termin 30. Juni 1995 hinaus, für Renten, die bis zum 31. Dezember 1996 begannen, verlängert.6 Für die Anwendung des Vertrauensschutzes wird auf den Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der DDR zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Staatsvertrags am 18. Mai 1990 abgestellt. Die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung enthält Artikel 3 RÜG als Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Bis zur Angleichung der Löhne und Gehälter gelten für die auf in Ostdeutschland zurückgelegten Zeiten beruhenden Renten gemäß §§ 228a, 228b, 254b ff. SGB VI besondere Berechnungswerte. Durch das mit der Rentenüberleitung eingeführte Verfahren ist gewährleistet, dass Durchschnittsverdiener und Versicherte mit vergleichbarer Erwerbsbiographie in Ost und West nach erfolgter Angleichung der noch unterschiedlichen Berechnungswerte gleich hohe Rentenbeträge zu erwarten haben. Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt zurzeit 33,23 Euro. Als Standardrente (Ost) ergeben sich brutto (45 x 33,23 Euro =) 1.495,35 Euro. Das Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz) vom 17. Juli 2017 sieht eine schrittweise Angleichung der unterschiedlichen Berechnungswerte der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2025 vor.7 6. Überführung der Bestandsrentenansprüche Bereits zur Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 wurden die in der DDR gezahlten Bestandsrenten an das in Westdeutschland bestehende Rentenversicherungssystem angeglichen. In einem pauschalen Berechnungsverfahren wurde die Höhe der Renten ausgehend von Versicherten mit einem durchschnittlichen Verdienst und 45 Arbeitsjahren auf 70 Prozent des durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienstes in der DDR entsprechend dem westdeutschen Nettorentenniveau nach Maßgabe des Rentenangleichungsgesetz (RAnglG) vom 28. Juni 1990 festgesetzt. Die Anhebungssätze waren nach dem Jahr des Rentenzugangs sowie nach der Anzahl der Arbeitsjahre gestaffelt und sahen eine vorherige Beitragszahlung zur FZR vor. In der Folge sind die Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR zum 1. Januar 5 Kerschbaumer, Judith (2011): Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, S. 94 ff., Wiesbaden: VS-Verl. 6 Vgl. Bundestagsdrucksache 12/837. 7 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz), Bundestagsdrucksache 18/11923. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 8 und 1. Juli 1991 entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und Gehälter in Ostdeutschland um jeweils 15 Prozent erhöht worden.8 Nach den Vorschriften der Sozialpflichtversicherung der DDR gezahlte Renten wurden zum 1. Januar 1992 gemäß § 307a SGB VI maschinell umgewertet, in dem aus den der Rentenzahlung zugrundeliegendem beitragspflichtigen Durchschnittseinkommen der letzten 20 Jahre und der Anzahl an Arbeitsjahren Entgeltpunkte ermittelt wurden. Dabei ergaben sich die durchschnittlichen Entgeltpunkte je Arbeitsjahr aus dem Verhältnis des individuellen unter Berücksichtigung der FZR versicherten Gesamteinkommens der letzten 20 Jahre zum Gesamtdurchschnittseinkommen aller Versicherten im selben 20-Jahreszeitraum. Der Monatsbetrag der umgewerteten Rente ergab sich aus der Vervielfältigung der errechneten Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert (Ost). Die umgewertete Rente war gemäß § 315a SGB VI gegebenenfalls um einen Auffüllbetrag zu erhöhen, so dass die Rentenhöhe mindestens in dem Monat Dezember 1991 gezahlten Betrag erreichte. Die Auffüllbeträge wurden ab 1996 bei jeder Rentenanpassung zu einem Fünftel, mindestens jedoch um 20 DM abgeschmolzen. Die zum Zeitpunkt der Rentenüberleitung umgewerteten Bestandsrentenansprüche werden seitdem als Renten nach dem SGB VI geleistet und sind insoweit in das bruttolohnbezogene dynamische Rentenversicherungssystem überführt worden. 7. Überführung der Rentenanwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung Zeiten, für die Beiträge zur Sozialpflichtversicherung der DDR gezahlt worden sind, stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht gemäß § 248 Abs. 3 SGB VI gleich. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung und Zeiten einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit neben dem Bezug einer Altersrente oder einer Versorgung wegen Alters, weil für diese Sachverhalte keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen sind. Zeiten der schulischen Ausbildung können als beitragsfreie Zeit angerechnet werden . Ferner sind Zeiten der freiwilligen Versicherung mit Beiträgen in zu geringer Höhe von der Gleichstellung mit Beitragszeiten nach Bundesrecht ausgenommen. Im Rahmen der Rentenüberleitung sollten freiwillige Beiträge nur dann zu einer dynamischen Rentenleistung führen, wenn sie auf einer Beitragsbemessungsgrundlage beruhen, die bei Beschäftigten zur Versicherungspflicht geführt hätte.9 Die Abgeltung dieser in zu geringer Höhe gezahlten freiwilligen Beiträge erfolgt durch statische Steigerungsbeträge nach den Grundsätzen der Höherversicherung gemäß § 269 Abs. 1 SGB VI. Die dem Bundesrecht gleichstehenden Beitragszeiten sind für die Prüfung der Voraussetzungen für einen Rentenanspruch und die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente heranzuziehen. Dabei ergeben sich die Entgeltpunkte aus dem Verhältnis des versicherten Verdienstes zum Durchschnittsverdienst. Die zur Sozialpflichtversicherung der DDR gezahlten Beiträge werden in der Art berücksichtigt, dass der ihnen zugrunde liegende Verdienst gemäß § 256a SGB VI in die Rentenberechnung nach 8 Staatsvertrag mit der DDR und gesetzliche Rentenversicherung, Broschüre der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, 1990, S. 59 ff. 9 Vgl. Bundestagsdrucksache 12/405, S. 125. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 9 dem SGB VI einfließt. Dabei erfolgt eine pauschale Hochwertung auf einen fiktiven in Westdeutschland erzielten Verdienst der Anlage 10 SGB VI. Für jedes Jahr mit einem durchschnittlichen Verdienst ergibt sich so ein Entgeltpunkt. Aus der niedrigen monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von nur gleichbleibend 600 Mark folgen aus den hieraus ermittelten Entgeltpunkten dennoch nur relativ geringe Rentenbeträge. Für einen über 600 Mark hinausgehenden Verdienst sind nur Entgeltpunkte zu ermitteln, wenn auch Beiträge zur FZR gezahlt wurden. Rund 80 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung waren in der FZR versichert.10 Rentenrechtliche Zeiten, denen eine Beitragszahlung nicht zugrunde liegt, sind unabhängig davon , ob sie in Ost- oder Westdeutschland zurückgelegt worden sind, gemäß §§ 57 ff., 252 ff. SGB VI anzurechnen. Hinzu kommen Anrechnungszeiten gemäß § 252a SGB VI für besondere Sachverhalte in Ostdeutschland. Die Bewertung erfolgt im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung . 8. Vertrauensschutzregelungen für zum Zeitpunkt der Rentenüberleitung rentennahe Versicherte Für Renten, die in den Jahren 1992 bis 1996 begonnen haben, war durch Vertrauensschutzregelungen sichergestellt, dass mindestens eine Rente gezahlt wurde, die sich nach den in der DDR früher geltenden Regelungen zum 31. Dezember 1991 ergeben hätte. Zu diesem Zweck finden sich die Regelungen der 1. bis 4. Rentenverordnung und des RanglG sowie die Rentenanpassungen zum 1. Januar und 1. Juli 1991 in Artikel 2 RÜG wieder. Waren die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nach dem SGB VI nicht gegeben, konnte unter Umständen eine Rente nach Artikel 2 RÜG gewährt werden. Dies konnte unter anderem bei Frauen aufgrund der günstigeren Berücksichtigung der Kindererziehung der Fall sein. Bestand auch ein Rentenanspruch nach dem SGB VI war mindestens die Rentenhöhe aus Artikel 2 RÜG zu gewähren. Gegebenenfalls war die Rente nach dem SGB VI um die Differenz zu erhöhen . Die Rentenzugänge in den Jahren 1992 und 1993 erhielten gemäß § 319a SGB VI einen Rentenzuschlag , der dem Auffüllbetrag bei den umgewerteten Bestandsrenten entsprach und ebenfalls ab 1996 bei jeder Rentenanpassung zu einem Fünftel, mindestens jedoch 20 DM, abgeschmolzen wurde. Bei Rentenbeginn in den Jahren 1994 bis 1996 wurde gemäß § 319b SGB VI ein Übergangszuschlag in Höhe der Differenz gewährt, wenn die Rente nach Artikel 2 RÜG höher als die Rente nach dem SGB VI war. Übergangszuschläge waren im Gegensatz zu Auffüllbeträgen und Rentenzuschlägen bereits ab Juli 1994 mit den Rentenanpassungen verrechnet. Die Rentenüberleitung ist für Rentenansprüche ab 1997 durch die Berücksichtigung der zur Sozialpflichtversicherung der DDR zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten abgeschlossen. Diese sind nur noch nach Maßgabe des SGB VI zu gewähren. 10 Kerschbaumer, Judith, vgl. Fn 4, S. 62. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 10 9. Systembedingte sogenannte Überführungslücken Der größte Teil der Rentenberechtigten dürfte wohl zu den Gewinnern der deutschen Einheit gehören .11 Nach der Wende erhöhten sich die ostdeutschen Renten aufgrund der Dynamisierung rasch in kurzen Abständen erheblich. Die der Rentenberechnung in Ostdeutschland zugrunde liegenden Werte erreichten zehn Jahre nach der Wiedervereinigung 87 Prozent der für Westdeutschland geltenden Werte.12 In der danach folgenden Zeit hat sich der Angleichungsprozess entsprechend dem immer noch geringeren Lohnniveau in Ostdeutschland verlangsamt; er wird nunmehr nach dem Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz schrittweise vorgezogen. Auch wenn die Rentenüberleitung im Wesentlichen den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Gewährleistungen in ausreichendem Maße Rechnung getragen hat und für die große Mehrheit der Rentenversicherten in Ostdeutschland von Vorteil ist, gibt es Personengruppen, für die sich nach der Rentenüberleitung meist aus systematischen Gründen nur geringere Rentenbeträge als erwartet ergeben. Auf Bund- und Länderebene wird aktuell diskutiert, Nachteile, die Personen aus einer sogenannten Überführungslücke entstanden sind, über eine Fondslösung auszugleichen.13 Hinsichtlich der heute aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erbringenden Rentenzahlungen machen in erster Linie folgende Personenkreise Nachteile für in der DDR zurückgelegte Zeiten geltend:14 Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen, in der DDR Geschiedene, Bergleute in der Braunkohleveredelung (Carbochemie), Personen, die ihre Angehörigen gepflegt haben, nicht versicherte Land- und Forstwirte, Handwerker und andere Selbständige sowie für deren mithelfende Familienangehörige, Absolventen von zweiten Bildungswegen und Aspiranten, ins Ausland mitreisende Eheleute und in zu geringer Höhe freiwillig Versicherte. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Fallkonstellationen, die sich erfolglos mit Petitionen an den Deutschen Bundestag gewandt oder den Rechtsweg beschritten haben. So erhielten beispielsweise Ballettmitglieder, die ihren Beruf in kulturellen Einrichtungen ausübten, in der DDR vorzeitige berufsbezogene Leistungen, die im Rahmen der Rentenüberleitung unberücksichtigt blieben. Auch frühere Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn haben über die sich aus dem SGB VI ergebende Rentenzahlung hinausgehende Beträge geltend gemacht. 11 Ritter, Fn. 1, Rn. 60. 12 Rentenversicherung in Zeitreihen, vgl. Fn. 8, S. 257. 13 U.a. MDR Ratgeber. Härtefallfonds: Nur 2556,46 Euro als Einmalzahlung?, abrufbar im Internet unter https://www.mdr.de/ratgeber/finanzen/ddr-zusatzrenten-haertefallfonds-einmalzahlung-100.html, zuletzt abgerufen am 20. Mai 2021. 14 Beispielhaft Bundestagsdrucksache 17/7393, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 041/21 Seite 11 Nach den vom Bundesverfassungsgericht zur Rentenüberleitung vorgegebenen Leitlinien war der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehalten, strukturelle Besonderheiten des Sozialversicherungssystems der DDR im gesamtdeutschen Rentenrecht zu berücksichtigen. Der ihm zustehende weite Gestaltungsspielraum schließt auch die Befugnis ein, rentenrechtliche Positionen umzugestalten, wenn und soweit es der Rechtseinheit dient. Rentenansprüche und -anwartschaften unterliegen zwar dem Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG. Dennoch ergibt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers, das Altersversorgungssystem der DDR beizubehalten. Der gesamtdeutsche Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Schließlich haben weder das Grundgesetz noch der Einigungsvertrag auferlegt, Versicherten die Vorteile des gesamtdeutschen Rentenversicherungsrechts zu gute kommen zu lassen und dabei die strukturellen Vorteile der Sozialversicherung der DDR zu erhalten.15 *** 15 Kerschbaumer, Judith, vgl. Fn 4, S. 133 mit Verweisen zur Rechtsprechung.