© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 040/20 Sozialversicherungsfreiheit kurzzeitiger Beschäftigungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 2 Sozialversicherungsfreiheit kurzzeitiger Beschäftigungen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 040/20 Abschluss der Arbeit: 19. Mai 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Historische Entwicklung der Versicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen seit den Anfängen der Sozialversicherung 4 2. Fortgang der Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen im Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) 4 2.1. Zeitraum 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1978 5 2.2. Zeitraum 1. Januar 1979 bis 31. März 2003 5 2.3. Zeitraum 1. April 2003 bis 31. Dezember 2012 6 2.4. Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 6 3. Aktuelle Regelungen zur Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen 6 4. Steuerliche Aspekte kurzfristiger Beschäftigung 7 5. Hintergrund und Normzweck der Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 4 1. Historische Entwicklung der Versicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen seit den Anfängen der Sozialversicherung In der Regel unterliegen abhängig Beschäftigte in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht. Anknüpfungspunkt ist hierfür die soziale Schutzbedürftigkeit. Bereits seit Einführung der Sozialversicherung zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es für bestimmte Beschäftigungen Ausnahmen von der Versicherungspflicht. So sah bezogen auf die gesetzliche Rentenversicherung bereits das Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 in § 3 die Versicherungsfreiheit vorübergehender Dienstleistungen vor, die sich nach den Bekanntmachungen des Bundesrates richteten.1 In der Invaliden- und Altersversicherung der Arbeiter war danach die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag für bestimmte Beschäftigungen vorgesehen. Zu befreien war derjenige Antragsteller, der im Kalenderjahr nicht mehr als an 50 einzelnen Tagen Lohnarbeit übernehmen wird. Dabei machte es keinen Unterschied, ob aufgrund eines ständigen Dienstverhältnisses, z.B. als Saisonarbeiter, oder unständig gearbeitet wurde.2 Auch das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20. Dezember 1911 sah in § 10 die Versicherungsfreiheit vorübergehender Dienstleistungen in der Angestelltenversicherung vor.3 Seit der Rentenreform 1957 regelten die § 1228 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Reichsversicherungsordnung und § 4 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz die Versicherungsfreiheit von Nebenbeschäftigungen. Dabei wurde zwischen gelegentlichen Beschäftigungen und Dauerbeschäftigungen mit geringem Lohn unterschieden. Eine gelegentliche Beschäftigung lag vor, wenn die Beschäftigung insbesondere zur Aushilfe, für eine Zeitdauer, die im Laufe eines Jahres nicht mehr als zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage ausgeübt worden ist. Ab 1. Juli 1965 wurde die Höchstdauer mit dem Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 auf drei Monate oder insgesamt 75 Arbeitstage erhöht. 2. Fortgang der Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) Der heute gebräuchliche Begriff der geringfügigen Beschäftigung ist für die Sozialversicherung zum 1. Juli 1977 einheitlich in § 8 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) im Rahmen der Kodifikation des Sozialrechts eingeführt worden. Dabei werden geringfügige Beschäftigungen weiterhin in geringfügig entlohnte Dauerbeschäftigungen und kurzfristige Beschäftigungen differenziert . Die Versicherungsfreiheit ist wie zuvor in den für die Arbeitslosen-, Kranken-, Rentenund Pflegeversicherung jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen geregelt. Für die gesetzliche Unfallversicherung ist die Geringfügigkeitsgrenze ohne Belang, da in ihr jede Beschäftigung 1 Lungwitz, Herbert. Zusammenstellung der Vorschriften und Beiträge der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten einschließlich der Berliner Einheitsversicherung (vor der Rentenreform 1957), herausgegeben von der Landesversicherungsanstalt Berlin, 1960, S. 12. 2 Rosin, Heinrich. Das Recht der Arbeiterversicherung, Berlin, 1905, I. Guttentag Verlagsbuchhandlung, S. 75. 3 Vgl. Fn. 1, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 5 versichert ist.4 In der Regel sind daher – neben der Anmeldung zur Unfallversicherung – für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer nur Umlagebeiträge zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschaft sowie die Insolvenzgeldumlage vom Arbeitgeber zu zahlen . Die Pflicht zur Meldung bei der Mini-Job-Zentrale folgt aus § 28a Abs. 9 SGB IV.5 Die sozialversicherungsrechtliche Regelung der geringfügigen Beschäftigungen dient seit jeher als sozialpolitisches Regulativ, wie bereits die wechselvolle Historie zeigt. Nachfolgend werden die unterschiedlichen Regelungsinhalte des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV für die Geringfügigkeit kurzzeitiger Beschäftigungen nach ihrer jeweiligen Geltungsdauer dargestellt:6 2.1. Zeitraum 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1978 Eine kurzzeitige Beschäftigung lag vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Jahres (nicht Kalenderjahres ) seit ihrem Beginn auf längstens drei Monate (90 Kalendertage) oder fünfundsiebzig Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze überstieg. Damit wurden die bisher für die Kranken- und Rentenversicherung parallel geregelten Tatbestände der Nebenbeschäftigung und Nebentätigkeit in überarbeiteter und vereinfachter Form zusammengefasst.7 2.2. Zeitraum 1. Januar 1979 bis 31. März 2003 Eine kurzzeitige Beschäftigung lag vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Jahres (nicht Kalenderjahres ) seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate (60 Kalendertage) oder fünfzig Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze überstieg. Die Änderung hatte zum Ziel, umfassender als bisher dem hier betroffenen Personenkreis eine soziale Sicherung zu gewährleisten. So sollte zur Verbesserung der eigenständigen Alterssicherung von Frauen beigetragen werden und einem zunehmenden Ausweichen auf geringfügige und damit versicherungsfreie Beschäftigungen entgegengewirkt werden. Die Änderung entsprach damit einem Anliegen des Deutschen Bundestages, das im Rahmen des 20. Rentenanpassungsgesetzes zu einem entsprechenden Prüfungsauftrag an die Bundesregierung geführt hatte. 4 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Übersicht über das Sozialrecht, 16. Auflage 2019, Kapitel 4, Fn 44. 5 Plagemann, Hermann. Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht. § 4 Der (sozial-)versicherte Arbeitnehmer, 5. Auflage 2018, Rn. 59. 6 Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung, § 8 SGB IV: Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit, 2.2 Kurzfristige Beschäftigung, abrufbar im Internet unter https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de/Shared- Docs/rvRecht/01_GRA_SGB/04_SGB_IV/pp_0001_25/gra_sgb004_p_0008.html#doc1576184bodyText5, zuletzt abgerufen am 19. Mai 2020. 7 Bundestagsdrucksache 7/4122, S. 31. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 6 Zur Erreichung des Zieles, der Zunahme geringfügiger, versicherungsfreier Beschäftigungen entgegenzuwirken , sollte im Interesse einer ausgewogenen Regelung neben der Herabsetzung der Entgeltgrenze für geringfügig entlohnte Dauerbeschäftigungen auch der Zeitraum für kurzfristige Beschäftigungen eingeengt werden. Damit wurde gleichzeitig eine Harmonisierung mit der neben dem Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes geltenden zeitlichen Grenze für eine Beschäftigung erreicht.8 2.3. Zeitraum 1. April 2003 bis 31. Dezember 2012 Ausgelöst durch verschiedene parlamentarische Initiativen, insbesondere durch die Ergebnisse der von der Bundesregierung im Jahre 2002 eingesetzten Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sogenannte Hartz-Kommission), wurde die geringfügige Beschäftigung grundlegend geändert und reformiert. Dies betraf jedoch im Wesentlichen die geringfügig entlohnte Dauerbeschäftigung. Eine kurzzeitige Beschäftigung lag nunmehr vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt 400,00 EUR im Monat überstieg. Die mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 eingeführten Änderungen enthielten insoweit hinsichtlich der Höchstdauer für kurzzeitige sozialversicherungsfreie Beschäftigungen im Wesentlichen keine Änderungen.9 2.4. Zeitraum 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 Eine kurzzeitige Beschäftigung lag vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt 450,00 EUR im Monat überstieg. Mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012 wurde unter anderem die Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigungen in Anlehnung an die allgemeine Lohnentwicklung angepasst. Hinsichtlich der Höchstdauer für kurzzeitige sozialversicherungsfreie Beschäftigungen erfolgten keine Änderungen. 3. Aktuelle Regelungen zur Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen Um möglichen Problemen insbesondere bei der Saisonarbeit durch die Einführung des Mindestlohnes Rechnung zu tragen, sind die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung seit dem 1. Januar 2015 ausgeweitet werden. Mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11. August 2014 wurde in § 115 SGB IV zunächst geregelt, dass eine kurzzeitige Beschäftigung vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 vorliegt, 8 Bundestagsdrucksache 8/1734 S. 29, 37. 9 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Übersicht über das Sozialrecht, 16. Auf-lage 2019, Kapitel 4, Fn 43. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 7 wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 EUR im Monat übersteigt. Die Befristung auf vier Jahre erfolgte, um einer generellen Ausweitung der versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung entgegenzutreten.10 In der Landwirtschaft, insbesondere im Sonderkulturbereich, und im Hotel- und Gaststättengewerbe hat Saisonarbeit einen besonders hohen Stellenwert. Für die in diesen Bereichen angesiedelten Betriebe stellt die Möglichkeit, saisonale Arbeitskräfte für drei Monate ohne aufwendigen Personalwechsel kurzfristig beschäftigen zu können, eine spürbare Entlastung dar. Seit der Verlängerung der kurzfristigen Beschäftigung auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage wurden keine sozialpolitisch bedenklichen Entwicklungen festgestellt, die einer Entfristung der erhöhten Zeitgrenzen entgegenstehen würden. Die Anzahl der kurzfristigen Beschäftigungen hat sich in diesem Zeitraum kaum verändert. Die Zeitgrenzen für eine sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung wurden daher in § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV mit dem Qualifizierungschancengesetz vom 21. Dezember 2018 ab 1. Januar 2019 dauerhaft auf drei Monate oder 70 Arbeitstage angehoben .11 Um Problemen bei der Saisonarbeit insbesondere im Bereich der Landwirtschaft durch die Corona-Krise Rechnung zu tragen, wurden die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung mit dem Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020 gemäß § 115 SGB IV (n.F.) für die Zeit vom 1. März 2020 bis einschließlich 31. Oktober 2020 auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen ausgeweitet. Die Maßstäbe für die Prüfung der Berufsmäßigkeit, die für § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV gelten, bleiben unverändert und verschärfen sich durch diese befristete Sonderregelung nicht. Zwar könne laut Gesetzesbegründung eine Beschäftigung, die auf fünf Monate oder 115 Tage befristet ist, grundsätzlich nicht mehr als „kurzfristig“ bezeichnet werden; angesichts der besonderen Herausforderungen durch die Corona-Epidemie werde aber in der befristeten Ausnahmeregelung an der Begrifflichkeit festgehalten.12 4. Steuerliche Aspekte kurzfristiger Beschäftigung Übersteigt die Dauer der Beschäftigung nicht 18 zusammenhängende Arbeitstage kommt gemäß § 40a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) eine pauschale Besteuerung in Höhe von 25 Prozent unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte in Betracht. Im Gegensatz zum Sozialrecht ist hier nicht von kurzzeitiger, sondern von kurzfristiger Beschäftigung die Rede. Bei Aushilfskräften , die in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden, kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer gemäß § 40a Abs. 3 EStG mit einem Pauschsteuersatz von fünf Prozent des Arbeitslohns erheben. Die 10 Bundestagsdrucksache 18/2010 (neu), S. 27. 11 Bundestagsdrucksache 19/4948 (neu), S. 2, 17, 30. 12 Bundestagsdrucksache 19/18107 S. 10, 11, 27. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 8 genannten Pauschalierungsvorschriften dienen der Erleichterung der Besteuerung in einer Vielzahl von Fällen, in denen es nur zu einer kurzfristigen Beschäftigung oder geringfügigen Lohnzahlung kommt. Die wirtschaftliche Bedeutung der Pauschalierung liegt in den Vorteilen, zu denen der feste Pauschsteuersatz gegenüber dem Regellohnsteuerabzug führen kann. Durch die Abgeltungswirkung entfällt zudem die Progressionswirkung, die sich durch Einkünfte aus mehreren Dienstverhältnissen , durch das Zusammentreffen mit anderen Einkünften und durch das Zusammenrechnen mit Einkünften des Ehegatten ergibt. Die sich aus den festen Steuersätzen ergebenden Vorteile , die jeweils eintreten, wenn der individuelle Steuersatz den Pauschsteuersatz übersteigt, sind einerseits Reflexe der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verfahrensvereinfachung. Andererseits kommt es insbesondere im Fall der Aushilfskräfte in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft zu Steuerbegünstigungen im Sinne von Subventionen, die sich nicht mehr als Kehrseite der Vereinfachung erklären lassen. Allerdings bestehen neben den steuerrechtlichen Vereinfachungen sozialrechtliche und arbeitsmarktpolitische Ziele.13 5. Hintergrund und Normzweck der Sozialversicherungsfreiheit für kurzzeitige Beschäftigungen Auf eine Einbeziehung in die Sozialversicherung soll bei solchen Personen verzichtet werden, die aus ihrer Beschäftigung nicht den Lebensunterhalt bestreiten.14 Hiervon ist bei kurzzeitigen Beschäftigungen regelmäßig auszugehen. In der Kommentierung wird insoweit als Hauptgrund für die Versicherungsfreiheit geringfügig Beschäftigter das Fehlen eines Schutzbedürfnisses dieser Personen gesehen: Die Einkünfte stellten, weil sie geringfügig seien, in der Regel nicht die wirtschaftliche Existenzgrundlage dar, vielmehr sei diese regelmäßig durch andere Erwerbseinkünfte , privatrechtliche Unterhaltsansprüche oder Sozialleistungen gesichert, zum Beispiel bei Rentenbeziehern oder bei Familienangehörigen im Rahmen der Familienversicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Eine versicherungsfreie Beschäftigung biete aus betriebswirtschaftlicher Sicht erhebliche Vorteile für die Unternehmen, war jedoch aus arbeitsmarktpolitischer und sozialversicherungsrechtlicher Sicht stets umstritten.15 Die Ausnahme von der Versicherungspflicht finde in den sachleistungsgeprägten Versicherungszweigen Kranken- und Pflegeversicherung seine Berechtigung in den Grenzen des Solidarprinzips . Dieses verlange zwar einen gewissen sozialen Ausgleich zugunsten derjenigen Versicherten, die zur Aufbringung risikoäquivalenter Beiträge nicht imstande sind. Es reiche aber nicht soweit, dass auch die Mitfinanzierung von Personen gefordert ist, die zwar auch als Beschäftigte tätig sind, die aber ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Einkünfte anderer Art bestreiten. Dies- 13 Thürmer, Bernd. Blümich Kommentar Einkommensteuergesetz-Körperschaftsteuergesetz-Gewerbesteuergesetz, EStG § 40a Pauschalierung der Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte und geringfügig Beschäftigte, 150. EL November 2019, Rn. 1-5. 14 Marschner, Andreas. Kreikebohm Kommentar, SGB IV § 8 Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit, 3. Auflage 2018, Rn. 1. 15 Zieglmeier, Christian. Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB IV § 8 Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit, 107. EL, Dezember 2019, Rn. 8,9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/20 Seite 9 bezüglich gehe der Gesetzgeber in zulässiger Weise traditionell typisierend davon aus, dass geringfügig Beschäftigte in dieser Eigenschaft nicht sozial schutzbedürftig sind, weil das geringe Arbeitsentgelt nicht ihre hauptsächliche Lebensgrundlage darstellen kann. Seit jeher zweifelhaft sei die sachliche Berechtigung der Versicherungsfreiheit geringfügig Beschäftigter dagegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Hier gebiete allenfalls die Verwaltungsökonomie, jedoch weder das Versicherungs- noch das Solidarprinzip die Aufrechterhaltung irgendeiner Geringfügigkeitsgrenze , jedenfalls nicht für kontinuierlich geringfügig Beschäftigte. Sie nämlich könnten mit ihren Beiträgen – wenn auch geringe – Leistungsansprüche erwerben, die in keinem besseren oder schlechteren Äquivalenzverhältnis zu den Beiträgen stünden als Leistungen an andere Versicherte auch. Dass das geringfügige Einkommen typischerweise nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht, bedeute ja nicht, dass es nicht wenigstens dazu beiträgt, sodass bei dessen Wegfall durchaus Bedarf in Bezug auf ein Erwerbsersatzeinkommen besteht.16 Zur Entfristung der Verlängerung der Höchstdauer für eine kurzzeitige Beschäftigung nach dem Qualifizierungschancengesetz vom 21. Dezember 2018 wird kritisch bemerkt, dass eine Abwägung mit den letztlich infrage stehenden Interessen der betroffenen abhängig Beschäftigten nicht ansatzweise stattgefunden habe. Dass Arbeitgeber gerne von beitragsrechtlichen Belastungen frei wären, gelte vermutlich Branchen übergreifend und ohne zeitliche Begrenzung. Generell stelle sich die Frage der Selbstwidersprüchlichkeit des Gesetzes, wenn es (etwa bei osteuropäischen Saisonarbeitskräften) das im Inland erzielte Entgelt für ein ganzes Quartal als potenziell wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung einstuft.17 In der Literatur zur sozialversicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung liegt der Schwerpunkt bei den geringfügig entlohnten Dauerbeschäftigungen.18 Ebenso nicht in der Sozialversicherung abgesicherte kurzzeitige Beschäftigungen werden dagegen nur am Rande erwähnt. Es bleibt abzuwarten , ob die jüngste, wenn auch zeitlich befristete, Ausweitung der Höchstdauer auf fünf Monate oder 115 Tage Niederschlag im Schrifttum finden wird. *** 16 Rolfs, Christian. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. SGB IV § 8 Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit, 20. Auflage 2020, Rn. 1-2, mit Verweisen. 17 Berchtold, Josef. Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht. SGB IV § 8 Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeit, 6. Auflage 2019, Rn. 7. 18 So beispielsweise Knospe, Arnim. Die Attraktivität der geringfügigen Beschäftigung im zeitlichen Wandel politisch motivierter Reformen. SGb 2007, S. 8-16.