© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 040/19 Arbeitsrechtliche Aspekte bei einem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 2 Arbeitsrechtliche Aspekte bei einem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 040/19 Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anwendbares Recht bei Auslandstätigkeit 4 2.1. Rom I-Verordnung 4 2.1.1. Rechtswahl 4 2.1.2. Schranken der Rechtswahl 5 2.1.2.1. Arbeitsrechtsspezifische Schranke des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO 5 2.1.2.2. Schranke des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO 6 2.1.2.3. Ordre public-Grundsatz nach Art. 21 Rom I-VO 7 2.1.3. Anwendbares Recht ohne Rechtswahl 7 3. Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte der Auslandstätigkeit 8 4. Gerichtsstand 10 5. Vertragliche Gestaltung 11 5.1. Vertragsmodelle 11 5.1.1. Entsendung 12 5.1.2. Einvertragsmodell 12 5.1.3. Mehrvertragsmodell 12 5.1.4. Auslandsversetzung 13 5.1.5. Neueinstellung ausschließlich für den Auslandseinsatz 13 5.2. Vor- und Nachteile der möglichen Vertragsgestaltungen 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 4 1. Einleitung Mit dem vorliegenden Sachstand soll auf arbeitsrechtliche Aspekte bei einem Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland eingegangen werden, insbesondere im Hinblick auf einen Einsatz in sogenannten Drittstaaten. Es kann hier lediglich um die Darstellung grundsätzlicher Aspekte gehen, da die Gestaltung eines solchen Einsatzes sehr verschieden sein kann und es daher immer auf den konkreten Einzelfall ankommt. 2. Anwendbares Recht bei Auslandstätigkeit Aufgrund der Globalisierung und einer zunehmenden internationalen Verflechtung wirtschaftlicher Beziehungen wächst die Bedeutung grenzüberschreitender Arbeitnehmereinsätze zunehmend . Die einem solchen Einsatz zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisse haben Berührung zu mindestens zwei verschiedenen Rechtsordnungen. Mithin stellt sich im Konfliktfall die Frage nach dem anwendbaren Recht, das heißt zum Beispiel, welche Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Begründung, Änderung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfüllt sein müssen.1 Hier ist auf das Internationale Arbeitsrecht (Arbeitskollisionsrecht) zurückzugreifen, das allerdings als solches keine Lösungen für einzelne arbeitsrechtliche Konflikte darstellt.2 2.1. Rom I-Verordnung Das Internationale Arbeitsrecht ist Teil des Internationalen Privatrechts. Seit dem 17. Dezember 2009 bestimmt sich das anzuwendende Arbeitskollisionsrecht, soweit kein anderes zwischenstaatliches Recht oder primäres oder sekundäres Recht der Europäischen Union einschlägig ist, nach der Rom I-Verordnung (Rom I-VO)3. Diese Verordnung gilt für alle EU-Mitgliedstaaten als unmittelbar geltendes Unionsrecht.4 2.1.1. Rechtswahl Nach Artt. 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO besteht bei Individualarbeitsverträgen grundsätzlich eine freie Rechtswahl, das heißt die Vertragsparteien können das anzuwendende Recht frei bestimmen. Nur wenn keine wirksame Rechtswahl getroffen wurde, bestimmt sich das anzuwendende Recht gemäß Art. 8 Abs. 2, 3 und 4 Rom I-VO nach objektiven Kriterien.5 Eine Rechtswahl 1 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3-9, Rn. 4; Schlachter, Grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse, NZA 2000, S. 57, 58; Oetker in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht , Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 13 Arbeitskollisionsrecht, Rn. 7. 2 Oetker in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 13 Arbeitskollisionsrecht, Rn. 1. 3 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 vom 4. Juli 2008, S. 6-16. 4 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3-9, Rn. 3; Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873. 5 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 875. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 5 muss nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO entweder ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die bloße Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen genügt hier nicht. Indizwirkung für eine entsprechende Rechtswahl kann hier eine Bezugnahme auf bestimmte Normen des materiellen Rechts sein, wie etwa die Bezugnahme auf das Kündigungsschutzgesetz oder Tarifverträge.6 Eine Rechtswahl kann auch erst nach Vertragsschluss erfolgen. Auch insoweit ist eine stillschweigende nachträgliche Rechtswahl möglich. Sie kann etwa durch Prozessverhalten, insbesondere durch übereinstimmendes Einlassen auf eine Rechtsordnung, zustande kommen.7 Zulässig sein dürfte auch die Wahl der anwendbaren Rechtsordnung durch Tarifvertrag.8 Eine bereits getroffene Rechtswahl kann jederzeit durch eine neue Rechtswahl ersetzt werden, vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO. 2.1.2. Schranken der Rechtswahl Die in Artt. 3, 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO geregelte Rechtswahlfreiheit für Individualarbeitsverträge wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Insbesondere aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes ist die Rechtswahlfreiheit gesetzlich begrenzt. 2.1.2.1. Arbeitsrechtsspezifische Schranke des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO In Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO heißt es: „Die Rechtswahl der Parteien darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.“ Die Regelung des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO als arbeitsrechtsspezifische Schranke bestimmt mithin, dass zwingende arbeitnehmerschützende Vorschriften, die bei objektiver Anknüpfung, das heißt bei einer unterbliebenen oder unwirksamen Rechtswahl anzuwenden wären, grundsätzlich nicht abgewählt werden dürfen.9 Damit kommt es zunächst darauf an, welche Rechtsordnung bei objektiver Anknüpfung maßgeblich wäre. Dies bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO. Ergibt sich insoweit hier eine Abweichung zwischen der Rechtswahl und der nach objektiver Anknüpfung anzuwendenden Rechtsordnung, ist die Frage zu klären, ob es durch die Rechtswahl zum Entzug von zwingenden Schutzrechten kommt. Dies ist durch einen 6 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 5. 7 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 6. 8 So Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 6, andere Auffassung Thüsing, Rechtsfragen grenzüberschreitender Arbeitsverhältnisse – Grundlagen und Neuigkeiten im Internationalen Arbeitsrecht, NZA 2003, 1303, 1304 noch zu Art. 27 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch a.F. (EGBGB). 9 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 874; Oetker in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 13 Arbeitskollisionsrecht, Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 6 Günstigkeitsvergleich zu ermitteln.10 Dabei ist nicht auf einen Vergleich der Gesamtrechtsordnungen oder der Einzelvorschriften abzustellen, sondern auf einen Vergleich zwischen Gruppen von Regelungen, die im sachlichen Zusammenhang stehen.11 Zu den zwingend anzuwendenden Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO gehören etwa die Regelungen zum Kündigungs- und Mutterschutz, zum Urlaubsrecht und zum Arbeitszeitrecht, soweit das gewählte Recht nicht günstiger ist oder jedenfalls vergleichbaren Schutz gewährt.12 Mithin ist festzustellen, dass bei Auslandsentsendungen die Vereinbarung deutschen Arbeitsrechts grundsätzlich möglich ist. Ist allerdings der verbindliche Arbeitnehmerschutz im Entsendungsstaat - soweit er bei objektiver Anknüpfung anwendbar wäre - weitergehender als nach dem deutschen Recht, so ist die Rechtswahl insoweit unwirksam. In einem solchen Fall unterliegt dann der Arbeitsvertrag einem „Mischrecht“.13 Ob die Rechtswahl im Arbeitsverhältnis außerhalb der Europäischen Union anerkannt wird, muss jeweils im Einzelfall konkret geprüft werden .14 2.1.2.2. Schranke des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO In den Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO fällt vor allem das im öffentlichen Interesse aus Gemeinwohlgesichtspunkten getroffene personenbezogene Arbeitsschutzrecht. Es handelt sich dabei um solche Normen, die eine Bedeutung für das Allgemeinwohl haben und über die Individualinteressen der einzelnen Vertragsparteien hinausgehen.15 Es muss sich um Regelungen des Gerichtsortes handeln, die Eingriffsnormen anderer Staaten werden nach Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nur begrenzt berücksichtigt. Voraussetzung ist allerdings, dass das Arbeitsverhältnis noch einen Bezug zur deutschen Rechtsordnung besitzt. Der Normzweck von Eingriffsnormen liegt in der Durchsetzung inländischer ordnungspolitischer Vorstellungen, die nicht zur Disposition durch die Vertragsparteien stehen.16 Eine Günstigkeitsprüfung erfolgt nicht. Nach 10 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 19. 11 Vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 10. April 2014, 2 AZR 741/13, Rn. 46 (zitiert nach juris). 12 Oetker in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 13 Arbeitskollisionsrecht , Rn. 24; Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 874. 13 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 874; Borgmann in Grobys/Panzer -Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung , Rn. 19. 14 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 21. 15 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 21. 16 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 21; Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 874. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 7 Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO werden nur die international zwingenden Eingriffsnormen des Staates, in dem die Vertragspflichten erfüllt wurden oder erfüllt werden sollen, berücksichtigt, soweit diese Normen die Vertragserfüllung unrechtmäßig werden lassen.17 2.1.2.3. Ordre public-Grundsatz nach Art. 21 Rom I-VO Nach Art. 21 Rom I-VO ist eine ausländische Rechtsnorm im Inland dann nicht anwendbar, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist, mithin wenn sie mit wesentlichen Grundlagen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, unvereinbar wäre.18 2.1.3. Anwendbares Recht ohne Rechtswahl Wurde zwischen den Vertragsparteien keine oder eine unwirksame Rechtswahl getroffen, bestimmt sich das anzuwendende Recht gemäß Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO nach objektiven Kriterien . Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes. Eine nur vorrübergehende Verrichtung seiner Arbeit in einem anderen Staat (Entsendung) ändert an der Maßgeblichkeit des bisherigen gewöhnlichen Arbeitsortes nichts. Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO regelt dazu: „Der Staat, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, wechselt nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet.“ Wann von einer vorübergehenden Entsendung ausgegangen werden kann, ist in der Rom I-Verordnung nicht geregelt. Nach dem Erwägungsgrund 36 Satz 1 Rom I-VO sollte die Erbringung der Arbeitsleistung in einem anderen Staat als vorübergehend gelten, wenn von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach seinem Arbeitseinsatz im Ausland seine Arbeit im Herkunftsstaat wieder aufnimmt. In einem solchen Falle würde selbst eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation im Aufnahmeland einen Wechsel der Rechtsordnung nicht rechtfertigen, vgl. Erwägungsgrund 36 Satz 2 Rom I-VO.19 Abzugrenzen sind insoweit die entsandten Arbeitnehmer von sogenannten Ortskräften, die ausschließlich für eine Tätigkeit im Ausland auf dem dortigen Arbeitsmarkt angeworben wurden und bei denen eine Rückkehr an einen Stammarbeitsplatz nie geplant war.20 Ferner abzugrenzen ist die vorübergehende Entsendung von der dauerhaften Entsendung. Bis zu welchem Zeitraum noch von einer vorübergehenden Entsendung ausgegangen werden 17 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 21. 18 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 26. 19 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 13. 20 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 8 kann, ist nicht abschließend bestimmt. Insoweit wird es hier - mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ankommen.21 Kann das anzuwendende Recht nicht nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag nach Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmern eingestellt hat. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Art. 8 Abs. 2 und 3 Rom I-VO bezeichneten Staat hat, sieht Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO als Ausnahmeregelung vor, dass das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. Diese Regelung ermöglicht im Falle grob unverhältnismäßiger und unangemessener Ergebnisse der Regelanknüpfung ein Ausweichen auf eine andere Rechtsordnung, sofern die Gesamtheit aller Umstände des Vertrags und seiner Durchführung auf die andere Rechtsordnung verweisen .22 Die Verbindung mit dem anderen Staat muss stärker sein als die durch die Regelanknüpfung zu dem Recht des Arbeitsorts oder der durch die einstellende Niederlassung hergestellten Beziehung. Ob eine solche „engere Verbindung“ vorliegt, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, die ein erhebliches Gewicht besitzen müssen, um die Regel der Art. 8 Abs. 2 und 3 Rom I-VO zu durchbrechen.23 3. Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte der Auslandstätigkeit Die räumliche Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip.24 Das Bundesarbeitsgericht führt zum räumlichen und persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes in einer Entscheidung vom 22. März 2000 weiter aus: „Danach [dem Territorialprinzip, Anmerkung des Verf.] gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer sowie unabhängig von der für die einzelnen Arbeitsverhältnisse maßgeblichen Rechtsordnung für sämtliche inländischen Betriebe - auch ausländischer Unternehmer - das deutsche BetrVG. Dagegen ist es nicht anzuwenden auf die im Ausland gelegenen Betriebe deutscher Unternehmen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß deutsches Betriebsverfassungsrecht auf im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer stets unanwendbar wäre. Vielmehr findet es auf diese dann Anwendung, wenn sich die Auslandstätigkeit als "Ausstrahlung" des Inlandsbetriebes darstellt […]. Dabei geht es nicht um eine Frage des räumlichen, sondern des persönlichen Geltungsbereichs des BetrVG […]. 21 Vgl. zur Thematik: Oetker in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 4. Auflage 2018, § 13 Arbeitskollisionsrecht, Rn. 41, Schönbohm in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 51. Edition, Stand 1. März 2019, VO (EG) 593/2008, Art. 8, Individualarbeitsverträge, Rn. 22; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 14 jeweils mit weiteren Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung. 22 Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 17. 23 Vgl. BAG, Urteil vom 13. November 2007 zum alten Recht - 9 AZR 134/07, Rn. 50 (zitiert nach juris); Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, Rom I-VO Art. 3 - 9, Rn. 17. 24 Vgl. etwa BAG, Beschluss vom 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 - , Rn. 28 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 9 Es wird nicht der räumliche Geltungsbereich des BetrVG auf das Ausland erstreckt. Vielmehr werden im Ausland tätige Arbeitnehmer vom persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG erfaßt, weil sie trotz ihrer Auslandstätigkeit einem inländischen und damit im räumlichen Anwendungsbereich des BetrVG liegenden Betrieb zugehören […]. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer trotz seiner Auslandstätigkeit dem Inlandsbetrieb zugehört, ist dabei grundsätzlich nach den allgemeinen Kriterien der Betriebszugehörigkeit zu entscheiden […].“25 Mithin hängt die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes wesentlich davon ab, welchem Betrieb ein Arbeitnehmer zuzuordnen ist. Es findet nur dann Anwendung, wenn ein Arbeitnehmer trotz des auswärtigen Einsatzes einem inländischen Betrieb angehört, das heißt, wenn ein inländischer Betrieb über die Grenzen des deutschen Staatsgebietes hinaus auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ausstrahlt. Ob der Inlandsbezug eines solchen Arbeitsverhältnisses erhalten geblieben ist, hängt von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles ab. Insbesondere sind hier die Dauer des Auslandseinsatzes, die Eingliederung in den Auslandsbetrieb, das Bestehen und die Voraussetzungen eines Rückrufrechts sowie dem sonstigen Inhalt der Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers von Bedeutung.26 Von der Zuordnung zu einer (inländischen) Arbeitsorganisation ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer in diese eingegliedert ist. Dafür ist kennzeichnend, dass er hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Inhalt der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht von Personen unterliegt, die in der im Inland gelegenen Betriebsstätte tätig sind. Mithin dürften in aller Regel die Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes erfasst sein, die aufgrund einer Befristung des Auslandseinsatzes oder angesichts eines jederzeitigen Rückruf- oder Rückversetzungsrechts des Arbeitgebers zeitlich begrenzt in einem ausländischen Betrieb eingesetzt werden.27 Gegen eine Zuordnung zum inländischen Betrieb spricht etwa die Einstellung nur für die Auslandstätigkeit ohne vorausgegangene Beschäftigung im Inland, ein arbeitsvertraglicher Ausschluss einer Beschäftigung im Inland, eine unbefristete Entsendung beziehungsweise Versetzung und die Eingliederung in eine Betriebsstruktur im Ausland.28 Unterfällt der Arbeitnehmer dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes, so stehen dem Betriebsrat insbesondere die Mitbestimmungsrechte in personellen Angelegenheiten zu, etwa zu personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzung und Kündigung, vgl. § 99 in Verbindung mit § 95 Abs. 3 BetrVG sowie § 102 BetrVG. Damit ist der Betriebsrat sowohl bei der erstmaligen Versetzung des Arbeitnehmers als auch bei einer etwaigen Versetzung von einem ausländischen Staat in einen anderen zu beteiligen. Die Kündigung eines entsandten Mitarbeiters ist nur wirksam , wenn der Betriebsrat vorher angehört wurde. Dies gilt auch im Hinblick auf die Mitbestim- 25 BAG, Beschluss vom 22. März 2000 - 7 ABR 34/98 -, Rn. 28 (zitiert nach juris) mit weiteren Nachweisen. 26 Besgen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 51. Edition, Stand 1. März 2019, § 1 BetrVG, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. 27 Besgen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Arbeitsrecht, 51. Edition, Stand 1. März 2019, § 1 BetrVG, Rn. 10 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 28 Herfs-Röttgen, Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte der Auslandstätigkeit, NZA 2018, S. 150, 151. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 10 mung in sozialen Angelegenheiten. Weiterhin steht Arbeitnehmern, die trotz des Auslandsaufenthaltes unter den persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fallen, insbesondere das Wahlrecht zum Betriebsrat zu.29 4. Gerichtsstand Wesentlich ist bei Sachverhalten mit Auslandsberührung neben der Frage des anwendbaren materiellen Rechts bei gerichtlichen Streitigkeiten aber auch die Frage, welche internationale prozessuale Zuständigkeit gegeben ist, jedenfalls bei internationalen Sachverhalten außerhalb der Europäischen Union. Besteht der Gerichtsstand im Ausland und wird das Verfahren dort geführt, so werden auch ausländisches Prozessrecht und ausländisches Kollisionsrecht zur Anwendung kommen, das nicht immer den gleichen Regeln folgt, wie das Kollisionsrecht in Deutschland.30 Aus praktischer Sicht gilt es bei der Vertragsgestaltung auch zu bedenken, dass gegebenenfalls ein Gericht fremdes materielles Recht anzuwenden hätte. Insofern bleibt für die Vertragsgestaltung stets zu prüfen, ob die Rechtswahl mit Blick auf die tatsächliche Umsetzbarkeit vor einem möglicherweise mit der Angelegenheit befassten Gericht sinnvoll ist.31 Ob das in einer im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einem Arbeitsvertrag mit Auslandsbezug angerufene Gericht überhaupt international zuständig ist, entscheidet sich grundsätzlich nach dem Prozessrecht des jeweiligen Landes.32 Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union richtet sich die internationale Zuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (EuGVVO), hier insbesondere nach den Art. 20 ff. EuGVVO.33 Nach Art. 21 EuGVVO kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber sowohl in dem Mitgliedstaat verklagen, in dem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat, oder in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder, wenn er 29 Vgl. BAG, Beschluss vom 22. März 2000 – 7 ABR 34/98; BAG, Beschluss vom 27. Mai 1982 – 6 ABR 28/80, Rn. 12; Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 1 BetrVG, Rn. 4; Herfs-Röttgen, Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte der Auslandstätigkeit, NZA 2018, S. 150, 151. 30 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 14. 31 Roß-Kirsch in Handbuch internationales Arbeitsrecht, Rechtssichere Gestaltung, Durchführung und Beendigung von Mitarbeitereinsätzen im Ausland, Bundesanzeiger Verlag GmbH, 2014, Kapitel A – Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland, S. 30; Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 14. 32 Roß-Kirsch in Handbuch internationales Arbeitsrecht, Rechtssichere Gestaltung, Durchführung und Beendigung von Mitarbeitereinsätzen im Ausland, 2014, Kapitel A – Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland, S. 30. 33 Aufgrund des sogenannten Luganer Übereinkommens über gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen gelten weitgehend gleiche Grundsätze auch gegenüber der Schweiz, Island und Norwegen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 11 seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die ihn eingestellt hat, befindet oder befand. Art. 20 Abs. 2 EuGVVO stellt insofern klar, dass im Fall, dass der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat, keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung dem Wohnsitz des Unternehmens gleichgestellt ist.34 Nach Art. 22 Abs. 1 EuGVVO kann die Klage des Arbeitgebers nur vor den Gerichten erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Nach Art. 23 EuGVVO kann von diesen Vorschriften im Wege einer Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die angeführten Gerichte anzurufen. Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO richten sich die Vorschriften des Gerichtsstands nach den jeweiligen nationalen Vorschriften; Abkommen über gerichtliche Zuständigkeit und gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen bestehen wohl nur vereinzelt.35 Insoweit bleibt bei einer Vereinbarung der Zuständigkeit dieser Gerichte zu prüfen , ob das jeweilige nationale Prozessrecht eine solche Verweisung überhaupt annimmt.36 5. Vertragliche Gestaltung 5.1. Vertragsmodelle Bei einem Einsatz von Mitarbeitern im Ausland bestehen sehr verschiedene Möglichkeiten, dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles vertraglich auszugestalten. Auf die verschiedenen Vertragsmodelle soll im Folgenden unter arbeitsrechtlichen Erwägungen näher eingegangen werden. Dabei wird die Anwendbarkeit deutschen Rechts unterstellt. Vorab ist zunächst festzuhalten, dass bei einer über einen Monat hinausgehenden Auslandstätigkeit nach § 2 Abs. 2 des Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen - Nachweisgesetz (NachwG) über die ohnehin nach § 2 Abs. 1 NachwG erforderlichen Mindestangaben hinaus, weitere Angaben verlangt werden, wie zur Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird, zu zusätzlichem Arbeitsentgelt und zu Bedingungen der Rückkehr. Sind diese in einem schriftlichen Arbeitsvertrag fixiert, entfällt die Verpflichtung. 34 Nach Art. 63 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet. 35 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 16 mit weiterem Nachweis. 36 Roß-Kirsch in Handbuch internationales Arbeitsrecht, Rechtssichere Gestaltung, Durchführung und Beendigung von Mitarbeitereinsätzen im Ausland, Bundesanzeiger Verlag GmbH, 2014, Kapitel A – Einsatz von Arbeitnehmern im Ausland, S. 31. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 12 5.1.1. Entsendung Der Begriff der Entsendung ist rechtlich nicht eindeutig definiert. Üblicherweise werden als Entsendungen Auslandstätigkeiten bezeichnet, die zwischen wenigen Monaten und einigen Jahren dauern können. Die Grundidee der Entsendung ist das langandauernde Inlandsarbeitsverhältnis, in dessen Rahmen eine vergleichsweise kurze Auslandstätigkeit erfolgt.37 Bei der vertraglichen Gestaltung finden sich hier vor allem zwei Regelungsformen: das sogenannte Einvertragsmodell und das sogenannte Mehrvertragsmodell. 5.1.2. Einvertragsmodell Das sogenannte Einvertragsmodell oder die Entsendung im engeren Sinne ist dadurch gekennzeichnet , dass die Auslandstätigkeit im Rahmen eines fortbestehenden inländischen Arbeitsvertrages erfolgt. Es besteht nur ein Arbeitsverhältnis mit dem inländischen Arbeitgeber, das auch während der Entsendung fortbesteht. Der Arbeitnehmer bleibt dem entsendenden inländischen Betrieb rechtlich und tatsächlich zugeordnet. Regelungen über eine solche Entsendung können - je nach den Umständen des Einzelfalles - bereits im Arbeitsvertrag oder im Rahmen eines bereits bestehenden Arbeitsvertrages durch eine Zusatzvereinbarung getroffen werden. Auch bei einer solchen Zusatzvereinbarung bleibt der ursprüngliche Arbeitsvertrag bestehen.38 Eine solche Zusatzvereinbarung stellt eine befristete Änderung der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten dar und dürfte mithin der Wirksamkeitskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegen.39 5.1.3. Mehrvertragsmodell40 Bei dem sogenannten Mehrvertragsmodell wird für den Zeitraum der Entsendung meist ein lokaler Arbeitsvertrag im Tätigkeitsstaat geschlossen, manchmal auch ein befristeter Entsendungsvertrag mit dem ursprünglichen Arbeitgeber. Der gleichzeitig fortbestehende inländische Arbeitsvertrag wird regelmäßig in der Zeit der Entsendung ruhend gestellt. Die Hauptleistungspflichten aus dem inländischen Arbeitsvertrag sind vorrübergehend suspendiert. In der Regel wird es sich bei der Auslandsgesellschaft um ein Tochterunternehmen des Inlandsarbeitgebers handeln. Hauptarbeitgeber ist die Auslandsgesellschaft. Der Inlandsarbeitgeber bleibt gleichwohl Arbeitgeber aus dem ruhenden Arbeitsvertag, aus dem sich aber Nebenpflichten ergeben können. Daher sind die 37 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 7. 38 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 8; Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 875. 39 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 876. 40 Die Begrifflichkeiten werden in der Literatur nicht immer einheitlich verwendet. Zum Teil wird die hier als Mehrvertragsmodell bezeichnete Vertragsvariante auch als Versetzung (Zweivertragsmodell) bezeichnet, vgl. Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 876 f.. Zum Teil wird als Versetzung das Ausscheiden aus dem ursprünglichen Vertrag bezeichnet, vgl. Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier , StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 13 beiden Arbeitsverträge zur Vermeidung von Unklarheiten aufeinander abzustimmen.41 Der ursprüngliche Arbeitsvertrag lebt nach Rückkehr wieder auf.42 Eine Besonderheit ist hier der sogenannte dreiseitige Konzernarbeitsvertrag. Danach besteht ein Arbeitsverhältnis mit einer führenden Konzerngesellschaft, in dem die Versetzungsbefugnis zu einem ausländischen Konzernunternehmen vorbehalten ist. Das ausländische Konzernunternehmen , bei dem der Arbeitgeber tatsächlich beschäftigt werden soll, wird in den Arbeitsvertrag aufgenommen . Mit dem Bundesarbeitsgericht dürfte in einem solchen Falle von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis mit der Konzernobergesellschaft auszugehen sein.43 5.1.4. Auslandsversetzung Als weiteres Vertragsmodell kann eine sogenannte Auslandsversetzung in Betracht kommen. Danach scheidet der Arbeitnehmer vollständig aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag aus und schließt mit der ausländischen Niederlassung oder Gesellschaft einen eigenständigen Arbeitsvertrag nach lokalem Recht. Bei dieser Gestaltungsvariante bestehen keine vertraglichen Verpflichtungen aus dem ursprünglichen Vertrag. Soll in einem solchen Fall eine arbeitsrechtliche Bindung an den inländischen Arbeitgeber erhalten bleiben, kommen hier sogenannte Stammhausbindungsverträge oder Wiedereinstellungszusagen in Betracht.44 5.1.5. Neueinstellung ausschließlich für den Auslandseinsatz Eine weitere Möglichkeit der Vertragsgestaltung kann der Abschluss eines Arbeitsvertrages sein, der ausschließlich den Einsatz im Ausland vorsieht. Solche Verträge werden regelmäßig befristet sein und daher (bei Anwendung deutschen Rechts) der Wirksamkeitskontrolle nach § 14 Teilzeitund Befristungsgesetz unterliegen. 5.2. Vor- und Nachteile der möglichen Vertragsgestaltungen Bei einer Entsendung im engeren Sinne bestehen bei fortbestehender Eingliederung in den Inlandsbetrieb insbesondere der allgemeine Kündigungsschutz und die Zuständigkeit des Betriebsrates für Arbeitnehmer. Auch sind Tarifverträge weiterhin anwendbar.45 Vorteil für den Arbeitgeber ist, dass, sofern nicht eine Delegation ins Ausland erfolgt, sein arbeitsrechtliches Weisungsrecht weiter besteht. 41 Dies gilt um so mehr, wenn der inländische Vertrag hinsichtlich verbleibender Resttätigkeiten modifiziert wird, vgl. Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 11. 42 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 876 f. 43 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 877. 44 Vgl. BAG, Urteil vom 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - ; Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 13. 45 Herfs-Röttgen, Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, NZA 2017, S. 873, 877. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 040/19 Seite 14 Bei einem Mehrvertragsmodell erfolgt eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des ausländischen Betriebs, der Arbeitnehmer unterliegt dem Weisungsrecht des ausländischen Arbeitgebers . Dies kann im Hinblick auf eine ordnungsgemäße und produktive Tätigkeit sinnvoll sein. Auch kann gegebenenfalls das Bestehen eines lokalen Arbeitsvertrages Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltsrechts sein. Bei einer solchen Vertragsgestaltung muss besonderes Augenmerk auf die Abstimmung zwischen den Verträgen gelegt werden.46 *** 46 Borgmann in Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 8, Stand 2019, Auslandstätigkeit/Entsendung, Rn. 12 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.