© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 039/19 Einzelfragen zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 039/19 Seite 2 Einzelfragen zur Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 039/19 Abschluss der Arbeit: 15. März 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 039/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ziel der Richtlinie 4 2. Durchsetzung und Kontrolle 4 2.1. Kontrollpflichten der Mitgliedstaaten 4 2.2. Meldepflichten 5 3. Grenzen der Harmonisierung 6 4. Zugang zu Information 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 039/19 Seite 4 1. Ziel der Richtlinie Ziel der EU-Entsenderichtlinie1 ist die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung, der für die entsandten Arbeitsnehmer einen Mindestschutz gewährleistet und sogenanntes Sozialdumping verhindert.2 2. Durchsetzung und Kontrolle Nach § 5 Abs. 1 der durch die Änderungsrichtlinie vom 28. Juni 20183 novellierten Entsenderichtlinie , die ab 30. Juni 2020 anwendbar ist, sind sowohl der Empfänger- als auch der Entsendemitgliedstaat für die Überwachung, Kontrolle und Durchsetzung der in dieser Richtlinie und der sogenannten Durchsetzungsrichtlinie4 zur Erreichung des genannten Ziels festgelegten Verpflichtungen verantwortlich und ergreifen geeignete Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung . 2.1. Kontrollpflichten der Mitgliedstaaten Die Durchsetzungsrichtlinie konkretisiert die Kontrollpflichten der Mitgliedstaaten wie folgt: Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Durchsetzungsrichtlinie bestimmt, dass bei der Beurteilung, ob ein Unternehmen tatsächlich wesentliche Tätigkeiten ausübt, die über rein interne Management- und/oder Verwaltungstätigkeiten hinausgehen, eine Gesamtbewertung aller tatsächlichen Umstände vorzunehmen ist, die die von einem Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat und erforderlichenfalls im Aufnahmemitgliedstaat ausgeübten Tätigkeiten charakterisieren. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis e enthalten eine beispielhafte Aufzählung solcher Umstände. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der Durchsetzungsrichtlinie sind bei der Beurteilung, ob ein entsandter Arbeitnehmer seine Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat als dem ausübt, in 1 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, abrufbar im Internet unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A31996L0071 (letzter Abruf: 12. März 2019). 2 Vgl. z.B. im Internetauftritt der Europäischen Kommission: https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=471&langId=de (letzter Abruf: 12. März 2019). 3 Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, abrufbar im Internet unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32018L0957 (letzter Abruf: 12. März 2019). 4 Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt -Informationssystems („IMI-Verordnung“), abrufbar im Internet unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32014L0067 (letzter Abruf: 12. März 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 039/19 Seite 5 dem er normalerweise arbeitet, sämtliche für die entsprechende Arbeit charakteristischen tatsächlichen Umstände sowie die Situation des Arbeitnehmers zu prüfen. Eine beispielhafte Aufzählung solcher Umstände bietet Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis g der Durchsetzungsrichtlinie. 2.2. Meldepflichten Eine obligatorische Erhebung bestimmter Identifizierungsdaten in den einzelnen Mitgliedstaaten ist weder in der Entsenderichtlinie noch in der Durchsetzungsrichtlinie vorgesehen. Auch die Novellierung der Entsenderichtlinie durch die Änderungsrichtlinie vom 28. Juni 2018, die allerdings den Rahmen der verbindlich zu gewährleistenden Arbeitsbedingungen erweitert, enthält hierzu keine zwingenden Vorgaben. Die Mitgliedstaaten dürfen aber nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Durchsetzungsrichtlinie nur die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen vorschreiben, die notwendig sind, um eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Pflichten aus der Entsenderichtlinie und der Durchsetzungsrichtlinie zu gewährleisten, vorausgesetzt, sie sind im Einklang mit dem Unionsrecht gerechtfertigt und verhältnismäßig. Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a bis f der Durchsetzungsrichtlinie enthalten einen Katalog von Maßnahmen , die zu diesem Zweck angewandt werden können. Hierzu zählt unter Buchst. a die Einführung einer Meldepflicht für das entsendende Unternehmen: „die Pflicht des in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers zur Abgabe einer einfachen Erklärung gegenüber den zuständigen nationalen Behörden spätestens zu Beginn der Erbringung der Dienstleistung in (einer) der Amtssprache(n) des Aufnahmemitgliedstaats oder in (einer) anderen von dem Aufnahmemitgliedstaat akzeptieren Sprache(n), die die einschlägigen Informationen enthält, die eine Kontrolle der Sachlage am Arbeitsplatz erlauben, dies umfasst unter anderem: i) die Identität des Dienstleistungserbringers; ii) die voraussichtliche Zahl klar identifizierbarer entsandter Arbeitnehmer; iii) die unter den Buchstaben e und f genannten Personen; iv) die voraussichtliche Dauer sowie das geplante Datum des Beginns und des Endes der Entsendung; v) die Anschrift(en) des Arbeitsplatzes; und vi) die Art der die Entsendung begründenden Dienstleistungen“. Im Einzelnen muss jeder Mitgliedstaat selbst festlegen, welche Informationen er zu einer effektiven Kontrolle der Richtlinienvorgaben benötigt. Dies ist nicht zuletzt abhängig vom nationalen Regelungssystem des Arbeitsrechts und des Arbeitsmarkts im jeweiligen Mitgliedstaat. Ausnahmen für bestimmte Kategorien der Arbeitnehmerentsendung oder für besonders kurzfristige Entsendungen sind in der Entsenderichtlinie und der Durchsetzungsrichtlinie nicht vorgesehen und können daher auch in den nationalen Rechtsordnungen nicht geregelt werden. Auch kommt es nicht auf die Bezeichnung des konkreten grenzüberschreitenden Einsatzes (z.B. als „Dienstreise“) an. Entscheidend für die Einordnung als Arbeitnehmerentsendung ist allein die für alle Mitgliedstaaten verbindliche Definition in Art. 2 der Entsenderichtlinie. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 039/19 Seite 6 3. Grenzen der Harmonisierung Die unterschiedlichen Arbeitsrechts- und Arbeitsmarktsysteme in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU erfordern vielfach unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der erforderlichen Identifizierungsdaten und schließen die Anordnung einheitlicher Meldepflichten für alle Mitgliedstaaten (z.B. im Wege einer EU-Verordnung) aus. Nachdem das Rechtsetzungsverfahren zur Änderungsrichtlinie erst im Juni 2018 abgeschlossen worden ist, sind derzeit weitere Harmonisierungsbestrebungen auch auf EU-Ebene nicht erkennbar . Auch Ansätze, Sonderregelungen für einzelne Unternehmensgruppen (z.B. kleine und mittlere Unternehmen) oder Bagatellgrenzen einzuführen, sind derzeit nicht ersichtlich. 4. Zugang zu Information Art. 5 der Durchsetzungsrichtlinie beschreibt die von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene zu ergreifenden Maßnahmen zur Sicherstellung des Zugangs zur allgemeinen und kostenlosen Information über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gemäß Artikel 3 der Entsenderichtlinie . Danach müssen alle für die Entsendung von Arbeitnehmern in den jeweiligen Mitgliedstaat erforderlichen Informationen in der Amtssprache des Aufnahmestaates zusammengefasst auf einer Internetseite zur Verfügung gestellt werden. Außerdem muss nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. e der Durchsetzungsrichtlinie eine Kontaktperson bei der nach Art. 4 Abs. 1 der Entsenderichtlinie einzurichtenden Verbindungsstelle benannt werden, die sich mit Auskunftsersuchen befasst. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 5 der Durchsetzungsrichtlinie die Stellen und Behörden angeben, an die sich die Arbeitnehmer und Unternehmen wenden können, um allgemeine Informationen über das auf sie anwendbare nationale Recht und die auf sie anwendbaren nationalen Gepflogenheiten in Bezug auf ihre Rechte und Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet zu erhalten. Staatliche Stellen, deren Aufgabe es wäre, kleinere Unternehmen bei der Erfüllung ihrer Meldepflichten in einem anderen Mitgliedstaat zu unterstützen, gibt es in Deutschland nicht. Auch eine verbindliche Übersicht über die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Meldepflichten im Bereich der Arbeitnehmerentsendung wird - soweit ersichtlich - weder auf nationaler noch auf EU-Ebene zur Verfügung gestellt. ***