© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 032/19 Probleme der Indexierung und Bestimmung von Sozialleistungen in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 2 Probleme der Indexierung und Bestimmung von Sozialleistungen in Deutschland Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 032/19 Abschluss der Arbeit: 24. April 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Konkrete Anzahl der in Deutschland gewährten Sozialleistungen nicht bekannt 4 2. Grundlagen des Sozialrechts 5 3. Bisher keine allgemeingültige Begriffsbestimmung 5 4. Sozialbudget 6 5. Kodifikation des Sozialrechts im Sozialgesetzbuch 8 6. Fazit 8 Anhang: Leistungskatalog im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 4 1. Konkrete Anzahl der in Deutschland gewährten Sozialleistungen nicht bekannt In Deutschland gebe es derzeit eine Vielzahl von Behörden, die mehr als 150 steuer- und beitragsfinanzierte Sozialleistungen verwalteten, stellte das ifo Institut in einer aktuellen Veröffentlichung fest.1 Diese Aussage ist nachfolgend von den Medien aufgegriffen worden und gab Anlass zur Frage, um welche Sozialleistungen es sich konkret handelt.2 Eine belastbare abschließende Aufzählung oder Systematisierung der in Deutschland gewährten Sozialleistungen ist in der Literatur nicht bekannt. Die oben genannte Zahl von mehr als 150 Sozialleistungen geht auf eine im Jahre 1996 lediglich als Arbeitsgrundlage erstellte - nicht veröffentlichte - Aufstellung zurück, die die wichtigsten damals gezahlten Geldleistungen enthielt. Die Aufstellung bezog sich auf die in den Einweisungsvorschriften des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten einzelnen Sozialleistungen und wurde in nachfolgenden Veröffentlichungen erwähnt.3 Seitdem ist verschiedentlich auf die genannte Zahl zurückgegriffen worden, ohne auf belastbare Abhandlungen als Quellenangabe zu verweisen.4 Schon aus dem Umstand, dass die zum Rechtsstand 1995 erstellte Aufstellung nicht mehr der aktuellen Situation entspricht, kann sie heute nicht mehr als Grundlage für einen Diskurs dienen. Zwischenzeitlich sind weite Bereiche des Sozialrechts geändert worden und damals gewährte Leistungen - zum Beispiel wegen der Folgen des Zweiten Weltkriegs oder unmittelbar nach der Wiedervereinigung - dürften inzwischen aufgrund des Zeitablaufs nur noch eine geringe Bedeutung haben. Zudem werden neben den in der Aufstellung enthaltenen Geldleistungen aus den Sozialleistungssystemen vielfältige Sachleistungen erbracht. Die Aussage, es gebe in Deutschland mehr als 150 Sozialleistungen ist zu hinterfragen, da nicht bekannt ist, welche Maßstäbe im Rahmen der Erfassung in einer enumerativen Liste angelegt worden sind. Die Festlegung auf eine bestimmte Zahl der in Deutschland gewährten Sozialleistungen erfordert jedoch eine methodisch überprüfbare Begriffsbestimmung und Kategorisierung. 1 ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 04, Seite 36, Verlag: ifo Institut, München, 2019. Abrufbar im Internet unter http://www.cesifo-group.de/DocDL/sd-2019-04-bloemer-fuest-peichl-ifo-hartz-iv-vorschlag-2019-02-21.pdf, zuletzt abgerufen am 24. April 2019. 2 Unter anderem: DIE ZEIT vom 21. Februar 2019, abrufbar im Internet unter https://www.zeit.de/2019/09/geringverdiener -verdienst-hartz-iv-sozialleistungen-andrea-nahles-spd/seite-2, und Focus Money Online am 5. März 2019, abrufbar im Internet unter https://www.focus.de/finanzen/karriere/berufsleben/die-grosse-focusonline -analyse-sozialleistungen-der-staat-bestraft-diejenigen-die-mehr-arbeiten-wollen_id_10408058.html, zuletzt abgerufen am 24. April 2019. 3 U.a. Mitschke, Joachim (2003). Abstimmung von steuerfinanzierten Sozialleistungen und Einkommensteuer durch integration, in: Rose, Manfred (Hrsg.). Integriertes Steuer- und Sozialsystem, Heidelberg, Physica-Verlag, Seite 463. 4 Exemplarisch, Regierungsprogramm 1998 – 2003 der CDU in Niedersachsen, Seite 62, abrufbar im Internet unter https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=cb4dd26a-81c1-3f47-e318-ad97c0443ce3&group Id=252038, zuletzt abgerufen am 24. April 2019. Pressemitteilung Deutscher Städte- und Gemeindebund vom 8. Juli 1998: Sozialrecht reformieren, Bonn. Berthold, Norbert (2018): Die Zukunft des Sozialstaates - Stillstand, Evolution oder Revolution?, in: Wirtschaftspolitik im Wandel - Ordnungsdefizite und Lösungsansätze, Haucap, Justus und Thieme, Hans J. (Hrsg.), Seite 172. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 5 Hierzu ist zunächst eine Betrachtung der Grundlagen der sozialen Sicherung in Deutschland vorzunehmen . 2. Grundlagen des Sozialrechts In Deutschland hat sich seit dem 19. Jahrhundert eine funktional und organisatorisch stark ausdifferenzierte , auf gesetzliche Grundlagen beruhende, soziale Sicherung entwickelt, die heute die Staatszielbestimmung des in Art. 20 Abs. 1 GG festgelegten Sozialstaatsprinzips konkretisiert. Hierfür steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, um die widerstreitenden Interessen auszugleichen und erträgliche Lebensbedingungen für alle herzustellen. Als soziale Sicherungssysteme haben sich die Sozialversicherung, die Sozialversorgung und die Sozialfürsorge etabliert. Die Sozialversicherung schützt vor allem abhängig Beschäftigte gegen die finanziellen Folgen sozialer Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall, Erwerbsminderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit sowie im Todesfall Unterhaltspflichtiger die Hinterbliebenen . Die Finanzierung der Leistungen erfolgt in erster Linie über die von der Höhe des Einkommens abhängigen Beitragszahlungen der Beschäftigten und ihrer Arbeitgeber zur Sozialversicherung , aber auch aus dem Steueraufkommen. Rein steuerfinanziert sind dagegen Versorgungsleistungen . Hierunter fallen etwa die Opferentschädigung, Leistungen an Familien wie das Kindergeld und die Beamtenversorgung. Die ebenfalls steuerfinanzierte Sozialfürsorge umfasst staatliche Hilfe für Bedürftige, wie beispielsweise das Wohngeld, Arbeitslosengeld II oder auch Sozialhilfe . Fürsorgeleistungen sind nach dem Prinzip der Subsidiarität gegenüber anderen Sozialleistungen nachrangig zu erbringen. 3. Bisher keine allgemeingültige Begriffsbestimmung Die Indexierung von Sozialleistungen gestaltet sich aufgrund der Komplexität schwierig und ist bisher nicht in vollem Umfang erfolgt. So müsste zunächst eine Abgrenzung vorgenommen werden , welche unmittelbar oder mittelbar staatlich erbrachten Leistungen als Sozialleistung anzusehen sind. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen zeigte bei der in den Jahren 2009 bis 2014 erfolgten Bestandsaufnahme , an der elf Forschungsinstitute beteiligt waren, welche Abgrenzungsschwierigkeiten und Schnittstellen im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht bereits für Familienleistungen bestehen.5 Bisher ist unklar, welche ehe- und familienbezogenen Leistungen, die häufig als Nachteilsausgleich gegenüber kinderlosen Personen gewährt werden, auch unter den Begriff der sozialen Sicherung einzuordnen sind. Bei weiter Auslegung dürften etwa auch das steuerliche Ehegattensplitting , die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Familienzuschlag für Beamte als Sozialleistung anzusehen sein. Auch im Steuerrecht gibt es neben den familienbedingten Nachteilsausgleichen eine Vielzahl von Ermäßigungen und Leistungen, die aus sozialen Erwägungen gewährt werden. Zu denken 5 Hintergrundmeldung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 26. April 2018: Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen, abrufbar im Internet unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/familienleistungen/zur-gesamtevaluation-der-ehe-und-familienbezogenen -leistungen, zuletzt abgerufen am 17. April 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 6 wäre hier beispielsweise an Steuerermäßigungen für behinderte Menschen oder die Zulage zur zusätzlichen Altersvorsorge. Bedürftigen Personen gewährte Prozesskostenhilfe als finanzielle Unterstützung zur Durchführung von Gerichtsverfahren vor den Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgerichten, dem Bundespatentgericht sowie dem Bundesverfassungsgericht sind weitere aus sozialen Gründen gewährte staatliche Leistungen, die nicht unter das Sozialrecht fallen. Ebenfalls außerhalb des in den jeweiligen Büchern des Sozialgesetzbuchs geregelten Sozialrechts stehen zudem Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Eine Abgrenzung der Sozialleistungen mit dem Ziel der Anfertigung einer enumerativen Aufstellung müsste auch festlegen, inwieweit Leistungen im Einzelnen zu bestimmen sind. Am Beispiel der Rentenarten aus der gesetzlichen Rentenversicherung lässt sich erkennen, dass unterschiedliche Eindringtiefen bestehen. So gibt es nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Renten wegen Todes, die sich ihrerseits in Versicherten- und Hinterbliebenenrenten gliedern. Beispielsweise ist die Erziehungsrente eine Rente wegen Todes, die aus eigener Versicherung geleistet wird. Bei noch tieferer Bestimmung sind allein acht verschiedene Altersrenten zu nennen, von denen letztlich aber nur eine als monatliche Zahlung zu gewähren ist. In der Europäischen Union wird derzeit mit den European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) die Entwicklung einer einheitlichen Rechnungslegung öffentlicher Haushalte diskutiert, die sich an den International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) orientieren. Auch hier scheint eine Abgrenzung der Sozialleistungen von anderen staatlichen Aufgaben schwierig. Nach dem bereits zehn Jahre zurückliegenden Scheitern des vorangegangenen Standardsetzungsprojekts liegt nunmehr ein Entwurf zur Bilanzierung von Sozialleistungen vor, dessen weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.6 4. Sozialbudget Einen Überblick über Umfang, Struktur und Entwicklung des Systems der sozialen Sicherung in Deutschland gibt das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich zusammengestellte Sozialbudget, das als Bericht für einen bestimmten Zeitraum die in der Bundesrepublik Deutschland erbrachten Sozialleistungen und ihre Finanzierung darstellt.7 Das Verhältnis der Summe der im Sozialbudget erfassten Sozialleistungen zum Bruttoinlandsprodukt wird als Sozialleistungsquote bezeichnet. 6 Sossong, Peter und Mühlenkamp, Holger (2018). Bilanzierung von Sozialleistungen – Exposure Draft 63 „Social Benefits“ vervollständigt IPSAS, in: Die Wirtschaftsprüfung (WPg), 14/2018, Seite 899 ff. 7 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Sozialbudget 2017, abrufbar im Internet unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a230-17-sozialbudget- 2017.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 23. April 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 7 Im Sozialbudget erfasste Sozialleistungen sind Einkommensleistungen als Ersatz für den vorübergehenden oder dauernden Verlust des Arbeitseinkommens und Sachleistungen, die als vorbeugende , lindernde oder wiederherstellende Leistungen oder zum Ausgleich besonderer Belastungen den Anspruchsberechtigten von besonderen Einrichtungen, von Gebietskörperschaften oder von Betrieben bei bestimmten Tatbeständen (Risiken) freiwillig oder aufgrund von gesetzlichen, satzungsmäßigen oder tarifvertraglichen Regelungen zugewendet werden, sofern diese weder eine Vereinbarung auf Gegenseitigkeit erfordern noch im Rahmen individueller Vereinbarungen erfolgen.8 Insoweit erfasst das Sozialbudget nicht nur staatliche, sondern auch Leistungen der Arbeitgeber . Dagegen werden andere in den Einweisungsvorschriften des SGB I genannte Sozialleistungen wie die Ausbildungsförderung und bestimmte Leistungen für behinderte Menschen nicht vom Sozialbudget erfasst. Institutionen, die Leistungen verwalten, beziehungsweise denen einzelne Leistungen zugerechnet werden, erscheinen im Sozialbudget als Berichtseinheit, so dass keine Unterteilung in einzelne Sozialleistungen erfolgt. Das Sozialbudget gliedert sich aktuell in folgende Berichtseinheiten : Sozialversicherungssysteme Rentenversicherung Krankenversicherung Pflegeversicherung Unfallversicherung Arbeitslosenversicherung Sondersysteme Alterssicherung der Landwirte Versorgungswerke Private Altersvorsorge Private Krankenversicherung Private Pflegeversicherung Systeme des öffentlichen Dienstes Pensionen Familienzuschläge Beihilfen Arbeitgebersysteme Entgeltfortzahlung Betriebliche Altersversorgung Zusatzversorgung Sonstige Arbeitgeberleistungen Entschädigungssysteme Soziale Entschädigung Lastenausgleich Wiedergutmachung Sonstige Entschädigungen Förder- und Fürsorgesysteme Kindergeld / Familienleistungsausgleich Erziehungsgeld / Elterngeld Grundsicherung für Arbeitsuchende Arbeitslosenhilfe / sonstige Arbeitsförderung Ausbildungs- und Aufstiegsförderung Sozialhilfe Kinder- und Jugendhilfe Wohngeld 8 Glossar zum Sozialbudget 2017, Seite 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 8 Im auf 966 Mrd. Euro geschätzten Sozialbudget 2017 entfielen auf die Institutionen: Sozialversicherungssysteme (darunter: gesetzliche Rentenversicherung gesetzliche Krankenversicherung) 580 Mrd. Euro (304 Mrd. Euro) (229 Mrd. Euro) 60,8 % (30,3 %) (22,8%) Sondersysteme (darunter: private Krankenversicherung) 35 Mrd. Euro (24 Mrd. Euro) 3,5 % (2,4 %) Systeme des öffentlichen Dienstes 78 Mrd. Euro 7,7 % Arbeitgebersysteme 94 Mrd. Euro 9,3 % Entschädigungssysteme 2 Mrd. Euro 0,2 % Förder- und Fürsorgesysteme 185 Mrd. Euro 18,4 % 5. Kodifikation des Sozialrechts im Sozialgesetzbuch Bereits in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es erste Überlegungen, das in einer unübersichtlichen Vielzahl von Gesetzen enthaltene Sozialrecht zu kodifizieren und für jeweils in den einzelnen Sozialleistungsbereichen geregelte Sachverhalte mit mehreren zum Teil voneinander abweichenden Rechtsfolgen einheitliche Vorschriften zu schaffen. Um das Sozialrecht übersichtlicher, einfacher und bürgernäher zu gestalten, hat die Bundesregierung nach mehreren vorangegangenen Versuchen 1970 eine Sachverständigenkommission beauftragt , jene Bereiche des Sozialrechts, die sozial- und rechtspolitische Gemeinsamkeiten aufweisen und sich für eine Einordnung in ein Gesetzgebungswerk eignen, nach einheitlichen Grundsätzen und unter Anpassung an strukturelle Veränderungen zu überarbeiten, in einem Gesetzbuch zusammenzufassen und dabei grundsätzlich alle gemeinsamen Tatbestände in einem allgemeinen Teil dieses Gesetzbuchs zu regeln. Die Sachverständigenkommission, in die 30 Vertreter der Wirtschaft, der Rechtsprechung, der Sozialpartner, der beteiligten Spitzenverbände und der Länder berufen wurden, benötigte für die Erarbeitung von Vorschlägen für die bis heute nicht abgeschlossene Kodifikation des Sozialrechts über zehn Jahre.9 6. Fazit Eine abschließende Indexierung und Bestimmung der in Deutschland gezahlten Sozialleistungen setzt eine wissenschaftlich belegbare Definition des Begriffs voraus. Hierzu wären quantitative und qualitative Maßstäbe festzulegen. 9 Brackmann, Kurt (1981). Das Sozialrecht unter Berücksichtigung der Arbeit der Sachverständigenkommission für das Sozialgesetzbuch, in: Die Ortskrankenkasse, Bundeverband der Ortskrankenkassen (Hrsg.), Bonn, 14/1981, Seite 561 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 9 Das auf die Vorschläge der Sachverständigenkommission zur Kodifikation des Sozialrechts zurückgehende SGB I enthält wie bereits erwähnt in den Einweisungsvorschriften der §§ 18 ff. einen Katalog der in den jeweiligen Büchern des Sozialgesetzbuchs näher geregelten einzelnen Sozialleistungen . Hiervon nicht erfasst sind unter anderem sämtliche Versorgungsleistungen des öffentlichen Dienstes, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und eine Vielzahl von steuerrechtlichen Leistungen wie die Förderung der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge sowie andere Hilfen, zum Beispiel zum Aufbau der Vermögensbildung oder Wohnungsbau, so dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung aller Sozialleistungen in Deutschland handelt. Die Gliederung in einzelne Sozialleistungsbereiche berücksichtigt zudem nicht die finanzielle Bedeutung der daraus zu erbringenden Leistungen. So dürften die Leistungen zum gleitenden Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand oder bei Schwangerschaftsabbrüchen deutlich weniger ins Gewicht fallen als andere. Ferner ist unberücksichtigt, dass einzelne Leistungen durch Zeitablauf heute nicht oder nur noch vereinzelt zu gewähren sind. So sind etwa Leistungen für Kindererziehung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur für vor 1921 geborene Mütter in Westdeutschland zu erbringen. In Ermangelung einer wissenschaftlichen Maßstäben genügenden abschließenden Aufzählung werden im Anhang hilfsweise die aus den jeweiligen im SGB I aufgeführten Sozialleistungsbereichen zu erbringenden Sozialleistungen aufgeführt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 10 Anhang: Leistungskatalog im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs Ausbildungsförderung: Zuschüsse und Darlehen für den Lebensunterhalt und die Ausbildung Arbeitsförderung: Berufsberatung und Arbeitsmarktberatung Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, zur Berufswahl und Berufsausbildung , zur beruflichen Weiterbildung, zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, zum Verbleib in Beschäftigung und zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei Weiterbildung und Insolvenzgeld Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungen zur Eingliederung in Arbeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Gleitender Übergang älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand: Erstattung der Beiträge zur Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und der nicht auf das Arbeitsentgelt entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für ältere Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeit verkürzt haben Erstattung der Aufstockungsbeträge zum Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit Gesetzliche Krankenversicherung: Leistungen zur Förderung der Gesundheit, zur Verhütung und zur Früherkennung von Krankheiten, Leistungen bei Krankheit Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft Hilfe zur Familienplanung und Leistungen bei durch Krankheit erforderlicher Sterilisation und bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch. Soziale Pflegeversicherung: Leistungen bei häuslicher Pflege Teilstationäre Pflege- und Kurzzeitpflege Leistungen für Pflegepersonen Vollstationäre Pflege Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen: Leistungen nach dem Fünften Abschnitt des Schwangerschaftskonfliktgesetzes Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 11 Gesetzliche Unfallversicherung: Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und zur Ersten Hilfe sowie Maßnahmen zur Früherkennung von Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Heilbehandlung, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und andere Leistungen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sowie zur Erleichterung der Verletzungsfolgen einschließlich wirtschaftlicher Hilfen Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit Renten an Hinterbliebene, Sterbegeld und Beihilfen Rentenabfindungen Haushaltshilfe Betriebshilfe für Landwirte Gesetzliche Rentenversicherung: Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie sonstige Leistungen zur Teilhabe einschließlich wirtschaftlicher Hilfen, Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Knappschaftsausgleichsleistung Renten wegen Todes Witwen- und Witwerrentenabfindungen sowie Beitragserstattungen Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung Leistungen für Kindererziehung Alterssicherung der Landwirte: Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende und sonstige Leistungen zur Teilhabe einschließlich Betriebs - oder Haushaltshilfe Renten wegen Erwerbsminderung und Alters Renten wegen Todes Beitragszuschüsse Betriebs- und Haushaltshilfe oder sonstige Leistungen zur Aufrechterhaltung des Unternehmens der Landwirtschaft Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden (Opferentschädigung): Heil- und Krankenbehandlung sowie andere Leistungen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit einschließlich wirtschaftlicher Hilfen besondere Hilfen im Einzelfall einschließlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Renten wegen anerkannten Schädigungsfolgen Renten an Hinterbliebene, Bestattungsgeld und Sterbegeld Kapitalabfindung, insbesondere zur Wohnraumbeschaffung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/19 Seite 12 Leistungen für Kinder: Kindergeld Kinderzuschlag Leistungen für Bildung und Teilhabe Eltern- und Betreuungsgeld Wohngeld: Wohngeld als Zuschuss zur Miete oder als Zuschuss zu den Aufwendungen für den eigengenutzten Wohnraum Kinder- und Jugendhilfe: Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege Hilfe zur Erziehung Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche Hilfe für junge Volljährige Sozialhilfe: Hilfe zum Lebensunterhalt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Hilfen zur Gesundheit Hilfe zur Pflege Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten Hilfe in anderen Lebenslagen Eingliederungshilfe: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen zur Teilhabe an Bildung Leistungen zur Sozialen Teilhabe Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen zur Teilhabe an Bildung Leistungen zur Sozialen Teilhabe unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen besondere Leistungen und sonstige Hilfen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am Arbeitsleben ***