© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 032/16 Über die Rentenberechnung hinausgehende abweichende Rechengrößen in Ostdeutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 2 Über die Rentenberechnung hinausgehende abweichende Rechengrößen in Ostdeutschland Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 032/16 Abschluss der Arbeit: 9. März 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Unterschiedliche Rechengrößen nach der Wiedervereinigung 4 2. Bemessung der Beiträge 5 2.1. Auswirkung für die Beitragsbemessung von Beschäftigten 5 2.2. Auswirkung für die Beitragsbemessung von selbständig Tätigen 5 2.3. Auswirkung für die Beitragsbemessung von sonstigen Versicherten 6 2.4. Einheitliche Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte 6 3. Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen 7 4. Ermittlung von Freibeträgen für die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 4 1. Unterschiedliche Rechengrößen nach der Wiedervereinigung Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sah das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG) vom 25. Juli 1991 vor allem die Überleitung des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf die ostdeutschen Länder ab 1. Januar 1992 vor. Das unterschiedliche Einkommensniveau in Ost und West macht - bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse – zur Vermeidung überhöhter Leistungen und Beitragszahlungen besondere Werte für Ostdeutschland erforderlich. Daher gelten dort zum einen unter anderem ein für die Berechnung des Monatsbetrags der Rente erforderlicher niedrigerer aktueller Rentenwert und zum anderen eine geringere Bezugsgröße sowie eine geringere Beitragsbemessungsgrenze. Dies wirkt sich gemäß § 228a SGB VI auf die Bemessung der Beiträge, die Höhe des möglichen Hinzuverdienstes und die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes aus. Der aktuelle Rentenwert entspricht gemäß § 68 Abs. 1 SGB VI dem Monatsbetrag einer rechtzeitig in Anspruch genommenen Altersvollrente. Die Bezugsgröße ergibt sich gemäß § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) aus dem Durchschnittsentgelt des vorvergangenen Kalenderjahres . Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt etwas über das Doppelte des aktuellen vorläufigen Durchschnittsentgelts und folgt gemäß § 159 SGB VI der allgemeinen Lohnentwicklung. Im Jahr 2016 gelten folgende Beträge in Euro:1 Westdeutschland Ostdeutschland Bezugsgröße 2.905 2.520 Beitragsbemessungs - grenze 6.200 5.400 Aktueller Rentenwert bis 30. Juni 29,21 27,05 Im Folgenden wird dargestellt, welche rechtlichen Folgen die Angleichung der Rechengrößen in Ost und West hätte, die über die Feststellung der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente hinausgehen . Dies betrifft im Wesentlichen die Bemessung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen und des Freibetrags für die Einkommensanrechnung bei Renten wegen Todes. 1 Alle Werte aus: Aktuelle Daten 2016. Broschüre der Deutschen Rentenversicherung Bund, Stand 27. November 2015. Abrufbar im Internet unter http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob /238644/publicationFile/63798/07_aktuelle_daten_2014.pdf, zuletzt abgerufen am 9. März 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 5 2. Bemessung der Beiträge Soweit Vorschriften des SGB VI bei Arbeitsentgelten, Arbeitseinkommen oder Beitragsbemessungsgrundlagen (beitragspflichtigen Einnahmen) an die Bezugsgröße beziehungsweise an die Beitragsbemessungsgrenze anknüpfen, gelten gemäß § 228a Abs. 1 SGB VI die Bezugsgröße (Ost) aus § 18 Abs. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) beziehungsweise die in Anlage 2a zum SGB VI aufgeführte Beitragsbemessungsgrenze (Ost), wenn Einnahmen aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit in Ostdeutschland erzielt werden. Dies gilt für sonstige Versicherte, z. B. bei nicht erwerbsmäßiger Pflege eines Familienangehörigen, für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage entsprechend. Gemäß §§ 157 ff. SGB VI werden die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach einem bestimmten Vomhundertsatz (Beitragssatz in Höhe von zurzeit 18,7 Prozent) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen ist. Beitragsbemessungsgrundlage sind für Versicherungspflichtige gemäß § 161 Abs. 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen. 2.1. Auswirkung für die Beitragsbemessung von Beschäftigten Beitragspflichtige Einnahme und damit Beitragsbemessungsgrundlage für Beschäftigte ist gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI das erzielte Arbeitsentgelt. Wird die Beschäftigung in Ostdeutschland ausgeübt, ist das Arbeitsentgelt nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Ost) heranzuziehen. Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) hätte für Bezieher höherer Entgelte einen Anstieg der Rentenversicherungsbeiträge zur Folge. Bei einem monatlichen Verdienst in Höhe von 6.200 Euro stiege der vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte zu zahlende monatliche Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 2016 von 1.009,80 Euro auf 1.159,40 Euro. Für bestimmte Arbeitnehmer wie behinderte Beschäftigte in einer geschützten Einrichtung, Mitgliedern geistlicher Genossenschaften und anderen in § 162 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 genannten Personen in Ostdeutschland richtet sich die Höhe der beitragspflichtigen Einnahme und die Aufteilung der Beitragstragung gemäß § 168 Abs. 1 SGB VI nach einem bestimmten Prozentsatz der Bezugsgröße (Ost). Auch für den Fall einer Nachversicherung, zum Beispiel für ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschiedene Beamte, richtet sich die Beitragsbemessung hinsichtlich der Mindest- und Höchstbeiträge in Ostdeutschland gemäß § 181 i.V.m. § 228a Abs. 1 SGB VI nach der jeweiligen Bezugsgröße (Ost) bzw. der Beitragsbemessungsgrenze (Ost). Bei Abgleichung an die für Westdeutschland geltenden Bezugsgröße und Beitragsbemessungsgrenze ergäben sich hier für einen überschaubaren Personenkreis höhere Beitragszahlungen und unter Umständen eine andere Aufteilung der Beitragstragung. 2.2. Auswirkung für die Beitragsbemessung von selbständig Tätigen Für die in §§ 2, 229, 229a SGB VI genannten oder gemäß § 4 Abs. 1 SGB VI auf Antrag versicherungspflichtigen Selbständigen in Ostdeutschland sind für die Beitragsbemessung die Bezugsgröße (Ost) und die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) heranzuziehen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 6 Grundsätzlich wird von versicherten Selbständigen gemäß § 165 SGB VI der Regelbeitrag erhoben , der sich bei einer Tätigkeit in Ostdeutschland an der Bezugsgröße (Ost) orientiert. Bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit kann ohne Nachweis des tatsächlich erzielten Arbeitseinkommens der halbe Regelbeitrag gezahlt werden . Soweit aus der selbständigen Tätigkeit unterdurchschnittliche Einkünfte erzielt werden, kann zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag ein entsprechend niedrigerer Beitrag gezahlt werden. Als Mindesteinkommen ist gegebenenfalls in ganz Deutschland die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro maßgebend. Umgekehrt können höhere Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Ost) einkommensgerecht versichert werden. Folgende Werte sind im Jahr 2016 für die Beitragsbemessung von selbständig Tätigen in Euro heranzuziehen: Westdeutschland Ostdeutschland Mindestbeitrag 84,15 84,15 Regelbeitrag 543,24 471,24 Höchstbeitrag 1.159,40 1.009,80 Bei einer Abschaffung der Bezugsgröße (Ost) und der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) würde sich für versicherte Selbständige der Regelbeitrag und bei einkommensgerechter Beitragszahlung der Höchstbeitrag auf die für Westdeutschland geltenden Werte erhöhen. 2.3. Auswirkung für die Beitragsbemessung von sonstigen Versicherten Für ostdeutsche versicherungspflichtige Bezieher von Sozialleistungen, wie Kranken- oder Arbeitslosengeld , werden gemäß § 166 Abs. 1 SGB VI Beiträge zumeist auf der Grundlage des der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze ,(Ost) erhoben. Bei versicherungspflichtigen Pflegepersonen leitet sich der von der Pflegekasse zu leistende Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 166 Abs. 2 SGB VI von der Bezugsgröße (Ost) ab, wenn die Pflege in Ostdeutschland erfolgt. Je nach zeitlichem Umfang und Pflegestufe werden der Beitragsbemessung zwischen 26,6667 und 80 Prozent der Bezugsgröße (Ost) zugrunde gelegt. Auch hier würden sich die überwiegend von den Sozialleistungsträgern an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlenden Beiträge erhöhen, wenn eine Angleichung an die heute für Westdeutschland geltenden Werte erfolgte. 2.4. Einheitliche Beitragsbemessung für freiwillig Versicherte Gemäß § 279b Satz 2 SGB VI ist § 228a Abs. 1 SGB VI für die Zahlung freiwilliger Beiträge nicht anzuwenden. Insoweit gelten in ganz Deutschland einheitliche Mindest- und Höchstbeiträge zur freiwilligen Versicherung. Als Mindestbeitrag können im Jahr 2016 monatlich 84,15 Euro und als Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 7 Höchstbeitrag 1.159,40 Euro für die freiwillige Versicherung gezahlt werden. Die Angleichung der Rechengrößen ist für die freiwillige Versicherung insoweit bereits erfolgt. 3. Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit können als Vollrente oder als Teilrente in Anspruch genommen werden. Für einen vollen Rentenbezug vor Vollendung der Regelaltersgrenze gilt die in ganz Deutschland einheitliche monatliche Hinzuverdienstgrenze von 450 Euro. Je nach Höhe der Teilrente ergeben sich bei einem vorzeitigen Rentenbezug gemäß §§ 34 Abs. 2 und 3, 96a und 313 SGB VI jeweils unterschiedlich hohe Hinzuverdienstgrenzen. Die verschiedenen Hinzuverdienstgrenzen sind individuell aus der Höhe der Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung vor dem Rentenbeginn zu errechnen. Bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze für die niedrigste Teilrente entfällt die Rentenzahlung ganz. Die Hinzuverdienstgrenzen werden jährlich im Zusammenhang mit der Festlegung der Bezugsgröße neu bestimmt. Bis zum Jahr 2007 erfolgte die Neubestimmung mit der Rentenanpassung durch die Festlegung der aktuellen Rentenwerte. Letztlich erhöhen sich die Hinzuverdienstgrenzen nunmehr nicht mehr analog der Entwicklung der Renten, sondern entsprechend der Lohnentwicklung . Wird der Hinzuverdienst durch eine Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland erzielt, findet § 228a Abs. 2 SGB VI Anwendung. Für die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen ist danach die nach § 18Abs. 1 SGB IV maßgebende monatliche Bezugsgröße mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) zu vervielfältigen und durch den aktuellen Rentenwert zu teilen. Für Durchschnittsverdiener sind im Jahr 2016 bei Bezug einer vorzeitigen Altersrente folgende monatliche Hinzuverdienstgrenzen in Euro zu beachten: Westdeutschland Ostdeutschland Vollrente 450,00 450,00 2/3-Teilrente 566,48 524,59 1/2-Teilrente 827,93 766,70 1/3-Teilrente 1.089,38 1.008,82 Die vollständige Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert hätte insoweit höhere Hinzuverdienstgrenzen zur Folge. 4. Ermittlung von Freibeträgen für die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes Auf Witwen-, Witwer und Erziehungsrenten werden gemäß § 97 SGB VI 40 Prozent des einen Freibetrag übersteigenden eigenen Einkommens der Rentenberechtigten angerechnet. Der Freibetrag ergibt sich aus dem 26,4fachen des aktuellen Rentenwerts und erhöht sich um das 5,6fache des aktuellen Rentenwerts für jedes Kind. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 032/16 Seite 8 Gemäß § 228a Abs. 3 SGB VI ist für der Ermittlung von Freibeträgen für die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes anstelle des aktuellen Rentenwerts der aktuelle Rentenwert (Ost) maßgebend, wenn sich die Rentenberechtigten in Ostdeutschland aufhalten. Der Freibetrag liegt bis 30. Juni 2016 bei Aufenthalt in Westdeutschland bei 771,14 Euro und bei Aufenthalt in Ostdeutschland bei 714,12 Euro. Die Zahlbeträge der Witwen-, Witwer und Erziehungsrenten von Rentenberechtigten mit eigenem Einkommen bei Aufenthalt in Ostdeutschland würden sich aufgrund des höheren Freibetrags bei vollständiger Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert erhöhen . Auch ein Umzug innerhalb Deutschlands hätte dann keine Auswirkung auf die Rentenzahlbeträge mehr. 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