© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 031/16 Verlängerung der Mindestlohnprivilegierung von Praktika für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 2 Verlängerung der Mindestlohnprivilegierung von Praktika für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 031/16 Abschluss der Arbeit: 10. März 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Einordnung 4 3. Verfassungsrechtliche Beurteilung 6 3.1. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem 6 3.2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung 7 3.2.1. Legitimes Ziel 7 3.2.2. Geeignetheit 7 3.2.3. Erforderlichkeit 9 3.2.3.1. Bestehende Förderungsmöglichkeiten 10 3.2.3.2. Alternative Mittel 10 3.2.4. Angemessenheit 11 3.2.4.1. Heterogenität und Interessen der anderen Arbeitnehmer 12 3.2.4.2. Dauer der Verlängerung 12 3.2.4.3. Aufenthaltsdauer 13 4. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 4 1. Einleitung Am 15. Februar 2016 hat das Präsidium der CDU ein Eckpunktepapier für die Integration von Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive beschlossen, das auch auf die Förderung der Eingliederung dieser Personengruppe in den Arbeitsmarkt zielt. Zu diesem Zweck wird neben einer Reihe weiterer Maßnahmen vorgeschlagen, für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge die Praktikumszeiten , bei denen vom gesetzlichen Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate zu verlängern.1 2. Rechtliche Einordnung Das Integrationspapier der CDU schlägt die Verlängerung von mindestlohnprivilegierten Praktikumszeiten vor und zielt damit offenbar nicht auf neu zu schaffende Praktikumsmöglichkeiten für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, sondern auf eine zeitliche Ausweitung vorhandener gesetzlicher Ausnahmeregelungen. Der gesetzgeberische Vorschlag nimmt dabei nicht ausdrücklich auf eine konkrete Bestimmung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) Bezug. Ausnahmen vom persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes für Praktikanten sind in § 22 Abs. 1 MiLoG geregelt. Praktikantin oder Praktikant ist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG, „wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung 2 handelt.“ Damit greift das Mindestlohngesetz die Definition in § 26 BBiG auf und schärft sie.3 Ein Praktikum ist nach dem Wortlaut des § 26 BBiG kein Arbeitsverhältnis. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) findet in einem Praktikantenverhältnis zwar keine syste- 1 Fördern und Fordern. Eckpunkte für die Integration von Schutzsuchenden mit Bleibeperspektive, S. 11. Abrufbar im Internetauftritt der CDU: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/160215_buvo_integration .pdf?file=1 (letzter Abruf: 24. Februar 2016). 2 Diese Formulierung erfasst „Ausbildungsverhältnisse, die wie das Berufsausbildungsverhältnis eine ‚umfassende berufliche Handlungsfähigkeit‘ ‚in einem geordneten Ausbildungsgang‘ vermitteln“, Picker, Christian; Sausmikat, Philipp: Ausnahmsweise Mindestlohn? Das MiLoG und die Praktikanten, in: NZA 2014, S. 942-948 (946), Riechert, Cristian; Nimmerjahn, Lutz: Mindestlohngesetz, Kommentar, § 22 Rn. 39. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksache 18/1558 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) b) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/590 - Mindestlohn in Höhe von 10 Euro pro Stunde einführen, Bundestagsdrucksache 18/2010, S. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 5 matische Ausbildung statt, jedoch steht der Ausbildungszweck im Vordergrund. Um dem Missbrauch von Praktika als verdeckte Arbeitsverhältnisse entgegenzuwirken,4 gelten jedoch nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MiLoG Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 BBiG5 gleichwohl als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes, wenn nicht eine der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 4 MiLoG bezeichneten Ausnahmen vorliegt . Die Privilegierung im Zusammenhang mit einer Schul- oder Hochschulausbildung stehender Pflichtpraktika (Nr. 1) scheidet als Anknüpfungspunkt für den CDU-Vorschlag aus.6 Dasselbe gilt für die weit überwiegende Mehrheit der betroffenen Personengruppe für freiwillige Praktika, die eine Berufs- oder Hochschulausbildung begleiten (Nr. 3).7 Schließlich kann sich die vorgeschlagene Verlängerung auch nicht auf die nach Nr. 4 privilegierte Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) beziehen; dieses auf sechs bis zwölf Monate angelegte arbeitsmarktpolitische Instrument steht Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nach § 16 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) als Ermessensleistung bereits zur Verfügung, worauf in dem Integrationspapier auch ausdrücklich hingewiesen wird.8 Als Bezugspunkt des Gesetzgebungsvorschlags kommt mithin allein die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG in Betracht, der Personen vom persönlichen Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes ausschließt, die ein freiwilliges Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten. Der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zufolge werden nach der geltenden Rechtslage Orientierungspraktika von mehr als dreimonatiger Dauer von der Ausnahmeregelung nicht erfasst und sind auch während der ersten drei Monate mindestlohnpflichtig.9 Die Mindestlohnprivilegierung solcher sogenannter Orientierungspraktika soll für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge von drei auf mindestens sechs Monate ausgeweitet werden. Diese Auslegung wird auch durch die unter demselben Ordnungspunkt des Integrationspapiers erwähnte Möglichkeit der Teilnahme an einer 4 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz ), Bundestagsdrucksache 18/1558, S. 42. 5 Nicht unter § 26 BBiG fallen Schülerpraktika (Betriebspraktika) und verpflichtende Studierendenpraktika gemäß § 3 BBiG, die deshalb auch nicht dem Vergütungsanspruch nach § 17 BBiG unterliegen, vgl. LAG München , Urteil vom 19. November 2013, Az.: 6 Sa 334/13. 6 Vgl. zum Begriff Riechert/Nimmerjahn (Fn. 2), § 22 Rn. 42 ff. 7 Vgl. zum Begriff Riechert/Nimmerjahn (Fn. 2), § 22 Rn. 68 ff. 8 Fördern und Fordern (Fn.1 ), S. 11. 9 Vgl. Riechert/Nimmerjahn (Fn. 2), § 22 Rn. 63 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 6 betrieblichen Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III nahegelegt, die sich vor allem an Jugendliche mit erschwerten Vermittlungsperspektiven und benachteiligte Auszubildende im Vorfeld einer Berufsausbildung richtet.10 3. Verfassungsrechtliche Beurteilung Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit eine Verlängerung privilegierter Orientierungspraktika für den genannten Personenkreis mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar wäre. In Betracht kommt insoweit eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Da es sich dabei wie bei einer generellen Mindestlohnausnahme für Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund um die Erweiterung einer Ausnahme vom persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes für den genannten Personenkreis handelt, kann im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der vorgeschlagenen Regelung zum Teil auf die Ausführungen einer früheren Arbeit dieses Fachbereichs11 Bezug genommen werden, die unter Punkt 4 die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer generellen Mindestlohnausnahme für Flüchtlinge zum Gegenstand hat. Dies gilt zunächst für die allgemeinen Ausführungen zum grundrechtlichen Inhalt des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Zusammenhang mit sozialpolitischen und wirtschaftsordnenden Maßnahmen.12 3.1. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist nach § 25 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis „aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen“ zu erteilen, die sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Damit haben sie ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und können ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit jede Beschäftigung aufnehmen. Insoweit befinden sie sich in derselben Situation wie inländische Arbeitnehmer , von denen sie sich allein durch ihren Aufenthaltsstatus aufgrund ihres Fluchthintergrundes unterscheiden. 10 Schmidt in: Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, 40. Edition Stand: 1. Dezember 2015, § 54a SGB III Rn. 1; Kühl in: Brand, Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung, SGB III, 7. Auflage 2015, § 54a Rn. 2. 11 Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste: Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Ausarbeitung vom 8. Februar 2016. WD 6 - 3000 - 004/16. Abrufbar im Internetauftritt des Deutschen Bundestages: http://www.bundestag .de/blob/407276/add1fbc054b3a45d6eeca421ce9ea9b3/wd-6-004-16-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 24. Februar 2016). 12 Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 7 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und dem Schrifttum. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 7 Wie bereits unter 2 dargestellt, gelten nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 MiLoG Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 BBiG grundsätzlich als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes. Die Privilegierung von Orientierungspraktika im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG über die dort vorgesehene Höchstdauer hinaus für Praktikanten mit Fluchthintergrund ist als Ungleichbehandlung gegenüber anderen Praktikanten und Arbeitnehmern anzusehen. Sie knüpft an deren Aufenthaltsstatus an und stellt sich für die Betroffenen je nach Sichtweise als Schlechterstellung oder als Besserstellung dar.13 3.2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung Die Ungleichbehandlung setzt am Status der Asylberechtigten und Flüchtlinge und damit an ihrer Herkunft an. Sie ist daher nicht nur am staatlichen Willkürverbot zu messen, sondern bedarf zu ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung. Um den in der vorgeschlagenen Regelung enthaltenen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen, müsste sie einem legitimen Ziel dienen und zu dessen Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen sein.14 3.2.1. Legitimes Ziel Die Verlängerung mindestlohnprivilegierter Orientierungspraktika für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention soll die Integration dieses Personenkreises in Ausbildung und Arbeit erleichtern. Vor dem Hintergrund des bestehenden politischen Konsenses darüber, dass Flüchtlinge mit Bleibeperspektive möglichst schnell gesellschaftlich integriert werden sollen, ist ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt als wesentlicher Baustein für eine nachhaltige gesellschaftliche Integration ein legitimes Ziel.15 3.2.2. Geeignetheit Die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung zur Verfolgung des dargelegten Zwecks setzt nicht voraus, dass sie für die Zielerreichung bestmöglich geeignet ist.16 Vielmehr genügt es, wenn sie 13 Vgl. dazu ausführlicher Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 8. 14 Vgl. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 8 f. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG und dem Schrifttum. 15 Vgl. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 9. 16 BVerfGE 115, 276 (308). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 8 das angestrebte Ziel zumindest fördert.17 Vorliegend müsste sie geeignet sein, die Ausbildungsund Beschäftigungschancen von Arbeitnehmern mit Fluchthintergrund zu verbessen, die vielfach aufgrund fehlender Deutschkenntnisse oder fehlender bzw. nicht verifizierbarer beruflicher Qualifikationen besondere Schwierigkeiten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt haben. Ein Praktikum kann der eigentlichen Arbeitsmarktintegration stets nur vorgelagert sein. Dies gilt in besonderer Weise für ein Orientierungspraktikum, denn „ein privilegiertes Orientierungspraktikum nach Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 2 MiLoG dient der Orientierung bzw. Entschließung des Praktikanten im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums.“18 „Für ein Orientierungspraktikum kommen (…) nur Praktikanten in Betracht, die sich nicht bereits in der Berufsausbildung oder in dem Studium befinden, sondern in deren zeitlichem Vorfeld.“19 Bei einem derartigen Praktikum steht damit neben dem Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten vor allem die Entscheidungsfindung des Praktikanten und die Förderung seiner Ausbildungsfähigkeit für eine bestimmte berufliche Ausbildung im Vordergrund. Eine abgeschlossene Berufsausbildung gilt in Deutschland als Voraussetzung für eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt und als wirksamer Schutz vor Arbeitslosigkeit. Daher erscheint es nicht nur wichtig, Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund, die keine hinreichend verwertbare berufliche Qualifikation aufweisen, vom Stellenwert einer Berufsausbildung zu überzeugen und sie zur Aufnahme einer Ausbildung zu bewegen,20 sondern auch, ihnen Möglichkeiten zu bieten, sich mit bestimmten beruflichen Tätigkeiten, für die sie sich interessieren, im Rahmen eines Orientierungspraktikums vertraut zu machen und so ihre Berufsausbildungsentscheidung vorzubereiten . Der Beschränkung mindestlohnprivilegierter Orientierungspraktika auf längstens drei Monate „liegt die gesetzgeberische Einschätzung zugrunde, dass die berufliche Orientierung nach einer Praktikumsdauer von drei Monaten typischerweise abgeschlossen ist.“21 Dass die Verlängerung eines Orientierungspraktikums von drei auf mindestens sechs Monate die Entscheidungsfindung für oder gegen eine bestimmte Berufsausbildung erleichtern oder verbessern kann, erscheint daher nicht zwangsläufig. Andererseits verfügen Flüchtlinge ohne Berufsausbildung vielfach noch über mangelhafte Deutschkenntnisse und nicht selten fehlt ihnen ausreichendes Wissen über Gesellschaft , Arbeitskultur und Arbeitsmarkt in Deutschland; daher erscheint es denkbar, dass sie einen größeren zeitlichen Aufwand für eine Entscheidung über ihre berufliche Orientierung benötigen . Auch könnte - allerdings lediglich als Nebeneffekt - ein verlängertes Orientierungspraktikum aufgrund der verlängerten gegenseitigen praktischen Erfahrungen zwischen Praktikant und 17 Vgl. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 10 mit Nachweis aus der Kommentarliteratur. 18 Greiner in Beck'scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, 38. Edition, Stand: 1. September 2015, § 22 MiLoG Rn. 28. 19 Greiner (Fn. 18) § 22 MiLoG Rn. 28; anderer Ansicht insoweit: Hund, Daniel; Pechtold, Sabine: Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung. Der Mindestlohn für Praktikanten, in: AuA 2104, S. 540-542 (540). 20 Zu der bei Flüchtlingen offenbar vielfach bestehenden Tendenz zum Verzicht auf eine Berufsausbildung vgl. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 11 f. mit Nachweisen. 21 Vgl. Riechert/Nimmerjahn (Fn. 2), § 22 Rn. 63. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 9 Praktikumsgeber für die Anbahnung eines konkreten Berufsausbildungsverhältnisses förderlich sein. Eine Verlängerung mindestlohnprivilegierter Orientierungspraktika dürfte insoweit geeignet sein, die Chancen der Eingliederung für den betroffenen Personenkreis zu verbessern. Die Frage, ob Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund tatsächlich eine längere Berufsorientierungsphase benötigen, sowie die Prognose, dass die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen durch eine entsprechende Änderung des Mindestlohngesetzes tatsächlich gefördert wird, unterliegt im Übrigen letztlich dem Einschätzungs- und Bewertungsspielraum des Gesetzgebers, den das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Hinblick auf sozialpolitische und wirtschaftsordnende Maßnahmen stets besonders hervorgehoben hat.22 Verfassungsrechtlich unzulässige sachfremde Erwägungen 23 sind jedenfalls nicht ersichtlich. 3.2.3. Erforderlichkeit Zur Rechtfertigung einer Maßnahme, die zur Ungleichbehandlung im Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG führt, muss sie neben ihrer grundsätzlichen Geeignetheit auch erforderlich sein, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen. Dies ist der Fall, wenn es dazu kein milderes - aber dennoch gleich geeignetes - Mittel gibt. Festzustellen ist zunächst, dass sich die vorgeschlagene Erweiterung der Ausnahme vom persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes durch die Möglichkeit der Verlängerung von Orientierungspraktika für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge in der Regel nur an diejenigen Mitglieder dieses Personenkreises richtet, die nicht über einen am deutschen Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss verfügen. Denn nach einem berufsqualifizierenden Berufsoder Studienabschluss ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „in der Regel davon auszugehen, dass die fachliche Orientierungsphase bereits abgeschlossen ist.“24 Damit handelt es sich anders als im Fall der Forderung nach einer pauschalen Mindestlohnausnahme für Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund25 um einen den Umständen entsprechend relativ homogenen Adressatenkreis. 22 Vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 13 Fn. 32. 23 Vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 111, 226, 255; 106, 62, 150 ff. 24 Antwort des Staatssekretärs Thorben Albrecht vom 15. Juli 2014 auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Bundestagsdrucksache 18/2145 vom 18. Juli 2014, S. 23. Allerdings dürfte nach dem Wortlaut der Regelung auch im Anschluss an eine abgeschlossene Berufsausbildung ein weiteres Praktikum zur Orientierung für die Aufnahme eines Studiums in Betracht kommen, vgl. Riechert/Nimmerjahn (Fn. 2), § 22 Rn. 59, was im vorliegenden Zusammenhang aber kaum relevant sein dürfte. 25 Vgl. dazu Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 10 3.2.3.1. Bestehende Förderungsmöglichkeiten Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge können uneingeschränkt wie alle anderen Arbeitnehmer privilegierte Orientierungspraktika mit einer Gesamtdauer von bis zu drei Monaten in Anspruch nehmen. Im Integrationspapier des CDU-Präsidiums ausdrücklich erwähnt wird auch die Möglichkeit der Teilnahme dieses Personenkreises an sechs- bis zwölfmonatigen Einstiegsqualifizierungen nach § 54a SGB III, die besonders benachteiligte Arbeitnehmer an eine Ausbildung heranführen sollen. Sie stehen Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen aufgrund ihres Arbeitsmarktzugangs gemäß § 16 SGB II bereits nach geltender Rechtslage zur Verfügung. Über diese Bestimmung haben sie überdies Zugang zu einer Vielzahl weiterer Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereiten oder der beruflichen Eingliederung dienen (sogenannte berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen im Sinne der §§ 51 ff. SGB III) 26 sowie zu Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung nach den §§ 68 bis 70 BBiG. Auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit steht aber dem Gesetzgeber ein breiter Einschätzungsspielraum zu. Insbesondere wird die Erforderlichkeit einer Ausnahmeregelung nicht bereits dadurch in Frage gestellt, dass der von einer Regelung erfasste Personenkreis bereits eine Förderung durch die Arbeitsmarktpolitik genießt. Denn dem Gesetzgeber ist es aufgrund des legislativen Gestaltungsspielraums grundsätzlich nicht verwehrt, dasselbe Ziel auf unterschiedlichen Wegen anzustreben, zumal wenn es sich um ein Ziel von so herausgehobener gesellschaftlicher Bedeutung handelt wie die nachhaltige Eingliederung von Menschen mit Fluchthintergrund in den Arbeitsmarkt. 3.2.3.2. Alternative Mittel Die Erforderlichkeit wäre nicht gegeben, wenn dem Gesetzgeber mildere, das heißt weniger grundrechtsbelastende Mittel zur Verfügung stünden, die aber dennoch gleich wirksam wären. Um Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund möglichst schnell in Ausbildung und Arbeit zu integrieren , hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einem Antrag vom 24. Februar 2016 Vorschläge gemacht und dabei vor allem einen möglichst frühzeitigen Zugang zum Arbeitsmarkt und frühzeitige Erfassung und Einbeziehung der Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund in die aktive Arbeitsmarktpolitik sowie unter anderem die Entwicklung praxisnaher, auf die konkreten Bedürfnisse dieser Personengruppe zugeschnittener Einstiegsqualifizierungen gefordert.27 26 Vgl. dazu auch im Internetauftritt der Bundesagentur für Arbeit: https://www.arbeitsagentur.de/web/content /DE/Unternehmen/Ausbildung/Ausbildungsvorbereitung/Bildungsmassnahmen/Detail/index.htm?dfContent Id=L6019022DSTBAI516571 (letzter Abruf: 4. März 2016). 27 Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Luise Amtsberg, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeitsmarktpolitik für Flüchtlinge – Praxisnahe Förderung von Anfang an, Bundestagsdrucksache 18/7653. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 11 Auf die besonderen Bedürfnisse für Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund zugeschnittene Programme der Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III könnten eine vielversprechende Alternative zu der vorgeschlagenen Verlängerung der Privilegierung von Orientierungspraktika sein, die im Hinblick auf deren Integration in berufliche Ausbildung auch ebenso wirksam sein könnten. Für die Zeit einer nach § 54a SGB III für sechs bis zwölf Monaten geförderten Einstiegsqualifikation wären die Betroffenen jedoch nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MiLoG ebenso wie im Falle eines Orientierungspraktikums von der Anwendung des Mindestlohngesetzes ausgeschlossen, sodass es sich in Bezug auf den Eingriff in das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG jedenfalls für die dort vorgesehene Zeitdauer nicht um ein im verfassungsrechtlichen Sinne milderes Mittel handeln würde als die Verlängerung der Mindestlohnbefreiung von Orientierungspraktika . Außerdem würden auch an derartigen Programmen nicht alle interessierten Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund teilnehmen können, sodass ihnen weiterhin auch andere Möglichkeiten der beruflichen Orientierung zur Verfügung stehen müssten. Auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit liegt die Einschätzungsprärogative letztlich beim Gesetzgeber, dem hier ein weiter Spielraum eingeräumt wird, dasselbe Ziel gleichzeitig auf unterschiedlichen Wegen zu verfolgen. 3.2.4. Angemessenheit Eine gesetzgeberische Maßnahme, die einen Eingriff in Grundrechte darstellt, ist verfassungsrechtlich angemessen, wenn die Schwere des Grundrechtseingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zum Gewicht der rechtfertigenden Gründe steht.28 Der Gesetzgeber muss die unterschiedlichen Interessen innerhalb seines legislativen Gestaltungsspielraums zum Ausgleich bringen.29 Vorliegend ist zunächst das besonders große individuelle und gesamtgesellschaftliche Interesse an der nachhaltigen Eingliederung von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive in den Arbeitsmarkt hervorzuheben, dem das kurzfristige Individualinteresse der von einer verlängerten Mindestlohnprivilegierung von Orientierungspraktika betroffenen Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund an einer Beschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn nachzuordnen sein dürfte. Zu berücksichtigen sind aber auch die Individualinteressen der von der Regelung nicht erfassten Arbeitnehmer und schließlich darf auch der gesamtgesellschaftliche Kontext nicht außer Betracht gelassen werden. 28 BVerfGE 118, 186 (195). 29 Vgl. dazu Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 12 3.2.4.1. Heterogenität und Interessen der anderen Arbeitnehmer Der im Rahmen der Prüfung einer allgemeinen Ausnahme vom Mindestlohn für Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund bedeutsame Gesichtspunkt der fehlenden Homogenität des von der Regelung erfassten Personenkreises und der daraus folgenden unterschiedlichen Bedürfnisse bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt im Einzelfall30 spielen im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Der Kreis der für ein nach dem CDU-Vorschlag verlängertes Orientierungspraktikum in Betracht kommenden Personen ist beschränkt auf Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, die noch über keine oder keine verwertbare Berufsausbildung verfügen. Flüchtlinge, die bereits über eine berufliche Qualifikation verfügen, die auch hier in Deutschland anerkannt und am Arbeitsmarkt nachgefragt ist, bedürfen zu ihrer Integration in den Arbeitsmarkt zwar möglicherweise ebenfalls der Unterstützung; ein Orientierungspraktikum im Hinblick auf eine berufliche Ausbildung benötigen sie aber naturgemäß nicht. Denn nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung ist die berufsfachliche Orientierung abgeschlossen und ein weiteres Orientierungspraktikum kommt nur für die Aufnahme eines Studiums in Betracht (siehe oben 3.2.3, S. 9 und Fn. 24). Entscheidet sich dagegen ein Arbeitnehmer mit Fluchthintergrund als Vorbereitung für die Aufnahme einer Beschäftigung gleichwohl zur Ableistung eines Praktikums, handelt es sich nicht um ein Orientierungspraktikums im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG und es unterliegt der Mindestlohnpflicht. Theoretisch kann es zu Konkurrenzsituationen mit anderen Flüchtlingen oder anderen Arbeitnehmern im Hinblick auf die Ableistung von Praktika kommen, die aber aufgrund der besonderen Zwecksetzung eines Orientierungspraktikums eher unwahrscheinlich sein dürften. Dasselbe gilt für die Konkurrenz mit anderen Interessenten an einem mindestlohprivilegierten Orientierungspraktikum , die nicht zu dem verlängerungsberechtigten Personenkreis zählen; denn angesichts eines zu erwartenden höheren Ausbildungsaufwandes bei Arbeitnehmern mit Fluchthintergrund dürfte es nicht zu befürchten sein, dass Praktikumsgeber wegen der längeren Standzeit regelmäßig Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge anderen Interessenten für die Ableistung eines Orientierungspraktikums vorziehen. Angesichts des engen und konkret zugeschnittenen Kreises erfasster Arbeitnehmer ist schließlich auch weder Verzerrungen auf dem Arbeitsmarkt noch Probleme der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz zu erwarten. 3.2.4.2. Dauer der Verlängerung Das Integrationspapier der CDU schlägt eine Verlängerung der Mindestlohnprivilegierung von Orientierungspraktika von drei „auf mindestens sechs Monate“ vor. Diese Formulierung lässt eine Höchstdauer für ein solches Praktikum letztlich offen. Die inhaltliche Nähe des Orientierungspraktikums im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG zu dem arbeitsmarktpolitischen Instrument der Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III legt die Annahme nahe, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum insoweit durch die dort genannte Höchstförderungsdauer von zwölf Monaten beschränkt sein dürfte. 30 Vgl. dazu Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (Fn. 11), S. 17 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 031/16 Seite 13 3.2.4.3. Aufenthaltsdauer Die verfassungsrechtliche Angemessenheit einer verlängerten Mindestlohnprivilegierung von Orientierungspraktika für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge wird schließlich auch nicht gänzlich ohne Berücksichtigung der zurückgelegten Aufenthaltsdauer und der Vorerfahrungen der von der Regelung zu erfassenden Personen in Deutschland zu betrachten sein. Vor allem angesichts zahlreicher bereits während des Anerkennungsverfahrens auf Bundes- und Länderebene erbrachter freiwilliger Angebote von Sprach- und Integrationskursen sowie sonstiger Orientierungs - und Integrationshilfen für Asylbewerber und Flüchtlinge wird es in Zukunft wohl zu einer verstärkten Heterogenität im Hinblick auf die deutschen Sprachkenntnisse sowie Vorerfahrungen und Kenntnisse über Gesellschaft und Arbeitswelt in Deutschland kommen. Dem Gesetzgeber sind insoweit im Rahmen seines Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums auch verallgemeinernde und pauschalierende Betrachtungen zwar grundsätzlich erlaubt, doch wird er sicherstellen müssen, dass bereits lange in Deutschland lebende anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge mit fortgeschrittenem Integrationsstand nicht durch unterschiedliche Behandlung allein aufgrund ihres Aufenthaltsstatus dauerhaft ausgegrenzt werden. 4. Fazit Die im Integrationspapier der CDU vorgeschlagene Verlängerung von Praktika für Asylberechtige und anerkannte Flüchtlinge nimmt auf mindestlohnprivilegierte Orientierungspraktika im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG Bezug. Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich eine Verlängerung der Mindestlohnbefreiung solcher Praktika für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive zwar als Ungleichbehandlung dar, die jedoch gerechtfertigt erscheint. Die vorgeschlagene Regelung dient dem legitimen Ziel einer nachhaltigen Integration dieser benachteiligten Arbeitnehmergruppe in Ausbildung und Beschäftigung. Sie ist - unabhängig von den bestehenden Förderungsmöglichkeiten der aktiven Arbeitsmarktpolitik - auch zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich, weil es die Eingliederung des erfassten Personenkreises in berufliche Ausbildung fördern kann und mildere Mittel mit gleicher Wirksamkeit nicht ersichtlich sind. Schließlich erscheint eine Verlängerung der Mindestlohnprivilegierung von Orientierungspraktika bei entsprechender Gestaltung im Einzelnen auch verhältnismäßig , weil sie die beteiligten Interessen innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums angemessen zum Ausgleich bringt. Die Beeinträchtigung der Rechte anderer Arbeitsnehmergruppen , Verzerrungen des Arbeitsmarkts oder Probleme im gesamtgesellschaftlichen Kontext dürften nicht zu erwarten sein. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine entsprechende Erweiterung der Ausnahmetatbestände des § 22 Abs. 1 Satz MiLoG mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein könnte. Eine verbindliche Entscheidung darüber wäre dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten . Ende der Bearbeitung