© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 030/20 Das Dienstordnungsrecht der Unfallversicherungsträger Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 2 Das Dienstordnungsrecht der Unfallversicherungsträger Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 030/20 Abschluss der Arbeit: 26. März 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Dienstordnungsrecht 4 2.1. Entwicklung 4 2.2. Rechtsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten 6 2.2.1. Dienstordnung 7 3. Verfassungsrechtliche Vorgaben 7 4. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 4 1. Einleitung Die Dienstordnungen (DO) der deutschen Sozialversicherungsträger regeln die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Personen, sofern diese Personen nicht auf der Grundlage eines Tarifvertrages angestellt sind (sogenannte Dienstordnungsangestellte). Bei den Dienstordnungen handelt es sich um autonomes Recht der jeweiligen Sozialversicherungsträger, das aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen wird. Ermächtigungsgrundlagen sind §§ 351 bis 358 Reichsversicherungsordnung (RVO) und §§ 144 bis 147 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Der Dienstordnungsangestellte steht zwar in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, für den aber kraft dieses Vertrages beamtenrechtliche Grundsätze (beispielsweise Besoldung und Beihilfeberechtigung ) gelten. Tarifverträge finden auf das Dienstordnungsverhältnis grundsätzlich keine Anwendung. Nach § 358 RVO dürfen Krankenkassen bereits seit 1993 keine neuen Dienstordnungsverhältnisse mehr begründen. Nach der damaligen Gesetzesbegründung wurde das Dienstordnungsrecht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) deshalb abgeschafft, „weil es mit seiner Anbindung an das Beamtenrecht kein geeignetes personalpolitisches Instrument sei, um den Anforderungen an ein wettbewerblich orientiertes GKV-System gerecht zu werden“ (Bundestags-Drucksache 12/3608, S. 129). Allerdings konnten die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Dienstordnungsangestellten ihren Status behalten, so dass das Dienstordnungsrecht bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen, den Innungskrankenkassen und deren Verbänden nach und nach an Bedeutung verloren hat.1 Somit dürfen derzeit nur noch die Unfallversicherungsträger, soweit sie keine Dienstherrenfähigkeit gemäß § 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) oder § 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) besitzen, neben der Beschäftigung von Angestellten nach Tarifvertrag gemäß § 144 SGB VII Dienstordnungsangestellte neu einstellen. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 4. März 2020 – Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – (Bundestags-Drucksache 19/17586) soll das Dienstordnungsrecht künftig geschlossen werden, um so die Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst zu vereinheitlichen. Bereits bestehende Dienstordnungsverhältnisse sollen unberührt bleiben. 2. Dienstordnungsrecht 2.1. Entwicklung Das Recht der Dienstordnung sollte es den Unfallversicherungsträgern ermöglichen, die rechtlichen Beziehungen von Beschäftigten in Kernfunktionen ihrer Aufgabenerfüllung nach ihren selbst eingeschätzten Bedürfnissen hinsichtlich Personalgewinnung, Ausbildung, Einsatzbedingungen , Besoldung und Versorgung zu regeln. Seit Einführung des Dienstordnungsrechts durch 1 Krauskopf in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 104. Ergänzungslieferung, Februar 2019, § 358 RVO, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 5 das Gewerbeunfallversicherungsgesetz vom 30. Juni 1900 (GVUG) haben die Unfallversicherungsträger dabei dem Dienstordnungsrecht unterliegende Arbeitnehmer (Dienstordnungsangestellte ) in Funktionen beschäftigt, die vergleichbaren Beamtenfunktionen in der unmittelbaren Staatsverwaltung entsprachen. Dies geschah in zunehmender Anlehnung an das Beamtenrecht, um gleichwertige beamtenähnliche Stellen und Bedingungen in Konkurrenz zu unmittelbaren Staatsverwaltungen zu bieten. Mit Einführung der RVO wurden die bis heute noch im Wesentlichen geltenden Vorschriften konkretisiert. Mit § 144 SGB VII hat das Unfallversicherungseinordnungsgesetz (UVEG 1997) diese Möglichkeit für die gesetzliche Unfallversicherung belassen, obwohl sie den Krankenversicherungsträgern bereits 1993 genommen wurde, weil sie nicht mehr zur wettbewerblichen Struktur der Krankenversicherungsträger als passend angesehen wurden. 2 Unfallversicherungsträger mit Dienstherrenfähigkeit haben gemäß § 144 Satz 2 SGB VII nicht die Möglichkeit, eine Dienstordnung zu erlassen und Dienstordnungsangestellte zu beschäftigen. Von der Ausnahmeregelung betroffen sind die Unfallversicherung Bund und Bahn, die Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation sowie die Unfallkassen im Landes- und kommunalen Bereich, soweit ihnen landesrechtlich Dienstherrenfähigkeit verliehen worden ist.3 Einerseits beschäftigen die Berufsgenossenschaften schon heute zunehmend Angestellte nach Tarifvertrag und verzichten auf eine Anstellung nach der Dienstordnung. Damit erhalten sie sich die weniger engen tarifvertraglichen Gestaltungsoptionen. Andererseits rechtfertigen die zahlreichen hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse dem Grunde nach das Dienstordnungs-Arbeitsverhältnis . Für die Übertragung von Eingriffsrechten nach § 19 SGB VII ist formal jedoch nicht die arbeitsrechtliche Anstellung entscheidend, sondern der Nachweis der Befähigung gemäß einer von der Aufsichtsbehörde genehmigten Prüfungsordnung nach § 18 Abs. 2 SGB VII. Die Ausübung von Eingriffsrechten setzt somit keine Dienstordnungsangestellten voraus.4 Von den 25.000 Gesamtbeschäftigten (davon 8.700 Dienstordnungsangestellte) bei den Trägern der Unfallversicherung sind insgesamt 19.000 (davon 7.000 Dienstordnungsangestellte) bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften tätig. Für die 12.000 Arbeitnehmer existieren Tarifverträge, abgeschlossen zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und den Gewerkschaften . Zentraler Tarifvertrag ist der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (BG-AT) vom 25. November 1961, aktuell in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nummer 14 vom 18.April 2018, der für die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Unfallkasse 2 Ricke in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 107. Ergänzungslieferung, Stand Dezember 2019, § 144 SGB VII, Rn. 2. 3 Schmitt in: Schmitt, Kommentar zum SGB VII, 4. Auflage 2009, § 144 SGB VII, Rn. 5. 4 Bräunig und Simon in: Betriebsfunktionen und Dienstleistungstypen von Berufsgenossenschaften, S. 33, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, 87, S. 27 bis 53, März 1998. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 6 Berlin, die Unfallkasse Nord und die Unfallkasse Freie Hansestadt Bremen gilt.5 Er ist dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) stark angenähert. 2.2. Rechtsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten Die Träger der Sozialversicherung und ihre Verbände besitzen ganz überwiegend keine Dienstherreneigenschaft und können deshalb keine Beamten ernennen. Das Dienstordnungsrecht ist weitgehend dem Beamtenrecht angeglichen worden. Die Dienstordnungsangestellten werden zwar durch Vertrag angestellt, doch wirkt auf ihr Vertragsverhältnis die vom Sozialversicherungsträger mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde als öffentlich-rechtliche Satzung erlassene Dienstordnung ein. Das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip gilt auch für Dienstordnungsangestellte. Deshalb schuldet der Dienstherr eine amtsangemessene Besoldung, die durch den Gesetzgeber festgelegt wird und die Sozialversicherungsträger bindet.6 Die Rechtsverhältnisse der Dienstordnungsangestellten zeichnen sich dadurch aus, dass diese weder Beamte sind oder sonst einen öffentlich-rechtlichen Status genießen noch in einem rein zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zu den Sozialversicherungsträgern stehen. Auf den ersten Blick scheint ein solches Dienstordnungsangestelltenverhältnis der herkömmlichen Kategorisierung von Beschäftigungsverhältnissen zu widersprechen, denn Beschäftigungen in einem öffentlich -rechtlichen Dienstverhältnis und in einem zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis schließen einander grundsätzlich aus. Das Dienstordnungsangestelltenverhältnis vereint allerdings Elemente beider Beschäftigungsformen. Dies hat den Hintergrund, dass die Sozialversicherungsträger als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung ihre Angestellten häufig in Funktionen eingesetzt haben, die im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung von Beamten wahrgenommen wurden. Um konkurrenzfähig zu sein, sollten diese Angestellten zu gleichwertigen Bedingungen wie die Beamten der unmittelbaren Staatsverwaltung beschäftigt werden. Dies galt vor allem, da die Dienstordnungsangestellten auch Hoheitsaufgaben auszuüben hatten. Dazu wird das Vertragsverhältnis nicht nur mit einzelnen beamtenrechtlichen Pflichten und Rechten, sondern umfassend als „privatrechtliches“ Dienst- und Treueverhältnis – in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnis gemäß § 4 BBG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 BeamtStG – ausgestaltet.7 Im Gegensatz zum Beamten wird der Dienstordnungsangestellte nicht ernannt, sondern schließt einen Arbeitsvertrag, dessen Gegenstand das Beamtenrecht und die jeweilige Dienstordnung ist. Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Dienstordnungsangestellten und seinem Arbeitgeber werden deshalb von den Arbeitsgerichten und nicht von den Verwaltungsgerichten entschieden. 5 Conze in: Personalbuch Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst, 6. Auflage 2020, gewerbliche Berufsgenossenschaften , Rn. 1027. 6 Spinner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 611a BGB, Rn. 139 bis 141. 7 Herrmann und Buchheim in: Auswirkungen des Lebenszeitprinzips bei Dienstordnungsangestellten, LKV Verwaltungsrechts -Zeitschrift, 2/2014, S. 50. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 7 2.2.1. Dienstordnung Die beamtenrechtsähnliche Ausgestaltung der Anstellungsverhältnisse wird dadurch erreicht, dass sich die Beschäftigten in dem Anstellungsvertrag der bei dem Sozialversicherungsträger geltenden Dienstordnung unterwerfen. Hierbei handelt es ich um autonomes Recht, das normativ und zwingend die Arbeitsverhältnisse der Angestellten regelt, die sich nach ihrem Anstellungsvertrag den Regelungen der Dienstordnung unterstellt haben. Für Angestellte, die nach Tarifvertrag oder außertariflich beschäftigt werden, gilt die Dienstordnung hingegen nicht. Mit der Dienstordnung gestaltet der Sozialversicherungsträger seine Beziehungen zu den Angestellten nach dem Prinzip der Selbstverwaltung eigenständig. Nach den gesetzlichen Vorgaben muss der Inhalt des Anstellungsverhältnisses, also alle das Dienstrecht betreffenden Fragen, in der Dienstordnung geregelt werden. Die Dienstordnung muss Bestimmungen zu den Rechts- und allgemeinen Dienstverhältnissen der Angestellten, insbesondere den Nachweis ihrer fachlichen Befähigung, ihre Zahl, die Art der Anstellung, die Kündigung oder Entlassung und die Folgen der Nichterfüllung von Pflichten sowie Ein- und Anstellungsbedingungen enthalten. Im Hinblick auf die beamtenrechtliche Ausgestaltung der Anstellungsverhältnisse wird regelmäßig festgelegt, dass die für die Beamten des jeweiligen Landes geltenden Vorschriften, insbesondere über die Rechte und Pflichten der Beamten, entsprechend gelten. Hierdurch wird nicht nur das jeweilige Landesbeamtengesetz in Bezug genommen, sondern auch das jeweilige Besoldungs- und Versorgungsgesetz . Nicht zuletzt erfasst der Verweis auch die Geltung von Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) und der so genannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, aus denen ebenfalls Rechte und Pflichten von Beamten ableitbar sind.8 3. Verfassungsrechtliche Vorgaben Art. 33 Abs. 4 GG beinhaltet mit dem Gebot, die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, einen sogenannten Funktionsvorbehalt für Beamte.9 Hoheitsrechtliche Befugnisse sind nach Art. 33 Abs. 4 GG nicht ausnahmslos, sondern nur „in der Regel“ Beamten zu übertragen. Es besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Art. 33 Abs. 4 GG mit dieser Formulierung Ausnahmen von dem Funktionsvorbehalt für Beamte zulässt und eine Übertragung auf Nichtbeamte, das heißt auf Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes oder auf Private, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zum Staat stehen, ermöglicht.10 8 Herrmann und Buchheim in: Auswirkungen des Lebenszeitprinzips bei Dienstordnungsangestellten, LKV Verwaltungsrechts -Zeitschrift, 2/2014, S. 50. 9 Brosius-Gersdorf in: Dreier Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 33 GG, Rn. 148. 10 Brosius-Gersdorf in: Dreier Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 33 GG, Rn. 165. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 8 Der durch die „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ Beamten reservierte Aufgabenbereich ist dabei eng auszulegen. Dies ergibt sich bereits aus dem Zweck des Art. 33 Abs. 4 GG, der eine Übertragung von Aufgaben an Beamte, die in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis stehen , nur fordert, soweit dies zur Sicherung des fachlichen Niveaus, der Funktionsfähigkeit, der rechtlichen Integrität des Staates oder der Kontinuität der Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig ist.11 Diese tatbestandliche Voraussetzung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn Befugnisse zum Grundrechtseingriff im engeren Sinne ausgeübt werden, die öffentliche Gewalt also durch Befehl oder Zwang unmittelbar beschränkend auf grundrechtlich geschützte Freiheiten einwirkt.12 Zum Gewährleistungsbereich des Art. 33 Abs. 4 GG gehören insbesondere jene Aufgaben, deren Wahrnehmung die besonderen Verlässlichkeits-, Stetigkeits- und Rechtsstaatlichkeitsgarantien des Beamtentums erfordert. Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG begründet kein Recht des Einzelnen, sondern enthält eine objektiv-rechtliche Verfassungsregelung. Art. 33 Abs. 4 GG dient zwar nicht dem Schutz von Beamten- oder Versorgungsinteressen, wohl aber – unter anderem – dem Schutz des von hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung in seinen Grundrechten betroffenen Bürgers. Art. 33 Abs. 4 GG gilt auch für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in privatrechtlicher Organisationsform. Abweichungen vom Grundsatz des Funktionsvorbehalts bedürfen der Rechtfertigung durch einen spezifischen, dem Sinn der Ausnahmemöglichkeit entsprechenden Ausnahmegrund. Der verfassungsrechtliche Funktionsvorbehalt bindet die Organisationsgewalt des Gesetzgebers und der Exekutive bei der Ordnung und Festlegung der Ämter und Dienstposten sowie die Dienstbehörde bei der Übertragung der Amtsbefugnisse im Einzelfall. Ein gewisser organisatorischer Gestaltungsspielraum und ein personalwirtschaftliches Ermessen ist dadurch eingeräumt, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse „als ständige Aufgabe“ „in der Regel“ Beamten zu übertragen ist. Die Erledigung von nicht auf Dauer angelegten öffentlichen Aufgaben und die vorübergehende Erledigung von auf Dauer bestehenden öffentlichen Aufgaben mit hoheitsrechtlichen Befugnissen kann danach auch Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst übertragen werden. Die Einschränkung „in der Regel“ besagt, dass auch ständige Aufgaben mit der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst übertragen werden dürfen.13 Ebenso wie die in Art. 33 Abs. 5 GG genannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums dem Wandel in Gesellschaft und Arbeitswelt entsprechend angepasst werden müssen – was durch die Fortentwicklungsklausel in Art. 33 Abs. 5 GG ausdrücklich betont wird –, muss dazu auch der Funktionsvorbehalt entsprechend angepasst werden. Das bedeutet, dass 11 Brosius-Gersdorf in: Dreier Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 33 GG, Rn. 154. 12 Graßhof in: Graßhof, Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 209. Ergänzungslieferung August 2019, Art. 33 Abs. 4 GG, Nr. 10. 13 Badura in : Maunz/Dürig Grundgesetz-Kommentar, 88. Ergänzungslieferung August 2019, Art. 33 GG, Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 030/20 Seite 9 Art. 33 Abs. 4 GG nicht mehr allein auf das ursprüngliche hoheitliche geprägte Bild zu reduzieren ist, sondern ebenso wie die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG der gesellschaftlichen Entwicklung folgen muss.14 4. Fazit Dienstordnungsangestellte sind trotz der weitgehend öffentlich-rechtlich ausgestalteten Regelungen ihrer Anstellungsverhältnisse Arbeitnehmer und nicht Beamte oder Inhaber eines sonstigen besonderen öffentlich –rechtlichen Status und werden aufgrund eines privatvertraglichen Arbeitsvertrages beschäftigt, der das entscheidende rechtliche Kriterium für die Arbeitnehmereigenschaft ist.15 Ihr Arbeitnehmerstatus wird auch durch den Verweis auf beamtenrechtliche Regelungen nach den Verfassungsgrundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG in ihrem Anstellungsvertrag nicht beeinträchtigt.16 Somit stehen Dienstordnungsangestellte nicht in einem öffentlich rechtlichen Dienst- und Treuverhältnis , welches für die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel durch den Funktionsvorbehalt in Art. 33 Abs. 4 GG gefordert wird. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse durch Tarifangestellte in einzelnen Verwaltungsbereichen wird als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, weil Artikel 33 Abs. 4 GG nur für den Regelfall ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis fordert.17 Vor diesem Hintergrund erscheint die durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 31. Dezember 2022 geplante Schließung des Dienstordnungsrechts zur Vereinheitlichung der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst im Hinblick auf die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Aufgaben durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung keinen Bedenken zu begegnen . *** 14 Abrufbar unter: https://www.dbb.de/lexikon/themenartikel/f/funktionsvorbehalt.html, zuletzt abgerufen am 24. März 2020. 15 BAG vom 25. April 1979, Az.: 4 AZR 791/777, Rn. 34. 16 BAG vom 25. April 1979, Az.: 4 AZR 791/777, Rn. 12. 17 Bundestags-Drucksache 7/4244 vom 3. November 1975, S. 20.