© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 028/21 Aspekte zu Dienstpflichten von Beamten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 2 Aspekte zu Dienstpflichten von Beamten Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 028/21 Abschluss der Arbeit: 27. April 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Allgemeines zum Beamtenverhältnis 5 2.1. Dienstpflichten der Beamten 5 2.1.1. Treuepflicht 5 2.1.2. Amtswahrungspflicht 6 2.1.3. Beratungs-und Unterstützungspflicht 6 2.1.4. Folgepflicht 7 2.2. Verantwortlichkeit 8 3. Pflichtverletzungen durch Beamte 8 3.1. Dienstvergehen 9 3.2. Disziplinarverfahren 9 3.3. Maßnahmen im öffentlichen Dienst gegen Extremismus und Diskriminierung 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 4 1. Vorbemerkung Die öffentliche Verwaltung ist die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Staat oder sonstiger Verwaltungsträger, die nicht der Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Regierung zuzurechnen ist. Das Handeln der Verwaltung ist dabei gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Gesetz und Recht gebunden. Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung darf die Verwaltung nicht ohne gesetzliche Ermächtigung (Vorbehalt des Gesetzes) und nicht im Widerspruch zu bestehenden gesetzlichen Regelungen (Vorrang des Gesetzes) handeln. Das schließt auch eine bestimmte Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Verwaltung ein.1 Handlungsträger der Verwaltung sind die Behörden, die hierarchisch strukturiert sind. Die Ausführungskontrolle in Form der Dienst-, Rechts- und Fachaufsicht obliegt der jeweils höheren Behörde beziehungsweise der Verwaltungsspitze. Oberste Behörden sind auf Bundesebene die Ministerien , die Verwaltungsspitze der jeweilige Minister. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) regelt für die Bundesministerien die Grundsätze der Organisation sowie auch die Zusammenarbeit sowohl innerhalb der Ministerien als auch untereinander.2 Das Verwaltungshandeln von Bundesbehörden wird unter anderem durch das allgemeine Verwaltungsrecht näher bestimmt, beispielsweise durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Modifiziert werden die Regelungen des allgemeinen Verwaltungsrechts durch Bestimmungen des besonderen Verwaltungsrechts, beispielsweise durch das öffentliche Dienstrecht. Im Gegensatz zu Rechtsnormen mit Außenwirkung entfalten Verwaltungsvorschriften (Erlasse, Runderlasse, Dienstanweisungen) grundsätzlich keine Wirkung gegenüber dem Bürger. Vielmehr regeln sie Verwaltungsabläufe innerhalb eines Verwaltungsträgers, wie beispielsweise die Zusammenarbeit verschiedener Organisationseinheiten und deren fachlichen Zuständigkeiten. So bestimmt § 7 Abs. 2 GGO die Aufgabenverteilung nach Sachzusammenhängen gemäß eines Geschäftsverteilungsplans , um klar ersichtliche Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu definieren . Dabei tragen Vorgesetzte nach § 11 Abs. 2 GGO die Verantwortung für die Arbeitsabläufe innerhalb ihrer Organisationseinheit. Entsprechend der föderalen Verwaltungsgliederung in Deutschland sind die Träger der öffentlichen Verwaltung der Bund, die Länder und die Gemeinden. Die unmittelbare Bundesverwaltung ist mit der Durchführung aller Angelegenheiten betraut, die gemäß Art. 87 bis 89 GG unter die Zuständigkeit des Bundes fallen. Sie verfügt über rund 320.000 Beschäftigte, davon circa 180.000 Beamte und Richter.3 1 Dieser Ausarbeitung liegen zum Teil frühere Beiträge der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur selben Thematik zugrunde. 2 Abrufbar unter: https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_21072009_O11313012.htm, zuletzt abgerufen am 19. April 2021. 3 Abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Oeffentlicher-Dienst/Tabellen/beschaeftigungsbereiche .html;jsessionid=E5857BAD738525DE0ADBE515D7E0F0C9.live721, zuletzt abgerufen am 13. April 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 5 2. Allgemeines zum Beamtenverhältnis Die rechtliche Ausgestaltung der Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist nicht einheitlich geregelt. Vielmehr unterscheidet man die Dienstverhältnisse der Beamten von den privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen.4 Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet.5 Beamte stehen daher in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es jedenfalls auch zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, bekennen und für sie aktiv eintreten (politische Treuepflicht beziehungsweise Verfassungstreuepflicht ).6 Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG ist die Verfassungstreue Voraussetzung, um in das Beamtenverhältnis berufen werden zu können. Danach darf nur als Beamter berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die rechtliche Stellung der Beamten des Bundes sowie deren beamtenrechtliche Pflichten bestimmen sich maßgeblich nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (GG, Bundesbeamtengesetz (BBG), Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und Bundeslaufbahnverordnung (BLV)). Soweit dienstliche Pflichten verletzt werden, regelt das Bundesdisziplinargesetz (BDG) mögliche Konsequenzen und die entsprechenden Verfahren. 2.1. Dienstpflichten der Beamten Die allgemeinen Pflichten der Bundesbeamten sind in den §§ 60 bis 67 BBG geregelt. Danach haben sie ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Im Rahmen dieser Arbeit werden ausgewählte Pflichten, die insbesondere bei der Aufgabenerledigung innerhalb einer Organisationseinheit von Bedeutung sind, näher betrachtet. 2.1.1. Treuepflicht § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG regelt die verfassungsrechtliche politische Treuepflicht ausdrücklich auch als Grundpflicht und bestimmt, dass für Beamte die Pflicht besteht, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Eine Distanzierung, Indifferenz oder Neutralität gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung verträgt sich mit dieser Pflicht nicht. 4 In Bezug auf Beamtenverhältnisse beschränkt sich diese Arbeit auf Regelungen für Bundesbeamte. 5 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25/17. 6 Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, Rn. 40 ff.; BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25/17, Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 6 Gefordert ist dabei die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem die Beamten dienen sollen , mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dabei ist unverzichtbar, dass die Beamten den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejahen, sie als schützenswert anerkennen, in diesem Sinne sich zu ihr bekennen und aktiv für sie eintreten.7 Diese Verpflichtung betrifft gleichermaßen dienstliches wie außerdienstliches Verhalten.8 Bekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bedeutet, dass der Beamte seine positive Haltung zu Grundentscheidungen des Grundgesetzes in einer Situation, in der diese Grundentscheidungen angegriffen werden, nicht verschweigen, sondern durch Worte aktiv Ausdruck verleihen soll. Aus dem Verhalten des Beamten muss deutlich werden, dass er Angriffe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung , die in seiner Gegenwart erfolgen, nicht billigt.9 Die Verfassungstreuepflicht gilt für jedes Beamtenverhältnis und ist nach gefestigter Rechtsprechung auch einer Differenzierung nach der Art der dienstlichen Obliegenheiten der Beamten nicht zugänglich.10 2.1.2. Amtswahrungspflicht Die Amtswahrungspflicht des § 60 Abs. 1 Satz 2 BBG kann als kontinuierliche Amtszuweisung und damit als dauernde Grundlage des Amtsverhältnisses zwischen Amtswalter und Amt verstanden werden. Dem Beamten obliegt bei seiner Amtsführung die Pflicht, dem demokratischen und sozialen Rechtsstaat zum Wohle der Allgemeinheit zu dienen und bildet somit die Richtschnur für das Amtsethos des Beamten. Danach dient die Amtsführung des Beamten der Verwirklichung des Gemeinwohls immer dann, wenn der Beamte seine Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllt. Was unparteiisch und gerecht ist, bestimmen die maßgeblichen Gesetze und in ihrem Rahmen die Verwaltungsanordnungen der Vorgesetzten.11 2.1.3. Beratungs-und Unterstützungspflicht Aus der allgemeinen Dienstleistungspflicht nach § 61 Abs. 1 BBG leitet sich die Beratungs- und Unterstützungspflicht des Beamten gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 BBG ab. Sie dient der Funktionsfähigkeit der Verwaltung und beinhaltet auch die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dies spiegelt sich auch in § 11 Abs. 5 GGO wider, wonach alle Angehörigen eines Referates einander bei der Aufgabenerfüllung unterstützen und sich gegenseitig über alle wichtigen Angelegenheiten informieren. Die Pflicht besteht nicht nur gegenüber Vorgesetzten, sondern auch gegenüber gleichgeordneten und nachgeordneten Mitarbeitern.12 Sie verpflichtet den Beamten bei 7 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, Rn. 42. 8 Werres in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 21. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 60 BBG, Rn. 13. 9 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 60 BBG, Rn. 14. 10 BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73, Rn. 52. 11 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 60 BBG, Rn. 4, 5 und 10. 12 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 62 BBG, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 7 allen mit seinem Aufgabenbereich in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Umständen, auf mögliche Bedenken gegen Recht- oder Zweckmäßigkeit dienstlicher Maßnahmen hinzuweisen, eine ausdrückliche Einschreitungspflicht ist jedoch nicht normiert. Auch rechtswidrige Weisungen des Vorgesetzten dürfen nicht ignoriert werden, sondern sind in diesem Zusammenhang zu hinterfragen. Die Beratungs- und Unterstützungspflicht bezieht sich jedoch ausschließlich auf innerdienstliche Sachverhalte und dienstliche Tätigkeiten des Beamten.13Mit dieser Pflicht geht die beamtenrechtliche Wahrheitspflicht einher. Sie beinhaltet die Offenheit und Wahrhaftigkeit im dienstlichen Umgang aller Beteiligten untereinander. Die Erfüllung der übertragenen dienstlichen Aufgaben darf nicht durch unwahre Angaben oder Verschweigen wichtiger Umstände gefährdet werden. Gemäß der in diesem Zusammenhang ebenfalls bestehenden Unterrichtungspflicht obliegt es dem Beamten, seine Vorgesetzten über alle die für die Wahrnehmung des Aufgabenbereichs relevanten Tatsachen zu informieren (siehe auch § 11 Abs. 5 Satz 2 GGO). Welche Informationen für die Aufgabenerledigung relevant sind, ergibt sich im Wesentlichen aus den Vorgaben der Hausund Dienstanordnung in der Dienststelle des Beamten.14 2.1.4. Folgepflicht Aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG ergibt sich die Weisungsgebundenheit des Beamten, die häufig auch als Gehorsams- oder Folgepflicht bezeichnet wird. Danach hat der Beamte dienstliche Anordnungen auszuführen und Richtlinien zu befolgen. Unter allgemeinen Richtlinien sind untergesetzliche abstrakte Rechtsnormen wie beispielsweise Verwaltungsvorschriften und Rundschreiben oberster Dienstbehörden zu verstehen. Dienstliche Anordnungen sind hingegen Weisungen von Vorgesetzten, die die dienstliche Tätigkeit des Beamten betreffen und sich auf die Art und Weise der dienstlichen Verrichtung beziehen und somit die Ausführung der Funktion des Beamten regeln . Die Weisungsgebundenheit des Beamten folgt aus der Weisungsbefugnis des Dienstherrn. Diese ist das wesentliche Instrument, mit dem die Dienstleistungspflicht des Beamten konkretisiert wird. Der Dienstherr kann die ihm obliegenden Aufgaben nur dann erfüllen, wenn er seinen Beamten verbindliche Anordnungen zur Aufgabenwahrnehmung erteilen darf.15 Nach dem Aufbau der jeweiligen Verwaltung bestimmt sich, wer Vorgesetzter ist, beispielsweise nach dem Geschäftsverteilungsplan (vergleiche auch § 7 GGO). Folgepflicht besteht nur dann, wenn der Vorgesetzte zum Erlass der Weisung örtlich und sachlich zuständig ist und auch der Beamte zur Ausführung der Weisung örtlich und sachlich zuständig ist. Weiterhin muss die Weisung zu dienstlichen Zwecken ergangen sein und darf weder ordnungswidrig, noch strafbar sein oder gegen die Menschenwürde verstoßen.16 13 Werres in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 21. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 62 BBG, Rn. 4. 14 Werres in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 21. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 62 BBG, Rn. 7. 15 Werres in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 21. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 62 BBG, Rn. 9, 10. 16 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 62 BBG, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 8 Die auf dem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis beruhende Gehorsamspflicht gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.17 2.2. Verantwortlichkeit Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen nach § 63 Abs. 1 BBG die volle persönliche Verantwortung. Danach ist jeder Beamte, bevor er eine dienstliche Handlung vornimmt, dazu verpflichtet, sie auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht folgt, dass der Beamte die Rechtslage anhand der einschlägigen Gesetze , Rechtsverordnungen und Satzungen ebenso prüfen muss wie die Rechtmäßigkeit allgemeiner Richtlinien und Weisungen seiner Vorgesetzten. Der Umfang der Prüfungspflicht richtet sich dabei nach der amtsbezogenen Zuständigkeit, Vorbildung und Erfahrung des Beamten.18 Alle dienstlichen Handlungen müssen formell und materiell rechtmäßig sein. Vor diesem Hintergrund muss der Beamte seine Entscheidungen und sein Verhalten selbständig auf die Einhaltung von Vorgaben des Völkerrechts, Europarechts, des Verfassungsrechts sowie der materiellen Gesetze prüfen. Auch die Anwendung von Verwaltungsvorschriften, die grundsätzlich keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen entfalten, sondern lediglich verwaltungsinterne Geltung haben , kann über den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zur Rechtswidrigkeit eines darauf basierenden Verwaltungshandelns führen.19 Wird ein Verwaltungsvorgang von mehreren Organisationseinheiten bearbeitet, so muss sich nach § 15 GGO aus dem Vorgang ergeben, welche Organisationseinheit ihn in welchem Umfang bearbeitet und mitgezeichnet hat. Durch die Mitzeichnung wird auch die fachliche Verantwortung für diesen Bereich übernommen, wobei jeder Mitarbeiter die von ihm verfassten Schriftstücke grundsätzlich selbst zeichnet. Vorgesetzte zeichnen, soweit dies sich aus der Bedeutung der Angelegenheit ergibt oder durch entsprechenden Zeichnungsvorbehalt vorgesehen ist (§ 17 GGO). Gemäß § 12 Abs. 2 GGO muss der aktuelle Bearbeitungsstand jederzeit aus dem Vorgang nachvollziehbar sein. 3. Pflichtverletzungen durch Beamte Zuwiderhandlungen gegen die Prüfpflicht des § 63 BBG sowie die Verletzung einer der Dienstpflichten der §§ 60 bis 62 BBG, wie beispielsweise diskriminierende Äußerungen innerhalb des Dienstes, können unter Umständen ein Dienstvergehen im Sinne des § 77 Abs. 1 BBG darstellen und disziplinarische Folgen haben. 17 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 62 BBG, Rn. 3. 18 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 63 BBG, Rn. 3. 19 Leppek in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 21. Edition, Stand: 1. April 2020, § 63 BBG, Rn. 4-8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 9 3.1. Dienstvergehen Ein Dienstvergehen liegt gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG vor, wenn der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Der Beamte muss objektiv eine oder mehrere der ihm obliegenden Pflichten durch Tun oder Unterlassen verletzt haben. Welche Pflichten dem Beamten obliegen, ergibt sich aus den Vorschriften des BBG, den dazu ergangenen Rechts- und Verwaltungsverordnungen sowie den amtlichen und dienstlichen Weisungen.20 Der Beamte muss schuldhaft die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt haben. Schuldformen sind Vorsatz und Fahrlässigkeit. Vorsätzlich handelt der Beamte, wenn er bewusst und gewollt eine Dienstpflichtverletzung begeht. Fahrlässigkeit liegt vor bei einer Pflichtverletzung wegen mangelnder Aufmerksamkeit, Sorgfalt oder Überlegung. Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit liegt vor, wenn der Beamte wusste, dass er gegen eine Dienstvorschrift verstieß oder sein Verhalten mit sonstigen Pflichten nicht vereinbar war.21 3.2. Disziplinarverfahren Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, muss der Dienstvorgesetzte nach § 17 BDG unverzüglich ein Disziplinarverfahren einleiten und die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen veranlassen. Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß § 20 BDG zu unterrichten. Er muss darüber informiert werden, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen , dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen. Nach § 18 BDG kann der Beamte auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen, um einen möglichen Verdacht eines Dienstvergehens zu entkräften. Sind die Ermittlungen abgeschlossen , muss der Dienstvorgesetzte nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Regelungen der §§ 32 ff. BDG entscheiden, ob das Disziplinarverfahren einzustellen oder eine Disziplinarmaßnahme (siehe Katalog des § 5 BDG) zu verhängen ist. 3.3. Maßnahmen im öffentlichen Dienst gegen Extremismus und Diskriminierung Der Bericht des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 10 Juni 2020 zum Thema „Disziplinarrechtliche Konsequenzen bei extremistischen Bestrebungen“ gibt anhand einer Bestandsaufnahme einen Überblick über bereits bestehende Vorkehrungen in den Behörden von Bund und Ländern gegen extremistische Bestrebungen. Neben der rechtlichen Bewertung extremistischer Bestrebungen werden den Behörden von Bund und Ländern Handlungsempfehlungen gegeben, ihre Maßnahmen zur Vorbeugung und Erkennung von extremistischen Bestrebungen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu erweitern. Inwieweit diese Empfehlungen umgesetzt werden, obliegt den einzelnen Behörden. Nähere Informationen hierzu sind abrufbar unter: 20 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, 5. Auflage 2017, § 77 BBG, Rn. 13. 21 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, 5. Auflage 2017, § 77 BBG, Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 028/21 Seite 10 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/oeffentlicher -dienst/beamte/diziplinarrecht-konsequenzen-bei-extremistischen-bestrebungen .pdf?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 20. April 2021. Mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006, welches Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen soll, hat auch die unabhängig arbeitende bundesweite Antidiskriminierungsstelle (ADS), die beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) angegliedert ist, ihre Arbeit aufgenommen. Neben der Beratung und Unterstützung von Menschen, die Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, betreibt die ADS Öffentlichkeitsarbeit zur Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierungen. Die ADS berät auch Arbeitgeber und Betriebsräte zu Fragen der Verhinderung und Vermeidung von Diskriminierungen in ihren Betrieben. Weiterhin forscht sie in Zusammenarbeit mit Fachleuten zum Thema Diskriminierung und Gleichbehandlung. Alle vier Jahre legt die ADS dem Deutschen Bundestag ein Bericht zu Benachteiligungen vor. Der Jahresbericht der ADS aus 2019 ist abrufbar unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Jahresberichte /2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, zuletzt abgerufen am 25. April 2021. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen und Sachsen sind der 2011 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes initiierten Koalition gegen Diskriminierung beigetreten, um für das Thema Diskriminierungsschutz auch in den jeweiligen Ländern zu sensibilisieren. ***