© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 027/21 Ausgewählte Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrats im Zusammenhang mit mobiler Arbeit und digitaler Technik Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 2 Ausgewählte Rechtsprechung zur Mitbestimmung des Betriebsrats im Zusammenhang mit mobiler Arbeit und digitaler Technik Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 027/21 Abschluss der Arbeit: 26. April 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Formen der Arbeit außerhalb der Betriebsstätte 4 2.1. Telearbeit 5 2.2. Mobiles Arbeiten 5 2.3. Homeoffice 6 3. Literaturstimmen 6 4. Ausgewählte arbeitsgerichtliche Entscheidungen 8 4.1. Arbeit außerhalb des Betriebs 9 4.1.1. Telearbeit 9 4.1.2. Mobile Arbeit 9 4.1.3. Homeoffice 10 4.2. Nutzung digitaler Technik 11 4.2.1. Nutzung internetbasierter Dienste 11 4.2.2. Softwarenutzung 13 4.3. Nutzung mobiler Arbeitsmittel während der Freizeit 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 4 1. Einleitung Die fortschreitende Digitalisierung führt zu ständiger Veränderung in der Arbeitswelt. Der zunehmende Einsatz von Informationstechnologie ermöglicht es vielen Beschäftigten, ihre Arbeitsleistung auch außerhalb des Betriebs am häuslichen Arbeitsplatz oder völlig ortsungebunden zu erbringen , was nicht selten zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt. Die mit dem Einsatz digitaler Technik verbundenen Veränderungen können sich allerdings auch zum Nachteil der Beschäftigten auswirken, was die Frage nach einer Beteiligung des Betriebsrats bei deren Nutzung in den Vordergrund rückt. Während die „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen,“ nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ausdrücklich der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt , findet sich für sonstige Nutzung von Digitaltechnik keine ausdrückliche betriebsverfassungsrechtliche Regelung. Dies gilt auch für den Bereich der Arbeitserbringung außerhalb der Betriebsstätte unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie. Gleichwohl kommen im Einzelfall Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Betracht. Am 21. April 2021 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz ) vorgelegt.1 Der Entwurf sieht Vereinfachungen bei der Betriebsratswahl vor und soll die Rechte des Betriebsrats unter anderem beim Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit stärken. „Um mobile Arbeit zu fördern und um zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer Wahrnehmung einen einheitlichen und verbindlichen Rahmen zu gewährleisten,“2 ist in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG (Entwurf) die Einführung eines Mitbestimmungsrechts bei der „Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“, vorgesehen. 2. Formen der Arbeit außerhalb der Betriebsstätte Beim Arbeiten von einem Ort außerhalb der Betriebsstätte werden die Begriffe Telearbeit, mobiles Arbeiten und das im Zusammenhang mit dem aktuellen Pandemiegeschehen zum Infektionsschutz am Arbeitsplatz vorrangig einzusetzende sogenannte „Homeoffice“ verwendet, sodass zunächst eine Abgrenzung der unterschiedlichen Begriffe vorgenommen wird. Die begriffliche Zuordnung insbesondere des sogenannten Homeoffice erscheint allerdings in der Praxis noch nicht gefestigt. 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. April 2021, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz), Bundestagsdrucksache 19/28899. 2 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. April 2021, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz), Bundestagsdrucksache 19/28899, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 5 2.1. Telearbeit Den Begriff der Telearbeit hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) legaldefiniert: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Eine Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich bereitgestellt und installiert ist.“ Die Telearbeit zeichnet sich somit dadurch aus, dass der Arbeitnehmer an einem festen, vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsplatz im häuslichen Bereich arbeitet.3 2.2. Mobiles Arbeiten In der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel4, die für den gemäß § 5 des Infektionsschutzgesetzes festgestellten Zeitraum der epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Anforderungen an den Arbeitsschutz in Hinblick auf SARS-CoV-2 konkretisiert, wird der Begriff der mobilen Arbeit definiert . Bei der Arbeitsschutzregel handelt es sich nicht um ein Gesetz im formellen oder materiellen Sinn. Vielmehr hat sie als Konkretisierung verschiedener im Zusammenhang mit der SARS- CoV-2-Pandemie zu beachtenden Arbeitsschutzvorschriften lediglich den Charakter einer Empfehlung , deren Einhaltung allerdings für den Arbeitgeber die Vermutung arbeitsschutzkonformen Verhaltens begründen kann.5 Unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit können die in diesem Rahmen vorgenommenen Definitionen nicht beanspruchen: „Mobiles Arbeiten ist eine Arbeitsform, die nicht in einer Arbeitsstätte gemäß § 2 Absatz 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder an einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz gem. § 2 Absatz 7 ArbStättV im Privatbereich des Beschäftigten ausgeübt wird, sondern bei dem 3 Müller, Stefan: Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis – Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage 2020, § 1 Rn. 2. 4 GMBl 2020, S. 484-495 (Nr. 24/2020 vom 20. August 2020), geändert: GMBl 2021 S. 227-232 (Nr. 11/2021 vom 22. Februar 2021). 5 Vgl. Sagan, Adam; Brockfeld, Marius: Arbeitsschutzustandard und Arbeitsschutzregel – Softlaw gegen die Corona-Pandemie, NZA-Beilage 2020, S. 17 (22). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 6 die Beschäftigten an beliebigen anderen Orten (zum Beispiel beim Kunden, in Verkehrsmitteln , in einer Wohnung) tätig werden.“ 6 Die mobile Arbeit erfolgt danach gänzlich unabhängig von einem vom Arbeitgeber fest vorgegebenen Arbeitsort. Der Arbeitnehmer kann vielmehr frei entscheiden, von wo aus er arbeiten möchte.7 2.3. Homeoffice In der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel wird auch der Begriff des Homeoffice definiert: „Homeoffice ist eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es Beschäftigten nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zum Beispiel Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein.“ 8 Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass Homeoffice im Gegensatz zur mobilen Arbeit im wörtlichen Sinne als Arbeit vom Wohnsitz aus zu verstehen ist, jedoch ohne einen vom Arbeitgeber fest eingerichteten Arbeitsplatz im Sinne eines Telearbeitsplatzes.9 3. Literaturstimmen Die Frage der Betriebsratsbeteiligung bei Einführung von Telearbeit, mobiler Arbeit oder Homeoffice ist Gegenstand einer Reihe fachwissenschaftlicher Arbeiten. Eine Auswahl jüngerer Beiträge soll im Folgenden kurz vorgestellt werden: Einen Überblick über die im Zusammenhang mit mobiler Arbeit allgemein in Betracht kommenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats geben: Schulze, Marc-Oliver; Ratzesberger, Eva: Telearbeit: Fluch oder Segen? Mitbestimmung des Betriebsrats bei mobiler Arbeit, ArbRAktuell 2016, S. 109. 6 Ziffer 2.2. Abs. 1 der SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel. 7 Schöllmann, Ingo: Mobile Working, Telearbeit, Desksharing, NZA-Beilage 2019, S. 81. 8 Ziffer 2.2. Abs. 3 der SARS-Cov-2-Arbeitsschutzregel. 9 Vgl. z.B. Bertram, Axel; Walk, Frank; Falder, Roland: Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona – Ein Leitfaden zu Home Office und mobilem Arbeiten, 2. Auflage 2021, Nr. I S. 8; Krieger, Steffen; Rudnik, Tanja; Povedano Peramoto, Alberto: Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, S. 473 (474). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 7 Die Autoren stellen darin die im Vorfeld der Einführung von mobiler Arbeit zu beachtenden Beteiligungsrechte (§§ 80 Abs. 2, 90, 92, 93 BetrVG) und die in der Durchführungsphase gegebenenfalls zu beachtenden Mitbestimmungsrechte (§§ 87 Abs. 1, 99, 102 BetrVG) dar. Generelle Fragen im Zusammenhang mit der Einführung von mobiler Arbeit thematisiert: Schöllmann, Ingo: Mobile Working, Telearbeit, Desksharing, NZA-Beilage 2019, S. 81. Der Autor geht zum einen auf Fragen der Arbeitszeitregelung, der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes sowie der Arbeitnehmerhaftung ein. Zum andern beschäftigt er sich mit den Beteiligungsrechten der Betriebsräte. Als relevant betrachtet er hierbei die Beteiligungsrechte gemäß §§ 80 Abs. 2, 90 und 87 Abs. 1 BetrVG.10 Einen Überblick über die Möglichkeiten der Einführung mobilen Arbeitens im Betrieb geben: Krieger, Steffen; Rudnik, Tanja; Povedano Peramoto, Alberto, Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, S. 473. Nach Ansicht der Autoren kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts gemäß § 106 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) die mobile Arbeit einführen, soweit dies mit den arbeitsvertraglichen und kollektivrechtlichen Regelungen vereinbar sei. Sie bejahen bei der Einführung von mobiler Arbeit die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG sowie gemäß §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG.11 Eine ausführliche Behandlung der Betriebsratsrechte in diesem Zusammenhang bietet: Müller, Stefan: Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis – Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage 2020. Dem Autor zufolge kommen Informations- und Beratungsrechte nach § 80 Abs. 2 und 90 BetrVG in Betracht sowie die zwingenden Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6, Nr. 7 BetrVG.12 In personellen Angelegenheiten könnten außerdem die §§ 99 und 102 BetrVG eine Rolle spielen, wenn die Zuweisung der Arbeit im Homeoffice eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG darstellt oder damit eine Änderungskündigung verbunden ist, welche zu einer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG führt.13 Zudem könne eine Beteiligung nach 10 Schöllmann, Ingo: Mobile Working, Telearbeit, Desksharing, NZA-Beilage 2019, S. 81 (84). 11 Krieger, Steffen; Rudnik, Tanja; Povedano Peramoto, Alberto: Homeoffice und Mobile Office in der Corona- Krise, NZA 2020, S. 473 (477). 12 Müller, Stefan: Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis – Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage 2020, § 5, Rn. 554 ff. 13 Müller, Stefan: Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis – Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage 2020, § 5, Rn. 605, 607. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 8 § 111 BetrVG relevant werden, wenn die Einführung oder Abschaffung von Homeoffice-Arbeitsplätzen eine Betriebsänderung darstellt.14 Hinzuweisen ist außerdem auf: Bertram, Axel; Walk, Frank; Falder, Roland: Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona – Ein Leitfaden zu Homeoffice und mobilem Arbeiten, 2. Auflage 2021. Die Autoren gelangen hinsichtlich der Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu ähnlichen Ergebnissen wie Müller.15 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für die Einführung und Anwendung neuer technischer Einrichtungen thematisieren: Dahl, Holger; Brink, Stefan: Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen in der Praxis, NZA 2018, S. 1231. 4. Ausgewählte arbeitsgerichtliche Entscheidungen Im Folgenden soll die jüngere arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zum Komplex der mobilen Arbeit unter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie und anderen Formen des Einsatzes von Digitaltechnik vorgestellt werden. Die Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In den letzten Jahren gab es im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit mobiler Arbeit einige grundsätzliche Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte (LAG). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte mehrere Entscheidungen hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Einführung neuer technischer Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu treffen. 14 Müller, Stefan: Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis – Rechtshandbuch für die Arbeit 4.0, 2. Auflage 2020, § 5, Rn. 611. 15 Bertram, Axel; Walk, Frank; Falder, Roland: Arbeiten im Homeoffice in Zeiten von Corona – Ein Leitfaden zu Home Office und mobilem Arbeiten, 2. Auflage 2021, S. 43 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 9 4.1. Arbeit außerhalb des Betriebs 4.1.1. Telearbeit Das LAG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 10. September 201416 entschieden, dass die Beendigung alternierender Telearbeit eine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG darstelle und daher der Betriebsrat zu beteiligen sei. Die Zuweisung eines Telearbeitsplatzes stelle aufgrund der damit einhergehenden Veränderungen des Arbeitsortes und der Arbeitsumstände eine Versetzung dar. Dies müsse auch für die Beendigung der Telearbeit gelten.17 Die Nutzung einer außerbetrieblichen Arbeitsstätte sei etwas grundlegend anderes als die Nutzung der betrieblichen Arbeitsstätte. Durch die Beendigung der Telearbeit werde das Gesamtbild der Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Einordnung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf, verändert .18 Das LAG Köln hat sich in einem Beschluss vom 14. August 202019 grundsätzlich der Entscheidung des LAG Düsseldorf angeschlossen und ebenfalls entschieden, dass es sich bei dem Widerruf alternierender Telearbeit um eine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG handelt und daher der Betriebsrat zu beteiligen ist. Nach Auffassung des Gerichts stellt sich die Arbeit auch bei nur teilweiser Telearbeit als eine völlig andere als ohne Telearbeit dar. Die Einbindung des Arbeitsnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ändere sich bei Beendigung der Telearbeit wesentlich, denn mit der Verlagerung des Arbeitsplatzes vom Homeoffice zurück in den Betrieb ändere sich der individuelle Arbeitsort des Arbeitnehmers und die Arbeitsumstände.20 4.1.2. Mobile Arbeit Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat in einem Beschluss vom 25. Februar 202021 entschieden , dass dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von mobiler Arbeit zwingende Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG zustehen können. Insbesondere könne sich ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG für die Nutzung elektronischer Endgeräte ergeben, da diese Geräte und die damit produzierten Daten geeignet seien, das Verhalten 16 LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/14. 17 LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/1, Rn. 98 f. (zitiert nach juris). 18 LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2014 – 12 Sa 505/1, Rn. 101 (zitiert nach juris). 19 LAG Köln, Beschluss vom 14. August 2020 – 9 TaBV 11/20. 20 LAG Köln, Beschluss vom 14. August 2020 – 9 TaBV 11/20, Rn. (zitiert nach juris). 21 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 5 TaBV 1 /20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 10 und die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen. Darüber hinaus könnten Fragen zur Verteilung der Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sowie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG relevant werden.22 Das LAG hat zudem festgestellt, dass die mobile Arbeit grundsätzlich einen kollektiven Bezug habe, da hierdurch nicht nur die Interessen des einzelnen mobil arbeitenden Arbeitnehmers betroffen sind, sondern auch die Interessen seiner Kolleginnen und Kollegen im Hinblick auf Erreichbarkeit, Koordination der Zusammenarbeit, Datenaustausch etc.23 Das LAG Hessen hat im in einem Beschluss vom 18. Juni 202024 im einstweiligen Verfahren entschieden , dass die Entscheidung des Arbeitsgebers, mobile Arbeit einzuführen, nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG unterliege. Die Einführung von mobiler Arbeit sei danach untrennbar mit der Erbringung der Arbeitsleistung verknüpft und gehöre daher zum mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten.25 Das LAG geht ebenso wie das LAG Mecklenburg -Vorpommern davon aus, dass grundsätzlich Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BetrVG in Betracht kommen können. Allerdings setze dies voraus, dass neue technische Geräte eingeführt werden, was in der Regel (so auch im zu entscheidenden Fall) nicht der Fall sei, weil die Arbeitnehmer dieselbe technische Ausstattung wie im Betrieb nutzten.26 Im zu entscheidenden Fall handele es sich auch nicht um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG, weil keine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs im Sinne des § 95 BetrVG vorlag. Diese Ansicht stützte das LAG im Wesentlichen darauf, dass den Arbeitnehmern die Wahlmöglichkeit zwischen mobiler Arbeit oder der Arbeit im Betrieb eingeräumt worden war.27 4.1.3. Homeoffice Das LAG Berlin-Brandenburg hat in einem Kündigungsstreit mit einem Urteil vom 14. November 201828 anders als das LAG Hessen (Fn. 24) entschieden, dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nicht einseitig einen Arbeitsplatz im „Home-Office“ zuweisen könne. Dies sei nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Satz 1 GewO umfasst. Begründet wird dies damit, dass die ausschließlich in der eigenen Wohnung zu verrichtende Arbeit sich von der Tätigkeit im Betrieb zusammen mit anderen Arbeitnehmern deutlich unterscheide. Der Arbeitnehmer verliere den unmittelbaren Kontakt zu den Kollegen und der Austausch werde 22 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 5 TaBV 1 /20, Rn. 36 f. (zitiert nach juris). 23 LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 5 TaBV 1 /20,Rn. 39 (zitiert nach juris). 24 LAG Hessen, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 5 TaBVGa 74/20. 25 LAG Hessen, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 5 TaBVGa 74/20, Rn. 10 (zitiert nach juris). 26 LAG Hessen, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 5 TaBVGa 74/20, Rn. 20 (zitiert nach juris). 27 LAG Hessen, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 5 TaBVGa 74/20, Rn. 14 f. (zitiert nach juris). 28 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2018 – 17 Sa 562/18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 11 erschwert. Außerdem sei der Arbeitnehmer für die betriebliche Interessenvertretung schwerer zu erreichen.29 Einen Bezug zu den Beteiligungsrechten des Betriebsrats weist dieses Urteil allerdings nicht auf. Das LAG Hessen hat in einem Beschluss vom 14. Januar 202030 entschieden, dass eine die Dauer von einem Monat überschreitende Zuordnung eines im „Home Office“ tätigen Arbeitnehmers zu einem neuen Dienstort eine mitbestimmungspflichtige Versetzung sei, auch wenn der Inhalt der Tätigkeit, der Arbeitsort im Homeoffice und die Person seines übergeordneten Fachvorgesetzten unverändert blieben. Der Betriebsrat habe in diesem Fall ein Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG.31 Gegen die Entscheidung des LAG wurde Beschwerde eingelegt, über die soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist. 4.2. Nutzung digitaler Technik 4.2.1. Nutzung internetbasierter Dienste Das BAG hat in einem Beschluss vom 13. Dezember 201632 entschieden, dass eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite durch die Freischaltung der Funktion „Besucher-Beiträge“ als Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu betrachten und daher mitbestimmungspflichtig sei. Das BAG hat in seiner Entscheidung zunächst klargestellt, dass das alleinige Betreiben der Facebookseite keine technische Einrichtung darstelle, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Denn die von Facebook vorgegebenen Funktionen würden keine individualisierbare Auswertung der auf der Facebook-Seite der Arbeitgeberin eingestellten Daten ermöglichen.33 Die Überwachung durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfordere jedoch lediglich, dass die Daten einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet werden können und dadurch einen Überwachungsdruck des Arbeitnehmers auslösen können.34 Die Freischaltung der Funktion „Besucher-Beiträge“ stelle eine solche Verhaltens- und Leistungsüberwachung durch den Arbeitgeber dar. Denn je nach Inhalt der Besucher-Beiträge könnten diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden.35 29 LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2018 – 17 Sa 562/18, Rn. 21 (zitiert nach juris). 30 LAG Hessen, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 4 TaBV 5/19. 31 LAG Hessen Hessen, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 4 TaBV 5/19, Rn. 25 f. (zitiert nach juris). 32 BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15. 33 BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/1, Rn. 23 f. (zitiert nach juris). 34 BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/1, Rn. 27 ff. (zitiert nach juris). 35 BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/1, Rn. 36 ff. (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 12 Das Arbeitsgericht (ArbG) Heilbronn hat in seinem Beschluss vom 8. Juni 201736 unter Verweis auf die oben genannte Entscheidung des BAG zu Facebook ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abgelehnt. Das Gericht hatte über eine Smartphone App der Arbeitgeberin zu entscheiden, die es den Kunden ermöglichte, ihre Meinung über die Funktion „Filial-Feedback“ der Arbeitgeberin mitzuteilen. Das Gericht hat die App selbst als eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG angesehen. Allerdings werde durch die Funktion „Filial-Feedback“ keine Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Mitarbeiter ermöglicht, weil die App die Daten nicht selbst erhebe oder verarbeite. Sie biete den Kunden lediglich einen Weg, ihre Meinung zu übermitteln.37 Die so übermittelten Daten würden dann anschließend manuell von Mitarbeitern ausgewertet und an die jeweiligen Filialen weitergeleitet , sodass die Gefahr der Überwachung durch die technische Einrichtung selbst nicht bestehe . § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG umfasse aber nicht die generelle Möglichkeit für Kunden Daten über Verhalten und Leistung der Mitarbeiter dem Arbeitgeber mitzuteilen.38 Das BAG hat in einem Beschluss vom 10. Dezember 201339 entschieden, dass dem Betriebsrat bei der Nutzung des Routenplaners Google Maps durch den Arbeitgeber zur Fahrtkostenabrechnung kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zustehe.40 Die Überwachung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG müsse hierbei durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden . Nach Auffassung des BAG sind technische Einrichtungen dann zur Überwachung bestimmt, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen, wobei es auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers nicht ankommt.41 Bei der Nutzung des Routenplaners im Rahmen der Fahrtkostenabrechnung fehlt es nach Ansicht des BAG an der das Mitbestimmungsrecht voraussetzenden Leistungs- oder Verhaltenskontrolle durch die technische Einrichtung. Denn die Überprüfung der Richtigkeit der vom Arbeitnehmer eingereichten Fahrtkostenabrechnung erfolge nicht automatisch durch den Routenplaner, sondern durch den zuständigen Bearbeiter, von dessen Willen dann auch eine entsprechende weitere Aufklärung bei Unstimmigkeiten hinsichtlich der angegebenen Wegstrecke abhänge.42 36 ArbG Heilbronn, Beschluss vom 8. Juni 2017 – 8 BV 6/16. 37 ArbG Heilbronn, Beschluss vom 8. Juni 2017 – 8 BV 6/16, Rn. 43 ff. (zitiert nach juris). 38 ArbG Heilbronn, Beschluss vom 8. Juni 2017 – 8 BV 6/16, Rn. 47 (zitiert nach juris). 39 BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12. 40 BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12, Rn. 10 f. (zitiert nach juris). 41 BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12, Rn. 20 (zitiert nach juris). 42 BAG, Beschluss vom 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12, Rn. 24 f. (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 027/21 Seite 13 4.2.2. Softwarenutzung Das BAG hat in einem Beschluss vom 23. Oktober 201843 entschieden, dass auch die Nutzung einer „Standardsoftware“ wie Microsoft Excel der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliege, denn eine „Erheblichkeits- oder Üblichkeitsschwelle“ gebe es hierfür nicht. Das LAG Nürnberg hatte in einem Urteil vom 21. Februar 201744 ebenfalls entschieden, dass die Einrichtung eines Gruppenkalenders in Outlook nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig sei. Der Gruppenkalender stelle eine technische Einrichtung zur Überwachung der Nutzer dar; denn der Gruppenkalender ermögliche es dem Arbeitgeber, die Leistungen der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Koordination der Termine und die Termindichte auszuwerten. 4.3. Nutzung mobiler Arbeitsmittel während der Freizeit Das BAG hat in einem Beschluss vom 22. August 201745 entschieden, das dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zustehe, wenn der Arbeitgeber mit der Ausgabe mobiler Arbeitsmittel gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass hiermit nicht die Erwartung verbunden sei, diese in der Freizeit zu dienstlichen Zwecken zu nutzen. Ein Mitbestimmungsrecht folge nicht aus 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da durch die Ausgabe der mobilen Arbeitsmittel lediglich das Arbeitsverhalten konkretisiert werde, was dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Darüber hinaus sei der private Lebensbereich des Arbeitnehmers von vornherein der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien entzogen, sodass hier kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Frage komme.46 *** 43 BAG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18. 44 LAG Nürnberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – 7 Sa 441/16. 45 BAG, Beschluss vom 22. August 2017 – 1 ABR 52/14. 46 BAG, Beschluss vom 22. August 2017 – 1 ABR 52/14, Rn. 25 ff. (zitiert nach juris).