© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 026/21 Keine rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten des Strafvollzugs in der DDR Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 026/21 Seite 2 Keine rentenrechtliche Berücksichtigung von Zeiten des Strafvollzugs in der DDR Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 026/21 Abschluss der Arbeit: 4. Mai 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 026/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Bundesrecht gleichgestellte Beiträge zur Sozialversicherung der DDR 4 2. Sozialversicherung bei Strafvollzug in der DDR 4 2.1. Zahlung von Anwartschaftsgebühren als Pauschalversicherung 5 2.2. Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen für die Zeit vom 8. April 1952 bis 30. Juni 1954 5 2.3. Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz vom 12. Januar 1968 5 3. Strafvollzug bei politischer Verfolgung 6 4. Rentenrechtliche Berücksichtigung des Strafvollzugs in der DDR 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 026/21 Seite 4 1. Bundesrecht gleichgestellte Beiträge zur Sozialversicherung der DDR Zur Sozialversicherung der DDR gezahlte Beiträge stehen den nach Bundesrecht gezahlten Beiträgen gemäß § 248 Abs. 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) gleich. Einer Beitragszahlung zur Sozialversicherung der DDR lagen zunächst unter anderem die auf die Sowjetische Militärverwaltung zurückgehende Verordnung über die Sozialpflichtversicherung (VSV) vom 28. Januar 1947 und die Verordnung über die freiwillige und zusätzliche Versicherung in der SV (VfzV) vom 1. Februar 1947 zugrunde. Danach lag Versicherungspflicht vor allem für Beschäftigte vor, die aufgrund eines Arbeitsvertrags gegen Entgelt tätig waren. Eine Beschäftigung war nicht versicherungspflichtig, wenn das daraus erzielte monatliche Entgelt weniger als 30 Mark betrug. An die Stelle der VSV trat 1962 die Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 21. Dezember 1961 (SVO). In einen Arbeitsrechtsverhältnis Beschäftigte waren seitdem pflichtversichert, wenn sie mindestens einen monatlichen Arbeitsverdienst von 75,00 M erzielten.1 Die Höhe der freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung richtete sich nach fiktiven Lohnstufen . Der monatliche Mindestbeitrag betrug 3 Mark. Um eine bereits erworbene Anwartschaft auf eine Rente erhalten zu können, war für Versicherte, die aus der Versicherungspflicht ausgeschieden waren, die Zahlung von sogenannten Anwartschaftsgebühren in Höhe von monatlich einer Mark möglich, welche sich nicht auf die Rentenhöhe auswirkten.2 Im Rahmen der Rentenüberleitung sollten zur Sozialversicherung der DDR gezahlte freiwillige Beiträge nur dann zu einer dynamischen Rentenleistung führen, die in einer Höhe gezahlt worden sind, die bei Beschäftigten zur Versicherungspflicht geführt hätte.3 Bei dem Beitragssatz von 10 Prozent entsprach dies zunächst dem monatlichen Mindestbeitrag von drei Mark, so dass die Zahlung von Anwartschaftsgebühren nicht zur Berücksichtigung einer Beitragszeit führt. Gemäß § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit Anlage 11 SGB VI ist eine Gleichstellung mit nach Bundesrecht gezahlten Beiträgen ab 1962 auch für freiwillige Beiträge unter 15 Mark im Monat ausgeschlossen. Die Abgeltung dieser in zu geringer Höhe gezahlten freiwilligen Beiträge erfolgt durch statische Steigerungsbeträge nach den Grundsätzen der Höherversicherung gemäß § 269 Abs. 1 SGB VI. 2. Sozialversicherung bei Strafvollzug in der DDR Die Zuweisung von Tätigkeiten während des Strafvollzugs führte auch in der DDR nicht zur Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung, da diese nicht gegen Entgelt und aufgrund eines Arbeitsvertrages ausgeübt worden ist beziehungsweise kein Arbeitsrechtsverhältnis vorlag. 1 Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 248 SGB VI: Beitragszeiten im Beitrittsgebiet und im Saarland, Ziff. 4.1. Beschäftigte, abrufbar unter https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung .de, zuletzt abgerufen am 27. April 2021. 2 Weser, Horst: Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR. Broschüre der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, Dezember 1979, S. 235 ff. 3 Vgl. Bundestagsdrucksache 12/405, S. 125. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 026/21 Seite 5 2.1. Zahlung von Anwartschaftsgebühren als Pauschalversicherung Gemäß Ziffer II Buchst. C der durch Verordnung vom 6. Dezember 1949 vom Ministerium der Justiz herausgegebenen „Richtlinien zur Sozialversicherung Gefangener“ konnten Strafgefangene mit entsprechender Vorversicherung bei Haftantritt freiwillige Beiträge oder Anwartschaftsgebühren an die Sozialversicherung zahlen. Von der Zahlung freiwilliger Beiträge haben Inhaftierte nur wenig Gebrauch gemacht. Gegebenenfalls während des Strafvollzugs zur Sozialversicherung gezahlte freiwillige Beiträge stehen den nach Bundesrecht gezahlten Beiträgen unter Beachtung der monatlichen Mindestbeträge der Anlage 11 SGB VI - bis 1991 mindestens 3 Mark, ab 1962 15 Mark - gleich. Ab 1. Dezember 1951 sind von den Strafvollzugsanstalten für jeden Strafgefangenen unabhängig von einer vorherigen Versicherung pauschal monatliche Anwartschaftsgebühren in Höhe von einer Mark gezahlt worden und dies in den Entlassungsscheinen vermerkt.4 Wie bereits dargestellt, führt die Zahlung von Anwartschaftsgebühren nicht zur Berücksichtigung einer Beitragszeit. 2.2. Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen für die Zeit vom 8. April 1952 bis 30. Juni 1954 Für Zeiten des Arbeitseinsatzes während des Strafvollzuges waren nach dem Recht der DDR über die Anwartschaftsgebühren hinaus in der Regel keine Beiträge für die Rente zur Sozialversicherung zu zahlen. Lediglich für den Zeitraum vom 8. April 1952 bis zum 30. Juni 1954 sah die Verordnung über die Beschäftigung von Strafgefangenen vom 3. April 1952 für den Arbeitseinsatz in bestimmten Zweigen der Industrie die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung vor. Bei entsprechendem Nachweis - in der Regel durch eine Eintragung im Sozialversicherungsausweis - sind Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI zu berücksichtigen. Von der Versicherungspflicht ausgenommen waren aus politischen Gründen Inhaftierte. Für bis zum 7. April 1952 und ab 1. Juli 1954 im Arbeitseinsatz stehende Strafgefangene kann die Anerkennung von Beitragszeiten im Beitrittsgebiet auch sonst nicht in Betracht kommen.5 2.3. Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz vom 12. Januar 1968 Mit dem Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz vom 12. Januar 1968 ist zwar die Verpflichtung der Strafgefangenen zum Arbeitseinsatz, jedoch weiterhin keine Sozialversicherungspflicht geregelt worden. Nunmehr erfolgte der Arbeitseinsatz aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Strafvollzugsanstalt und dem jeweiligen Betrieb.6 Ein Arbeitsrechtsverhältnis mit der Folge der Beitragszahlung lag weiterhin nicht vor. Die Strafgefangenen hatten lediglich Anspruch 4 Weser, Horst. Vgl. Fn. 2, S. 73. 5 Vgl. Gemeinsame Rechtliche Anweisungen der Deutschen Rentenversicherung zu § 248 SGB VI: Beitragszeiten im Beitrittsgebiet und im Saarland, Ziff. 4.1.5. Arbeitseinsatz während Strafvollzug, abrufbar unter https://rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de, zuletzt abgerufen am 27. April 2021. 6 Weser, Horst. Vgl. Fn. 2, S. 75. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 026/21 Seite 6 auf eine den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen entsprechende medizinische Betreuung sowie auf Sachleistungen. Rentensteigernde Beiträge zur Sozialversicherung waren weiterhin nicht zu zahlen. 3. Strafvollzug bei politischer Verfolgung Ehemalige politisch Inhaftierte können nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) vom 23. Juni 1994 einen rentenrechtlichen Nachteilsausgleich erhalten. So ist der Strafvollzug aus politischen Gründen unabhängig von einem Arbeitseinsatz als Beitragszeit wegen politischer Verfolgung, der Tabellenentgelte zugewiesen werden, zu berücksichtigen. Zugleich kann die Anerkennung als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 5a SGB VI erfolgen. 4. Rentenrechtliche Berücksichtigung des Strafvollzugs in der DDR Zeiten des Arbeitseinsatzes während des Strafvollzuges galten in der DDR erst seit dem 1. März 1990 gemäß § 2 Abs. 2 Buchst. q der 1. Rentenverordnung (1. Renten-VO) vom 23. November 1979 in der Fassung der 5. Rentenverordnung (5. Renten-VO) vom 25. Januar 1990 als versicherungspflichtige Tätigkeit und waren für den Anspruch und die im Vergleich zur bruttolohnbezogenen dynamischen Rente in Westdeutschland weniger von der Beitragszahlung abhängigen Höhe der Rentenleistung aus der Sozialversicherung der DDR zu berücksichtigen. Entsprechend ist nach dem zur Rentenüberleitung aus Vertrauensschutzgründen ergangenen Übergangsrecht in Artikel 2 § 19 Abs. 2 Nr. 13 RÜG eine solche Berücksichtigung nur noch für Renten geregelt, die vor 1997 begonnen haben. Die Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten für während des Strafvollzugs geleisteten Arbeitseinsatz sieht das SGB VI nicht vor, auch wenn die Einbeziehung von Strafgefangenen in die Sozialversicherung seit Jahrzehnten Gegenstand politischer Überlegungen ist. Entsprechende Reformkonzepte scheiterten jedoch bisher daran, dass die Länder bisher nicht bereit sind, für die bei einer Einbeziehung der Strafgefangenen anfallenden Beiträge aufzukommen. Eine Privilegierung von Personen, die in der DDR aus nichtpolitischen Gründen eine Haftstrafe verbüßt haben, ließe sich gegenüber Strafgefangenen in Westdeutschland nicht rechtfertigen. Über das BerRehaG hinaus kann eine Berücksichtigung von Haftzeiten in der DDR daher nicht in Betracht kommen. ***