© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 025/21 Berücksichtigung der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 2 Berücksichtigung der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 025/21 Abschluss der Arbeit: 30. März 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Kindererziehungszeiten für nach 1920 geborene Versicherte 5 2.1. Geburten vor 1992 5 2.2. Geburten nach 1991 6 2.3. Auswirkungen der Kindererziehungszeiten auf die Rentenhöhe 7 3. Kindererziehungsleistungen für vor 1921 geborene Mütter 9 4. Kinderzuschlag bei Witwen- und Witwerrenten 10 5. Renten wegen Todes 10 5.1. Hinterbliebenenrenten an Witwen, Witwer und Waisen 10 5.2. Erziehungsrente als Rente wegen Todes bei Ehescheidung 11 5.3. Höherer Freibetrag bei der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes 11 6. Rentensplitting 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 4 1. Einleitung Die Rentenversicherung ist in erster Linie als Versicherungssystem für versicherungspflichtige Arbeitnehmer angelegt. Dies beinhaltet eine auf Vorleistung und Gegenleistung beruhende Einrichtung . Die Höhe einer Rente richtet sich dabei vornehmlich nach der Höhe des während eines Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelts.1 Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte sich die gesetzliche Rentenversicherung in Westdeutschland zunächst am Leitbild des Mannes als Alleinernährer einer Familie und gewährte der Frau im Hinterbliebenenfall ohne Weiteres eine Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes. Eine eigenständige Alterssicherung war für Frauen insoweit entbehrlich. So konnten sich bis 1967 Frauen anlässlich der Eheschließung die zuvor zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge erstatten lassen.2 Dies entsprach dem früheren Rollenverständnis, dass die Kindererziehung während der Ehe durch die Mutter und die damit einhergehende Erwerbslosigkeit verheirateter Frauen und deren Unterhaltsbedarf als sozialtypisch unterstellte.3 Dagegen hatten Witwer nur Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, wenn die verstorbene Versicherte den überwiegenden Familienunterhalt bestritten hatte.4 Bereits Anfang der 70er Jahre wurde für Mütter ein zusätzliches Versicherungsjahr in der gesetzlichen Rentenversicherung für jedes Kind als so genanntes Babyjahr vorgeschlagen.5 Zur Realisierung kam es jedoch erst im Jahre 1986 infolge der Reform der Hinterbliebenenrenten, die wie die rentenrechtliche Anerkennung von Erziehungsleistungen im engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Rolle der Frau in der Familie und im Erwerbsleben steht. Mit der Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen konnte die Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern nicht weiter aufrechterhalten werden. Mit seiner Entscheidung vom 12. März 1975 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber schließlich verpflichtet, sich um eine sachgerechtere , auch für die Zukunft verfassungsgemäße Lösung zu bemühen.6 Dies beinhaltete auch den Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung der Frau. 1 Diesem Sachstand liegen zum Teil frühere Beiträge der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur selben Thematik zugrunde. 2 U. a. § 1304 Reichsversicherungsordnung (RVO) i. d. F. des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) vom 23. Februar 1957. 3 Kohleiß in: FamRZ 1984, 851, unter Hinweis auf BVerfGE 48, 346, 365 = SozR 2200 § 1268 Nr. 11. 4 U. a. § 1266 Abs. 1 RVO i. d. F. des ArVNG. 5 Krause-Brewer, Fides in: Das Rentenrisiko, Stuttgart, Seewald Verlag, 1980, S. 92. 6 BVerfGE 39, 169 = SozR 2200 § 1266 Nr. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 5 2. Kindererziehungszeiten für nach 1920 geborene Versicherte Die Erziehung von Kindern wirkt sich in der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils individuell in den Rentenversicherungskonten aus, so dass über die Höhe der hierauf beruhenden Rente keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können. Zeiten der Erziehung von Kindern werden aktuell regelmäßig für drei Jahre als Beitragszeit zur gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet und darüber hinaus bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes als weitere rentenrechtliche Zeit berücksichtigt. Die Anrechnung von rentenrechtlichen Zeiten ist sowohl für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung als auch für die Höhe der Rente von Bedeutung. Die Berücksichtigung von Erziehungszeiten ist im Jahr 1986 erstmalig geregelt und in den Folgejahren , zum Beispiel mit dem Rentenreformgesetz 1992, immer weiter ausgebaut worden. 2.1. Geburten vor 1992 Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten -Gesetz - HEZG) vom 11. Juli 1985 erfolgte die vom Bundesverfassungsgericht angestoßene rentenrechtliche Gleichstellung von Witwen und Witwern in der westdeutschen Rentenversicherung . Gleichzeitig wurde für die Zeit ab 1. Januar 1986 die Versicherungspflicht bei Kindererziehung eines Elternteils in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt eingeführt. Die Pflichtbeiträge galten zunächst als durch den Bund gezahlt. Die Anrechnung erfolgt in den meisten Fällen im Versicherungskonto der das Kind erziehenden Mutter. Bei überwiegender Erziehung durch den Vater kann eine entsprechende Anrechnung auch in dessen Versicherungskonto in Betracht kommen. Mit der Anerkennung von Kindererziehungszeiten sollte ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit geleistet werden sowie die Tätigkeit in der Familie und bei der Kindererziehung eine deutliche Aufwertung erfahren. Ferner sollte sie zu einer Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau führen.7 Für vor 1986 liegende Kindererziehungszeiten wurde zunächst eine Versicherungszeit eigener Art eingeführt, die systematisch mit den beitragsfreien Ersatzzeiten, zum Beispiel aufgrund der Ableistung des Kriegsdienstes oder der Kriegsgefangenschaft, vergleichbar war.8 Die nach dem bis 1991 geltenden Recht aufgrund der Systematik der rentenrechtlichen Zeiten vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Kindererziehungszeiten vor und ab 1986 ist durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18. Dezember 19899 nicht mehr erforderlich. Sie sind nunmehr einheitlich als Beitragszeiten aufgrund einer Versicherungspflicht anzurechnen. 7 Gesetzentwurf zum HEZG, Bundesrats-Drucksache 500/84, S. 28. 8 U. a. §§ 1227a, 1251a, 1385 Abs. 6 RVO. 9 BGBl. I, 1989, S. 2261. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 6 Für die Rentenhöhe waren die Kindererziehungszeiten mindestens mit 75 Prozent des durchschnittlichen Verdienstes aller Versicherten zu berücksichtigen; eine additive Anrechnung erfolgte somit anfangs nicht. Beim Zusammentreffen mit Beitragszahlungen aus einem über 75 Prozent des Durchschnitts hinausgehenden Verdienstes entfiel insoweit die rentensteigernde Anrechnung der Kindererziehungszeit. Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) vom 22.12.199710 erfolgte für Bestandsrenten und Neuzugänge ab Juli 1998 eine stufenweise Anhebung der Bewertung der Kindererziehungszeiten von zuvor 75 Prozent auf 100 Prozent eines durchschnittlichen Verdienstes sowie die zusätzliche - als additiv bezeichnete - Anrechnung zu bereits vorhandenen, zeitgleich liegenden Beitragszeiten bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze .11 Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz ) vom 23. Juni 201412 wurde für Versicherte zum 1. Juli 2014 für vor 1992 geborene Kinder ein weiteres Jahr der Kindererziehungszeit als Beitragszeit (sogenannte Mütterrente), also insgesamt 24 Kalendermonate, anerkannt. Seit dem 1. Januar 2019 umfasst die Kindererziehungszeit gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI nunmehr zwei Jahre und sechs Monate (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz vom 28. November 2018).13 2.2. Geburten nach 1991 Die entscheidende Veränderung des RRG 1992 gegenüber dem vorherigen Recht besteht hinsichtlich der Kindererziehungszeiten in der Verlängerung der Anrechnung auf drei Jahre für nach 1991 geborene Kinder. Damit sollte eine soziale Absicherung der Erziehenden in der Phase erreicht werden, in der eine Betreuung des Kindes in vorschulischen Einrichtungen im Allgemeinen noch nicht in Betracht kommt.14 Seit 1992 sind Personen gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Kindererziehungszeiten sind gemäß § 56 Abs. 1 und 5 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für die Anspruchsprüfung und die Rentenberechnung wirken sich Kalendermonate mit Kindererziehungszeiten wie solche mit Pflichtbeiträgen für eine Beschäftigung mit einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt aus. 10 BGBl. I, 1997, S. 2998. 11 Bundestags-Drucksache 13/8011, S. 51. 12 BGBl. I, 2014, S. 787. 13 BGBl. I, 2018, S. 2016. 14 Bundestags-Drucksache 11/4124, S. 166. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 7 Erziehen die Eltern ihr Kind gemeinsam, ohne dass der Erziehungsanteil eines Elternteils überwiegt , wird die Kindererziehungszeit grundsätzlich im Rentenkonto der Mutter anerkannt. Die Eltern können aber auch eine übereinstimmende gemeinsame Erklärung über die Anerkennung der Kindererziehungszeit im Rentenkonto des Vaters abgeben. Seit der Rentenreform 1992 wirken sich Lücken in der Erwerbsbiographie negativ auf die Rentenberechnung aus. Aus diesem Grunde wurde mit dem SGB VI in § 57 neben der Kindererziehungszeit als Beitragszeit eine weitere rentenrechtliche Zeit eingeführt, mit der die Berücksichtigung der Erziehung eines Kindes bis zu dessen zehnten Lebensjahr erfolgt. Die Voraussetzungen für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung orientieren sich an denen der Kindererziehungszeiten. Sie sind jedoch hinsichtlich der Anspruchsprüfung und der Rentenberechnung im Gegensatz zu Kindererziehungszeiten nicht als Beitragszeit zu bewerten, sondern stellen eine rentenrechtliche Zeit eigener Art dar.15 Kindererziehungszeiten sind als Pflichtbeitragszeiten Teil der Versicherungsbiographie. Sie sind als solche anspruchsbegründend, indem sie auf die Wartezeiten als jeweilige Mindestversicherungszeit für die Rentenanspruchsprüfung in der allgemeinen Rentenversicherung anzurechnen sind und zur Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Leistungsvoraussetzungen beitragen können (§§ 35 – 38, § 43, § 50 und § 51 SGB VI). 2.3. Auswirkungen der Kindererziehungszeiten auf die Rentenhöhe Die Höhe einer Rente richtet sich nach § 63 SGB VI vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens für ein Jahr in Höhe des durchschnittlichen Entgelts aller Versicherten16 ergibt einen vollen Entgeltpunkt. Als Ausgleich dafür, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit während der Kindererziehungszeit nicht möglich oder erschwert ist, erhalten diese Zeiten nach § 70 Abs. 2 SGB VI für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte. Dies entspricht für ein Jahr rund einem Entgeltpunkt , also der Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts. Kindererziehungszeiten werden zusätzlich zu den Entgeltpunkten aus anderen Beitragszeiten - wie einer gleichzeitig ausgeübten versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit - bewertet, soweit der Höchstwert, der sich ergibt, wenn Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze gezahlt worden sind, nicht überschritten wird17. Insoweit werden Kindererziehungszeiten neben gleichzeitig vorhandenen Beitragszeiten additiv berücksichtigt. 15 Rentenrechtliche Zeiten sind gemäß § 54 Abs. 1 SGB VI Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten . 16 Vgl. Anlage 1 SGB VI. 17 Anl. 2b SGB VI, jährlicher Höchstwert an Entgeltpunkten für 2021 vorläufig 2,0510, also etwas über das Doppelte des Durchschnittsverdienstes. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 8 Der Monatsbetrag einer rechtzeitig in Anspruch genommenen Altersrente ergibt sich, indem die Summe der aus dem Rentenkonto zu ermittelnden Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt wird. Der aktuelle Rentenwert ist der Betrag, der einer monatlichen Rente wegen Alters entspricht, wenn für ein Kalenderjahr Beiträge aufgrund des Durchschnittsentgelts gezahlt worden sind. Er beträgt seit dem 1. Juli 2020 in Westdeutschland 34,19 Euro. Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in ganz Deutschland ist für Ostdeutschland der aktuelle Rentenwert (Ost) maßgebend. Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt zurzeit 33,23 Euro. Soweit während der Kindererziehungszeit keine weiteren oder nur geringe versicherte Einnahmen vorliegen , ergeben sich ab 1. Juli 2020 folgende auf die Kindererziehungszeiten für ein Kind entfallende monatliche Rentenbeträge: West Ost Geburt vor 199218 85,44 Euro 83,04 Euro Geburt nach 199119 102,53 Euro 99,65 Euro Von diesen Monatsbeträgen sind gegebenenfalls Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner sowie Steuern zu zahlen, so dass sich in den meisten Fällen ein geringerer Nettobetrag ergeben dürfte. Berücksichtigungszeiten wegen der Erziehung eines Kindes bis zu dessen zehnten Lebensjahr werden im Gegensatz zu den Kindererziehungszeiten im Rahmen der Rentenberechnung nicht ohne Weiteres mit Entgeltpunkten bewertet. Ihre Anerkennung im Versicherungskonto führt aber innerhalb der komplexen Gesamtleistungsbewertung nach §§ 71 ff. SGB VI unter Umständen zu einer günstigeren Bewertung anderer rentenrechtlicher Zeiten. Die Höhe der auf sie entfallenden Rentenzahlungen hängt jeweils vom Einzelfall ab und kann nicht generell bestimmt werden. Sind mindestens 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden, werden für nach dem Jahr 1991 liegende Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gemäß § 70 Abs. 3a SGB VI Entgeltpunkte zusätzlich ermittelt oder gutgeschrieben. Hiervon begünstigt sind vor allem Mütter oder Väter, die ihre Arbeitszeit wegen der Erziehung reduziert haben. So wird eine neben der Erziehung eines Kindes bis zu dessen zehnten Lebensjahr ausgeübte versicherte Beschäftigung um bis zu 50 Prozent höher bewertet. Wurden mehrere Kinder erzogen, erfolgt auch ohne Ausübung einer (Teilzeit-)Beschäftigung eine Gutschrift in Höhe einer Beitragszahlung aufgrund eines Drittels des Durchschnittseinkommens. Insgesamt ist die Höherbewertung und Gutschrift auf einen Wert zu begrenzen, der dem eines Durchschnittseinkommens entspricht. 18 30 Monate x 0,0833 Entgeltpunkte = 2,499 Entgeltpunkte 2,499 Entgeltpunkte x 34,19 Euro (aktueller Rentenwert) = 85,44 Euro monatliche Rente 2,499 Entgeltpunkte x 33,23 Euro (aktueller Rentenwert[Ost]) = 83,04 Euro monatliche Rente. 19 36 Monate x 0,0833 Entgeltpunkte = 2,9988 Entgeltpunkte 2,9988 Entgeltpunkte x 34,19 Euro (aktueller Rentenwert) = 102,53 Euro monatliche Rente 2,9988 Entgeltpunkte x 33,23 Euro (aktueller Rentenwert[Ost]) = 99,65 Euro monatliche Rente. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 9 3. Kindererziehungsleistungen für vor 1921 geborene Mütter Von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind vor 1921 geborene Versicherte , da das Erwerbsleben zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des HEZG für diesen Personenkreis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres als abgeschlossen galt und eine Neuberechnung der Bestandsrenten vorerst als nicht finanzierbar angesehen wurde.20 Nach dem Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG) vom 25.07.199121 sind Kindererziehungszeiten für Versicherte in Ostdeutschland aus denselben Gründen erst ab dem Geburtsjahrgang 1927 anzurechnen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Ausschluss der vor 1921 geborenen Versicherten von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen.22 Mit dem Gesetz über Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für Kindererziehung an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 (Kindererziehungsleistungs-Gesetz - KLG) vom 12. Juli 1987 erfolgte nach öffentlichem Druck und nach der Bundestagswahl 1987 auch eine Anerkennung der Erziehungsleistungen für vor 1921 geborene Mütter, die zuerst für die älteren Jahrgänge bis 1990 stufenweise eingeführt wurde.23 Diese an die damals so bezeichneten Trümmerfrauen zu zahlende Kindererziehungsleistung entspricht der Höhe nach einem Rentenbetrag, der sich aus einem Jahr Kindererziehungszeit ergibt. Dabei wird zur Vermeidung einer aufwändigen Neuberechnung der Bestandsrenten zum gegebenenfalls aus der Versicherungsbiographie errechneten Rentenbetrag eine entsprechende zusätzlich ausgewiesene Leistung eigener Art gewährt.24 Dies gilt auch für nicht rentenversicherte Mütter . Die Kindererziehungsleistung nach §§ 294 ff. SGB VI ist für alle Mütter gleich hoch und wurde seit 1987 in Anlehnung an die Bewertung von Kindererziehungszeiten nach § 249 SGB VI von 75 Prozent des jeweiligen aktuellen Rentenwerts stufenweise auf aktuell 250 Prozent pro Kind angehoben und beträgt aktuell monatlich 85,48 Euro im Rechtskreis West und 83,08 Euro im Rechtskreis Ost. Die Anrechnung einer rentenrechtlichen Zeit wie für nach 1920 geborene Versicherte erfolgte insoweit nicht. Die Kindererziehungsleistung ist insofern pauschaler und stärker typisierend ausgestaltet und kommt nur für Mütter in Betracht, weil vor 1921 geborene Väter, dem für die damalige Zeit typischen Rollenbild innerhalb der Familien entsprechend, die Kindererziehung typischerweise nicht übernommen und daher keine kindererziehungsbedingten Nachteile in der Altersversorgung erlitten haben.25 20 Bundestags-Drucksache 10/2677, S. 30. 21 BGBl. I, 1991, S. 1606. 22 BVerfG, Urteil vom 07. Juli 1992 – 1 BvL 51/86, 1 BvL 50/87, 1 BvR 873/90, 1 BvR 761/91 –, BVerfGE 87, 1-48. 23 BGBl. I, 1987, S. 1585. Heute geregelt in §§ 294 ff. SGB VI. Für Mütter in Ostdeutschland können Kindererziehungsleistungen bis zum Jahrgang 1926 gewährt werden. 24 Vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 1 Bst. f des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I). 25 Bundesrats-Drucksache 60/87, S. 19 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 10 4. Kinderzuschlag bei Witwen- und Witwerrenten Zum 1. Januar 2002 wurde das Niveau der Witwen- und Witwerrente gesenkt. Diese betragen seitdem in der Regel nicht mehr 60, sondern nur noch 55 Prozent der Versichertenrente. Als Ausgleich wird für die Erziehung eines Kindes bis zum vollendeten dritten Lebensjahr nach § 78a SGB VI ein Zuschlag gewährt. Für jeden Monat an Kindererziehung – im Regelfall also 36 Kalendermonate für das erste Kind – werden 0,1010 Entgeltpunkte zugrunde gelegt, also maximal 3,636 Entgeltpunkte, die nach Multiplikation mit dem für große Witwen- und Witwerrenten maßgebenden Rentenartfaktor von 0,55 zu 1,9998 persönlichen Entgeltpunkten führen. Jeder weitere Monat der Kindererziehung (also ab dem zweiten Kind) erhält 0,0505 Entgeltpunkte. Wenn der Ehegatte vor dem 1. Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Tag geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor dem 2. Januar 1962 geboren ist, wird kein Kinderzuschlag gewährt. In diesen Fällen beträgt die Witwen- und Witwerrente 60 Prozent der Versichertenrente . 5. Renten wegen Todes Durch die Hinterbliebenenrenten werden die unterhaltsberechtigten Angehörigen vor den Folgen des Verlustes von zum Unterhalt verpflichteten Versicherten geschützt. In erster Linie ist dies für Eheleute und Eltern von Bedeutung und gilt seit dem Jahr 2005 uneingeschränkt auch für Lebenspartnerschaften. Auch wenn durch die Zunahme der Erwerbstätigkeit die Absicherung des Risikos Tod abgenommen hat, ist das Prinzip des Unterhaltsersatzes weiterhin für die Gewährung von Renten wegen Todes prägend. Eigenes Einkommen der Hinterbliebenen wird aber unter Berücksichtigung eines Freibetrages auf die Witwen-, Witwer- und Erziehungsrenten angerechnet . 5.1. Hinterbliebenenrenten an Witwen, Witwer und Waisen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben nach § 46 SGB VI Witwen oder Witwer beziehungsweise überlebende Lebenspartner nach dem Tod des Versicherten, wenn im Versicherungskonto des Verstorbenen mindestens fünf Jahre mit Beitragszeiten vorliegen oder die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. Dabei wird zwischen der kleinen und der großen Witwen- beziehungsweise Witwerrente unterschieden. Die kleine Witwen-/Witwerrente beträgt 25 Prozent der Rente der verstorbenen Versicherten, die große Witwen-/Witwerrente 60 Prozent beziehungsweise 55 Prozent. Eine große Witwen-/ Witwerrente wird nur geleistet, wenn die Witwe oder der Witwer entweder ein noch minderjähriges oder behindertes Kind erzieht oder bereits das 45. Lebensjahr vollendet hat oder erwerbsgemindert ist. Die Altersgrenze von 45 Jahren wird gemäß § 242a SGB VI bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 47 Jahre angehoben. Kinder von verstorbenen Versicherten haben Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn noch ein unterhaltspflichtiger Elternteil vorhanden ist. Ist kein unterhaltspflichtiger Elternteil mehr vorhanden , besteht Anspruch auf Vollwaisenrente. Ein Anspruch auf Waisenrente setzt nach § 48 SGB VI die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch den verstorbenen Versicherten voraus und besteht ohne weitere Voraussetzungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Bei Schul- oder Be- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 11 rufsausbildung, während eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres oder eines Bundesfreiwilligendienstes und für behinderte Kinder verlängert sich dieser Anspruch bis zum vollendeten 27. Lebensjahr. Wurde die Schul- oder Berufsausbildung durch den gesetzlichen Wehrdienst oder Zivildienst unterbrochen, verlängert sich die Zahlung der Waisenrente zusätzlich entsprechend auch über das 27. Lebensjahr hinaus. Die Halbwaisenrente beträgt zehn Prozent der Rente des verstorbenen Elternteils und wird um einen Zuschuss erhöht. Der Berechnung der Vollwaisenrente liegen die Versicherungskonten der verstorbenen Elternteile zugrunde. 5.2. Erziehungsrente als Rente wegen Todes bei Ehescheidung Bei Scheidungen nach dem 30. Juni 1977 besteht gemäß § 47 SGB VI beim Tod des geschiedenen Ehepartners ein Anspruch auf Erziehungsrente aus der Versicherung des überlebenden geschiedenen Ehepartners, wenn dieser ein minderjähriges Kind erzieht, nicht wieder geheiratet hat und bis zum Tode des geschiedenen Ehepartners die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt. Die Höhe der Erziehungsrente entspricht der Höhe einer Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens durchgeführten Versorgungsausgleichs. Hintergrund für die Gewährung der Erziehungsrente ist die Sicherung des Lebensunterhalts, wenn eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit wegen der Kindererziehung nicht in vollem Umfang möglich ist. 5.3. Höherer Freibetrag bei der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes Auf Witwen-, Witwer- und Erziehungsrenten ist gemäß § 97 SGB VI eigenes Einkommen der Hinterbliebenen anzurechnen. Anrechenbar sind 40 Prozent des Einkommens, das monatlich das 26,4fache des aktuellen Rentenwerts übersteigt. Dieser Freibetrag beträgt seit dem 1. Juli 2020 in Westdeutschland 902,62 Euro und in Ostdeutschland 877,27 Euro. Der Freibetrag erhöht sich für jedes dem Grunde nach waisenrentenberechtigte Kind um das 5,6fache des aktuellen Rentenwertes . Dies entspricht aktuell einem Erhöhungsbetrag von 191,46 Euro in Westdeutschland und 186,09 Euro in Ostdeutschland. 6. Rentensplitting Zum 1. Januar 2002 ist in §§ 120a - 120e SGB VI ein fakultatives Rentensplitting eingeführt worden , das dem Versorgungsausgleich bei Ehescheidung nachempfunden ist. Seitdem haben Eheleute unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit übereinstimmend zu erklären, dass ihre Rentenanwartschaften aus der Zeit der Ehe zu gleichen Teilen aufzuteilen sind. Vom Rentenkonto mit den höheren Rentenanwartschaften wird dabei die Hälfte des Wertunterschieds auf das Rentenkonto mit den geringeren Rentenanwartschaften übertragen, so dass die während der Ehe erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften gleich hoch sind. Nach Abgabe einer übereinstimmenden Erklärung zum Rentensplitting besteht dann im Todesfall kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente an die Witwe oder den Witwer. Unter denselben Bedingungen wie für Eheleute kann auch ein Rentensplitting unter Lebenspartnern erfolgen. Die Durchführung des Rentensplittings ist nur möglich, wenn die Ehe nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen worden ist oder bei am 31. Dezember 2001 bestehenden Ehen beide nach dem 1. Januar 1962 geboren sind. Die übereinstimmende Erklärung zum Rentensplitting kann erst im Rentenalter abgegeben werden. Zudem ist ein Anspruch auf Durchführung des Rentensplittings Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 025/21 Seite 12 nur dann gegeben, wenn in beiden Rentenkonten jeweils mindestens 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind. Ist ein Ehepartner vor Erreichen des Rentenalters verstorben, kann der überlebende Ehepartner den Anspruch auf das Rentensplitting alleine geltend machen, wenn in seinem oder ihrem Rentenkonto mindestens 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind. Das Rentensplitting kann in geeigneten Fällen zu höheren eigenständigen Rentenleistungen, meist für die Ehefrau, führen, die im Todesfall des Ehepartners im Gegensatz zu Hinterbliebenenrenten nicht der Einkommensanrechnung unterliegen und bei Wiederheirat nicht wegfallen.26 Nach dem Tod eines Ehepartners kann ein Rentensplitting durchaus vorteilhaft sein, zum Beispiel wenn der Überlebende erst durch das Rentensplitting die Voraussetzungen für einen eigenen Rentenanspruch erfüllt. Ist eine Hinterbliebenenrente aufgrund zu hohen eigenen Einkommens der Witwe oder des Witwers nicht zu leisten, kann ein Rentensplitting in Betracht kommen , wenn für den Überlebenden Anwartschaften zu übertragen sind. *** 26 Deutsche Rentenversicherung Bund, Broschüre Rentensplitting - partnerschaftlich teilen, abrufbar unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/rentenspltting _partnerschaftlich_teilen.html;jsessionid=CF425408C8CA3F3FEA527D22715FA37F.delivery1-8-replication , zuletzt abgerufen am 25. März 2021.