© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 025/19 Einzelfragen zum SGB II Anrechenbarkeit des Bayerischen Familiengeldes, zu berücksichtigendes Einkommen und Bewirtschaftung von Bundesmitteln Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einigung und neuer Gesetzesentwurf 9 3. Nicht auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnende Einnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften 10 3.1. Hilfebedürftigkeit und Einkommen nach dem SGB II 10 3.2. Nicht zu berücksichtigendes Einkommen gemäß § 11a Abs. 3 SGB II 10 3.3. Nach anderen Gesetzen anrechnungsfreie Leistungen 14 4. Prüfrechte des BMAS und des Bundesrechnungshofs 15 4.1. Träger der Leistungen nach dem SGB II sowie Aufsichts- und Weisungsrechte (Verwaltungsorganisation) 15 4.1.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II 16 4.1.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II (sog. Optionskommunen) 18 4.2. Finanzierungszuständigkeit und Prüfrechte des Bundesrechnungshofs und des BMAS 19 4.2.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II 20 4.2.1.1. Finanzierungszuständigkeit des Bundes 20 4.2.1.2. Prüfung durch den Bundesrechnungshof 20 4.2.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II (sog. Optionskommunen) 22 4.2.2.1. Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs 23 4.2.2.2. Finanzkontrolle des BMAS 23 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 4 1. Einleitung Der Freistaat Bayern hat mit dem Bayrischen Familiengeldgesetz (BayFamGG)1 vom 24. Juli 2018, in Kraft getreten am 1. August 20182, die Zahlung eines Bayerischen Familiengeldes eingeführt; Beginn der Auszahlungen war der 1. September 2018. Bereits vor Beginn der Auszahlungen war zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) strittig, ob das Bayerische Familiengeld auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) anrechenbar sei. Nach Auffassung des BMAS war das Familiengeld als Einkommen anzurechnen; die Bundesagentur für Arbeit erteilte daher eine entsprechende Weisung an die als gemeinsame Einrichtung ausgestalteten Jobcenter in Bayern. Die Bayerische Staatsregierung ging hingegen davon aus, dass das Familiengeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei, und wies die Optionskommunen in Bayern an, entsprechend zu verfahren. Anfang Februar 2019 einigten sich der Bund und der Freistaat Bayern auf eine rückwirkende Änderung des BayFamGG dergestalt, dass eine Anrechnung des Familiengeldes auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften als Einkommen auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anrechnungsfrei sind. Darüber hinaus werden nachfolgend die Prüfungs- und Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes und des BMAS in Bezug auf solche Leistungen nach dem SGB II dargestellt, die in die Finanzierungszuständigkeit des Bundes fallen. 2. Konflikt und Einigung in Bezug auf das Bayerische Familiengeld 2.1. Das Bayerische Familiengeldgesetz in der Fassung vom 24. Juli 2018 2.1.1. Gründe für die Einführung und Zweckbestimmung des Familiengeldes Der Bayerische Landesgesetzgeber hat die Einführung des Familiengeldes damit begründet, dass mit dem Bayerischen Betreuungsgeld und dem Bayerischen Landeserziehungsgeld nicht alle Eltern mit kleinen Kindern erreicht würden. Das Familiengeld sei erforderlich, um alle Familien mit kleinen Kindern finanziell zu unterstützen und Eltern bei ihren Entscheidungen hinsichtlich Erziehung, Bildung und Gesundheitsförderung einen ökonomischen Gestaltungsspielraum einzuräumen . Das Familiengeld diene der Anerkennung und der Unterstützung der Erziehungsleistung von Eltern mit Kleinkindern. Auf die Frage nach dem richtigen Bildungs-, Erziehungs- und Be- 1 § 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 vom 24. Juli 2018 (GVBl. S. 613, 622) BayRS 2170-7-A. 2 § 14 Abs. 2 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 vom 24. Juli 2018 (GVBl. S. 613). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 5 treuungsangebot gebe es keine einheitliche Antwort für jedes Kind. Eltern träfen daher in Wahrnehmung ihres Elternrechts verantwortungsvolle Entscheidungen mit Blick auf ihre Kinder. Diese Entscheidung der Eltern solle das Elterngeld wertschätzen.3 Darauf aufbauend definiert das Gesetz in Art. 1 BayFamGG ausdrücklich die Zweckbestimmung des Familiengeldes: „1In Weiterentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes erhalten Eltern mit dem Bayerischen Familiengeld eine vom gewählten Lebensmodell der Familie unabhängige, gesonderte Anerkennung ihrer Erziehungsleistung. 2Eltern erhalten zugleich den nötigen Gestaltungsspielraum , frühe Erziehung und Bildung der Kinder einschließlich gesundheitsförderlicher Maßnahmen in der jeweils von ihnen gewählten Form zu ermöglichen, zu fördern und insbesondere auch entsprechend qualitativ zu gestalten. 3Das Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. 4Es soll auf existenzsichernde Sozialleistungen nicht angerechnet werden .“ Laut der Gesetzesbegründung sollen Familien mit Kleinkindern in Bayern eine spürbare Wertschätzung für ihre Erziehungsleistung erfahren und zugleich größere ökonomische Gestaltungsfreiräume für Erziehung, Bildung, Betreuung und Gesundheitsförderung erhalten, um ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Das Familiengeld sei somit eine moderne Weiterentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes und diene der Anerkennung und Unterstützung der Erziehungsleistung von Eltern mit Kleinkindern. Familiengeld diene somit nicht der Existenzsicherung, sondern darüber hinausgehenden Bedarfen . Daran anknüpfend zählt die Gesetzesbegründung eine Vielzahl möglicher Zweckverwendungen des Familiengeldes auf. So sollen die anfallenden Kosten für die von den Eltern gewählte externe oder familieninterne Kinderbetreuung durch das Familiengeld gegenfinanziert oder zumindest reduziert werden. Zugleich solle mit dem Familiengeld auch maßgeblich die frühe Bildung von Kindern unterstützt werden. Für ihre Entwicklung bräuchten Kinder eine lernanregende und ihre Kompetenzen stärkende Umgebung. Dazu zählten unter anderem die Stärkung der Sprachentwicklung in den ersten Lebensjahren, auch Musik (z. B. Klangschalen, Schellen, Xylophon, Holzblocktrommeln etc.) sei sehr gut geeignet, kommunikative Kompetenzen zu stärken. Für die Stärkung der körperbezogenen Kompetenzen unterstützten Bewegungsspiele und freie Bewegungsräume wie Kletterhäuser, Spielpodeste, Kriechrohre etc. die motorische Entwicklung. Ferner solle das Familiengeld auch für Elternkurse zur Stärkung der Bindungs- und Erziehungsfähigkeit der Eltern sowie für Kinderkurse zur Bildung der Kinder wie Kleinkinderschwimmen, Musikerziehung , besondere größere Ausflüge oder Bildungsunternehmungen zur Verfügung stehen. Auch Aufwendungen zu einer besonderen Gesundheitsfürsorge (zusätzliche Untersuchungen, gesunde, aufwändigere Ernährung, Kennenlernen besonderer frischer Lebensmittel) seien Zweck des Familiengeldes.4 3 Gesetzentwurf der Staatsregierung, Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (2. Nachtragshaushaltsgesetz 2018 – 2. NHG 2018), Bayerischer Landtag Drucksache 17/22033, S. 31. 4 Gesetzentwurf der Staatsregierung, Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (2. Nachtragshaushaltsgesetz 2018 – 2. NHG 2018), Bayerischer Landtag Drucksache 17/22033, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 6 2.1.2. Anspruchsvoraussetzungen und Höhe des Familiengeldes Art. 2 BayFamGG formuliert die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayFamGG ist leistungsberechtigt, „wer 1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat Bayern hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt und 3. dieses Kind selbst erzieht.“5 Die Gesetzesbegründung führt zu diesen Voraussetzungen unter anderem aus: „Zu Nr. 2: Die Vorschrift entspricht weitgehend dem bisherigen Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayLErzGG. Voraussetzung für den Bezug von Familiengeld ist, dass der Elternteil mit seinem Kind in einem Haushalt lebt. Die häusliche Gemeinschaft wird nicht dadurch aufgehoben, dass das Kind für einen Teil des Tages außerhäuslich betreut wird, etwa bei Verwandten oder wegen eines Krankenhausaufenthalts . Zu Nr. 3: Das Familiengeld dient der Anerkennung und Unterstützung der Erziehungsleistung von Eltern mit Kleinkindern. Voraussetzung für den Bezug von Familiengeld ist, dass der Elternteil das Kind selbst erzieht. Es besteht weder eine Pflicht des Elternteils, das Kind durchgehend selbst zu betreuen, noch ist die Inanspruchnahme eines Kita-Platzes für den Bezug der Leistung erforderlich.“6 Weitere persönliche Anspruchsvoraussetzungen bestehen nicht. Insbesondere ist es unerheblich, ob das Kind fremd- oder eigenbetreut wird. Der Bezug des Familiengeldes ist zudem unabhängig vom Einkommen oder der Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Anspruchsberechtigten. Art. 3 BayFamGG bestimmt die Höhe und den Bezugszeitraum. Demnach beträgt das Familiengeld für das erste und zweite Kind jeweils 250 Euro und für das dritte und jedes weitere Kind jeweils 300 Euro pro Monat, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayFamGG. Es wird grundsätzlich vom ersten Tag des 13. Lebensmonats bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats eines Kindes gezahlt, insgesamt also für bis zu 24 Monate je Kind, Art. 3 Abs. 3 BayFamGG. Art. 9a Abs. 2 BayFamGG enthält Übergangsbestimmungen mit Bezug zum Bayerischen Betreuungsgeld und zum Bayerischen Landeserziehungsgeld, die sicherstellen sollen, dass Berechtigte 5 Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 5 BayFamGG enthalten Bestimmungen für ausländische Personen und für den Fall, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Art. 2 Abs. 2 bis 4 BayFamGG enthalten weitere Sonderregelungen. 6 Gesetzentwurf der Staatsregierung, Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (2. Nachtragshaushaltsgesetz 2018 – 2. NHG 2018), Bayerischer Landtag Drucksache 17/22033, S. 32 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 7 für vor dem 1. September 2017 geborene Kinder die jeweils höheren Leistungen (Familiengeld oder Betreuungs- und / oder Landeserziehungsgeld) erhalten. Im Übrigen werden gemäß Art. 9a Abs. 3 BayFamGG „Leistungen für Lebensmonate, die bis zum 1. September 2018 beginnen, nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz oder dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz und Leistungen für Lebensmonate, die ab dem 1. September 2018 beginnen, nach [dem BayFamGG] gewährt.“ Damit wird gesetzlich verankert, dass das Bayerische Familiengeld grundsätzlich das Bayerische Betreuungsgeld sowie das Landeserziehungsgeld ablöst. 2.2. Konflikt zwischen BMAS und Bayerischer Staatsregierung Strittig zwischen dem BMAS und der Bayerischen Staatsregierung war, ob das Bayerische Familiengeld auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anzurechnen sei. Bereits im Gesetz (Art. 1 Satz 3 und 4 BayFamG) und auch in der Gesetzesbegründung7 hat der Bayerische Landesgesetzgeber deutlich gemacht, dass seiner Auffassung nach das Familiengeld nicht der Existenzsicherung diene und daher nicht auf Leistungen nach dem SGB II angerechnet werden solle. Zudem handele es sich um eine Weiterentwicklung des (anrechnungsfreien) Bayerischen Landeserziehungsgeldes, dass die Erziehungsleistung der Eltern anerkenne. Die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit vertrat in einer Rundmail vom 20. Juli 20188 auf Grundlage einer ausdrücklich vorläufigen Einschätzung - vorbehaltlich der juristischen Prüfung durch das BMAS - zunächst gleichfalls die Auffassung, dass das Familiengeld anrechnungsfrei sei. Mit Schreiben vom 10. August 20189 an die Bundesagentur für Arbeit teilte das BMAS mit, dass das Familiengeld auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anzurechnen sei. Es sei keine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 SGB II, da zwar verschiedene Verwendungsmöglichkeiten aufgezählt seien, mit denen jedoch keine bestimmte Verwendungserwartung verbunden sei. Auch entsprächen einige der aufgezählten Verwendungsmöglichkeiten den Zwecken der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Bildungspaketes nach dem SGB II. Zudem sei das Familiengeld auch keine dem früheren Bundeserziehungsgeld vergleichbare und daher nach § 27 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) i.V.m. § 8 Abs. 1 7 Gesetzentwurf der Staatsregierung, Zweites Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (2. Nachtragshaushaltsgesetz 2018 – 2. NHG 2018), Bayerischer Landtag Drucksache 17/22033, S. 32. 8 Schreiben der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit vom 20. Juli 2018 (Gz: 280-II-1105), abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 15 f. (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld .pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). 9 Schreiben des BMAS vom 10. August 2018, abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 12 f. (https://www.stmas.bayern.de/imperia /md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 8 Satz 1 des insoweit weiter anwendbaren Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) anrechnungsfreie Leistung. Das Schreiben war mit der Bitte verbunden, die Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit über die Rechtslage zu informieren. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) wies demgegenüber mit Schreiben vom 14. August 201810 die Jobcenter der Optionskommunen an, das Familiengeld im Rahmen des SGB II nicht als Einkommen anzurechnen. Zum einen sei es als Weiterentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes eine dem Bundeserziehungsgeld vergleichbare und damit anrechnungsfreie Leistung (§ 27 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG). Zum anderen sei es auch als zweckgebundene Einnahme gemäß § 11a Abs. 3 SGB II anrechnungsfrei. Mit den Regelbedarfen des SGB II werde der notwendige, das sog. sozio-kulturelle Existenzminimum absichernde Bedarf beispielsweise für Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege oder auch Freizeit, Unterhaltung und Kultur abgegolten. Die im Gesetzestext des BayFamGG und der Gesetzesbegründung dargelegten Bedarfe sprächen zwar zumindest zum Teil thematisch auch diese Bedarfe an, überschnitten sich insoweit, gingen aber ausdrücklich und gezielt über das Existenzminimum hinaus. Das BMAS forderte daraufhin mit Schreiben vom 30. August 201811 an das StMAS eine Rücknahme der Weisung vom 14. August 2018. Es verwies darauf, dass die zugelassenen kommunalen Träger (Optionskommunen) mit Prüfungen der Bewirtschaftung von Bundesmitteln rechnen müssten, sofern sie die Weisung, das Familiengeld nicht anzurechnen, vollzögen. In einer Information an die Bürger vom 8. Oktober 201812 bekräftigte das StMAS seine Rechtsauffassung und verwies auf ein von der Bayerischen Staatsregierung in Auftrag gegebenes 98-seitiges Rechtsgutachten vom 21. September 201813, das ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass die Anrechnung des bayerischen Familiengeldes auf Leistungen nach dem SGB II rechtswidrig sei. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen und darauf basierenden divergierenden Weisungen führten dazu, dass das Familiengeld in den zehn bayerischen Optionskommunen zusätzlich zu 10 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 14. August 2018, Az. I3/6074.04-1/441 (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/grundsicherung /20180814-ams-familiengeld.pdf, abgerufen am 5. März 2019). 11 Schreiben des BMAS vom 30. August 2018, abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 13 ff. (https://www.stmas.bayern.de/imperia /md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). 12 StMAS, Aktuelle Informationen zum Bayerischen Familiengeld (Stand 08.10.2018) - Frage der Anrechnung auf Leistungen nach dem SGB II (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/181008_infoblatt _familiengeld_sgb_ii.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019) 13 Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018 (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 9 den Grundsicherungsleistungen ausgezahlt wurde, während in den 83 als gemeinsame Einrichtungen organisierten Jobcentern in Bayern das Familiengeld auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet wurde.14 2.3. Einigung und neuer Gesetzesentwurf Anfang Februar 2019 schließlich erzielten der Bund und der Freistaat Bayern eine Einigung hinsichtlich der Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Grundsicherungsleistungen. Das BayFamGG solle rückwirkend dergestalt geändert werden, dass das Familiengeld gezahlt werde, damit Eltern für eine förderliche frühkindliche Betreuung ihres Kindes sorgen könnten; es erfülle so auch nach Auffassung des Bundes die im Bundesrecht vorgesehenen Voraussetzungen für eine Anrechnungsfreiheit.15 Gemäß dem von der Bayerischen Staatsregierung in den Landtag eingebrachten Gesetzesentwurf vom 22. Februar 2019 sollen die Voraussetzungen für den Bezug des Bayerischen Familiengeldes ergänzt werden. Neben der Voraussetzung in Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayFamG, dass Anspruch hat, wer sein „Kind selbst erzieht“ soll zukünftig auch gefordert werden „und für eine förderliche frühkindliche Betreuung des Kindes sorgt.“16 Laut Gesetzesbegründung werde durch die Ergänzung der Anspruchsvoraussetzungen die Erwartung des Gesetzgebers klargestellt, dass das Familiengeld zur Betreuung der Kinder verwendet werde. Die Kinderbetreuung sei als zusammenfassender Begriff für die pflegende, beaufsichtigende und entwicklungsfördernde Tätigkeit gegenüber Kindern zu verstehen. Neben der Betreuung in der Familie, durch Eltern, Geschwister, Großeltern usw. komme insbesondere die privat organisierte Kindertagesbetreuung in Betracht. Ein konkreter Nachweis oder eine Überprüfung der Verwendung sei jedoch aufgrund des damit verbundenen Bürokratieaufwands nicht vorgesehen .17 Der Bayerische Landtag hat - nach derzeitigem Stand - noch nicht über den Gesetzesentwurf abgestimmt . 14 Vgl. Antwort der des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 1 Oktober 2018 auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Celina (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), Bayerischer Landtag Drucksache 17/24214, S. 4. 15 BMAS, Pressemitteilung vom 1. Februar 2019: Bayerisches Familiengeld: Bund und Freistaat Bayern erzielen Einigung (https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/bayerisches-familiengeld.html, abgerufen am 15. Februar 2019). 16 Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 (Haushaltsgesetz 2019/2020 – HG 2019/2020), Bayerischer Landtag Drucksache 18/346, S. 19. 17 Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 (Haushaltsgesetz 2019/2020 – HG 2019/2020), Bayerischer Landtag Drucksache 18/346, S. 49. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 10 3. Nicht auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnende Einnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften 3.1. Hilfebedürftigkeit und Einkommen nach dem SGB II Voraussetzung für den Anspruch von Leistungen nach dem SGB II ist unter anderem, dass die Person hilfebedürftig ist, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, „wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.“ § 9 SGB II bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Grundsicherung für Arbeitsuchende nachrangig ausgestaltet hat. Der Antragsteller hat daher zunächst sein Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einzusetzen.18 §§ 11, 11a und 11b SGB II legen fest, welches Einkommen bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich „Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen“ zu berücksichtigen. § 11a SGB II bestimmt das nicht zu berücksichtigende Einkommen und § 11b SGB II legt die Absetzbeträge vom Einkommen fest, also jene Aufwendungen und Belastungen, die nach dem Gesetz vom Einsatz zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen sind.19 3.2. Nicht zu berücksichtigendes Einkommen gemäß § 11a Abs. 3 SGB II Nach § 11a Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen , als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Mit der Regelung soll einerseits vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits verhindert werden, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden.20 Voraussetzung für die Privilegierung von Zahlungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist folglich, dass die Leistung einem ausdrücklichen Zweck dient, der über die Sicherung des Le- 18 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 9, Rn. 3. 19 Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 11b, Rn. 1. 20 BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 14 AS 36/17 R -, Rn. 22 (zit. nach juris); Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Werkstand 7/17, § 11a, Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 11 bensunterhaltes hinaus geht und zudem ein anderer als derjenige sein muss, für den die im Einzelfall in Frage stehende Leistung nach dem SGB II gewährt wird.21 Eine allgemeine Zweckrichtung ist nicht ausreichend.22 In einem ersten Schritt ist daher zu prüfen, ob in den in Frage stehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein Zweck ausdrücklich benannt ist. Dabei ist es auch ausreichend, dass sich der Zweck aus der Gesetzesbegründung oder gar nur aus dem Tenor oder der Begründung des Bescheides , mit dem die Leistung bewilligt wird, ergibt. Auch die Verwendung des Wortes „Zweck“ ist nicht erforderlich. Der Zweck kann vielmehr auch durch Formulierungen wie „zur Sicherung “, „zum Ausgleich“ oder Ähnliches zum Ausdruck kommen. Ferner kann es genügen, wenn aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung die Zweckbestimmung folgt, soweit diese sich aus dem Gesamtzusammenhang eindeutig ableiten lässt.23 Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Leistung aus einem bestimmten Rechtsgrund oder Motiv erfolgt ohne konkrete Zweckbestimmung , zum Beispiel als Gegenleistung „für etwas“, sondern sie muss final „zu etwas“ geleistet sein, das heißt in ihrer Verwendung zweckbestimmt sein.24 Strittig ist, ob über die Zweckbestimmung eine Zwecksicherung erforderlich sei. Laut der Gesetzesbegründung fehlt es an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung auch dann, „wenn die Einkommensbezieherin oder der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach [dem SGB II] einzusetzen“.25 Die überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt das Erfordernis einer solchen Zwecksicherung wohl ab.26 Eine derart strikte Auslegung komme im Gesetzestext nicht zum Ausdruck.27 Zudem sei andernfalls kaum ein Fall denkbar, in dem es einem Einkommensbezieher nicht zumindest tatsächlich möglich wäre, die gewährten Leistungen auch zur Deckung des Lebensunterhaltes einzusetzen (Ausnahme: Auszahlung an einen Dritten).28 21 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 29. 22 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 – L 11 AS 322/17 –, Rn. 19 (zit. nach juris); J. Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 11b, Rn. 1. 23 Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 – L 11 AS 322/17 –, Rn. 19 (zit. nach juris); Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 29. 24 BSG, Urteil vom 24. August 2017 – B 4 AS 9/16 R -, Rn. 26 (zit. nach juris); SG München, Urteil vom 04. Mai 2018 – S 46 EG 25/17 BG –, Rn. 19 (zit. nach juris); Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 21. 25 Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, BT-Drs. 17/3404, S. 94. 26 Ablehnend: Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 29. 27 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 20. 28 Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Auflage 2017, SGB II § 11a, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 12 Die Rechtsprechung scheint hinsichtlich der Frage einer solchen Zwecksicherung uneinheitlich .29 Das Bundessozialgericht (BSG) hat - soweit ersichtlich - diesbezüglich noch nicht Stellung genommen.30 Da eine Anrechnung nur bei Zweckidentität erfolgt, ist in einem zweiten Schritt zu ermitteln, zu welchem Zweck die gleichzeitig gewährte Leistung nach dem SGB II im konkreten Fall geleistet wird.31 In einem dritten Schritt sind die Zwecke der beiden Leistungen gegenüberzustellen und zu prüfen , ob sie identisch sind. Diese Identität fehlt in der Regel dann, wenn die Zweckrichtung der anderen Leistung durch eine Anrechnung vereitelt würde.32 Da nach dem Wortlaut des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II die Leistungen „nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen“ sind, als sie demselben Zweck dienen, ist auch eine teilweise Anrechnung der Leistung denkbar.33 § 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 SGB II enthält Einschränkungen der Privilegierung für bestimmte Einnahmen, nämlich für den Erziehungsbeitrag für Pflegekinder nach § 39 SGB VIII (Nr. 1), die Tageskinderpflege nach § 23 SGB VIII (Nr. 2), Leistungen an Auszubildende (Nr. 3 und 4) sowie für Reisekosten für Menschen mit Behinderung zur Teilhabe am Arbeitsleben (Nr. 5).34 Zu den anrechnungsfreien zweckbestimmten Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gehören zum Beispiel:35 – Umweltprämie (Zweck: Konjunkturförderung und Umweltschutz)36 29 Insoweit ablehnend: z. B. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. November 2017 – L 11 AS 322/17 –, Rn. 19 (zit. nach juris); mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung wohl Zwecksicherung fordernd: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. November 2018 – L 15 AS 55/18 –, Rn. 24 (zit. nach juris). 30 So auch Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 60. (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld .pdf, abgerufen am 15. Februar 2019) 31 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 18; Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand : 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 21. 32 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 31. 33 Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 58. UPD 12/2018, § 11a, Rn. 27. 34 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 18. 35 S. auch umfangreiche Auflistung in: Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Werksstand: 07/17, § 11a Rn. 139 ff. 36 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 13 – Blinden- und Gehörlosengeld nach §§ 4 und 5 des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose (GHBG) Nordrhein-Westfalen (Ausgleich der durch die Behinderung entstehenden Mehraufwendungen)37 Weitere nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen bestimmt § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V). Zu den nicht nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegierten Einnahmen gehören zum Beispiel:38 – Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld nach dem SGB III39 – Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bürgermeister und Stadträte40 – Krankenhaustagegeld41 – Grundsätzlich Elterngeld (Ausnahme aber nach § 10 Abs. 5 BEEG: teilweise Freistellung, wenn vor Bezug des Elterngeldes Erwerbseinkommen bezogen wurde)42 – Bayerisches Betreuungsgeld nach dem Bayerisches Betreuungsgeldgesetz (BayBtGG)43 Die Frage, ob das Bayerische Familiengeld nach der derzeit noch geltenden Fassung des BayFamG anrechnungsfrei ist, wurde in der Literatur noch wenig thematisiert. Teilweise wird die Anrechenbarkeit bejaht, da „sich eine vom Zweck der Leistungen des SGB II abweichende 37 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 23. 38 S. auch umfangreiche Auflistung in: Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, Werksstand: 07/17, § 11a Rn. 177 ff. 39 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 24. 40 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 34.3. 41 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 24. 42 Schmidt in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 11a, Rn. 24 43 SG München, Urteil vom 04. Mai 2018 – S 46 EG 25/17 BG –, Rn. 22 ff. (zit. nach juris); Söhngen in: Schlegel /Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 35.2; Dau, jurisPR-SozR 17/2018, Anm. 1; a.A.: SG Bayreuth , Urteil vom 28. November 2017 – S 4 AS 363/17 -, S. 9 f., http://www.kanzlei-deterding.de/resources/Urteil +Anrechnung+Betreuungsgeld.pdf (abgerufen am 15. März 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 14 Zweckbestimmung kaum begründen lassen“ dürfte.44 Nach anderer Auffassung „ließe sich Familiengeld als - anrechnungsfreie - Leistung qualifizieren, weil es aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten anderen Zweck erbracht wird“.45 Das Sozialgericht Nürnberg (SG Nürnberg) hat in einem Eilrechtsverfahren die Frage ausdrücklich offengelassen, da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes „eine hinreichend tiefe Auseinandersetzung mit den von beiden Seiten vorgebrachten Argumenten nicht erfolgen“ könne. Für die Anrechenbarkeit des Familiengeldes spreche jedoch, dass „die Zweckgebundenheit des Familiengeldes durchaus zweifelhaft“ erscheine.46 3.3. Nach anderen Gesetzen anrechnungsfreie Leistungen Auch andere (Bundes-)Gesetze enthalten Vorschriften, nach denen bestimmte Leistungen nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzurechnen sind. Dabei ist anzumerken, dass aufgrund von Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) eine landesrechtliche Ausnahmeregelung nicht möglich sein dürfte. Das Verhältnis zwischen § 11a Abs. 3 SGB II und den in anderen Gesetzen enthaltenen Vorschriften zur Anrechnungsfreiheit scheint bislang nicht eindeutig geklärt.47 Nach Auffassung des SG Bayreuth (zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) handelt es sich dabei ausdrücklich um Sonderregelungen (lex specialis), die den allgemeinen Regelungen des § 11a SGB II vorgehen.48 In der Literatur wird die Frage - soweit ersichtlich - überwiegend nicht thematisiert49 beziehungsweise gleichfalls davon ausgegangen, dass es sich um vorrangig anzuwendende Sondergesetze handelt.50 44 Söhngen in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 11a, Rn. 35.3. 45 Dau, jurisPR-SozR 17/2018, Anm. 1; eindeutig anrechnungsfrei nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018 (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). 46 SG Nürnberg, Beschluss vom 15. November 2018 – S 22 AS 1038/18 ER –, Rn. 25 (zit. nach juris). 47 Vgl. SG Nürnberg, Beschluss vom 15. November 2018 – S 22 AS 1038/18 ER –, Rn. 27 (zit. nach juris). 48 SG Bayreuth, Urteil vom 28. November 2017 – S 4 AS 363/17 -, S. 9; ausdrücklich offengelassen: SG Nürnberg, Beschluss vom 15. November 2018 – S 22 AS 1038/18 ER –, Rn. 27 (zit. nach juris). 49 Vgl. Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 52; J. Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 51. 50 Vgl. Wollenschläger, VSSR 2018, 309, 333. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 15 Solche Ausnahmebestimmungen sind unter anderem: – § 9 Abs. 1 des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz - BerRehaG) in Bezug auf Ausgleichsleistungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet51 – §§ 14, 21 des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk behinderter Kinder“ vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I S. 2018)52 – § 13 Abs. 5 Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Bezug auf Leistungen der sozialen und der privaten Pflegeversicherung53 – § 58 S. 2 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Bezug auf die bei Arbeitslosigkeit erhöhte Unfallrente 54 – § 18 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz - HHG) betreffend Unterstützungen zur Linderung einer Notlage55 – § 27 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 8 Abs. 1 BErzGG hinsichtlich dem Erziehungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder. 4. Prüfrechte des BMAS und des Bundesrechnungshofs 4.1. Träger der Leistungen nach dem SGB II sowie Aufsichts- und Weisungsrechte (Verwaltungsorganisation) Die Trägerschaft für Leistungen, das heißt, wer in verwaltungsorganisatorischer Hinsicht für die Durchführung des Gesetzes und die Gewährung der Leistungen sachlich zuständig ist, ist im SGB II nicht einheitlich bestimmt (geteilte Trägerschaft). Im Grundsatz wird ein Teil der Aufgaben von der Bundesagentur für Arbeit und ein Teil von den kreisfreien Städten und Kommunen 51 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 52. 52 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 52. 53 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 52. 54 Striebinger in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 52. 55 J. Neumann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 11a, Rn. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 16 wahrgenommen (§ 6 SGB II). Daneben kann im Falle der sog. Optionskommunen die Leistungsträgerschaft auch die Wahrnehmung sämtlicher Aufgaben nach dem SGB II durch einen zugelassenen kommunalen Träger umfassen (§ 6a SGB II).56 Die verwaltungsorganisatorische Zuständigkeit wiederum ist von der Finanzierungszuständigkeit zu unterscheiden (§§ 46, 6b SGB II).57 4.1.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II Träger der Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) sind gemäß § 6 Abs. 1 SGB II „1. die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt , 2. die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld, soweit Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).“ § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II legt damit eine Regelzuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit fest; die kommunalen Träger sind lediglich in den abschließend geregelten Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zuständig.58 Die Bundesagentur für Arbeit ist folglich grundsätzlich zuständig für die Lebensunterhaltsleistungen in Form der Regelbedarfe und teilweise der Mehrbedarfe sowie Leistungen zur Eingliederung mit Ausnahme der kommunalen Eingliederungsleistungen.59 Zu den Leistungen in der Zuständigkeit der Kommunen gehören die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II, Leistungen für Unterkunft und Heizung (§§ 22 ff. SGB II) und Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung und bei Schwangerschaft und Geburt (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II) sowie Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II. Zur einheitlichen Durchführung ihrer jeweiligen Aufgaben sieht § 44b SGB II vor, dass die Bundesagentur für Arbeit und der jeweilige kommunale Träger eine gemeinsame Einrichtung bilden, die gemäß § 6d SGB II die Bezeichnung Jobcenter führt. Die gemeinsame Einrichtung (Jobcenter) nimmt die Aufgaben nach dem SGB II wahr, wobei die Trägerschaft gemäß § 6 SGB II unberührt bleibt, § 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II. 56 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 2 f. 57 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 2. 58 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 30. 59 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 17 Gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II obliegt den Trägern, also Bundesagentur für Arbeit und kommunalem Träger, die Verantwortung für die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung ihrer Leistungen. Sie sind in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich weisungsbefugt, § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II. Die Reichweite des Weisungsrechts ist dabei nicht auf die rechtmäßige und zweckmäßige Leistungserbringung beschränkt, sondern kann sich auf sämtliche Fragen im Verantwortungsbereich des Trägers beziehen.60 Die Träger sind gemäß § 44b Abs. 3 Satz 3 SGB II berechtigt, von den Jobcentern die Erteilung von Auskunft und Rechenschaftslegung über die Leistungserbringung zu fordern, die Wahrnehmung der Aufgaben in der gemeinsamen Einrichtung selbst zu prüfen und die gemeinsame Einrichtung an ihre Auffassung zu binden. Da die Bundesagentur für Arbeit demgemäß grundsätzlich für die Ermittlung der Ansprüche auf Lebensunterhaltsleistungen zuständig ist, obliegt ihr beispielsweise im Rahmen der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung auch die Ermittlung der zu berücksichtigenden Einnahmen der Antragsteller und damit letztlich auch die behördliche Entscheidung über die Anrechenbarkeit des Bayerischen Familiengeldes. Sie ist daher diesbezüglich gegenüber den Jobcentern weisungsbefugt . Zudem hat sie einen entsprechenden Auskunftsanspruch und ist berechtigt, die diesbezügliche Aufgabenwahrnehmung selbst zu prüfen. Das BMAS führt wiederum die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur für Arbeit, soweit dieser nach § 44b Abs. 3 SGB II ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht, § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das heißt, die Aufsichts- und Weisungsrechte des BMAS sind begrenzt auf die der Bundesagentur obliegenden Aufgaben in gemeinsamer Trägerschaft.61 Die Rechtsaufsicht dient der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Bundesagentur für Arbeit; Kontrollmaßstab ist allein die Einhaltung des Rechts.62 Die Fachaufsicht geht darüber hinaus und ermöglicht auch die Einflussnahme auf Sachentscheidungen der Bundesagentur für Arbeit. Sie umfasst Fragen der Zweckmäßigkeit, der Ausübung des Verwaltungsermessens, der Wirtschaftlichkeit sowie auch der politischen Auswirkungen.63 Das BMAS kann der Bundesagentur für Arbeit ferner Weisungen erteilen und sie an seine Auffassung binden, § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB II. 60 Mushoff in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 44b, Rn. 8. 61 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 47, Rn. 2. 62 Harich in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 47, Rn. 3. 63 Harich in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 47, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 18 Dementsprechend hat das BMAS mit Schreiben vom 10. August 2018 an die Bundesagentur für Arbeit seine Rechtsauffassung dargetan, dass das Familiengeld auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II anzurechnen sei.64 Die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit65 war wie unter 2.2 in einer vorläufigen Bewertung zunächst davon ausgegangen, dass das Familiengeld in Hinblick auf die Leistungen nach dem SGB II anrechnungsfrei sei, verwies jedoch ausdrücklich auf die diesbezüglich laufenden Prüfungen des BMAS.66 Nach Abschluss der Prüfungen durch des BMAS revidierte die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit sodann ihre Auffassung und wies diejenigen Jobcenter, die als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II ausgestaltet sind, an, das Bayerische Familiengeld als Einkommen anzurechnen .67 Das BMAS ist darüber hinaus gemäß § 47 Abs. 5 SGB II als aufsichtführende Stelle selbst berechtigt , die Wahrnehmung der Aufgaben bei den gemeinsamen Einrichtungen (Jobcentern) vor Ort zu prüfen. Die Entscheidung über die Wahrnehmung dieser Prüfrechte obliegt grundsätzlich dem BMAS selbst. 4.1.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II (sog. Optionskommunen) Abweichend von der als Grundsatz im SGB II verankerten Aufteilung der Trägerschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern besteht nach § 6a SGB II die Möglichkeit , dass kommunale Träger anstelle der Bundesagentur für Arbeit als Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Abs. 1 SGB II zugelassen werden (sog. Optionskommunen). Die Optionskommunen sind folglich grundsätzlich originär für die Aufgabenerfüllung nach dem SGB II zuständig (mit Ausnahme einiger in § 6b Abs. 1 Satz 1 SGB II aufgeführten Aufgaben bzw. Verpflichtungen ). Die verfassungsrechtliche Grundlage ist Art. 91e GG. 64 Schreiben des BMAS vom 10. August 2018, abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 12 f. (https://www.stmas.bayern.de/imperia /md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). 65 Gemäß § 367 SGB III ist die Bundesagentur eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Sie gliedert sich in eine Zentrale auf der oberen Verwaltungsebene, zehn Regionaldirektionen auf der mittleren und 156 Agenturen für Arbeit auf der örtlichen Verwaltungsebene (s. a. Braun in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB III § 367, Rn. 3). 66 Schreiben der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit vom 20. Juli 2018 (Gz: 280-II-1105), abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 15 f. (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten_familiengeld .pdf, abgerufen am 15. Februar 2019). 67 Information der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit vom 29. August 2018 , 2018 (Gz: 280-II- 1105), abgedruckt in: Wollenschläger, Gutachten für die Bayerische Staatsregierung zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II vom 21. September 2018, S. 16 f. (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/gutachten _familiengeld.pdf, abgerufen am 15. Februar 2019); vgl. SG Nürnberg, Beschluss vom 15. November 2018 – S 22 AS 1038/18 ER –, Rn. 23 (zit. nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 19 Die Optionskommunen sind verpflichtet, zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur für Arbeit besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II zu errichten und zu unterhalten, § 6a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 SGB II; diese führen gleichfalls die Bezeichnung Jobcenter, § 6d SGB II. Es handelt sich dabei eine um eigenständige, von den anderen Organisationseinheiten der Kommune abgrenzbare Einrichtungen mit eigenen, von der übrigen kommunalen Verwaltung unabhängigen Strukturen. Dies dient der Sicherstellung, dass die Aufgabenerfüllung transparent erfolgt und keine Vermischung mit anderen kommunalen Aufgaben stattfindet.68 In Bayern sind derzeit zehn Kommunen zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen, (s. Anlage zu § 1 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende [Kommunalträger -Zulassungsverordnung - KomtrZV]). Den Optionskommunen obliegt folglich mit der Trägerschaft für Leistungen der Grundsicherung zum Beispiel auch die Ermittlung der Ansprüche auf Lebensunterhaltsleistungen einschließlich der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens der Antragsteller und damit letztlich auch die behördliche Entscheidung über die Anrechenbarkeit des Bayerischen Familiengeldes. Die Aufsicht, das heißt die Rechts- und Fachaufsicht69, über die Optionskommunen obliegt den zuständigen Landesbehörden, § 48 Abs. 1 SGB II. Soweit die Optionskommunen Aufgaben anstelle der Bundesagentur für Arbeit, also Aufgaben i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II, erfüllen, übt die Bundesregierung die Rechtsaufsicht über die obersten Landesbehörden aus und kann zu diesem Zweck mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, § 48 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II. Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB II kann die Bundesregierung die Ausübung der Rechtsaufsicht auf das BMAS übertragen. In der Literatur wird zum Teil davon ausgegangen, dass ausgehend vom „Sinn und Zweck der Vorschrift“ einiges dafür spreche, „dass die Instrumente der Rechtsaufsicht auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften beschränkt sind, da andernfalls das Zustimmungserfordernis des Bundesrates unterlaufen werden könnte.“70 Eine Weisung des BMAS direkt an einzelne Optionskommunen wäre nach dieser Auffassung wohl nicht zulässig.71 4.2. Finanzierungszuständigkeit und Prüfrechte des Bundesrechnungshofs und des BMAS Wie bereits unter 4.1 ausgeführt, ist die verwaltungsorganisatorische Zuständigkeit, also die Trägerschaft , von der Finanzierungszuständigkeit zu unterscheiden. 68 Stachnow-Meyerhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 6a, Rn. 28. 69 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 19. 70 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 19. 71 So im Ergebnis auch: Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, SGB II § 6b, Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 20 4.2.1. Gemeinsame Einrichtungen gemäß § 44b SGB II 4.2.1.1. Finanzierungszuständigkeit des Bundes Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB II trägt der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten, soweit die Leistungen von der Bundesagentur erbracht werden. In den Jobcentern, die als gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und des kommunalen Trägers ausgestaltet sind, trägt folglich der Bund die Kosten für jene Ausgaben, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit fallen (siehe Ausführungen unter 4.1.1). Die Regelung ist Ausdruck des sog. Konnexitätsgrundsatzes , wonach die Aufgabenkompetenz grundsätzlich die Finanzierungskompetenz zur Folge hat.72 Die Bundesagentur für Arbeit nimmt im Rahmen ihrer Trägerschaft nach dem SGB II die Verwaltungskompetenz für den Bund wahr, der dafür die Kosten für die erbrachten Leistungen trägt.73 Demgemäß trägt der Bund unter anderem die Kosten für die Finanzierung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II). 4.2.1.2. Prüfung durch den Bundesrechnungshof Da die durch die Bundesagentur für Arbeit wahrgenommene Aufgabenerfüllung finanziell zu Lasten des Bundeshaushalts geht, sieht § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II die Prüfung der Leistungsgewährung durch den Bundesrechnungshof vor, und zwar auch, soweit die Aufgaben von gemeinsamen Einrichtungen wahrgenommen werden.74 Die Rechnungsprüfung erstreckt sich auch auf die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung, sodass es zur Beanstandung durch den Bundesrechnungshof oder auch zur Verweigerung einer Erstattungsleistung durch den Bund kommen kann.75 Rechtsgrundlage für die Prüfung sind die § 111 Abs. 1 BHO i.V.m. §§ 89 bis 100, 102, 103 BHO, da es sich bei der Bundesagentur für Arbeit um eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts handelt (§ 367 SGB III).76 Der Bundesrechnungshof ist als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle nur dem Gesetz unterworfen , § 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof (Bundesrechnungshofgesetz - BRHG). Er ist keinen Weisungen des Gesetzgebers oder der Bundesregierung unterworfen; weder 72 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 46, Rn. 1. 73 Harich in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 46, Rn. 8. 74 Wendtland in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 46, Rn. 19. 75 Schumacher in: Oestreicher/Decker, SGB II / SGB III, Stand Oktober 2018, SGB II § 46, Rn. 69. 76 Wendtland in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 46, Rn. 19; Schumacher in: Oestreicher/Decker, SGB II / SGB III, Stand Oktober 2018, SGB II § 46, Rn. 69. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 21 Exekutive noch Legislative können auf die Prüfungstätigkeit durch Weisungen oder verbindliche Prüfungsaufträge einwirken.77 Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes besitzen von Verfassung wegen richterliche Unabhängigkeit, Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Gemäß § 1 Satz 2 BRHG unterstützt der Bundesrechnungshof jedoch im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben den Deutschen Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen. In diesem Zusammenhang berücksichtigt er soweit wie möglich bei seiner Arbeitsplanung auch Prüfungsbitten, insbesondere aus den parlamentarischen Gremien, auch wenn er aufgrund seiner gesetzlichen Unabhängigkeit hierzu nicht verpflichtet ist.78 Der Bundesrechnungshof entscheidet folglich selbst über die von ihm durchzuführenden Prüfvorhaben . Auf der Webseite des Bundesrechnungshofs heißt es dazu: „Über die Prüfungsvorhaben wird bei der jährlichen Arbeitsplanung entschieden. Auch dabei ist der Bundesrechnungshof frei. Er kann Prüfungsschwerpunkte bestimmen und Prüfungen auf Stichproben beschränken. Hauptziel bei der Arbeitsplanung ist es, einen aussagefähigen Überblick über die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu gewinnen und so genannte prüfungsfreie Räume nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei der Auswahl seiner Prüfungsschwerpunkte nutzt der Bundesrechnungshof sämtliche Informationen , die ihm bei seiner Prüfungstätigkeit, aber auch durch die Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern oder durch die Berichterstattung in öffentlichen Medien zugänglich sind. Er stützt sich zudem auf eine systematische Analyse von Prüfungsfeldern, die insbesondere bewertet, ob bestimmte Bereiche des Verwaltungshandelns finanziell besonders bedeutend oder fehleranfällig sind. Prüfungswünsche des Parlaments und seiner Ausschüsse werden so weit wie möglich berücksichtigt.“79 Prüfungsmaßstäbe des Bundesrechnungshofes sind die „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“, vgl. Art. 114 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit umfasst die Feststellung, ob die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze eingehalten sind.80 Gemäß § 89 Abs. 1 Nr. 1 BHO prüft der Bundesrechnungshof unter anderem die Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben. Die Prüfung erstreckt sich nach § 90 BHO auf die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze. 77 Erb in: Bundesrechnungshofgesetz, 1. Auflage 2012, § 1, Rn. 2. 78 Erb in: Bundesrechnungshofgesetz, 1. Auflage 2012, § 1, Rn. 3. 79 Bundesrechnungshof, https://www.bundesrechnungshof.de/de/ueber-uns/organisation/pruefungsverfahren/derbundesrechnungshof -entscheidet-ueber-die-pruefung (abgerufen am 14. März 2019). 80 von Lewinski/Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 88, Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 22 Da es dem Bundesrechnungshof nicht möglich ist, tatsächlich die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu überprüfen, kann er nach § 89 Abs. 2 BHO nach seinem Ermessen die Prüfung beschränken und Rechnungen ungeprüft lassen.81 § 94 Abs. 1 BHO gibt dem Bundesrechnungshof das Recht, Zeit und Art der Prüfung selbst zu bestimmen und erforderliche örtliche Erhebungen durch Beauftragte vornehmen zu lassen. Zudem sind die geprüften Stellen dem Bundesrechnungshof gegenüber auskunftspflichtig. Ihm sind Unterlagen , die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, vorzulegen und erbetene Auskünfte zu erteilen, § 95 BHO. Das (vorläufige) Prüfungsergebnis teilt der Bundesrechnungshof zunächst den zuständigen Dienststellen mit, die Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Soweit er es aus besonderen Gründen für erforderlich hält, kann er es auch anderen Dienststellen und dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mitteilen, § 96 Abs. 1 BHO. Zuständige Stellen sind die von den Prüfungsergebnissen unmittelbar betroffenen Stellen, also die geprüfte Stelle sowie in der Regel die vorgesetzte Stelle oder eine Dienststelle, die für Vorbereitung und Erlass von Rechtsvorschriften oder für Aufsichtsmaßnahmen zuständig ist.82 Das (abschließende) Ergebnis seiner Prüfung fasst der Bundesrechnungshof jährlich in Bemerkungen zusammen (Jahresprüfungsbericht)83, die er dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zuleitet, § 97 Abs. 1 BHO. Der Bundesrechnungshof hat jedoch keine Exekutivgewalt, sondern muss nach eigener Darstellung „durch seine Argumente überzeugen“.84 4.2.2. Zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6b SGB II (sog. Optionskommunen) Wie unter 4.1.2 ausgeführt, nehmen die Optionskommunen die Aufgaben anstelle der Bundesagentur für Arbeit wahr. Gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II trägt jedoch der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, also die Aufgaben, für die originär die kommunalen Träger zuständig sind. 81 Kai von Lewinski/Daniela Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 89, Rn. 5. 82 Kai von Lewinski/Daniela Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 96, Rn. 5. 83 Kai von Lewinski/Daniela Burbat, Bundeshaushaltsordnung, 1. Auflage 2013, § 97, Rn. 2. 84 Bundesrechnungshof, https://www.bundesrechnungshof.de/de/ueber-uns/organisation/pruefungsverfahren/derbundesrechnungshof -hat-keine-exekutivgewalt, (abgerufen am 14. März 2019). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 23 4.2.2.1. Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs Entsprechend der Finanzierungsverantwortung des Bundes für solche Aufgaben, die die Optionskommunen anstelle der Bundesagentur für Arbeit wahrnimmt, normiert § 6b Abs. 3 SGB II die Berechtigung des Bundesrechnungshofs, die Leistungsgewährung zu prüfen.85 Das Prüfungsrecht bezieht sich auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung, das heißt die Prüfung der Einnahmen- und Ausgabenverwaltung der Bundesmittel. Es ist begrenzt auf die Mittelverwendung , die Aufsicht über die Optionskommunen ist - wie unter 4.1.2 ausgeführt - Sache der Länder.86 Die Frage der Anrechenbarkeit des Bayerischen Familiengeldes als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II bezieht sich auf die Rechtmäßigt der Leistungserbringung, also der Verwendung von Bundesmitteln, und fiele somit grundsätzlich in die Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes . Da die Optionskommunen in die Stellung der Bundesagentur für Arbeit als Körperschaft des unmittelbaren Rechts einrücken, ist es nach Ansicht der Literatur „naheliegend, die konkreten Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofs aus § 111 BHO i.V.m. §§ 89 [bis] 100, 102, 103 BHO abzuleiten “ und diese Vorschriften auf die Prüfung analog anzuwenden.87 Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter 4.2.1.2 verwiesen. 4.2.2.2. Finanzkontrolle des BMAS Das BMAS ist zur Finanzkontrolle bei den Optionskommunen berechtigt und verpflichtet, soweit der Bund die Finanzierungsverantwortung für die Aufgabenwahrnehmung trägt, § 6b Abs. 4 SGB II88. Im Rahmen dieser Finanzkontrolle prüft das BMAS, ob Einnahmen und Ausgaben in den Jobcentern der Optionskommunen begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen, § 6b Abs. 4 Satz 2 SGB II. Die gesetzlichen Prüfbe- 85 Zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift: Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 6b, Rn. 11; Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 6; Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 35. 86 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 6. 87 Altmann in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Onlinekommentar Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 6; so auch Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 6b, Rn. 12 m.w.N. 88 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 4 SGB II, siehe Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, SGB II § 6b, Rn. 20 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 24 fugnisse des Bundes sollen gewährleisten, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, soweit die Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers auf einem gesetzmäßigen Mitteleinsatz beruhen .89 Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit von Einnahmen und Ausgaben umfasst sowohl die Beachtung der Vorschriften, die der Leistung von Ausgaben, der Erhebung von Einnahmen sowie dem Eingehen von Verpflichtungen zugrunde liegen als auch die fehlerfreie Errechnung, Belegung und Buchung der Einnahmen und Ausgaben sowie die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze.90 Maßgebend ist die „Gesetzmäßigkeit der Aufgaben“, mithin die Rechtskontrolle.91 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterscheiden sich die Befugnisse des Bundes im Rahmen der Finanzkontrolle von denen des Bundesrechnungshofes und „beschränken sich auf die Gewährleistung der fiskalischen Interessen des Bundes“.92 Nach § 6b Abs. 5 SGB II93 schließlich kann das BMAS von der Optionskommune die Erstattung von Mitteln verlangen, die sie zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Dabei ist strittig , ob ein solcher Erstattungsanspruch bei jeder rechtswidrigen Leistungsgewährung durch die Optionskommunen eingreift. Nach teilweiser Ansicht greift § 6b Abs. 5 SGB II lediglich, wenn eine Optionskommune versehentlich, beispielsweise aufgrund von Fehl- oder Doppelbuchungen, Finanzmittel vom Bund erhält, die ihr nicht zustehen und die sie auch nicht im Außenverhältnis an Leistungsberechtigte weiterleitet. Nach anderer Auffassung kann auch jede vom Bund als rechtswidrig eingestufte Leistungsgewährung an SGB II-Leistungsbezieher zurück gefordert werden . Dies vor allem auch deshalb, weil dem Bund „keine Aufsichtsrechte“ gegenüber den Optionskommunen zustünden, er folglich die Leistungsgewährung durch die Optionskommunen nicht direkt steuern könne. Dem wird entgegen gehalten, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung gerade nicht über finanzielle Sanktionen durch den Bund entschieden werden dürfe. Es dürfe nicht zu Lasten der Kommunen gehen, wenn sich zum Beispiel aufgrund von Gerichtsentscheidungen herausstelle, dass die Anwendung und Auslegung der Regelungen des SGB II und damit die Leistungsgewährung rechtswidrig gewesen sei.94 Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die dem Bund durch § 6b Abs. 4 SGB II eröffnete Finanzkontrolle über die Optionskommunen sich auch von der Rechts- und Fachaufsicht unterscheide. Die Vorschrift statuiere keine Aufsichtsbefugnisse des BMAS und diene auch nicht 89 Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 36. 90 Stachnow-Meyerhoff/Radüge in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 6b, Rn. 25; Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 37. 91 BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11, Rn. 181 (zit. nach juris); Luik in: Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL Dezember 2018, SGB II § 6b, Rn. 37. 92 BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11, Rn. 179 (zit. nach juris). 93 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 5 SGB II, siehe Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, SGB II § 6b, Rn. 20 ff 94 Siehe dazu ausführlich: Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, SGB II § 6b, Rn. 21 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 025/19 Seite 25 der Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs, sondern beschränke sich ausschließlich auf die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen. Die Befugnisse des Bundes aus § 6b Abs. 4 SGB II erlaubten es daher nicht, vertretbare Rechtsauffassungen der Optionskommunen zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten oder Erstattungsansprüche durchzusetzen; die Durchsetzung einer einheitlichen Rechtsanwendung sei vielmehr der Rechts- und Fachaufsicht vorbehalten.95 Zumindest eine Leistungsgewährung, die auf Grund einer vertretbaren Rechtsauffassung erfolgt, dürfte demnach rückforderungsresistent sein.96 *** 95 BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11, Rn. 182 (zit. nach juris). 96 Weißenberger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, SGB II § 6b, Rn. 23.