© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 024/21 Ausgewählte Fragen zum Homeoffice nach § 28b Abs. 7 IfSG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 2 Ausgewählte Fragen zum Homeoffice nach § 28b Abs. 7 IfSG Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 024/21 Abschluss der Arbeit: 14. Mai 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Homeoffice als Infektionsschutzmaßnahme 4 2.1. Corona-Arbeitsschutzverordnung 4 2.2. Neuregelung des § 28b Abs. 7 IfSG 4 2.3. Zwingende betriebsbedingte Gründe 5 2.3.1. Gesetzesmaterialien 5 2.3.2. Erläuterungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 5 2.3.3. Schrifttum 6 2.3.4. Rechtsprechung 8 3. Arbeitsschutz 8 3.1. Telearbeitsplatz 8 3.2. Gefährdungsbeurteilung 10 3.2.1. Regelung 10 3.2.2. Berücksichtigung psychischer Belastungen 11 3.2.3. Umsetzung 12 3.3. Unterweisungspflicht des Arbeitgebers und Eigenverantwortung des Arbeitnehmers 12 3.4. Arbeitszeitrecht 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 4 1. Einleitung In dem folgenden Gutachten soll im Hinblick auf die Arbeit im sogenannten Homeoffice im Sinne des § 28b Abs. 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)1 auf ausgewählte Fragestellungen eingegangen werden. 2. Homeoffice als Infektionsschutzmaßnahme 2.1. Corona-Arbeitsschutzverordnung § 2 Abs. 4 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-Arbeitsschutzverordnung - Corona- ArbSchV) vom 21. Januar 2021 a.F.2 sah vor, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten hat, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. 2.2. Neuregelung des § 28b Abs. 7 IfSG Durch Artikel 1 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 20213 wurde unter anderem die Regelung des § 28b Abs. 7 IfSG mit Wirkung vom 23. April 2021 in das Infektionsschutzgesetz eingefügt. Die Regelung des § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F. wurde mit Wirkung vom 23. April 20214 aufgehoben und in § 28b Abs. 7 IfSG verankert und ergänzt.5 § 28b Abs. 7 IfSG lautet wie folgt: „Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, 1 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 7. Mai 2021 (BGBl. I S. 850) geändert worden ist. 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21. Januar 2021 (BAnz AT 22.01.2021 V1) in der bis zum 22. April 2021 geltenden Fassung. 3 Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 (BGBl. I S. 802). 4 Dritte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21. April 2021 (BAnz AT 22.04.2021 V1). 5 Vgl. Düwell, Arbeitsschutzrecht und Corona-Notbremse: Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und Dritte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung , jurisPR-ArbR 17/2021 Anm. 1; Kothe, Corona-Pandemie: Infektionsschutzrechtliche Verpflichtung der Arbeitgeber zum Angebot von Schnelltests für Beschäftigte und Testpflicht für Beschäftigte rechtmäßig , jurisPR-ArbR 18/2021 Anm.9 zum Verhältnis von Infektionsschutzrecht und Arbeitsschutzrecht im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 28b Abs. 7 IfSG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 5 wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Die zuständigen Behörden für den Vollzug der Sätze 1 und 2 bestimmen die Länder nach § 54 Satz 1.“ Nach § 28b Abs. 10 Satz 1 IfSG gilt die Regelung des § 28b IfSG nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021. 2.3. Zwingende betriebsbedingte Gründe 2.3.1. Gesetzesmaterialien Zu der Frage, wann „zwingende betriebsbedingte Gründe“ im Sinne des § 28b Abs. 7 Satz 1 IfSG vorliegen, enthält das Gesetz selbst - ebenso wie die Corona-Arbeitsschutzverordnung a.F. - keine näheren Bestimmungen. Den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 28b Abs. 7 InfSG lässt sich dazu aber Folgendes entnehmen: „Die Regelung verpflichtet Arbeitgeber bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten, das Arbeiten im Homeoffice anzubieten. Nur wenn zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen , kann von einer Verlagerung dieser Tätigkeiten ins Homeoffice abgesehen werden. Betriebsbedingte Gründe können vorliegen, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten. Technische oder organisatorische Gründe, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können in der Regel nur vorübergehend angeführt werden. Die Regelung entspricht den bisherigen Inhalten der Arbeitsschutzverordnung zum Angebot auf Homeoffice“.6 2.3.2. Erläuterungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Da die Vorschrift des § 28b Abs. 7 Satz 1 IfSG die bis zu ihrer Aufhebung geltende Regelung des § 2 Abs. 4 der Corona-ArbSchV a.F. wortgleich aufnimmt und auch - wie gerade dargestellt - in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich ausgeführt wird, dass die Regelung insoweit den bisherigen Inhalten der Corona-Arbeitsschutzverordnung entspricht, kann auch auf die zur Verordnung erfolgten Erläuterungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf dessen Internetseite zur Corona-Arbeitsschutzverordnung (Antworten auf die häufigsten Fragen zu den 6 Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Drucksache 19/28444 - Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, zu dem Antrag […] der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/24453 - Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft, zu dem Antrag […] der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/25882 - Lockdown-Maßnahmen durch Gesetze, nicht durch Verordnungen und zu dem Antrag [… ] der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 19/27960 - Mehr Sicherheit und Lebensqualität mit Schnelltests und Selbsttests für alle, Bundestagsdrucksache 19/28732, S. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 6 Arbeitsschutzregelungen) zurückgegriffen werden7, die auch nach der Neuregelung in § 28b Abs. 7 IfSG auf der genannten Seite belassen und ergänzt wurden.8 Unter der Fragestellung „Welche betrieblichen Gründe können gegen die Ausführung von Arbeiten im Homeoffice sprechen?“ wird ausgeführt: „Viele Tätigkeiten in Produktion, Dienstleistung, Handel, Logistik etc. lassen eine Ausführung im Homeoffice nicht zu. Auch in anderen Bereichen können nachvollziehbare betriebstechnische Gründen vorliegen, die gegen eine Verlagerung ins Homeoffice sprechen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn die Betriebsabläufe sonst erheblich eingeschränkt würden oder gar nicht aufrechterhalten werden könnten. Beispiele können sein: mit einer Büro(-Tätigkeit) verbundene Nebentätigkeiten wie die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post, die Bearbeitung des Warenein- und Ausgangs, Schalterdienste bei weiterhin erforderlichen Kunden- und Mitarbeiterkontakten, Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben (z.B. IT-Service), Hausmeisterdienste und Notdienste zur Aufrechterhaltung des Betriebes, unter Umständen auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe im Betrieb. Technische oder organisatorische Gründe, wie z.B. die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten können i.d.R. nur vorübergehend bis zur Beseitigung des Verhinderungsgrunds angeführt werden. Ggf. können auch besondere Anforderungen des Betriebsdatenschutzes und des Schutzes von Betriebsgeheimnissen gegen die Ausführung von Tätigkeiten im Homeoffice sprechen.“9 2.3.3. Schrifttum Im Schrifttum wurde bisher im Wesentlichen im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F. - vielfach unter Zugrundelegung der Erläuterungen des BMAS - auf die Frage eingegangen, wann von „zwingenden betriebsbedingten Gründen“ auszugehen ist. 7 Dem Referentenentwurf zur Corona-Arbeitsschutzverordnung selbst sind im Hinblick auf den Begriff der „zwingenden betriebsbedingten Gründe“ keine weiteren Erläuterungen zu entnehmen, vgl. Referentenentwurf zur Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV), Bearbeitungsstand: 20. Januar 2021, 15.34 Uhr, abrufbar im Internetauftritt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze /Regierungsentwuerfe/reg-sars-cov-2-arbeitsschutzverordnung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 10. Mai 2021). So im Ergebnis auch Schwede, Joachim: SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verlängert und um Testpflicht ergänzt, ArbRAktuell 2021, S. 237 (238). 8 BMAS:, Corona-Arbeitsschutzverordnung, Antworten auf die häufigsten Fragen zu den Arbeitsschutzregelungen , abrufbar im Internetauftritt des BMAS: https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragenund -Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html#doc89168596-e024-487b-980f-e8d076006499bodyText4 (zuletzt abgerufen am 10. Mai 2021). 9 BMAS: Corona-Arbeitsschutzverordnung, Antworten auf die häufigsten Fragen zu den Arbeitsschutzregelungen, abrufbar im Internetauftritt des BMAS: https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und- Antworten-ASVO/faq-corona-asvo.html (zuletzt abgerufen am 10. Mai 2021). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 7 Zum Teil werden weitere Beispiele aufgeführt, wie etwa: „Organisatorisches Minimum, damit bestimmte Dienste und Arbeiten durch Präsenz vor Ort nicht an einigen wenigen ‚hängen bleiben ‘“, „Führung, soweit notwendig“, und „einschränkende technische Faktoren, wie z.B. Nichtumstellbarkeit von Telefonen oder veraltete IuK-Anlagen“.10 Zwingende betriebliche Gründe bestünden grundsätzlich auch immer dann, wenn der Betrieb oder die Produktion ansonsten nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden könnte und/oder mit erheblichen Umsatzeinbußen einherginge, so Kollmer.11 Nach dem Zweck der Verordnung dürften nach Herfs-Röttgen die Betriebsabläufe aber stets so anzupassen sein, dass wenigstens ein Teil der Tätigkeiten ins Homeoffice verlagert werden könne. Etwas anderes gelte, wenn damit unzumutbare administrative oder wirtschaftliche Belastungen verbundenen seien.12 Wie auch in der Gesetzesbegründung zu § 28b Abs. 7 IfSG ausgeführt, könnten technische oder organisatorische Gründe, wie zum Beispiel die Nichtverfügbarkeit benötigter IT-Ausstattung, notwendige Veränderung der Arbeitsorganisation oder unzureichende Qualifizierung der betroffenen Beschäftigten, in der Regel nur vorübergehend angeführt werden. Fuhlrott stellt - im Hinblick auf die Erläuterungen des BMAS zu § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F. - insoweit fest, dass die Unternehmen mithin notfalls investieren und notwendige Hardware wie Notebooks anschaffen und Fernzugriffsmöglichkeiten einrichten müssten. Dabei dürfte der Einwand finanzieller Überforderung hier aber einen erheblichen Hinderungsgrund darstellen, müsste aber auch dargelegt werden können.13 Teuscher führt aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit greife, wenn die Ermöglichung der Arbeitstätigkeit von zu Hause aus nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.14 Im Übrigen könnten technische oder organisatorische Gründe in der Regel nur vorübergehend bis zur Beseitigung des Verhinderungsgrunds angeführt werden, die Befristung der Corona-Arbeitsschutzverordnung a.F. erlaube aber im Sinne der Verhältnismäßigkeit nur die Forderung nach angemessenen Maßnahmen.15 In Bezug auf die Erläuterungen des BMAS im Hinblick auf besondere Anforderungen des Betriebsdatenschutzes , werden sich Streitigkeiten ergeben, so Fuhlrott, welches Datenschutzniveau 10 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 2 Corona-ArbSchV, Rn. 8. 11 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 2 Corona-ArbSchV, Rn. 8. 12 Herfs-Röttgen, Ebba: Die Corona-Arbeitsschutzverordnung und ihre Stolpersteine, NZA 2021, S. 388 (389). 13 Fuhlrott, Michael/Oltmanns, Sönke: Befristetes Recht auf Homeoffice: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und der Weg dahin, ArbRAktuell 2021, S. 64 (67); vgl. auch Henkel, Iris: Arbeitsschutzregel und Home- Office-Pflicht der 2. Arbeitsschutzverordnung in der SARS-CoV-2 Pandemie, öAT 2021, S. 67 (69). 14 Teuscher in: Schwab/Weber/Winkelmüller, BeckOK Arbeitsschutzrecht, 4. Edition, Stand: 1. Februar 2021, § 2 Corona-ArbSchV, Rn. 14. 15 Teuscher in: Schwab/Weber/Winkelmüller, BeckOK Arbeitsschutzrecht, 4. Edition, Stand: 1. Februar 2021, § 2 Corona-ArbSchV, Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 8 zu gewährleisten sei. Ortsfernes Arbeiten stelle per se ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar. Durch entsprechende innerbetriebliche Vorgaben dürfe indes das grundsätzliche Recht auf Homeoffice nicht beeinträchtigt werden und man werde insoweit von Unternehmen hier ein erhöhtes Darlegungsniveau verlangen dürfen.16 Fuhlrott vertritt ferner die Auffassung, dass sich aus dem Wort „zwingend“ ergebe, dass den Anforderungen ein sehr hohes Gewicht zukomme. Der Maßstab sei mithin ein sehr enger und dürfte noch weitergehen als derjenige des „dringenden betrieblichen Erfordernisses“ wie es etwa § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz formuliere.17 Sagan und Wittschen führen zum Vorliegen von „zwingenden betriebsbedingten Gründen“ nach § 28b Abs. 7 IfSG aus, dass es insoweit nicht genüge, dass die Tätigkeit im Betrieb im Hinblick auf den Gesundheitsschutz genauso sicher ist wie in der Wohnung des Arbeitnehmers.18 2.3.4. Rechtsprechung Zu der gesetzlichen Regelung des § 28b Abs. 7 IfSG liegen, ebenso wie zu der Regelung des § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-ArbSchV a.F., hinsichtlich des Begriffs der „zwingenden betriebsbedingten Gründe“ soweit ersichtlich noch keine gerichtlichen Entscheidungen vor. 3. Arbeitsschutz 3.1. Telearbeitsplatz § 28b Abs. 7 Satz 1 IfSG enthält keine Aussage darüber, was genau unter Arbeiten von zuhause zu verstehen ist, sodass fraglich erscheinen kann, ob die Verpflichtung zum Angebot an die Beschäftigten, ihre Arbeit von zuhause zu erbringen, mit der Verpflichtung verbunden ist, einen Telearbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) einzurichten. § 2 Abs. 7 ArbStättV definiert einen Telearbeitsplatz wie folgt: „Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist 16 Fuhlrott, Michael /Oltmanns, Sönke: Befristetes Recht auf Homeoffice: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und der Weg dahin, ArbRAktuell 2021, S. 64 (67); im Ergebnis so auch Herfs-Röttgen, Ebba: Die Corona- Arbeitsschutzverordnung und ihre Stolpersteine, NZA 2021, S. 388 (389). 17 Fuhlrott, Michael/Oltmanns, Sönke: Befristetes Recht auf Homeoffice: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und der Weg dahin, ArbRAktuell 2021, S. 64 (66). 18 Sagan, Adam/Witschen, Stefan: Homeoffice im Infektionsschutzgesetz: Der neue § 28b VII IfSG, NZA 2021, S. 593 (595). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 9 vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“ Hierfür enthält die Arbeitsstättenverordnung entsprechende Vorgaben. § 28b Abs. 7 Satz 1 IfSG enthält keine eigene Definition des Arbeitens in der eigenen Wohnung und vermeidet eine Festlegung der konkreten Art der Arbeit.19 Die Regelung ist insoweit identisch mit den bisherigen Inhalten des § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F., was auch in der Gesetzesbegründung hervorgehoben wird.20 In der Begründung zur Corona-Arbeitsschutzverordnung a.F., die für die dort geregelte Arbeit in der eigenen Wohnung den Begriff „Homeoffice“ verwendet, heißt es dazu: „Für die Umsetzung ist es erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung der Beschäftigten gegeben sind und dass zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine Vereinbarung bezüglich Homeoffice getroffen wurde, beispielsweise auf dem Wege einer arbeitsvertraglichen Regelung oder durch eine Betriebsvereinbarung. Die Ausgestaltung dieser Vereinbarungen ist den Vertragsparteien freigestellt, insbesondere besteht keine Vorgabe, einen Telearbeitsplatz gemäß § 2 Absatz 7 der Arbeitsstättenverordnung zu vereinbaren und einzurichten.“21 Aus Sicht des Gesetzgebers ist mithin ein Angebot an die Beschäftigten nach § 28b Abs. 7 Satz 1 IfSG, im sogenannten Homeoffice zu arbeiten, nicht mit der Pflicht zur Einrichtung eines Telearbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 7 ArbStättV verbunden. Dem entspricht auch Nr. 2.2. der vom BMAS als SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel22 ausgearbeiteten Empfehlungen zum Arbeitsschutz während der Corona-Pandemie, deren Einhaltung für den Arbeitgeber die Vermutung arbeitsschutzkonformen Verhaltens begründen kann.23 Nr. 2.2. Abs. 3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel definiert darin das sogenannte Homeoffice als Form der mobilen Arbeit und nennt für deren Verrichtung als Beispiel die Nutzung tragbarer IT-Systeme; nach Nr. 2.2. Abs. 2 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel kommen jedoch auch nichtelektronische 19 Zur Abgrenzung der im Hinblick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten des Arbeitens von zuhause gebräuchlichen Begriffe vgl. Bertram, Axel/Walk, Frank/Falder, Roland: Arbeiten im Home Office in Zeiten von Corona - Ein Leitfaden zu Home Office und mobilem Arbeiten, 2. Auflage 2021, Abschnitt I.2. 20 Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD und weiterer Antträge (Fn. 6) - Drucksache 19/28444 - Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Bundestagsdrucksache 19/28732 vom 20. April 2021, S. 20. 21 Referentenentwurf zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) (Fn. 7), S. 9. 22 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, GMBl 2020, S. 484-495 (Nr. 24/2020 vom 20. August 2020), zuletzt geändert: GMBl 2021 S. 622-628 (Nr. 27/2021 vom 7. Mai 2021). 23 Vgl. Sagan, Adam/Brockfeld, Marius: Arbeitsschutzstandard und Arbeitsschutzregel - Softlaw gegen die Corona- Pandemie, NZA-Beilage 2020, S. 17 (22). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 10 Arbeitsmittel in Betracht. Daraus kann gefolgert werden, dass es jedenfalls keines eingerichteten Telearbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 7 ArbStättV bedarf. Wörtlich heißt es unter Nr. 2.2. der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel: „(1) Mobiles Arbeiten ist eine Arbeitsform, die nicht in einer Arbeitsstätte gemäß § 2 Absatz 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) oder an einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz gemäß § 2 Absatz 7 ArbStättV im Privatbereich des Beschäftigten ausgeübt wird, sondern bei dem die Beschäftigten an beliebigen anderen Orten (zum Beispiel beim Kunden, in Verkehrsmitteln , in einer Wohnung) tätig werden. (2) Für die Verrichtung mobiler Arbeit werden elektronische oder nichtelektronische Arbeitsmittel eingesetzt. (3) Homeoffice ist eine Form des mobilen Arbeitens. Sie ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (zum Beispiel Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein. (4) Regelungen zur Telearbeit bleiben unberührt.“ 3.2. Gefährdungsbeurteilung 3.2.1. Regelung Nach fast einhelliger Auffassung im Schrifttum finden die Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes auch bei der mobilen Arbeit und der Arbeit im Homeoffice Anwendung.24 Das gilt auch für das pandemiebedingte Homeoffice.25 Grundsätzlich nicht anwendbar ist dagegen die Arbeitsstättenverordnung mit ihren besonderen Bestimmungen, weil in diesen Fällen kein fest eingerichteter Arbeitsplatz und damit keine Arbeitsstätte im Sinn des § 2 Abs. 1 oder Abs. 7 ArbStättV vorliegt .26 Mithin hat der Arbeitgeber auch für die Arbeit im Homeoffice gemäß § 28b Abs. 7 IfSG eine nach § 5 Abs. 1 ArbSchG vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung durchzuführen27 und nach 24 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, Überblick vor § 1 ArbSchG, Rn. 83; Krieger, Steffen/Rudnik, Tanja/Povedano Peramoto, Alberto: Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, S. 473 (479); Hidalgo, Martina: Arbeitsschutz im Home Office - ein Lösungsvorschlag, NZA 2019, S. 1449 (1450); Fuhlrott, Michael/Oltmanns, Sönke: Befristetes Recht auf Homeoffice: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und der Weg dahin, ArbRAktuell 2021, S. 64 (68 f.) jeweils mit weiteren Nachweisen. 25 Vgl. 4.2.4. Abs. 2 Satz 1 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. 26 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, Überblick vor § 1 ArbSchG, Rn. 83 mit weiteren Nachweisen und Verweis auf die Verordnungsbegründung. 27 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, Überblick vor § 1 ArbSchG, Rn. 83 weist insoweit auf einen konzeptionellen Widerspruch zur Verordnungsbegründung hin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 11 § 6 ArbSchG zu dokumentieren. Die Gefährdungsbeurteilung dient der Identifizierung potenzieller Gesundheitsrisiken bei der Arbeit, um diese durch gezielte Maßnahmen vermeiden zu können. Die Gefährdungen unterscheiden sich im Homeoffice in physischer und psychischer Hinsicht von der Gefährdungslage in der betrieblichen Arbeitsstätte. 3.2.2. Berücksichtigung psychischer Belastungen Nach aktuellem Forschungsstand geht die Arbeit von zuhause ohne konkrete betriebliche Vereinbarungen mit durchschnittlich höheren Anforderungen und einem größeren Risiko negativer Beanspruchungsfolgen einher.28 Dass entsprechende Vereinbarungen fehlen, ist aber gerade bei der pandemiebedingten Arbeit im Homeoffice nicht selten der Fall. Zu den möglichen psychischen Belastungen der Arbeit außerhalb der Betriebsstätte zählen neben der Verringerung des sozialen Austauschs mit Kolleginnen und Kollegen eine Entgrenzung von Arbeits- und Lebensort wie auch eine zeitliche Entgrenzung, was sich in langen Arbeitszeiten, Überstunden, verkürzten Ruhezeiten, Ausfall von Erholungspausen sowie einer Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit und in der Freizeit zeigen kann.29 Auch die psychischen Belastungen zählen nach § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG ausdrücklich zu den Gefährdungen, die in die Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen sind. Der Arbeitgeber muss sie bewerten und entscheiden, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Auf die mit der pandemiebedingen Arbeit im Homeoffice auftretenden besonderen psychischen Belastungen geht Nr. 3. Abs. 3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel ein, die Empfehlungen zur Gefährdungsbeurteilung im Zusammenhang mit pandemiebedingter Arbeit im Homeoffice enthält : „Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind die Gestaltung der Arbeitsaufgaben, der Arbeitszeit und die Integration der in Homeoffice befindlichen Beschäftigten in betriebliche Abläufe sowie die aufgrund der epidemischen Lage zusätzlich zu betrachtenden psychischen Belastungsfaktoren zu berücksichtigen […].“ 28 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr zum a) Antrag […] der Fraktion der FDP „Arbeitsrecht updaten - Moderner Rechtsrahmen für orts- und zeitflexibles Arbeiten“ - BT-Drucksache 19/23678, b) Antrag […] der Fraktion DIE LINKE. „Für ein Recht auf gute Arbeit im Homeoffice“ - BT-Drucksache 19/26298, c) Antrag […] der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Recht auf Homeoffice einführen - Mobiles Arbeiten erleichtern“ - BT-Drucksache 19/1307, Zusammenstellung der schriftlichen Stellungnahmen, Ausschussdrucksache 19(11)1075 vom 29. April 2021, S. 40 mit Nachweisen aus der arbeitswissenschaftlichen Forschung . 29 Vgl. BAuA, Schriftliche Stellungnahme, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28), S. 39 f. mit Nachweisen aus der Arbeitswissenschaft. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 12 3.2.3. Umsetzung § 5 Abs. 2 ArbSchG stellt klar, „dass bei Gleichartigkeit der Arbeitsbedingungen nicht jeder Arbeitsplatz eigens beurteilt werden muss. Vielmehr reicht eine typische Untersuchung für die Beurteilung eines solchen Arbeitsplatzes oder einer solchen Tätigkeit aus, um der gesetzlichen Pflicht für alle vergleichbaren Arbeitsplätze Genüge zu tun. Die Heranziehung von Standardbeurteilungen für typische Arbeitsbereiche ist dadurch möglich.“30 Die als gleichartig angesehenen Arbeitsplätze beziehungsweise Tätigkeiten müssen dabei nicht in allen Einzelheiten übereinstimmen .31 Für die Gefährdungsbeurteilung ist es im Prinzip erforderlich, dass der Arbeitgeber Zutritt zur Wohnung des Arbeitnehmers erhält. Wegen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 des Grundgesetzes steht dem Arbeitgeber allerdings kein Zutrittsrecht zur Wohnung des Arbeitnehmers zu, es sei denn, dieser erteilt hierzu seine Einwilligung. Daher wird die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung auch auf zuvor zum Beispiel auf der Grundlage eines Fragebogens konkret vom Arbeitnehmer erfragter Informationen zu örtlichen Gegebenheiten gründen kann, auf deren Richtigkeit er sich verlassen darf, solange sie nicht offensichtlich unrichtig oder widersprüchlich sind.32 Für die pandemiebedingte Arbeit im Homeoffice dürfte vor dem Hintergrund der zeitlichen Geltungsbegrenzung der Vorschrift (siehe oben 2.2, S. 5) insgesamt ein eher großzügiger Maßstab anzulegen sein, was deren Voraussetzungen betrifft.33 3.3. Unterweisungspflicht des Arbeitgebers und Eigenverantwortung des Arbeitnehmers Da der Arbeitgeber auf die außerbetrieblichen Gegebenheiten nur begrenzten Einfluss hat, steht beim Homeoffice die Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSchG im Zentrum arbeitsschutzbezogener Maßnahmen. Dabei gilt „die Faustformel, dass das weniger an Kontrolle und Einfluss auf die Arbeitsumgebung einem Mehr an Informationen entsprechen muss.“34 Unabhängig von der Gefährdungsbeurteilung dürfte eine abstrakte Unterweisung über typische Gefährdungen in 30 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 5 ArbSchG, Rn. 87. 31 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz ,4. Auflage 2021, § 5 ArbSchG, Rn. 88. 32 Krieger, Steffen/Rudnik, Tanja/Povedano Peramoto, Alberto: Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, S. 473 (479); Zweifel am Sinn einer solchermaßen auf Arbeitnehmeraussagen basierten Gefährdungsbeurteilung äußert Giesen, Richard, Schriftliche Stellungnahme, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28), S. 9. 33 Vgl. Kollmer zu § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV a.F. in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 2 Corona-ArbSchV, Rn. 9. 34 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, § 1 ArbSchG, Rn. 79c mit weiteren Nachweisen aus dem Schrifttum. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 13 Betracht zu ziehen sein.35 Dazu zählen auch die bei der Arbeit im Homeoffice typischen psychischen Belastungen. In der Praxis wird empfohlen, in diesem Rahmen die Beschäftigten auch auf die geltenden Arbeitszeitbestimmungen hinzuweisen und Aufzeichnungspflichten auf diese zu delegieren.36 Die Beschäftigten wiederum sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG „verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen.“ Damit kommt einerseits der Unterweisung durch den Arbeitgeber nach § 12 Abs. 1 ArbSchG eine maßgebliche Bedeutung zu, andererseits wird aber auch die Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten deutlich. Gerade eine im Rahmen pandemiebedingter Arbeitsschutzmaßnahmen häufig spontan und ohne Vorlaufzeit eintretende Homeoffice -Situation37 bei nicht selten fehlenden konkreten Vereinbarungen erfordert jedoch eine gesteigerte Eigenverantwortung für eine gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung der Arbeit im Homeoffice.38 3.4. Arbeitszeitrecht Bei der Arbeit im Homeoffice gewinnt die Frage der arbeitsbezogen Erreichbarkeit an Bedeutung. Festzustellen ist zunächst, dass im Homeoffice uneingeschränkt das Arbeitszeitgesetz mit Vorgaben zur werktäglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeit, Pausenzeiten, täglichen Mindestruhezeiten sowie zur Sonn- und Feiertagsruhe gilt,39 sodass sich grundsätzlich keine arbeitszeitrechtlichen Abweichungen zur Arbeit in der Betriebsstätte ergeben. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, für ihren Arbeitgeber in der Freizeit erreichbar zu sein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine entsprechende vertragliche und rechtlich zulässige 35 Hidalgo, Martina: Arbeitsschutz im Home Office - ein Lösungsvorschlag, NZA 2019, S. 1449 (1454); zur erforderlichen Unterweisung zum pandemiebedingten Homeoffice vgl. Nr. 4.2.4. Abs. 2 Satz 3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel . 36 Krieger, Steffen/Rudnik, Tanja/Povedano Peramoto, Alberto: Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, S. 473 (479 f.). 37 Vgl. zu Nachweisen aus der empirischen Forschung BAuA, Schriftliche Stellungnahme, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28), S. 40. 38 Vgl. zu praktischen Gestaltungsvorschlägen Mojtahedzadeh, Natascha/Rohwer, Elisabeth/Lengen, Julia/Harth, Volker/Mache, Stefanie: Gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung im Homeoffice im Kontext der COVID-19-Pandemie , Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2021, S. 69 ff., abrufbar im Internet über https://www.springermedizin.de/covid-19/gesundheitsfoerdernde-arbeitsgestaltung-im-homeoffice-im-kontext /18747332 (letzter Abruf am 12. Mai 2021). 39 Kollmer in: Kollmer/Klindt/Schucht, Arbeitsschutzgesetz, 4. Auflage 2021, Überblick vor § 1 ArbSchG, Rn. 84; vgl. auch BAuA, Schriftliche Stellungnahme, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28), S. 36; vgl. auch Nr. 4.2.4. Abs. 2 Satz 1 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 14 Vereinbarung besteht.“40 In der Praxis wird freilich von Verletzungen des Arbeitszeitrechts berichtet.41 Mit Blick auf die Verhinderung von Arbeitszeitrechtsverletzungen fordert die Fraktion DIE LINKE. in ihrem aktuellen Antrag42 zur gesetzlichen Regelung der Arbeit im Homeoffice, unter anderem ein ausdrückliches Recht auf Nichterreichbarkeit. Über den Antrag hat der Bundestag bisher nicht entschieden. Das BMAS erkennt dagegen ausgehend von der uneingeschränkten Geltung des Arbeitszeitrechts keinen diesbezüglichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.43 Der aktualisierte Referentenentwurf des BMAS zur mobilen Arbeit vom 14. Januar 202144, der allerdings nicht als Regierungsentwurf verabschiedet wurde, enthielt als Ergänzung der Gewerbeordnung eine Definition des Begriffs der mobilen Arbeit und eine Verpflichtung regelmäßig mobil arbeitender Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der gesamten täglichen Arbeitszeit, um die Einhaltung des Arbeitszeitrechts zu gewährleisten. Die Regelung eines Rechts auf Nichterreichbarkeit sah er nicht vor. Im Schrifttum wird vor dem Hintergrund der Anwendung des Arbeitszeitrechts auch auf die mobile Arbeit vorgeschlagen, es „ließe sich daran denken, das bislang noch weitgehend unregulierte Phänomen der Rufbereitschaft und damit auch zugleich der ,ständigen Erreichbarkeit‘ in der Weise gesetzlich einzuhegen, dass […] Höchstgrenzen für Rufbereitschaften festgelegt werden .“45 40 So bereits BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, Stand März 2017, S. 119, abrufbar im Internetauftritt des BMAS: https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/a883-weissbuch.html;jsessionid =D5B3652DB6959FF06FA86CB02A3CE789.delivery1-master (letzter Abruf: 12. Mai 2021); vgl. im Zusammenhang mit dem pandemiebedingten Homeoffice auch BMAS: Fragen und Antworten zur Verordnung, Nr. 2.10, abrufbar: https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen-und-Antworten/Fragen-und-Antworten-ASVO/faqcorona -asvo.html (letzter Abruf: 10. Mai 2021); ausführlich dazu Krause, Rüdiger: Arbeit anytime? Arbeitszeitrecht für die digitale Arbeitswelt, NZA-Beilage 2019, S. 86 (87 ff.). 41 Vgl. die Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28). 42 Antrag der Abgeordneten Jessica Tatti, Susanne Ferschl, Simone Barrientos, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Für ein Recht auf gute Arbeit im Homeoffice - Bundestagsdrucksache 19/26298 vom 28. Januar 2021. 43 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, Stand März 2017, S. 119. 44 Referentenentwurf des BMAS, Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit, abrufbar unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Referentenentwuerfe/ref-mobile-arbeit-gesetz.pdf (letzter Abruf am 12. Mai 2021). 45 Krause, Rüdiger: Arbeit anytime? Arbeitszeitrecht für die digitale Arbeitswelt, NZA-Beilage 2019, S. 86 (92). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 024/21 Seite 15 In der Praxis werden zur Vermeidung von Verstößen gegen das Arbeitszeitrecht vertragliche Absprachen oder betriebliche Regelungen zur Arbeitsorganisation unter Einschluss der Frage der Erreichbarkeit empfohlen.46 *** 46 Vgl. BAuA, Schriftliche Stellungnahme, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2021 um 15:30 Uhr (Fn. 28), S. 41 sowie bereits BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, Stand März 2017, S. 119; vgl. dazu auch Nr. 4.2.4. Abs. 2 Satz 2 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel.