© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 021/20 Einzelfragen zum Ausschluss der Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten im Beitrittsgebiet Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/20 Seite 2 Einzelfragen zum Ausschluss der Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten im Beitrittsgebiet Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 021/20 Abschluss der Arbeit: 24. März 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausschluss von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten 4 2. Frühere Ausnahme für vor 1992 berufene Beamte 4 3. Beendigung der Ausnahmeregelung 5 4. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/20 Seite 4 1. Ausschluss von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten Der Berechnung der Versorgung von Bundesbeamten liegen neben den letzten Dienstbezügen die ruhegehaltfähigen Dienstzeiten zugrunde. Ruhegehaltfähig ist in der Regel die Dienstzeit in einem Beamtenverhältnis. Im Zusammenhang mit der späteren Tätigkeit als Beamter können auch vor der Berufung in das Beamtenverhältnis zurückgelegte Beschäftigungszeiten als sogenannte Vordienstzeiten als ruhegehaltfähig anerkannt werden. Gemäß § 12b des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) gilt dies im Zusammenhang mit den für die Rentenüberleitung getroffenen Grundsatzentscheidungen nicht für Zeiten, die Bundesbeamte in der DDR zurückgelegt haben. Grundsätze und Maßgaben für die Rentenüberleitung sind mit den zwischen beiden deutschen Staaten geschlossenen Staatsverträgen vorgegeben worden, in denen vereinbart wurde, alle in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften und -ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen.1 Nach der Vorgabe des Artikels 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 wurde das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit dem Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 auf die neuen Länder übergeleitet. Für in der DDR erworbene Rentenanwartschaften und -ansprüche sind seitdem die Regelungen des für die gesetzliche Rentenversicherung einschlägigen SGB VI maßgeblich.2 2. Frühere Ausnahme für vor 1992 berufene Beamte Die in § 12b BeamtVG geregelte Außerachtlassung von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten ist mit dem Beamtenversorgungsänderungsgesetz 1993 vom 20. September 1994 geregelt worden und zum 1. Januar 1994 in Kraft getreten. Die Berücksichtigung von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten ist jedoch gemäß § 12b Abs. 2 BeamtVG vorgesehen, wenn aus der gesetzlichen Rentenversicherung kein Rentenanspruch besteht, weil sie weniger als fünf Jahre umfassen. Dadurch ist die Berücksichtigung dieser Zeiten für die Alterssicherung in jedem Fall gewährleistet . Ferner war vorgesehen, in der DDR zurückgelegte Vordienstzeiten für Beamte als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen, wenn sie bereits am 31. Dezember 1991 in einem in Westdeutschland begründeten Beamtenverhältnis gestanden haben. Für sie galt zunächst die Übergangsregelung des § 85 BeamtVG, nach der der bis dahin aus den ruhegehaltfähigen Dienstzeiten erreichte Ruhegehaltssatz zu wahren war.3 Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten gemäß § 85 BeamtVG findet 1 Diese sogenannte Systementscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. April 1999, 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 für verfassungsgemäß erklärt worden. 2 Hierzu näher: Ritter, Gerhard A. (2010): Die Rentenversicherung im Prozess der deutschen Wiedervereinigung. In: Eichenhofer-Rische-Schmähl (Hrsg.). Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI (Kapitel 3). Köln: Luchterhand. 3 Bundestagsdrucksache 12/5919, S. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/20 Seite 5 keine Anwendung, wenn die Beamtinnen oder Beamten erstmals im Beitrittsgebiet ernannt worden sind.4 Die für die nach dem Jahr 1991 in ein Beamtenverhältnis berufenen Personen geregelte Außerachtlassung von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt worden und steht im Einklang mit den in Art. 33 Abs. 5 GG geregelten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.5 3. Beendigung der Ausnahmeregelung Die Berücksichtigung der Vordienstzeiten ist mit dem Gesetz zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 15. März 2012 beendet worden. Der neu eingeführte § 85 Abs. 12 BeamtVG schreibt die Außerachtlassung von in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten nunmehr auch bei der Anwendung der Übergangsvorschriften zur Berechnung des Ruhegehaltssatzes für am 31. Dezember 1991 im Beamtenverhältnis stehende Personen vor.6 Diese Regelung ist am 22. März 2012 nach dem Tag der Gesetzesverkündung in Kraft getreten. Betroffen sind hiervon vor 1992 in Westdeutschland in ein Beamtenverhältnis berufene Personen , die bis zur Wende in der DDR mehr als fünf Jahre mit ehedem zu berücksichtigenden Vordienstzeiten zurückgelegt haben und die erst nach dem 21. März 2012 in den Ruhestand versetzt werden. Hierzu gehören Personen, die per Flucht, bewilligter Ausreise oder nach der Öffnung der Grenzen nach Westdeutschland übergesiedelt sind und dort noch vor 1992 Beamte geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung sind Ruhegehälter nach zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand geltenden Recht festzusetzen.7 Selbst wenn in der von der Beschäftigungsbehörde vor dem Inkrafttreten des § 85 Abs. 12 BeamtVG an die Beamten erteilten Zusammenstellung der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten die in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt worden sind, bleiben diese für die Berechnung des Ruhegeldes bei einer Versetzung in den Ruhestand nach dem 21. März 2012 somit außer Acht. Dieser regelmäßig bei der Berufung in das Beamtenverhältnis erteilte Verwaltungsakt erfolgt unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage. Dennoch dürften Betroffene über viele Jahre auf die höhere Absicherung für ihr Alter vertraut haben . 4 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz – RdSchr. d. BMI v. 5.2.2018 – D4-30301/5#6 – zu § 85, Ziff. 85.1.1.2, abrufbar im Internet unter http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet .de/bsvwvbund_02022018_D43030156.htm, zuletzt abgerufen am 18. März 2020. 5 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 2000, Az. 2 C 23/99 und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts , Az. 2 BvR 192/01. 6 Bundestagsdrucksache 12/5919, S. 34. 7 Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2011, Az. 2 C 22/10 und 26. November 2013, Az. 2 C 17/12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/20 Seite 6 Je nach Dauer der in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten sind Fälle möglich, in den die Gesamtversorgung aus dem Ruhegeld und der Altersrente aus der Rentenversicherung infolge der Neuregelung des § 85 Abs. 12 BeamtVG mehrere Hundert Euro geringer ausfällt. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Außerachtlassung der in der DDR zurückgelegten Vordienstzeiten auch für vor 1992 in Westdeutschland berufene Beamte ist nicht bekannt. 4. Fazit Letztlich bleibt es unbesehen gerichtlicher Entscheidungen auch eine politische Frage, ob der für die Rentenüberleitung getroffenen Grundsatzentscheidung, in der DDR zurückgelegte Vordienstzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen, ein höheres Gewicht beizumessen ist, als das in die Rechtslage bis zum 21. März 2012 gesetzte Vertrauen in eine höhere Altersversorgung durch die Berücksichtigung in der Beamtenversorgung. ***