© 2017 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 021/17 Künstlersozialabgabepflicht für Mitglieder des Europäischen Parlaments Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/17 Seite 2 Künstlersozialabgabepflicht für Mitglieder des Europäischen Parlaments Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 021/17 Abschluss der Arbeit: 27. März 2017 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis1 1. Die Künstlersozialabgabe im Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) 4 2. Abgabepflicht für Mitglieder des Europäischen Parlaments als sogenannte Eigenwerber 4 3. Geltungsbereich des KSVG 4 4. Mitglieder des Europäischen Parlaments als verwertende Unternehmer 5 5. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Ausübung des Mandats 5 6. Fazit 6 1 Diesem Sachstand liegt zum Teil der Info-Brief „Verpflichtung der Mitglieder des Deutschen Bundestages zur Zahlung der Künstlersozialabgabe“ zugrunde, der im Internet unter https://www.bundestag .de/blob/409994/e20483ecd04d868d11c7eae1543ace8f/wd-6-069-15-pdf-data.pdf abrufbar ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/17 Seite 4 1. Die Künstlersozialabgabe im Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) Das Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) regelt die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Die Künstlersozialversicherung wird von der Künstlersozialkasse bei der Unfallversicherung Bund und Bahn in Wilhelmshaven durchgeführt. Gemäß § 14 KSVG werden die Mittel für die Künstlersozialversicherung zur einen Hälfte durch Beiträge der Versicherten und zur anderen Hälfte durch einen Zuschuss des Bundes und die Künstlersozialabgabe aufgebracht. Bei der Künstlersozialabgabe handelt es sich um eine unter den Voraussetzungen der §§ 23 ff. KSVG von den Auftraggebern der selbständigen Künstler und Publizisten zu entrichtende Abgabe. Damit werden die Verwerter von Kunst und Publizistik an der Finanzierung der Künstlersozialversicherung beteiligt. Die Künstlersozialabgabe bemisst sich nach einem bestimmten Prozentsatz der Honorarzahlungen . Zurzeit sind 4,8 Prozent der an die selbständigen Künstler und Publizisten gezahlten Honorare als Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse zu entrichten.2 2. Abgabepflicht für Mitglieder des Europäischen Parlaments als sogenannte Eigenwerber Die abgabepflichtigen Unternehmen, die typischerweise künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen verwerten, sind in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG aufgeführt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG gehören auch Unternehmen, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für ihr eigenes Unternehmen betreiben, zum Kreis der Abgabepflichtigen, wenn sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen. Bei diesem Personenkreis handelt es sich um sogenannte Eigenwerber. Für Mitglieder des Europäischen Parlaments kommt die Verpflichtung zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe als sogenannte Eigenwerber gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG in Betracht. Hierfür müssten sie im Geltungsbereich des KSVG als verwertende Unternehmer im Rahmen der Ausübung des Mandats Künstler oder Publizisten mit Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit beauftragt haben. 3. Geltungsbereich des KSVG Die Vorschriften des deutschen Sozialrechts gelten gemäß § 30 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Dabei bleiben Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt. Das Territorialitätsprinzip wird durch den räumlichen Geltungsbereich des § 3 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergänzt. Danach löst eine unter § 24 KSVG fallende unternehmerische 2 Künstlersozialabgabe-Verordnung 2017 vom 9. August 2016, BGBl. I S. 1976. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/17 Seite 5 Tätigkeit in Deutschland die Abgabepflicht nach dem KSVG aus, soweit selbständige Künstler oder Publizisten beauftragt werden.3 Deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments üben ihre Abgeordnetentätigkeit unter anderem in ihrem Wahlkreis in Deutschland aus. Die Beauftragung selbständig tätiger Künstler oder Publizisten im Wahlkreis kann deshalb die Verpflichtung zur Zahlung der Künstlersozialabgabe zur Folge haben. Die beauftragten Künstler oder Publizisten müssen selbst nicht unter die Regelungen des KSVG fallen, zum Beispiel, weil sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und den Auftrag auch dort erledigen.4 4. Mitglieder des Europäischen Parlaments als verwertende Unternehmer Der Begriff des Unternehmers ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen. Unternehmer ist danach, wessen Tätigkeit einem der in § 24 KSVG genannten Zwecke dient, wobei es sich dabei nicht um den Hauptzweck seiner Tätigkeit handeln muss.5 Folglich kommen als Unternehmer neben natürlichen und juristischen Personen auch Behörden und andere Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, in Betracht; ihre Rechtsform ist dafür ohne Belang.6 Auch die Gemeinnützigkeit der Tätigkeit berührt die Unternehmereigenschaft nicht, solange künstlerische oder publizistische Leistungen für eigene Zwecke in Anspruch genommen oder verwertet werden .7 Einer unternehmerischen Tätigkeit im engeren Sinne, die der Einnahmenerzielung dient, bedarf es für die Abgabepflicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG nicht.8 Wegen des sehr weiten Unternehmerbegriffs können Mitglieder des Europäischen Parlaments daher ohne weiteres darunter gefasst werden. Insoweit ist die Ausübung des Abgeordnetenmandats als Unternehmung im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG anzusehen. Gleiches gilt für Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Mitglieder der Landesparlamente. 5. Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Ausübung des Mandats Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG setzt die Verpflichtung zur Künstlersozialabgabe neben der Unternehmereigenschaft des Betroffenen voraus, dass durch Werke oder Leistungen seltständiger 3 Finke, Hugo; Brachmann, Wolfgang; Nordhausen, Willy (2009). Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz , 4. Auflage, § 24 KSVG, Rn. 26 ff., München, C.H. Beck. 4 Vgl. auch Seewald, Otfried (2011), in: Kasseler Kommentar, 72. Ergänzungslieferung, § 3 SGB IV, Rn. 13 und Urteile des Bundessozialgerichts vom 20. Juli 1994, Az. 3/12 RK 63/92, und vom 18. September 2008, Az. B 3 KS 4/07 R. 5 Finke, Hugo; Brachmann, Wolfgang; Nordhausen, Willy (2009), Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz , 4. Auflage, § 24 KSVG, Rn. 18 f., München, C.H. Beck. 6 Mittelmann, Ursula (2013), in: Plagemann Rechtsanwälte, Münchener Anwaltsbuch Sozialrecht, 3. Auflage, § 9 Künstlersozialversicherung, Rn. 106; Finke, Hugo; Brachmann, Wolfgang; Nordhausen, Willy (2009), Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz, 4. Auflage, § 24 KSVG, Rn. 16, München, C.H. Beck. 7 Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Juni 2012, B 3 KS 2/11 R, Rn. 27. 8 Finke, Hugo; Brachmann, Wolfgang; Nordhausen, Willy (2009), Kommentar zum Künstlersozialversicherungsgesetz , 4. Auflage, § 24 KSVG, Rn. 188, München, C.H. Beck. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 021/17 Seite 6 Künstler oder Publizisten für das Unternehmen Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. Juni 2012 die Definition der Vorinstanz, wonach Werbung die „positive Darstellung eines Unternehmens in der Öffentlichkeit und seiner Leistungen zum Zwecke der Gewinnung von Kunden“ sei,9 nicht beanstandet.10 Zwar geht es Abgeordneten statt um die Gewinnung von „Kunden“ um die Gunst der Wähler – auch die darauf gerichtete Mandatsarbeit ist aber als Eigenwerbung zu verstehen und unterfällt aus diesem Grund dem § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG. Dies ist dann naheliegend, wenn Abgeordnete ihr Mandat bei der nächsten Wahl wiedererringen möchten und den Wahlberechtigten im Wahlkreis ihre Arbeit mit Blick auf die angestrebte Wiederwahl zu präsentieren suchen. Die Vermittlung der eigenen politischen Zielsetzungen und Arbeitsansätze dient aber auch der Ausübung des bereits erlangten Mandats. Insbesondere die Wahlkreisarbeit ist für die Ausübung des Mandats von tragender Bedeutung. In ihr findet die Bindung des gewählten Abgeordneten an seinen Wahlkreis, dessen Bevölkerung im Parlament zu repräsentieren seine Aufgabe ist, Ausdruck. Indem sich Abgeordnete künstlerischer und publizistischer Leistungen und Werke bedienen, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und sie über ihre parlamentarische Arbeit zu informieren , betreiben sie insoweit in Ausübung ihres Mandats Eigenwerbung. Damit haben auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments für die Inanspruchnahme und Verwertung künstlerischer oder publizistischer Werke und Leistungen grundsätzlich die Künstlersozialabgabe zu entrichten, soweit sie dem Geltungsbereich des KSVG zuzuordnen sind. 6. Fazit Mitglieder des Europäischen Parlaments, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten erteilen, sind grundsätzlich zur Zahlung der Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse in Höhe von zurzeit 4,8 Prozent der Honorare verpflichtet. Die Abgabeverpflichtung entfällt, wenn die Summe der Honorare innerhalb eines Kalenderjahres die Bagatellgrenze 450 Euro nicht übersteigt. Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten durch Mitglieder des Europäischen Parlaments liegen zum Beispiel vor, wenn freiberufliche Webdesigner die Internetseite der Abgeordneten erstellen oder pflegen, Texte redaktionell entworfen oder bearbeitet oder Fotos zur Veröffentlichung angefertigt werden. Zur Erhebung der Künstlersozialabgabe ist für jedes Kalenderjahr bis zum 31. März des darauffolgenden Jahres eine Meldung an die Künstlersozialkasse abzugeben. *** 9 Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, vom 15. Juli 2011, L1 KR 370/09. 10 Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Juni 2012, B 3 KS 2/11 R, Rn. 38ff.