© 2019 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 018/19 Pflichtverletzungen durch Beschäftigte im öffentlichen Dienst Disziplinarrechtliche beziehungsweise arbeitsrechtliche Konsequenzen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 2 Pflichtverletzungen durch Beschäftigte im öffentlichen Dienst Disziplinarrechtliche beziehungsweise arbeitsrechtliche Konsequenzen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 018/19 Abschluss der Arbeit: 20. Februar 2019 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Pflichtverletzungen durch Beamte 4 2.1. Dienstvergehen 4 2.2. Disziplinarverfahren 5 2.2.1. Disziplinarmaßnahmen 5 2.2.2. Verbot der Doppelbestrafung 6 3. Pflichtverletzungen durch Tarifbeschäftigte 6 3.1. Allgemeine Kündigungsregelungen des BGB 7 3.2. Kündigungsschutzgesetz 7 3.3. Verhaltensbedingte Kündigung 8 3.4. Außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 4 1. Einleitung An die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurde die Fragestellung herangetragen , inwieweit Pflichtverletzungen bei der Ausübung der übertragenen dienstlichen Aufgaben für Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu arbeits- beziehungsweise dienstrechtlichen Konsequenzen führen können. Zur Klärung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, welche Rechtsgrundlagen für den jeweils betroffenen Beschäftigten zur Anwendung gelangen. Die rechtliche Ausgestaltung der Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst ist nicht einheitlich geregelt. Vielmehr unterscheidet man die Dienstverhältnisse der Beamten von den privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Nach Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz (GG) ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse den Angehörigen des öffentliches Dienstes übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, somit den Beamten. Daneben werden die Aufgaben des öffentlichen Dienstes auch durch Tarifbeschäftigte wahrgenommen . Während sich die rechtliche Stellung der Beamten des Bundes maßgeblich aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (GG, Bundesbeamtengesetz (BBG), Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) und Bundeslaufbahnverordnung (BLV)) ergibt, wird das Arbeits- und Tarifrecht der privatrechtlich Beschäftigten vor allem durch die jeweiligen Tarifverträge geprägt und die Beschäftigungsverhältnisse durch privatrechtliche Arbeitsverträge gestaltet.1 2. Pflichtverletzungen durch Beamte Während die beamtenrechtlichen Pflichten in den Beamtengesetzen von Bund und Ländern festgelegt sind, regelt das Disziplinarrecht, welche dienstrechtlichen Konsequenzen Pflichtverletzungen nach sich ziehen können und welches Verfahren hierbei anzuwenden ist. Für die Beamten des Bundes gilt das Bundesdisziplinargesetz (BDG). 2.1. Dienstvergehen Ein Dienstvergehen liegt gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG vor, wenn der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Der Beamte muss objektiv eine oder mehrere der ihm obliegenden Pflichten durch Tun oder Unterlassen verletzt haben. Welche Pflichten dem Beamten obliegen , ergibt sich aus den §§ 2, 52 bis 76 BBG, den dazu ergangenen Rechts- und Verwaltungsverordnungen sowie den amtlichen und dienstlichen Weisungen.2 Der Beamte muss schuldhaft die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt haben. Schuldformen sind Vorsatz und Fahrlässigkeit. Vorsätzlich handelt der Beamte, wenn er bewusst und gewollt eine Dienstpflichtverletzung begeht. Fahrlässigkeit liegt vor bei einer Pflichtverletzung wegen mangelnder Aufmerksamkeit, Sorgfalt oder Überlegung. Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit liegt vor, wenn der Beamte wusste, dass er gegen eine Dienstvorschrift verstieß oder sein Verhalten mit sonstigen Pflichten nicht vereinbar war.3 1 Dieser Ausarbeitung liegen zum Teil frühere Beiträge der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur selben Thematik zugrunde. 2 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, 5. Auflage 2017, § 77 BBG, Rn. 13. 3 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz, Kommentar, 5. Auflage 2017, § 77 BBG, Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 5 2.2. Disziplinarverfahren Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, muss der Dienstvorgesetzte nach § 17 BDG unverzüglich ein Disziplinarverfahren einleiten und die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen veranlassen. Der Beamte ist über die Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß § 20 BDG zu unterrichten. Er muss darüber informiert werden, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird. Er ist gleichzeitig darauf hinzuweisen , dass es ihm freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands zu bedienen. Nach § 18 BDG kann der Beamte auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragen, um einen möglichen Verdacht eines Dienstvergehens zu entkräften. Sind die Ermittlungen abgeschlossen , muss der Dienstvorgesetzte nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Regelungen der §§ 32 ff. BDG entscheiden, ob das Disziplinarverfahren einzustellen oder eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist. 2.2.1. Disziplinarmaßnahmen Das Bundesdisziplinargesetz sieht für aktive Beamte fünf Disziplinarmaßnahmen vor, die je nach Schwere des Dienstvergehens nach pflichtgemäßem Ermessen ausgesprochen werden können: Dienstlicher Verweis (§ 6 BDG) Geldbuße (§ 7 BDG) Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG) Zurückstufung (§ 9 BDG) Entfernung aus dem Dienst (§ 10 BDG) Missbilligende Äußerungen nach § 6 Satz 2 BDG, wie zum Beispiel Zurechtweisungen, Ermahnungen , Rügen und dergleichen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden, sind hingegen keine Disziplinarmaßnahmen. Sie finden ihre rechtliche Grundlage in der Weisungs- und Aufsichtsbefugnis des Dienstherrn und können bei geringfügigen Pflichtverletzungen ausgesprochen werden.4 4 Wichmann in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 264. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 6 Für Beamte, die sich bereits im Ruhestand befinden, sind folgende Disziplinarmaßnahmen zulässig : Kürzung des Ruhegehalts (§ 11 BDG) und Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG). Die Disziplinarmaßnahmen des Verweises, der Geldbuße, der Kürzung der Dienstbezüge und der Kürzung des Ruhegehalts können die Dienstvorgesetzten selbst durch eine sogenannte Disziplinarverfügung gemäß § 33 BDG aussprechen. Sie ist ein Verwaltungsakt, der mit den Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln des Widerspruchs, der Anfechtungsklage angefochten werden kann. Die Zuständigkeit für dieses Verfahren liegt bei den Verwaltungsgerichten. Hält der Dienstherr eine Zurückstufung, eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts für angezeigt, darf er diese Maßnahmen nicht selbst aussprechen. Hierzu muss er vor dem zuständigen Verwaltungsgericht eine sogenannte Disziplinarklage gemäß § 34 BDG erheben. Eine Entfernung aus dem Dienst nach § 10 BDG erfolgt nur dann, wenn durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in den Beamten endgültig verloren ist. Das Disziplinarrecht räumt dem Dienstherrn auch die Möglichkeit ein, bei schwerwiegenden Verstößen gegen Dienstpflichten den betroffenen Beamten vorläufig des Dienstes zu entheben. Gegen diese Maßnahme der Behörde kann der Beamte Rechtsmittel nach dem Bundesdisziplinargesetz einlegen.. 2.2.2. Verbot der Doppelbestrafung Gemäß § 14 BDG darf wegen desselben Sachverhalts neben einer Strafe, Geldbuße oder einer Ordnungsmaßnahme bei aktiven Beamten kein Verweis und keine Geldbuße, sowie bei Ruhestandsbeamten keine Kürzung des Ruhegehalts verhängt werden. Es wird beim Verweis davon ausgegangen, dass der Zweck der disziplinarischen Reaktion bereits durch die strafrechtliche oder behördliche Ahndung erreicht ist. In dem verbleibenden mittleren bis schweren Bereich können die Disziplinarmaßnahmen Kürzung der Dienstbezüge und Zurückstufung, im Gegenzug bereits dann zusätzlich verhängt werden, wenn dies erforderlich ist, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. § 14 Abs. 1 BDG erstreckt das Doppelahndungsverbot auch auf den Fall, dass ein sachgleiches Strafverfahren eingestellt worden ist.5 3. Pflichtverletzungen durch Tarifbeschäftigte Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gelten die Bestimmungen des Arbeitsrechts. 5 Grigoleit in: Battis, Bundesbeamtengesetz Kommentar, 5. Auflage 2017, § 77 BBG, Rn.9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 7 Verletzt der Arbeitnehmer schuldhaft seine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis , kann dies zu weitreichenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Arbeitnehmer führen. So können schuldhafte Pflichtverletzungen den Arbeitgeber zur Abmahnung bis hin zur ordentlichen , gegebenenfalls sogar außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers berechtigen. Für die Beurteilung kommt es jeweils auf den Einzelfall an. Entscheidend ist unter anderem die Art und Schwere der Pflichtverletzung. Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) bedarf es für eine wirksame Kündigung stets eines besonderen Grundes. Diese Gründe sind im Kündigungsschutzgesetz abschließend normiert. 3.1. Allgemeine Kündigungsregelungen des BGB Die Kündigung von Dienstverträgen ist in den §§ 621 ff. BGB geregelt. Eine ordentliche Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist innerhalb der Fristen des § 622 BGB möglich. Hierfür bedarf es keines besonderen Kündigungsgrundes. Allerdings ist zu beachten, dass § 622 BGB häufig durch besondere Kündigungsschutzregeln verdrängt wird. § 622 BGB hat daher nur einen begrenzten Anwendungsbereich, wenn es um die Kündigung von Arbeitsverhältnissen geht.6 3.2. Kündigungsschutzgesetz Das Kündigungsschutzgesetz beschränkt die im Zivilrecht grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit von Verträgen mit einer längeren Laufzeit (sogenannte Dauerschuldverhältnisse) zugunsten des Arbeitnehmers bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auf sozial gerechtfertigte Kündigungen. § 1 Abs. 1 KSchG bestimmt den persönlichen, zeitlichen und gegenständlichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Besonderen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt ein Arbeitnehmer danach erst nach Ablauf der Wartezeit, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Der Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes wird zudem durch § 23 KSchG begrenzt, wonach für kleinere Betriebe und Verwaltungen die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen wird. Für sie gilt § 622 BGB. Nur für Betriebe und Verwaltungen mit mehr als zehn Arbeitnehmern gelten die speziellen Kündigungsschutzvorschriften. Die danach zulässigen Kündigungsgründe sind in § 1 Abs. 2 KSchG abschließend geregelt. Danach ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse , die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. 6 Langer in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 653. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 8 3.3. Verhaltensbedingte Kündigung Bei einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer kommt in der Regel eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Die verhaltensbedingte Kündigung ist „arbeitnehmerbezogen“. Das bedeutet, dass der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt.7 Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Dabei ist nicht von dem Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers auszugehen, sondern es gilt ein objektiver Maßstab. Nicht erforderlich ist dabei, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich gehandelt hat. Es genügt vielmehr Fahrlässigkeit.8 Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Arbeitnehmer, dem wegen eines nicht vertragsgerechten Verhaltens gekündigt werden soll, grundsätzlich zunächst abzumahnen, damit er sein Fehlverhalten korrigieren kann. Die Abmahnung hat Hinweis- und Warnfunktion. Sie soll dem Arbeitnehmer hinreichend deutlich aufzeigen, welches Verhalten vom Arbeitgeber als vertragswidrig gerügt wird und welche Konsequenzen im Wiederholungsfalle drohen.9 Auch im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Allein in der Vergangenheit liegende Pflichtverletzungen vermögen die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Allerdings können derartige Störungen die Prognose rechtfertigen, dass das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft nicht störungsfrei verlaufen wird. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Arbeitnehmer trotz einschlägiger Abmahnung seine Pflichtverletzungen wiederholt.10 Zur sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist neben der Feststellung einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung, der negativen Prognose und einer fehlenden zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts stets eine umfassende Interessenabwägung erforderlich.11 3.4. Außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB Das Recht zur außerordentlichen Kündigung in § 626 BGB gilt unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf 7 Langer in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 667. 8 Langer in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 668. 9 Langer in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 669. 10 Rolfs in: Beck Online Kommentar, 50. Edition, Stand: 1.Dezember 2018, KSchG § 1, Rn. 214. 11 Rolfs in: Beck Online Kommentar, 50. Edition, Stand: 1.Dezember 2018, KSchG § 1, Rn. 231. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 018/19 Seite 9 der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Mit der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis dann beendet werden, wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. So zum Beispiel bei Beschäftigten, die gemäß § 34 Abs. 2 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) ordentlich unkündbar sind.12 Voraussetzung ist in jedem Fall ein wichtiger Grund, der die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung beiderseitiger Interessen unzumutbar macht. Die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber setzt voraus, dass alle anderen möglichen und zumutbaren Mittel, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen oder zu beenden, ausgeschöpft sind (ultima ratio). Ohne vorherige Abmahnung ist eine außerordentliche Kündigung regelmäßig nach § 314 Abs. 2 BGB unwirksam. Einer Abmahnung bedarf es wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer – ausgeschlossen ist, das heißt wenn der Arbeitnehmer weiß oder wissen muss, dass der Arbeitgeber sein Verhalten in keinem Fall hinnehmen wird. Die außerordentliche Kündigung ist deshalb nur dann gerechtfertigt , wenn die Pflichtverletzungen und damit vom Arbeitgeber nicht hinnehmbare erhebliche Beeinträchtigungen seiner Interessen auch in Zukunft drohen.13 Die außerordentliche Kündigung kann nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt ausgesprochen werden, in dem der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. *** 12 Langer in: Wichmann/Langer, Öffentliches Dienstrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 656. 13 Loskamp u.a. in: Übersicht über das Arbeitsvertragsrecht/ Arbeitsschutzrecht, 12. Auflage 2018, Kapitel 2, Rn. 590.