© 2018 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000-013/18 Einzelfragen zu den Sozialkassenverfahren und den diese sichernden Gesetzen unter besonderer Berücksichtigung des Maler- und Lackiererhandwerks Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 2 Einzelfragen zu den Sozialkassenverfahren und den diese sichernden Gesetzen unter besonderer Berücksichtigung des Maler- und Lackiererhandwerks Aktenzeichen: WD 6 - 3000-013/18 Abschluss der Arbeit: 23. März 2018 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Sozialkassen im Baugewerbe 4 2. Sozialkasse für das Maler- und Lackierhandwerk 4 2.1. Urlaubskasse 4 2.2. Zusatzversorgungskasse 5 2.3. Finanzierung 6 2.4. Allgemeinverbindlichkeit 6 3. Die Gesetze zur Sicherung der Sozialkassenverfahren 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 4 1. Sozialkassen im Baugewerbe Informationen zu den Sozialkassen im Baugewerbe (SOKA-Bau) sowie anderen Branchen bietet eine frühere Arbeit dieses Fachbereichs: Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste (2012): Informationen zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, Sachstand WD 6 - 3000-013/182 vom 25. April 2012 (unveröffentlicht). Anlage Die Ausführungen zur SOKA-Bau beziehen sich auf den Tarifvertragsstand vom 18. Dezember 2009; die grundsätzlichen Ausführungen in dieser Arbeit beanspruchen jedoch auch für aktuellen Stand unverändert Geltung. 2. Sozialkasse für das Maler- und Lackierhandwerk Im Maler- und Lackiererhandwerk kommt es ebenso wie im Baugewerbe nicht selten zu witterungsbedingten Arbeitsausfällen und in der Folge überdurchschnittlich häufig zu Arbeitgeberwechseln . Deshalb unterhalten auch die Sozialpartner des Maler- und Lackiererhandwerks seit vielen Jahrzenten Tarifverträge über die gemeinsame Einrichtung einer Urlaubskasse (UK - seit 1971) sowie einer Zusatzversorgungskasse (ZVK - seit 1975), um die damit verbundenen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auszugleichen und die Attraktivität der Branche für qualifizierte Fachkräfte zu stärken.1 2.1. Urlaubskasse Die Urlaubskasse führt für jeden Arbeitnehmer ein arbeitgeberunabhängiges Urlaubskonto und erstattet den Arbeitgebern jeweils gezahlte Urlaubsvergütungen.2 Nach den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Nach § 4 BUrlG wird der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 lit. a bis c BUrlG für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt , wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder wenn er nach 1 Vgl. dazu im Internetauftritt des Landesinnungsverbands des Maler- und Lackiererhandwerks Baden-Württemberg : https://www.farbe-bw.de/uploads/media/PE_RR_001_Flyer_Verfahrensteilnahme_Vers._2.0_01042014.pdf (letzter Abruf: 19. März 2018); der Text des Sozialkassentarifvertrages im Maler- und Lackiererhandwerk lag dem Fachbereich nicht vor, sodass eine detaillierte Darstellung des Regelungsinhalts nicht möglich ist. 2 Vgl. dazu den Internetauftritt der Sozialkasse im Maler- und Lackiererhandwerk: https://www.malerkasse.de/ (letzter Abruf: 23. März 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 5 erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet . Scheidet er nach Erfüllung der Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres aus, steht ihm unabhängig vom konkreten Zeitpunkt seines Ausscheidens der volle Urlaubsanspruch einschließlich des Urlaubsentgelts nach § 11 BUrlG zu (§ 5 Abs. 3 BUrlG). Bei einem Wechsel des Arbeitgebers kann es dazu kommen, dass einer der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllen muss, obwohl das Arbeitsverhältnis nur während eines Teils des Kalenderjahres bestand. „Ist der Urlaub des Arbeitnehmers vom alten Arbeitgeber weder erteilt noch abgegolten worden, kann [der Arbeitnehmer] den vollen Urlaubsanspruch gegenüber dem neuen Arbeitgeber geltend machen, soweit er bei diesem die Wartezeit erfüllt.“3 „Letztlich ist dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, zwischen dem Abgeltungsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber und dem Urlaubsanspruch gegen den neuen Arbeitgeber zu wählen.“4 Hat der Arbeitnehmer dagegen bei einem Arbeitgeber bereits den vollen Jahresurlaub erhalten, kann er nach § 6 Abs. 1 BUrlG zur Vermeidung von Doppelansprüchen diesen bei einem neuen Arbeitgeber zwar nicht erneut nehmen; der alte Arbeitgeber erhält aber für den gewährten Erholungsurlaub keinen Ersatz. Andererseits erwirbt ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kurz vor Ende der ersten Hälfte des Kalenderjahres aufnimmt, nach Ablauf der Wartezeit vor dem Ende des Kalenderjahres den vollen Urlaubsanspruch, soweit er bei seinem alten Arbeitgeber im ersten Halbjahr keinen Urlaub genommen hat. In diesem Fall hat der zweite Arbeitgeber den Nachteil. Für den Arbeitnehmer sichert das bei der UK geführte Ansparkonto erworbene Urlaubsansprüche , sodass auch bei mehrfachem Arbeitgeberwechsel im Kalenderjahr ohne Erreichen der jeweiligen Wartezeit ein zusammenhängender Erholungsurlaub möglich wird. Je nach den Umständen des Einzelfalls wirken sich die Schutzbestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes bei Arbeitgeberwechseln für den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer nachteilig aus. Diese negativen Wirkungen gleicht die Urlaubskasse aus. Sie sichert so erforderliche Flexibilität und mindert Risiken. Die Leistungen der UK umfassen daneben Urlaubsabgeltungen für nicht gewährten Erholungsurlaub sowie Ausgleichsbeträge für Fehlzeiten bei Krankheit, Mutterschutz, Wehrübungen, schlechter Witterung und Weiterbildung. 2.2. Zusatzversorgungskasse Die gemeinsame Zusatzversorgungskasse im Maler- und Lackiererhandwerk stellt eine betriebliche Altersversorgung dar, die als zweite Säule die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung 3 Loskamp, Maria Britta et. al.: Arbeitsvertragsrecht, in: BMAS (Hrsg.): Übersicht über das Arbeitsrecht/Arbeitsschutzrecht , 11. Aufl. Nürnberg 2017: Bildung und Wissen, Kapitel 2, Rn. 257. 4 Düwell, Franz Josef in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 6 BUrlG, Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 6 ergänzt und damit die Altersversorgung der Arbeitnehmer der Branche nach Erreichen der Altersgrenze verbessert. 2.3. Finanzierung Die Finanzierung der Sozialkasse im Maler- und Lackiererhandwerk erfolgt über tarifvertraglich festgelegte pauschale Durchschnittsbeiträge der über die Innung erfassten Arbeitgeber. 2.4. Allgemeinverbindlichkeit Die Sozialkassentarifverträge sind stets nach § 5 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Einvernehmen mit dem aus Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften bestehenden Tarifausschuss für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Allgemeinverbindlicherklärung sichert den Schutz aller Arbeitnehmer der Branche und leistet einen Beitrag für faire Wettbewerbsbedingungen am Markt. 3. Die Gesetze zur Sicherung der Sozialkassenverfahren Am 21. September 2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit zwei Beschlüssen die 2008, 2010 und 2014 vom BMAS ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe aufgrund formeller und materieller Fehler für unwirksam erklärt.5 Mit Beschluss vom 25. Januar 2017 stellte das BAG die Unwirksamkeit auch der 2012 ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärung fest.6 Das Gesetz zur Sicherung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SokaSiG) vom 16. Mai 2017 sowie das Gesetz zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren (Zweites Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz - SokaSiG2) vom 1. September 2017 dienen der Sicherung des Fortbestandes der Sozialkassenverfahren, die auf die Einbeziehung tarifungebundener Arbeitgeber angelegt sind und nach allgemeiner Geltung streben.7 Hierzu werden die bislang für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, die dem Sozialkassenverfahren zugrunde liegen, beginnend mit dem 1. Januar 2006, kraft Gesetzes mittels statischer Verweisung für alle Arbeitgeber verbindlich angeordnet. Die Gesetze schaffen damit für die von Ihnen erfassten Zeiträume eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Sozialkassenverfahren . 5 BAG, Beschluss vom 21. September 2016 - Az.: 10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15. 6 BAG, Beschluss vom 25. Januar 2017 - Az.: 10 ABR 43/15. 7 Dabei betrifft das SokaSiG allein das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, das SokaSiG2 alle anderen tarifvertraglichen Sozialkassen, darunter die Sozialkasse im Maler- und Lackiererhandwerk (§§ 1-3 SokaSiG2). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000-013/18 Seite 7 SokaSiG und SokaSiG2 sichern aber lediglich den Fortbestand der Allgemeinverbindlichkeit der einbezogenen tarifvertraglichen Rechtsnormen, indem sie ihnen für den jeweiligen Geltungszeitraum der Tarifverträge Gesetzeskraft verleihen; sie enthalten jedoch keinerlei materiell-rechtliche Änderungen gegenüber den Tarifnormen. Die im SokaSiG angeordnete Rückwirkung ist vom Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen für verfassungsrechtlich zulässig erachtet worden;8 dies wird soweit ersichtlich auch im Schrifttum nicht in Frage gestellt.9 Für das SokaSiG2 dürfte die Sach- und Rechtslage diesbezüglich nicht anders zu beurteilen sein. Dementsprechend hat das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 17. Januar 2017 einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der 2012 ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Maler- und Lackiererhandwerk mit Blick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene SokaSiG2 mangels Rechtsschutzinteresses abgelehnt .10 *** 8 LAG Hessen, Urteil vom 25. Mai 2017 - Az.: 6 Ca 962/15 - und Urteil vom 19. Juni 2017 - Az.: 10 Ta 524/16. 9 Vgl. z.B. Thüsing, Gregor: SOKA-Bau, das BAG und das SOKA-SiG, NZA-Beilage 2017, 3; Engels, Andreas: Die Sozialkassen im Baugewerbe und das Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz auf dem Prüfstand, NZA 2017, 680; Ulber, Daniel: Das Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar!, NZA 2017, 1104; Walser, Manfred: Grundrechtskonformität der Sozialkassenverfahren, NZA 2016, 1510; Berndt, Joachim: SOKA-Bau - Geld zurück? Zur Verfassungsmäßigkeit des Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetzes (SokaSiG), DStR 2017, 1166. 10 LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Januar 2017 - Az.: 15 BVL 5011/16.