© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 012/16 Referenden und andere Formen direkter Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 012/16 Seite 2 Referenden und andere Formen direkter Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 012/16 Abschluss der Arbeit: 20. Januar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 012/16 Seite 3 1. Begrifflichkeiten In der Anfrage wird der Begriff des „Referendums“ in einem weiten Sinne als Oberbegriff für verschiedene Instrumente der direkten Demokratie im slowakischen Recht verwendet, wobei zwischen obligatorischen und konsultativen Referenden unterschieden wird. „Referendum“ wird mitunter in der deutschen staatsrechtlichen Literatur auch auf die Entscheidung des Volkes über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz begrenzt (Gesetzes- oder Verfassungsreferendum).1 In Deutschland werden darüber hinaus weitere Begriffe – teilweise auch in unterschiedlicher Bedeutung – für verschiedene Formen des Plebiszits verwendet; gängige Definitionen sind die folgenden: Die „Volksgesetzgebung“ ist die Beteiligung von Bürgern in Form von Volksbegehren und Volksentscheid .2 Unter „Volksbegehren“ wird eine von einer vorgeschriebenen Anzahl von Stimmberechtigten ausgehende Initiative aus dem Volk verstanden werden, die auf eine Entscheidung durch das Volk in einer bestimmten Sachfrage im Wege der „Volksabstimmung“ gerichtet ist.3 Das Ergebnis der Volksabstimmung wird Volksentscheid genannt. Es ist rechtlich bindend. Hiervon wird zum Teil die „Volksbefragung“ – ausgehend von staatlicher Seite oder vom Volk – als offizielle Befragung des Volkes zu einer bestimmten Angelegenheit, aber rechtlich unverbindliches Instrument mit politischer Tragweite abgegrenzt.4 2. Was ist die Rechtsgrundlage für die Durchführung von Referenden in der Bundesrepublik Deutschland? (Antwort auf Frage 1) Zur Rechtslage auf Bundesebene wird wie folgt Stellung genommen: Die Staatsgewalt in der Bundesrepublik wird in Form der repräsentativen Demokratie ausgeübt. Zwar lässt Art. 20 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG)5 neben Wahlen auch „Abstimmungen“ als Form der Ausübung von Staatsgewalt zu. Darunter sind jedoch nach der Grundkonzeption des Grundgesetzes keine Volksentscheide zu verstehen.6 Aus Art. 76 ff. GG folgt, dass an der Gesetzgebung auf Bundesebene ausschließlich die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat beteiligt sind.7 Die Einführung rechtlich bindender Instrumente der Volksgesetzgebung könnten danach im Bund nur durch Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG eingeführt werden. 1 Maurer, Staatsrecht I, 6. Auf., 2010, § 7 Rn. 38. 2 Grzeszick in: Maunz/Dürig, Beck-Online, 75. Ergänzungslieferung September 2015, Art. 20 Abschnitt II Rn. 111 (Stand: 57. Lieferung Januar 2010). 3 Maurer, Staatsrecht I, 6. Auf., 2010, § 7 Rn. 38. 4 Maurer, Staatsrecht I, 6. Auf., 2010, § 7 Rn. 38. 5 Abzurufen in Deutsch und Englisch unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/ (Stand: 21.01.2016). 6 Hölscheidt/Menzenbach, Referenden in Deutschland und Europa, DÖV 2009, S. 777, 778. 7 Huster/Rux in: BeckOK-GG, Art. 20 Rn. 82 (Stand: 01.03.2015); Hölscheidt/Menzenbach, Referenden in Deutschland und Europa, DÖV 2009, S. 777, 778. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 012/16 Seite 4 Erwähnenswert erscheinen darüber hinaus die Sonderregelungen des Art. 29 GG.8 Diese bislang praktisch unbedeutenden Regelungen normieren das Verfahren einer Neugliederung des Bundesgebiets und die auf einen partiellen Neugliederungsraum im Bundesgebiet bezogenen Entscheidungsmechanismen ; hier ist die Rede von „Volksentscheid“ bzw. das „Volksbegehren“ und die „Volksbefragung“ (in der Bedeutung eines nachträglichen Referendums im oben beschriebenen Sinne) als plebiszitäre Beteiligungsformen, jedoch als partielle Mitwirkung der jeweils von der Gebietsänderung betroffenen Bevölkerung. Es handelt sich also nicht um Abstimmungen des gesamten Staatsvolkes. Die Beantwortung von Frage 2 bis 4 entfällt somit. Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass in allen 16 Bundesländern in den Verfassungen und ggf. auf einfachgesetzlicher Ebene konkretisiert Instrumente der direkten Demokratie in unterschiedlicher Weise verankert sind. So ist zum Beispiel die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden in der Verfassung von Berlin (BerlVerf) in Art. 62 und 63 festgelegt. Ende der Bearbeitung 8 Daneben gibt es noch Art. 118, 118a GG als Sonderbestimmungen zur Länderneugliederung, wobei Art. 118 GG lediglich verfassungshistorische Bedeutung hat. Auch im Hinblick auf den Erlass einer neuen Verfassung ist in Art. 146 GG die Rede von einer Verfassung, „die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Ob dies zwingend im Wege einer Volksabstimmung zu erfolgen hat, ist in der staatsrechtlichen Literatur umstritten.