© 2020 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 011/20 Aufsichtsrechtliche Sanierungsmaßnahmen bei versicherungsförmigen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersversorgung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 2 Aufsichtsrechtliche Sanierungsmaßnahmen bei versicherungsförmigen Durchführungswegen in der betrieblichen Altersversorgung Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 011/20 Abschluss der Arbeit: 18. Februar 2020 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Versicherungsförmige Durchführungswege 4 1.1. Pensionsfonds 4 1.2. Pensionskassen 4 1.3. Direktversicherung 5 2. Entgeltumwandlung 5 3. Aufsichtsrechtliche Sanierungsmaßnahmen 5 4. Wirkung aufsichtsrechtlicher Sanierungsmaßnahmen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber 6 5. Sicherung der nicht regulierten Pensionskassen und Direktversicherungen über die Protektor AG 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 4 1. Versicherungsförmige Durchführungswege Arbeitgebern stehen für die finanzielle Absicherung ihrer Mitarbeiter bei Wegfall des Erwerbseinkommens nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG) verschiedene Durchführungswege zur Verfügung. Bei den externen, versicherungsförmigen Durchführungswegen - Pensionsfonds, Pensionskasse und Direktversicherung - wird eine unabhängige dritte Institution als Versorgungsträger tätig. Der Arbeitgeber zahlt zwar die zugesagten Beiträge an den Versorgungsträger, aber für die Versorgungsleistung an sich haftet der Arbeitgeber nicht vorrangig. Vielmehr erwirbt der Arbeitnehmer direkt einen Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistungen gegenüber dem Versorgungsträger, der mit den Beiträgen selbständig wirtschaftet. Allerdings hat der Arbeitgeber außer bei der zum 1. Januar 2018 eingeführten, an tarifvertragliche Vereinbarungen gebundenen reinen Beitragszusage für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auch dann einzustehen, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Er haftet somit grundsätzlich subsidiär für die zugesagte betriebliche Altersversorgung. Für die versicherungsförmigen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung sind neben dem BetrAVG die sonst für Lebensversicherungsunternehmen einschlägigen Regelungen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) und des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG) maßgebend.1 1.1. Pensionsfonds Bei den Pensionsfonds handelt es sich gemäß § 1b Abs. 3 BetrAVG um rechtsfähige Versorgungseinrichtungen , die dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Leistungen mit versicherungsähnlichen Charakter gewähren. Nach den näheren Bestimmungen der §§ 236 ff. VAG erbringt ein Pensionsfonds in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder des Pensionsfondsvereins auf Gegenseitigkeit im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für einen oder mehrere Arbeitgeber zugunsten der Arbeitnehmer. Pensionsfonds unterliegen nicht den strengen Restriktionen herkömmlicher Lebens- und Rentenversicherungen. Sie dürfen ihr Vermögen auch am Aktienmarkt anlegen, um dessen Renditechancen besser nutzen zu können . Das daraus resultierende höhere Risiko der Vermögensanlage wird insbesondere bei einer Beitragszusage mit Mindestleistung vom Arbeitgeber mitgetragen. Bleibt das Deckungskapital und damit die Versorgungsleistung unter der Summe der Beiträge, die als Mindestleistung zugesagt worden ist, hat der Arbeitgeber dafür einzustehen. 1.2. Pensionskassen Auch Pensionskassen sind als rechtlich selbständige Versorgungseinrichtungen in § 1b Abs. 3 BetrAVG aufgeführt. Dabei handelt es sich nach Maßgabe der §§ 232 ff. VAG um rechtlich selbständige Lebensversicherungsunternehmen, die von einem oder mehreren Unternehmen getragen 1 Erdmann/Kaulbach, Grundzüge des Versicherungsaufsichtsrechts, 2. Auflage, S. 62-63. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 5 werden und den Arbeitnehmern einen Rechtsanspruch auf die zugesagten versicherungsförmigen Leistungen gewähren. Die Arbeitnehmer werden selbst Versicherungsnehmer bei der Pensionskasse . Die Arbeitgeber haben durch Beitragszahlungen sicherzustellen, dass die zugesagten Versorgungsleistungen erbracht werden können. 1.3. Direktversicherung Bei dem in § 1b Abs. 2 BetrAVG definierten Durchführungsweg der Direktversicherung schließt der Arbeitgeber per Einzel- oder Gruppenvertrag eine Lebensversicherung bei einem Versicherungsunternehmen für seine Arbeitnehmer ab. Versicherungsnehmer und Beitragszahler ist somit der Arbeitgeber, der seine Arbeitnehmer im Versicherungsvertrag als Begünstigte einsetzt. Die Direktversicherung eignet sich wegen des geringen Verwaltungsaufwands auf der Arbeitgeberseite besonders für kleinere Unternehmen und Betriebe. Kapitalanlage und -verwaltung sowie die spätere Auszahlung der Versorgungsleistungen werden von der Versicherungsgesellschaft vollumfänglich übernommen. 2. Entgeltumwandlung Arbeitnehmer haben gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 1a BetrAVG einen gesetzlichen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung in Form der Entgeltumwandlung, wenn sie bereit sind, dafür auf Teile ihres Gehalts zu verzichten. Bieten Arbeitgeber keine anderweitige betriebliche Altersversorgung an, können die Arbeitnehmer zur Entgeltumwandlung den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Die Entgeltumwandlung wird durch Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt . Als umzuwandelndes Entgelt kommen aktuell jährliche Beträge zwischen 238,88 Euro und 3.312,00 Euro in Betracht.2 Der Arbeitnehmer kann vorbehaltlich der getroffenen Vereinbarung jährlich neu entscheiden, ob und in welcher Höhe er den Entgeltumwandlungsanspruch nutzt. Allerdings kann das Wahlrecht des Arbeitnehmers aufgrund der Tarifdispositivität des § 1a i.V.m. § 17 Abs. 3 BetrAVG aufgrund eines Tarifvertrags begrenzt sein. 3. Aufsichtsrechtliche Sanierungsmaßnahmen Kann ein der Aufsicht unterliegendes Unternehmen seine Verpflichtungen dauerhaft nicht mehr erfüllen, steht es im Ermessen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Aufsichtsbehörde zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens unter anderem gemäß § 314 Abs. 1 VAG ein zeitweiliges Zahlungsverbot oder gemäß § 314 Abs. 2 VAG für Lebensversicherungsunternehmen eine dauerhafte Herabsetzung von Leistungen an Versicherte anzuordnen. Die Sanierungsmaßnahmen entsprechen den europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2009/138/EG (Solvency II) Art. 269.3 2 Mindestens ein Hundertsechzigstel der Bezugsgröße gemäß § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und höchstens vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß der Anlage 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). 3 Prölls/Dreher, VAG, 13. Auflage, § 314 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 6 Pensionsfonds unterliegen der Aufsicht gemäß § 1 Nr. 5 VAG. Versicherungsgeschäfte betreibende Pensionskassen und mit der Durchführung einer Direktversicherung beauftragte Lebensversicherungsunternehmen unterliegen der Aufsicht gemäß § 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Nr. 33 VAG. Ein zeitweiliges Zahlungsverbot oder eine dauerhafte Herabsetzung von Leistungen an Versicherte kann insoweit auch Verträge betreffen, die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung über einen versicherungsförmigen Durchführungsweg abgeschlossen wurden.4 Für die Höhe der aus einer betrieblichen Altersversorgung zugesagten Leistung gelten im Falle einer drohenden Insolvenz von bestimmten Pensionskassen und Lebensversicherungsunternehme darüber hinaus die besonderen gesetzlichen Regelungen über den gesetzlichen Sicherungsfonds (vgl. Ziff. 5.). 4. Wirkung aufsichtsrechtlicher Sanierungsmaßnahmen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber Bei der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung über einen versicherungsförmigen Durchführungsweg überlagern sich versicherungs- und arbeitsrechtliche Beziehungen. So besteht das Versicherungsverhältnis zwischen Versorgungsträger und dem Arbeitgeber, der andererseits eine Versorgungszusage gegenüber dem Arbeitnehmer abgegeben hat. Dem Arbeitnehmer wird im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ein Rechtsanspruch auf die zugesagte Leistung eingeräumt, die durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers sicherzustellen ist. Kann der Versorgungsträger im Versorgungsfall die zugesagten Leistungen an den Begünstigten nicht erbringen, haftet der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG unmittelbar gegenüber dem Versorgungsberechtigten. Eine dauerhafte Herabsetzung von Leistungen an Versicherte aus einer Pensionskasse oder Direktversicherung berührt gemäß § 314 Abs. 2 S. 4 VAG nicht die Verpflichtung der Weiterzahlung der Versicherungsbeiträge in der bisherigen Höhe. Soweit Arbeitnehmer von Ihrem Recht auf Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht haben, können sie die Höhe des umzuwandelnden Entgelts im Rahmen ihres jährlich ausübbaren Wahlrechts auf den für das jeweilige Kalenderjahr maßgebenden Mindestbetrag verringern. Ob ein Zahlungsverbot oder eine Herabsetzung der Leistung gemäß § 314 VAG einen wichtigen Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen gemäß § 314 BGB darstellt, ist umstritten.5 Versicherungsnehmer können nach Maßgabe der §§ 165 und 168 VVG die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen beziehungsweise den Versicherungsvertrag kündigen. Dies gilt jedoch gemäß § 211 VVG i.V.m. § 233 VAG nicht für regulierte Pensionskassen beziehungsweise von diesen erfasste Versicherungsverträge. Hierbei handelt es sich um Versorgungseinrichtungen, deren Satzung vorsieht, dass Versicherungsansprüche gekürzt werden dürfen und die keine rechnungsmäßigen Abschlusskosten für die Vermittlung von Versicherungsverträgen gewähren. 4 Prölls/Dreher, VAG, 13. Auflage, vor § 311 Rn. 2. 5 Prölls/Martin, VVG, 30. Auflage, § 16 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/20 Seite 7 5. Sicherung der nicht regulierten Pensionskassen und Direktversicherungen über die Protektor AG Mit den Bestimmungen der §§ 221 ff. VAG werden Lebensversicherungsunternehmen verpflichtet , zum Schutz der Ansprüche der Versicherungsnehmer einem Sicherungsfonds zu unterhalten. Nicht regulierte Pensionskassen können dem Sicherungsfonds beitreten. Aufgaben und Befugnissen des Sicherungsfonds werden von der Protektor Lebensversicherungs-AG wahrgenommen. Soweit eine dem Sicherungsfonds angehörende nicht regulierte Pensionskasse oder ein Lebensversicherungsunternehmen nicht mehr im Stande ist, die Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen zu erfüllen, kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 222 Abs. 2 VAG die Übertragung des gesamten Versicherungsbestandes auf die Protektor AG anordnen. Dabei gehen die Versicherungsverträge unverändert auf den Sicherungsfonds über. Alle Rechte, die im Zusammenhang mit dem Versicherungsvertrag vereinbart wurden, sollen erhalten bleiben und durch den Sicherungsfonds erfüllt werden. In der Regel werden der volle Umfang der Leistungen und die bereits gewährten Gewinnbeteiligungen garantiert. Reichen die Mittel des Sicherungsfonds nicht aus, um die Fortführung der Verträge zu gewährleisten , setzt die Aufsichtsbehörde bei Lebensversicherungsunternehmen die Verpflichtungen aus den Verträgen gemäß § 222 Abs. 5 VAG um maximal fünf Prozent der vertraglich garantierten Leistungen herab. Die dauerhafte Herabsetzung von Leistungen einer Lebensversicherung auf Anordnung der Aufsichtsbehörde gemäß § 314 Abs. 2 VAG steht als Sanierungsmaßnahme insoweit neben dem Übergang auf den Sicherungsfonds.6 Dabei ist das Verhältnis der möglichen Sanierungsmaßnahmen aus § 314 Abs. 2 VAG zu der aus § 222 Abs. 2 und 5 VAG rechtlich nicht eindeutig.7 *** 6 Kaulbach/Bähr/Pohlmann, VAG, 6. Auflage, § 314 Rn. 7. 7 Beck-Online, VAG, 4. Online-Auflage, § 314 Rn. 4.