© 2017 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 011/17 Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Russland Motive, Vorteile und Problematiken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 2 Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Russland Motive, Vorteile und Problematiken Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 011/17 Abschluss der Arbeit: 27. Februar 2017 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Sozialversicherungsabkommen 4 2. Motive für ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Russland 4 3. Vorteile von Sozialversicherungsabkommen 4 4. Warum ist bis jetzt kein Abkommen geschlossen worden? 5 5. Rentenproblematik der Auswanderer aus der Russischen Föderation nach Deutschland 6 6. „Sonderfälle“ der Rentenempfänger Russlands 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 4 1. Sozialversicherungsabkommen Um die Rentenansprüche für Menschen, die in Ländern außerhalb der Europäischen Union arbeiten , abzusichern hat Deutschland mit bisher 23 Staaten Abkommen über die Soziale Sicherheit unterzeichnet. Darin wird vor allem die Übertragung von Rentenansprüchen, die aufgrund einer Beschäftigung im jeweils anderen Staat entstehen, gesichert und die doppelte Beitragszahlung vermieden. Zum der Rentengewährung werden so die Versicherungszeiten zusammengerechnet und der Rentenexport1 ermöglicht. Sozialversicherungsabkommen wurden zunächst mit Auswanderungsstaaten des Zweiten Weltkrieges und europäischen Nachbarstaaten geschlossen, später auch mit Anwerber- und Entwicklungsländern. Beweggründe für derartige Vereinbarungen sind auch wirtschaftliche Interessen, vor allem für die Abkommen mit Japan, Südkorea und China.2 Für die Europäische Union gilt seit 2004 die Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme zur sozialen Sicherheit. Bedingt schließt diese Verordnung auch Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein mit ein. Von der Regelung sind all diejenigen betroffen, die entweder in mehreren Mitgliedsstaaten beschäftigt sind bzw. waren oder die sich, zumindest zeitweise, in einem anderen als den für sie zuständigen Mitgliedsstaat aufhalten.3 2. Motive für ein Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Russland Das Vorhaben, mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein Sozialversicherungsabkommen abzuschließen , besteht von deutscher Seite bereits seit 1992. Aufgrund der Situation von Personen mit Beschäftigungszeiten in der früheren UdSSR, die nach der Wende in Osteuropa nach Deutschland zugewandert waren, aber auch derjenigen russischen Staatsbürger mit Beschäftigungszeiten in der damaligen DDR, stellte sich die Frage einer besseren sozialen Sicherung in Deutschland durch ein solches Abkommen mit Russland. Das Ziel ist es, diese Zeiten für die gesamte Altersversorgung berücksichtigen zu können. Prinzipiell geht mit den Abkommen über Soziale Sicherheit die Absicht einher, einen „rechtlichen Ausbau der Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten“ zu erreichen.4 3. Vorteile von Sozialversicherungsabkommen Der Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens bedeutet nicht, dass in jedem Fall eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen wäre. Ein mögliches Abkommen 1 Damit ist die Zahlung der im Ausland erworbenen Rentenansprüche in das Heimatland gemeint. 2 Vgl. Deutsche Rentenversicherung, Hrsg. (2016): Sozialversicherungsabkommen. Textausgabe. 16. Auflage, Berlin . 3 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Abrufbar unter: http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziales- Europa-und-Internationales/Europa/soziale-sicherung-in-europa.html, letzter Zugriff: 23. Februar 2017. 4 Vgl. http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziales-Europa-und-Internationales/International/sozialversicherungsabkommen .html, letzter Zugriff: 21. Februar 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 5 würde vorsehen, dass Versicherungszeiten für die erforderliche Mindestversicherungszeit eines Beschäftigten mitzählen, so dass die Voraussetzung für einen Rentenanspruch erfüllt wird. Zudem würde der so genannte Rentenexport ermöglicht werden: Die in Russland erarbeitete Rente könnte in Deutschland ausgezahlt werden, wie auch die in Deutschland erarbeitete Rente in Rußland.5 Des Weiteren bliebe im Rahmen der Austrahlung eine „vorübergehende Beschäftigung im Vertragsstaat im Rahmen einer Entsendung während der ersten zwei Jahre in der Heimat versicherungspflichtig und die Rente wird uneingeschränkt gezahlt.“6 Als Beispiel für diese verschiedenen Vorteile kann das Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland und Uruguay dienen. Das 2015 in Kraft getretene Abkommen lässt Beschäftigte und Rentner profitieren. Die Versicherungszeiten für einen Rentenanspruch können in beiden Ländern erworben werden und vereinfachen damit den Zugang zum Rentenerhalt. Die Beantragung der Rente in einem der Vertragsländer gilt ebenso im anderen Land. Auch die letztlichen Rentenzahlungen werden schrankenlos zwischen den Ländern übermittelt. Für Arbeitnehmer, die für eine bestimmte Zeit in Uruguay bzw. Deutschland leben, gelten in den ersten 24 Monaten die heimischen Rechtsvorschriften weiter, so das ein Wechsel des Rentensystems nicht mehr notwendig ist.7 4. Warum ist bis jetzt kein Abkommen geschlossen worden? Die Verhandlungen zu einem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation wurden erstmals 1992 aufgenommen. 1995 wurden die Gespräche von Seiten Russlands ausgesetzt, da dieses zunächst das Sozialversicherungsrecht mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) abklären wollte. 2005 wurden die Verhandlungen schließlich auf deutsche Initiative hin wieder aufgenommen; seitdem wurden weitere Verhandlungsrunden geführt, in denen Sachverständige beider Staaten miteinander ein mögliches Abkommen erörterten. Im Ergebnis konnte allerdings bisher erneut kein Verhandlungsende, und damit auch kein Abkommen, erreicht werden. Der Entwurf des Sozialversicherungsabkommen entspricht dem Standard, den Deutschland auch bei Verhandlungen mit anderen Staaten angestrebt hat. Die Bundesregierung beschreibt ihre Haltung als „bemüht […] soweit wie möglich auf die russischen Wünsche einzugehen.“8 5 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Drs. 18/7096. 6 Vgl. https://www.expat-news.com/29010/recht-steuern-im-ausland/sozialversicherungsabkommen-mit-moldawien -unterzeichnet/, letzter Zugriff: 20. Februar 2017. 7 Vgl. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/4_Presse/infos_der_pressestelle/02_medieninformationen /01_pressemitteilungen/2015/soz_abkommen_2015.html, letzter Zugriff: 20. Februar 2017. 8 Vgl. Antwort zu Frage 42 der Drs. 17/10352. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 6 5. Rentenproblematik der Auswanderer aus der Russischen Föderation nach Deutschland Im Ausland lebende russische Staatbürger können in Russland eine Rente beantragen und auch – nur – dort erhalten. Ein Anspruch auf Altersrente haben Frauen, die das 55. Lebensjahr und Männer , die das 60. Lebensjahr erreicht haben, wenn sie eine Wartefrist von fünf Versicherungsjahren erfüllen. Seit der am 17. Dezember 2014 erlassenen Regierungsverordnung Nr. 1386 sind Rentenüberweisungen in das Ausland nicht mehr möglich. Die Rente wird vom Russischen Rentenfonds nur in Rubel und nur auf ein russisches Konto der jeweiligen Person überwiesen. Damit entstehen strukturelle Schwierigkeiten, da der tatsächliche Erhalt des Geldes für die in Deutschland lebenden Rentner nur mittels Verwandten und Auslandsüberweisungen möglich ist. Die Beratungsstelle für Rentenberechtigte aus Russland spricht diesbezüglich von entstehenden finanziellen Nachteilen .9 Bis 2014 konnte ein im Ausland lebender Bürger seine Rente vom russischen Rentenfonds in seiner neuen Heimat beziehen, wenn er seine Existenz anhand einer so genannten Lebensbescheinigung nachweisen konnte. Gültig war dieses im Ausland erstellte Dokument nur, wenn die russische Übersetzung anhand einer Apostille beglaubigt war. Für in Deutschland lebende Bürger stellte dies keine Schwierigkeiten dar, da beide Staaten die Haager Konvention unterzeichnet haben und damit die allgemeine Anerkennung dieser beglaubigten Übersetzung einhergeht.10 6. „Sonderfälle“ der Rentenempfänger Russlands Jüdische Zuwanderer aus Russland wurden als so genannte Kontingentflüchtlinge nach dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG) in Deutschland aufgenommen und nicht als Vertriebene, so dass ihnen nach dem Fremdrentengesetz nicht verpflichtend Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung , für Zeiten die die Beschäftigten im Ausland verbracht haben, zustehen. Bei Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens könnten jüdische Zuwanderer davon profitieren. Durch die Zusammenrechnung deutsch-russischer Versicherungszeiten würden Rentenansprüche entstehen bzw. bereits bestehende Rentenzahlungen könnten sich möglicherweise erhöhen. Aussiedler nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) können ebenfalls als besondere Gruppe betrachtet werden. Das in Deutschland speziell für Aussiedler geltende Fremdrentengesetz findet auch auf Teile der russischen Bevölkerung Anwendung. „Bei anerkannten Aussiedlern und Spätaussiedlern [wird] die gesamte Erwerbstätigkeit (…) im Herkunftsland registriert und bewertet .“11 Sie erhalten, auf Grundlage ihrer in Russland absolvierten Arbeitszeiten, eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung. Oftmals beeinflusst diese Zeit hauptsächlich die Höhe der letztlichen Altersrente. Allerdings könnten sie ebenfalls eine russische Rente dafür beziehen. Entscheiden sie sich für letzteres wird die deutsche Rente um die entsprechende Höhe nach § 31 Fremdrentengesetz gemindert. Die Bürger haben das Recht, auf die russische Rente zu verzichten und dafür die volle Höhe der deutschen Rente zu erhalten. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass ein 9 Vgl. www.russische-rente.de, letzter Zugriff: 20. Februar 2017. 10 Vgl. http://www.pfrf.ru/files/id/press_center/pr/booklet/2014/zarubez.pdf, letzter Zugriff: 21. Februar 2017. 11 Vgl. http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb20-spaetaussiedler .pdf?__blob=publicationFile, letzter Zugriff: 21. Februar 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 011/17 Seite 7 Nachweis über den Verzicht der russischen Rente nur sehr schwer zu erhalten ist, so dass zeitweise nur die Hälfte der deutschen Rente als gesamter Lebensunterhalt gezahlt wird. Bei den jüngeren Aussiedlern steigt allerdings zunehmend die Bedeutung der in Deutschland absolvierten Arbeitszeit für die Rentenversorgung. Erschwerend kommt für diese Gruppe jedoch hinzu, dass sie oftmals eine schlechtere berufliche Qualifikation aufweisen und damit insgesamt weniger Rentenansprüche geltend machen können. Seit den 1990er Jahren werden die Rentenansprüche aus dem Fremdrentengesetz zunehmend abgesenkt . Außerdem gelten seit 1993 die Rentenansprüche nicht mehr für die mitgereisten Ehepartner der (Spät-) Aussiedler. Die den Ausführungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zugrundeliegende Studie kommt daher zu dem Ergebnis, dass „vor allem für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler daher von einer drohenden sehr ungünstigen Einkommenssituation im Alter gesprochen werden [muss].“12 *** 12 Vgl. Fn. 11.