© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000-010/21 Verfassungsrechtliche Aspekte einer Verlängerung der Sperrfrist nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 2 Gesetzgeberische Möglichkeit einer Verlängerung der Jahresfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB analog § 3 Abs. 3 TVG Aktenzeichen: WD 6 - 3000-010/21 Abschluss der Arbeit: 10. März 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Betriebsübergang 4 2.1. Aktuelle Regelung 4 2.2. Gesetzgeberische Entwicklung 5 2.3. Geltung bei Umwandlung 6 3. Tarifnachbindung 6 4. Übereinstimmung mit Unionsrecht 7 5. Verfassungsrechtliche Aspekte 7 5.1. Verfassungsrechtliche Prüfung bei unionsrechtlichen Vorgaben 8 5.2. Koalitionsfreiheit 8 5.3. Berufsausübungsfreiheit 9 5.3.1. Schutzbereich 9 5.3.2. Eingriff 9 5.3.3. Regelungsvorbehalt 10 5.3.4. Verhältnismäßigkeit 10 5.3.4.1. Legitimes Ziel, Geeignetheit, Erforderlichkeit 10 5.3.4.2. Angemessenheit 11 5.4. Eigentumsgarantie 13 6. Abschließende Bewertung 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 4 1. Einleitung Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser nach § 613a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt , so sieht § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB vor, dass sie Inhalt des übergegangenen Arbeitsverhältnisses werden und nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. Gegenstand dieses Sachstandes ist der verfassungsrechtliche Rahmen für eine Ausdehnung der in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegten Sperrfrist von einem Jahr mit dem Ziel einer Bindung bis zum Ablauf der Kollektivvereinbarung analog der in § 3 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) angeordneten Nachbindung. 2. Betriebsübergang 2.1. Aktuelle Regelung § 613a Abs. 1 BGB, der die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs für die Weitergeltung von Kollektivregelungen regelt, lautet wie folgt: „1Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. 2Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. 3Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. 4Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.“ Auf die übergegangen Arbeitsverhältnisse sind danach die Normen des im früheren Betrieb geltenden Tarifvertrags während der Sperrfrist weiter anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) werden dabei die Kollektivnormen in das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und dem Erwerber transformiert, behalten jedoch ihren kollektivrechtlichen Charakter: „Die Wirkungsweise der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis zwischen Betriebserwerber und Arbeitnehmer transformierten Normen entspricht regelmäßig derjenigen, die bei einem Austritt des Veräußerers aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband hinsichtlich des zur Zeit des Austritts geltenden Verbandstarifvertrages nach § 3 Abs. 3 TVG eintreten würde. Dabei entspricht das Ende der Sperrfrist nach § 613a Abs. 1 Satz 2 und 4 BGB dem Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 5 Ende des nachbindenden Tarifvertrages.“1 „Endet der Tarifvertrag […] bereits vor Ablauf der Jahresfrist, so endet seine zwingende Wirkung auch im Erwerberbetrieb.“2 Die individualrechtliche Transformation scheidet nur dann aus, wenn der Erwerber einen ablösenden Tarifvertrag zur Anwendung bringen kann.3 Diese kollektivvertragliche Ablösung setzt aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum voraus, dass sowohl der einzelne Arbeitnehmer als auch der neue Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 TVG oder kraft staatlicher Anordnung nach § 5 TVG an die Bestimmungen dieses Tarifvertrags gebunden sind.4 Der Erwerber wird durch die Transformation aber auch im Falle eines Firmentarifvertrages nicht selbst Vertragspartner dieses Tarifvertrages. Die Rechtsnachfolge ist vielmehr auf das Arbeitsverhältnis beschränkt.5 Etwas anderes gilt wegen der eindeutigen Regelung des § 324 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) insoweit auch nicht im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge bei gesellschaftlichen Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz.6 2.2. Gesetzgeberische Entwicklung § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB wurden durch das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) vom 13. August 1980 zur Umsetzung der EG-Betriebsübergangsrichtlinie 7 eingefügt. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie sieht vor: „Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum 1 BAG, Urteil vom 22. April 2009 4 AZR 100/08, 2. Leitsatz (zitiert nach juris); anderer Ansicht die Vertreter der sogenannten Sukzessionstheorie, wonach keine Transformation, sondern eine Nachfolge in der Tarifgebundenheit anzunehmen sei, vgl. Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht 6. Auflage 2021 mit Nachweisen . 2 BAG, Urteil vom 22. April 2009 4 AZR 100/08, Rn. 71 (zitiert nach juris). 3 Karthaus/Richter in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, § 613a BGB, Rn. 113. 4 BAG, Urteil vom 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 613a BGB, Rn. 123 f. 5 Karthaus/Richter in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, § 613a BGB, Rn. 117 mit Verweis auf BAG, Urteil vom 26. August 2009 – 4 AZR 280/08. 6 Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 613a BGB, Rn. 181. 7 Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen vom 14. Februar 1977 (ABl. L 61 S. 26); ersetzt durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen [Celex-Nr. 3 2001 L 0023]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 6 Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren. Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.“ Die Dauer der Sperrfrist orientiert sich mithin für den Zeitraum der Aufrechterhaltung der kollektivvertraglichen Arbeitsbedingungen an der von der Richtlinie vorgegebenen Mindestgrenze . „Bereits vor Geltung des § 613a Abs. 2 bis 4 bzw. vor Einführung des § 613a ging die überwiegende Meinung davon aus, dass der Betriebserwerber in bestehende Betriebsvereinbarungen eintrete, soweit der Betrieb seine Identität behalte […]. Ein Eintritt des Erwerbers in Firmentarifverträge wurde angenommen, wobei die Ansichten zum Teil von einer analogen Anwendung der §§ 419 BGB, 25 HGB, später § 613a Abs. 1 Satz 1 ausgingen oder eine offene Rechtsfortbildung in Betracht zogen […]. Verbandstarifverträge sollten lediglich dann normativ weitergelten, wenn auch nach dem Betriebsübergang Tarifbindung vorlag, also der Betriebserwerber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes war oder wurde. Andernfalls sollte der Tarifvertrag kraft Nachwirkung weitergelten. Die Theorien dazu stützten sich im Wesentlichen auf eine analoge Anwendung von § 3 Abs. TVG, § 4 Abs. 5 TVG oder eine Rechtsfortbildung zu § 613a BGB.“8 2.3. Geltung bei Umwandlung Gemäß § 324 UmwG ist § 613a Abs. 1 BGB auch in den Fällen einer gesellschaftsrechtlichen Umwandlung in Form der Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1-3 UmwG) anwendbar, da dabei ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Hiervon ausgenommen ist bereits nach dem Wortlaut des § 324 UmwG die lediglich formwechselnde Umwandlung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG), weil sich in diesem Fall die Identität des Rechtsträgers nicht ändert und der tatsächliche Betriebsinhaber gleich bleibt.9 3. Tarifnachbindung § 3 Abs. 3 TVG regelt die Dauer der Tarifgebundenheit der Tarifvertragsparteien beziehungsweise deren Verbandsmitglieder. Danach bleibt die Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass ein tarifgebundenes Unternehmen aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausscheidet oder in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung wechselt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geht dabei entsprechend dem Wortlaut 8 Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 6. Auflage 2021, § 613a BGB, Rn. 108 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum. 9 Steffan in: Ascheid/Preis/Schmidt Kündigungsrecht, 6. Auflage 2021, § 324 UmwG Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 7 der Bestimmung von einer zeitlich grundsätzlich unbegrenzten Tarifgebundenheit aus, sodass es bei einem Tarifvertrag mit unbestimmter Laufzeit theoretisch zu einer endlosen Dauer der Nachbindung kommen kann, wenn der Tarifvertrag nicht geändert oder gekündigt wird.10 Die Dauer der Tarifgebundenheit geht damit im Grundsatz über die in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete einjährige Sperrfrist weit hinaus. Ausgehend von dieser Rechtsprechung gibt es im Schrifttum allerdings Stimmen, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung äußern und eine zeitliche Begrenzung anmahnen. Dabei wird vereinzelt auch die analoge Anwendung der Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB vorgeschlagen.11. 4. Übereinstimmung mit Unionsrecht Die Nachbindungsregelung des § 3 Abs. 3 TVG entspricht in ihrem Wortlaut einer der in Art. 3 Abs. 3 EU-Betriebsübergangsrichtlinie vorgesehenen Alternativen für eine Weitergeltung kollektivvertraglicher Regelungen nach einem Betriebsübergang. Damit dürfte eine Orientierung der Sperrfrist nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB an § 3 Abs. 3 TVG auch mit den unionsrechtlichen Vorgabenübereinstimmen .12 5. Verfassungsrechtliche Aspekte Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage ist im Folgenden zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung zur Verlängerung der in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Sperrfrist auf eine Zeitdauer , die der Nachbindung an einen Tarifvertrag gemäß § 3 Abs. 3 TVG entspricht, rechtlich problemlos möglich wäre oder inwieweit einem solchen Unterfangen verfassungsrechtliche Grenzen gezogen sein könnten. 10 BAG, Urteil vom 1. Juli 2009 – 4 AZR 261/08; Willemsen/Mehrens, Ablösung tariflicher Bestimmungen nach einem Verbandsaustritt – Kein Ende in Sicht!, NZA 2010, S. 307-310 (308). 11 Vgl. Giesen in: Beck´scher Online Kommentar zum Arbeitsrecht, 58. Edition 2021, § 3 TVG Rn. 24, Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 3 TVG, Rn. 27. 12 Dies gilt unter Vorbehalt einer vertieften und detaillierten Prüfung, die den gegebenen Rahmen sprengen würde. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 8 5.1. Verfassungsrechtliche Prüfung bei unionsrechtlichen Vorgaben Fraglich ist zunächst, inwieweit eine verfassungsrechtliche Prüfung am Maßstab des Grundgesetzes in Betracht kommt, wenn die zu prüfende innerstaatliche Regelung in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben erfolgt. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer Entscheidung vom 6. November 2019 folgende Leitsätze formuliert: „1 a) Unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht prüft das Bundesverfassungsgericht primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, auch wenn das innerstaatliche Recht der Durchführung des Unionsrechts dient. b) Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes stützt sich auf die Annahme, dass das Unionsrecht dort, wo es den Mitgliedstaaten fachrechtliche Gestaltungsspielräume einräumt, regelmäßig nicht auf eine Einheitlichkeit des Grundrechtsschutzes zielt, sondern Grundrechtsvielfalt zulässt. “13 Eine Richtlinie ist nach Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) „für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Art. 3 Abs. 3 der EU-Betriebsübergangsrichtlinie sieht bei Betriebsübergang grundsätzlich die Weitergeltung kollektivrechtlicher Vereinbarungen bis zu deren Kündigung oder Ablauf vor, räumt aber den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung eine Verkürzung der Weitergeltungsfrist auf bis zu mindestens ein Jahr ein. Da mithin die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vollständig durch Unionsrecht determiniert wird, muss der Bundesgesetzgeber prüfen, ob durch eine Neufestlegung der Weitergeltungsfrist Grundrechte des Grundgesetzes (GG) verletzt werden könnten. 5.2. Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 Satz GG garantiert für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das Grundrecht schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur die individuelle Koalitionsfreiheit im Sinne einer Freiheit, eine Koalition zugründen, ihr beizutreten, in ihr zu verbleiben oder ihr fernzubleiben, sondern auch alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, der nach § 2 Abs. 1 TVG auch dem einzelnen Arbeitgeber möglich ist.14 Ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG durch eine Verlängerung der Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist jedoch nicht erkennbar, denn der Betriebserwerber wird durch die 13 BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 („Recht auf Vergessen I“), Leitsätze a ) und b). 14 Jarass in: Jarass/Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 9 GG Rn. 36 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 9 Sperrfrist in seiner Tarifvertragsfreiheit nicht beeinträchtigt. Es steht ihm frei, mit der zuständigen Gewerkschaft einen neuen Tarifvertrag abzuschließen. Soweit die transformierten Tarifvertragsnormen auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse anzuwenden sind, schränkt dies die Tarifvertragsfreiheit als solche nicht ein. Die Dauer der verpflichtenden Anwendung hat hierauf keinen Einfluss. 5.3. Berufsausübungsfreiheit 5.3.1. Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert für alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl die Berufswahl als auch die Berufsausübung. Von der Freiheit der Berufsausübung ist die gesamte berufliche Tätigkeit umfasst. Hierzu zählt unter anderem auch das Abschließen berufsbezogener Verträge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist „die Freiheit, den Inhalt der Vergütungsvereinbarungen mit Arbeitnehmern und Subunternehmern frei aushandeln zu können, […] ein wesentlicher Bestandteil der Berufsausübung, weil diese Vertragsbedingungen in besonderem Maße den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen bestimmen und damit für die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte, der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit kennzeichnend sind.“15 Es handelt sich um den gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG spezielleren Schutz.16 5.3.2. Eingriff Als Eingriffe in die Berufsfreiheit stellen sich alle verbindlichen Vorgaben für die Aufnahme und die Aus-übung einer beruflichen Tätigkeit dar.17 Dies gilt auch für die Regelung des § 613a Abs. 1 BGB. Danach kann der Erwerber eines Betriebs die Arbeitsverträge seiner Beschäftigten nicht frei vereinbaren, sondern muss während einer Sperrfrist die bisher in diesem Betrieb geltenden kollektivvertraglichen Normen auch nach einem Betriebsübergang weiter auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse anwenden. Die Verfassungsmäßigkeit der bisher geregelten Sperrfrist von einem Jahr wurde, soweit ersichtlich, nicht in Zweifel gezogen. Eine Verlängerung der Sperrfrist bewirkt jedoch eine Verlängerung der Dauer des Grundrechtseingriffs, die der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. 15 BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 1 BvL 4/00 - BVerfGE 116, 202, 226. 16 BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2013 – 1 BvR 1842, 1843/11. 17 Vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 12 Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 10 5.3.3. Regelungsvorbehalt Die Berufsausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Dieser ausdrückliche Regelungsvorbehalt gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht nur für die Berufsausübung, sondern für den gesamten Bereich der Berufsfreiheit, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung unterscheiden sich jedoch nach einer vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie nach der Schwere des Eingriffs und sind für objektive und subjektive Berufswahlbeschränkungen höher als für Berufsausübungsbeschränkungen. Zur Rechtfertigung der relativ geringen Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch Berufsausübungsbeschränkungen genügen danach „ausreichende Gründe des Allgemeinwohls“.18. 5.3.4. Verhältnismäßigkeit Ein Grundrechtseingriff ist jedoch verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn er verhältnismäßig ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist.19 5.3.4.1. Legitimes Ziel, Geeignetheit, Erforderlichkeit Mit der Einfügung des § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB sollen nach der Gesetzesbegründung die Ansprüche der Arbeitnehmer, die sich aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben, bei Betriebsübergang in ihrem Bestand geschützt werden.20 Der Gesetzgeber hat damit die Formulierung der Betriebsübergangsrichtlinie aufgegriffen.21 Die Regelung verfolgt mit dem beabsichtigten Arbeitnehmerschutz ein legitimes Ziel. Die Geeignetheit einer Sperrfrist für Veränderungen der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen zur Erreichung dieses Ziels steht außer Frage. Bedenken könnte es allerdings in Bezug auf die Erforderlichkeit einer Ausweitung der Sperrfrist geben. Insbesondere ist die verfassungsrechtlich unangefochtene einjährige Sperrfrist als milderes , die Berufsfreiheit des Betriebserwerbers weniger einschränkendes Mittel bereits geregelt. Freilich ist auch der dadurch vermittelte Sozialschutz für die betroffenen Arbeitnehmer zeitlich 18 Vgl. dazu Jarass in: Jarass/Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 12 Rn. 33 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 19 Vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 12 Rn. 40 ff. 20 Gesetzesentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang, Bundestagsdrucksache 8/3317 vom 6. November 1979, S. 1. 21 Zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 77/187/EWG bzw. Erwägungsgrund (6) der Richtlinie 2001/23/EG (siehe oben Fn. 7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 11 begrenzt. Nach Ablauf der Jahresfrist müssen die betroffenen Arbeitnehmer auch mit Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen rechnen. Ob die geltende Sperrfrist für einen effektiven Arbeitnehmerschutz ausreichend ist oder eine Erweiterung vorgenommen werden muss, ist eine Frage der Einschätzung des Gesetzgebers, dem insofern eine Prärogative zukommt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu wie folgt geäußert : „Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt - und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Gebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Auch bei der Prognose und Einschätzung gewisser der Allgemeinheit drohender Gefahren, zu deren Verhütung der Gesetzgeber glaubt tätig werden zu müssen, billigt ihm die Verfassung einen Beurteilungsspielraum zu [...].“22 Dabei reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass die Annahme des Gesetzgebers sich nicht als unvertretbar oder nachweislich unrichtig entkräften lässt.23 5.3.4.2. Angemessenheit Die Regelung muss jedoch auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne sein. „Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern […]. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.“24 Bei einer „Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe“ muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleiben. Eine Berufsausübungsregelung darf den Betroffenen nicht „übermäßig belasten“25. Für die Beurteilung der so beschriebenen verfassungsrechtlichen Angemessenheit einer Ausdehnung der Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG könnte der Frage Bedeutung zukommen, inwieweit die Regelungszusammenhänge der beiden Bestimmungen im Hinblick auf die rechtliche und faktische Situation der betroffenen Arbeitgeber sowie auf den jeweiligen Schutzzweck vergleichbar sind. 22 BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82, 1 BvR 1468/82, 1BvR 1623/82, Rn. 75, zitiert nach juris. 23 BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 1987 - 1 BvR 1086/82, 1 BvR 1468/82, 1BvR 1623/82, Rn. 77 ff., zitiert nach juris. 24 BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember1999 - 1 BvR 1904/95, Rn. 70; ähnlich BVerfG, Beschluss vom 3. Juli.2003 - 1 BvR 238/01, Rn. 39 (jeweils zitiert nach juris). 25 BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1990 - 1 BvR 283/85, Rn. 74 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 12 Die Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dient ausweislich der Gesetzesbegründung und der Erwägungsgründe der Richtlinie dem Schutz der kollektivrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer (siehe oben Abschnitt 5.3.4.1). Die Arbeitnehmer sollen durch den Betriebsübergang keine Schlechterstellung erfahren. Der Betriebsübernehmer sieht sich hinsichtlich der Fortgeltung tariflicher Bestimmungen auf die Arbeitsverhältnisse im übergehenden Betrieb einer Situation ausgesetzt, auf die er im Vorfeld keinen Einfluss nehmen konnte. Demgegenüber richtet sich die Anordnung der Nachbindung in § 3 Abs. 3 TVG an einen Arbeitgeber , der als Mitglied des tarifschließenden Verbandes den Tarifvertrag, an den ihn die Bestimmung trotz seines Ausscheidens bindet, mitverantwortet und legitimiert hat. Die Aufrechterhaltung der Tarifbindung eines Mitglieds für Tarifverträge, die sein Verband während der Dauer seiner Mitgliedschaft abgeschlossen hat, verwirklicht das Prinzip der Vertragstreue auf der Ebene des Tarifvertrages: Das einzelne Mitglied soll sich durch bloße Beendigung der Mitgliedschaft im vertragsschließenden Verband nicht der Geltung des einmal von ihm legitimierten Tarifvertrages ohne Weiteres wieder entziehen können, nur weil rechtstechnisch sein Verband und nicht das Mitglied selbst Partei des Tarifvertrags ist.26 Zur Absicherung des Gestaltungsauftrages der Tarifvertragsparteien soll eine Flucht aus Tarifverträgen verhindert werden.27 Damit geht es „letztlich um die Funktionalität des Tarifsystems, die gefährdet wäre, wenn die einmal eingetretene Tarifbindung einseitig beendet werden könnte. Diese durch § 3 Abs. 3 TVG erzeugte Tariftreue macht es auch entbehrlich, die Stabilität der Normwirkung eines Tarifvertrags über die Erschwerung des Verbandsaustritts zu erreichen und etwa Mindestaustrittsfristen vorzusehen. Damit dient die Nachbindung – weitere Bindung an den einzelnen Tarifvertrag, aber nicht Bindung an den tarifschließenden Verband – auch der Gewährleistung der negativen Koalitionsfreiheit.“28 Unterschiede zeigen sich auch bei den Rechtswirkungen. Während § 3 Abs. 3 TVG die unmittelbare Tarifgebundenheit anordnet, werden nach § 613a Abs. 1 BGB die tarifvertraglichen Normen in das individualrechtliche Arbeitsverhältnis transformiert. Die Tarifgebundenheit nach dem Tarifvertragsgesetz endet, wenn der tarifgebundene Arbeitgeber in eine andere Branche wechselt. Zwar endet auch die Anwendung der transformierten Tarifnormen , zwischen den Arbeitsvertragsparteien mit Auslaufen des Tarifvertrages oder, wenn bei kongruenter Tarifgebundenheit ein neuer Tarifvertrag zustande kommt (siehe oben Abschnitt 2.1). Bis dahin jedoch finden sie als individualrechtliche Regelung auch dann Anwendung, wenn der 26 Krois in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 3 TVG, Rn. 54 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BAG; ähnlich Franzen in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 3 TVG, Rn. 22, und Lorenz in: Däubler, Tarifvertragsgesetz, 4. Auflage 2016, § 3, Rn. 79. 27 BAG, Urteil vom 17, Mai 2000 – 4 AZR 363/99, Rn. 45 (zitiert nach juris). 28 Klumpp in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3: Kollektives Arbeitsrecht I, 4. Auflage 2019, § 245, Rn. 50, 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 13 Betriebsübernehmer einer anderen Branche angehört, auf die die Normen unter Umständen nicht mehr recht passen, eine gegenseitige neue Tarifbindung aber nicht zustande kommt, weil die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse übergegangen sind, noch in ihrer alten, jetzt unzuständigen Gewerkschaft organisiert sind.29 Vor diesem Hintergrund könnte es für den Betriebsübernehmer unzumutbar erscheinen, wenn er für eine für lange Zeit und theoretisch endlos an die transformierten Kollektivnormen gebunden bliebe. Die Regelungen betreffen mithin trotz vorhandener Ähnlichkeiten unterschiedliche rechtliche Zusammenhänge, verfolgen unterschiedliche Zwecke und schützen unterschiedliche Interessen. Ob aber letztlich der Schutz der Arbeitnehmer und ihrer kollektivrechtlich ausgehandelten Arbeitsbedingungen als besonders wichtiger Gemeinwohlbelang als ebenso schützenswert zu erachten ist wie der Schutz der Funktionalität der Tarifordnung und ob deshalb in beiden Zusammenhängen trotz der aufgezeigten Unterschiede dieselben Weitergeltungsfristen als angemessen zu betrachten sind, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Hervorzuheben ist insoweit auch der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, der nicht zuletzt durch den unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen für die Anordnung von Weitergeltungsfristen beim Betriebsübergang unterstützt werden dürfte. 5.4. Eigentumsgarantie Ob und inwieweit die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG Abs. 1 Satz 1 auch den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte in eigenständiger Weise erfasst, hat das Bundesverfassungsgericht bisher ausdrücklich offengelassen.30 Ein Eingriff in dieses Grundrecht dürfte aber schon deshalb nicht vorliegen, weil § 613a Abs. 1 BGB die betroffenen Arbeitgeber nicht in der Ausübung von Eigentümerbefugnissen oder im Ergebnis ihrer beruflichen Betätigung trifft, sondern sich allein auf die Art der Berufsausübung bezieht. Bloße Gewinnchancen etwa durch kostengünstigere Gestaltung der Arbeitsbedingungen sind durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG jedenfalls nicht geschützt.31 29 Vgl. etwa die Fallbeispiele bei Karthaus/Richter in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, § 613a, Rn. 113 f. 30 BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002- 1 BvR 558/9, BVerfGE 105, S. 252 (278). 31 Jarass in: Jarass/Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 14 Rn. 21 (zitiert nach juris) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000-010/21 Seite 14 6. Abschließende Bewertung Einer Verlängerung der Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend der durch § 3 Abs. 3 TVG angeordneten Tarifnachbindung entspräche dem unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen , ist aber unabhängig davon auch an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen. In Betracht käme allein eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, in die eine Verlängerung der Sperrfrist eingreifen würde. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs könnte durch Unterschiede im Schutzzweck und in der Rechtswirkung der Bestimmungen des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB und des § 3 Abs. 3 TVG in Frage gestellt werden, die gegen eine Übertragung der Nachbindungsfrist sprechen könnten. Zu beachten ist jedoch, dass dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum zukommt, der auch durch den gegebenen unionsrechtlichen Rahmen unterstützt werden dürfte. ***