Informationen zum Schweizer Rentensystem und seine Übertragbarkeit auf Deutschland - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000-008/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Informationen zum Schweizer Rentensystem und seine Übertragbarkeit auf Deutschland Ausarbeitung WD 6 - 3000-008/08 Abschluss der Arbeit: 18.02.2008 Fachbereich WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Überblick über das Schweizer Rentensystem 4 3. Die drei Säulen im Einzelnen 5 3.1. 1. Säule (AHV-Versicherung) 5 3.1.1. Versicherter Personenkreis 5 3.1.2. Leistungen an Versicherte 6 3.1.3. Berechnung der Altersrenten 6 3.1.4. Invalidenrenten 6 3.1.5. Leistungen an Hinterbliebene 7 3.1.5.1. Witwenrenten 7 3.1.5.2. Geschiedenenwitwenrenten 7 3.1.5.3. Witwerrenten und Geschiedenenwitwerrenten 7 3.1.5.4. Waisenrenten 7 3.1.6. Höhe der Hinterbliebenenrenten 7 3.2. Berufliche Vorsorge in der 2. Säule 8 3.2.1. Mitgliedschaft und Finanzierung 8 3.2.2. Leistungen aus der BV 8 3.3. Ergänzende Alterssicherung in der 3. Säule 8 4. Unterschiedliche Ausrichtung des deutschen und schweizerischen Alterssicherungssystems 9 5. Verzeichnis der Anlagen 12 - 4 - 1. Einleitung Die Rentenexpertin Monika Queisser von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland zur Zeit als noch „solide“ ein.. "Weniger gut" stehe es jedoch in der Zukunft um die Versorgung von Geringverdienern sowie der zunehmenden Zahl von Menschen, die nicht durchgehend Rentenbeiträge gezahlt hätten. Heute sei die Armutsquote von Ruheständlern zwar noch vergleichsweise niedrig; dies werde sich jedoch in 30 bis 40 Jahren ändern. "Darüber macht sich die OECD Sorgen", sagte Queisser ." Für diese Gruppe fehle "in Deutschland eine automatische Altersabsicherung". Queisser empfiehlt der Bundesregierung, "andere Wege" zu gehen und sich am Vorbild der Schweiz zu orientieren. Das eidgenössische Drei-Säulen-Modell von staatlicher Sockelrente sowie einer Pflicht zur zusätzlichen betrieblichen und privaten Altersvorsorge habe den Vorteil, dass es alle Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit einbeziehe und die Abhängigkeit von sozialpflichtiger Beschäftigung vermindert werde. Aus Gründen des Eigentumsschutzes müsse der Systemwechsel jedoch in einem "gleitenden Übergang" von 30 bis 40 Jahren vollzogen werden, sagte die OECD-Expertin.1 2. Überblick über das Schweizer Rentensystem Die Schweiz hat ihre Alterssicherung in drei Säulen geregelt2. Hinzu kommt ein eigenes Versicherungssystem für Renten wegen Invalidität (IV), das die erste Säule ergänzt. Die 1. Säule (AHV-Alters- und Hinterlassenenversorgung-/IV - Existenzsicherung) ist als Volksversicherung konzipiert und sichert die Grundversorgung im Alter. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber, durch Zinsen eines sog. Ausgleichsfonds und durch staatliche Zuschüsse. Die 2. Säule (Berufliche Vorsorge -BV- Sicherung des Lebensstandards) ist als betriebliches Alterssicherungssystem mit paritätischer Beitragsverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebaut. Das System wird im Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Die 2. Säule ist für alle abhängig Beschäftigten seit 1985 obligatorisch, Selbstständige können sich freiwillig versichern. Das Ziel der Lebensstandardsicherung 1 Der Tagesspiegel vom 19.01..2008, OECD warnt vor Altersarmut in Deutschland. Im Internet abrufbar unter der Adresse: http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Rentensystem- Altersarmut-OECD;art122,2459312. 2 Quelle: Schweizer Bundesamt für Sozialversicherung, http://www.bsv.admin.ch/sv/aktuell/d/index.htm - 5 - gilt nach der Konzeption der beruflichen Vorsorge dann als erreicht, wenn die Renten der 1. und 2. Säule zusammen 60% des versicherten Bruttoeinkommens erreichen. Die 3. (freiwillige) Säule bildet die staatlich geförderte Selbstvorsorge, die ergänzende Alterssicherung. Hierbei handelt es sich um eine flexible und individuelle Ergänzung von AHV/IV und BV mit dem Ziel, über den Leistungsumfang der ersten beiden Säulen hinausgehenden Vorsorgebedarf zu decken. Beiträge für bestimmte Vorsorgeformen (gebundene private Versicherungen und Einlagen bei Bankstiftungen) werden in weitem Umfang zum Abzug vom zu versteuernden Einkommen zugelassen. Die Finanzierung der privaten Vorsorge obliegt jedoch prinzipiell allein den Versicherten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den Rechtsstand nach der 10. AHV (Alters - und Hinterlassenenversorgung)-Revision. Die bedeutsamsten Änderungen durch die 11. AHV-Revision sind die Vereinheitlichung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre für Frauen und Männer sowie die Lockerung der Bestimmungen für den vorzeitigen Rentenbezug vor dem 65 Lebensjahr bzw. die spätere Inanspruchnahme der Rente nach Vollendung des 65. Lebensjahres.3 3. Die drei Säulen im Einzelnen 3.1. 1. Säule (AHV-Versicherung)4 3.1.1. Versicherter Personenkreis Versichert sind alle Personen, die in der Schweiz wohnen oder eine Erwerbstätigkeit ausüben. Unerheblich ist die Art der Erwerbstätigkeit (selbstständig /unselbstständig/Beamte); auch nicht erwerbstätige Einwohner sind versichert: Ehefrauen und Witwen sind aber von der Beitragspflicht befreit, ebenso erwerbstätige Jugendliche bis zum 17. und nicht erwerbstätige Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr. Erwerbstätige leisten Beiträge vom gesamten Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger Arbeit und aus Vermögen (z. B. Sparguthaben). Eine Beitragsbemessungsgrenze gibt es nicht. Auch erwerbstätige Rentner zahlen auf Einkommen über einem Freibetrag von 14.400 Franken Beiträge. Bei abhängig Beschäftigten teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beitragslast und entrichten je 4,2 %, Selbstständige entrichten 7,8 %, bei geringem Verdienst sinkt ihr Beitrag bis auf 4,2 % (Anlage 7). 3 WITSCHARD, Daniela, Gründe und Ziele für die Neufassung der 11. AHV-Revision. In. Soziale Sicherheit CHSS 2/2006, S. 72 - 77. Der Artikel enthält noch ergänzende Ausführungen zu weiteren Änderungen (S. Anlage 5) 4 BECKER, Susanne, Berlin, Die Alterssicherung im System der sozialen Sicherheit der Schweiz, Rentenversicherung im internationalen Vergleich, DRV-Schriften Band 45, 2003, (Anlage 1) - 6 - Bund und Kantone kommen zusammen für jährlich etwa 20 % der Ausgaben auf. Die Finanzierung erfolgt aus allgemeinen Haushaltsmitteln der Kantone und vom Bund aus Tabak-, Alkohol- und Spielbank- Abgaben. 3.1.2. Leistungen an Versicherte Die Leistungen aus der ersten Säule liegen im Jahr 2007 zwischen einem Mindestbetrag von 1105 SFranken (= € 687) und einem Höchstbetrag von 2210 SFr. (= € 1.374), abhängig von der Beitragsdauer und dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen (Anlage 8). Dem AHV- Rentner, dessen Rente zusammen mit den übrigen anrechenbaren Einkommen ein bestimmtes Mindesteinkommen nicht erreicht, wird die Differenz zu diesem Mindesteinkommen als Ergänzungsleistung des Bundes oder des Kantons (auch einiger Kommunen) gewährt. Hierdurch wird ein Mindestsicherungsniveau gewährleistet. Männer haben nach Vollendung des 65. Lebensjahres, Frauen nach dem 64. Lebensjahr Anspruch auf Renten (Änderung ab 2009: Wird generell auf das 65. Lebensjahr angehoben ). Wer früher ausscheiden will, muss mit Kürzungen von 5,5 Prozent bis 22 Prozent rechnen . Es besteht aber auch die Möglichkeit, freiwillig maximal fünf Jahre länger zu arbeiten und dadurch zwischen 5,2 und 31,5 Prozent Zuschläge zu erhalten5. 3.1.3. Berechnung der Altersrenten Grundlage für die Berechnung der Altersrenten ist das individuelle Jahresdurchschnittseinkommen aller Versicherungsjahre, das mit einem Aufwertungsfaktor angepasst wird, der der Lohn- und Preisentwicklung des Entrichtungsjahres der Beiträge bis zum Renteneintritt entspricht. Das so ermittelte individuelle Gesamtdurchschnittseinkommen wird durch die Anzahl der Beitragsjahre geteilt und ggf. durch Erziehungsund Betreuungszeit-Gutschriften ergänzt (individuelles Durchschnittseinkommen). 3.1.4. Invalidenrenten Der Beitragssatz zur IV-Versicherung beträgt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils 0,7% des Lohnes ohne Geringfügigkeits- oder Beitragsbemessungsgrenze; für Selbstständige 1,4% des Gesamteinkommens. 5 DEPLAZES, Bernadette, Anpassungen bei den Leistungen. In. Soziale Sicherheit CHSS 2/2006, S. 78 - 82. (Anlage 6) - 7 - Die Invalidenversicherung kennt zwei Arten von Leistungen: Individuelle Leistungen in Form von Eingliederungsmaßnahmen und Geldleistungen und kollektive Leistungen in Form von Beiträgen an Institutionen für Invalide und Organisationen der privaten Invalidenhilfe . 3.1.5. Leistungen an Hinterbliebene 3.1.5.1. Witwenrenten Anspruch auf Witwenrente haben verheiratete Frauen, die zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten eines oder mehrere Kinder (gleich welchen Alters) haben oder das 45. Lebensjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet waren. 3.1.5.2. Geschiedenenwitwenrenten Geschiedene Frauen erhalten beim Tod des früheren Ehegatten eine Witwenrente, wenn sie Kinder haben und die Ehe mindestens zehn Jahre angedauert hat, sie bei der Scheidung älter waren als 45 Jahre und die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat und das jüngste Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, nachdem die geschiedene Mutter das 45. Lebensjahr vollendet hatte. Ist keine dieser drei Voraussetzungen erfüllt, besteht Anspruch auf Witwenrente aus der geschiedenen Ehe nur, wenn und solange Kinder unter 18 Lebensjahren vorhanden sind. Mit Widerheirat erlischt der Anspruch auf Geschiedenen Witwenrente. Wird die neue Ehe vor Ablauf von 10 Jahren geschieden, lebt der Anspruch auf Witwenrente aus der ersten Ehe wieder auf. Beim Hinzutreten einer Rente aus eigener Versicherung wird nur die höhere Rente gezahlt. 3.1.5.3. Witwerrenten und Geschiedenenwitwerrenten Ein Anspruch auf Witwer- und Geschiedenenwitwerrente besteht, wenn und solange Kinder unter 18 vorhanden sind. 3.1.5.4. Waisenrenten Ein Anspruch auf Waisenrente besteht, wenn eines der Elternteile verstorben ist bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, darüber hinaus bis zum 25. Lebensjahr, solange die Waise sich in Ausbildung befindet. Sterben beide Elternteile, besteht Anspruch auf zwei Waisenrenten. 3.1.6. Höhe der Hinterbliebenenrenten Witwen- und Witwerrenten betragen 80% der dem maßgeblichen durchschnittlichen Jahreseinkommen entsprechenden Altersrente, Waisenrenten 40% dieses Betrages. Ist der Versicherte vor Vollendung seines 45. Lebensjahres gestorben, wird ein so genann- - 8 - ter Karrierezuschlag gewährt. Besteht Anspruch auf zwei Waisenrenten, darf der Gesamtrentenzahlbetrag 60% der maximalen Altersrente nicht überschreiten. 3.2. Berufliche Vorsorge in der 2. Säule 3.2.1. Mitgliedschaft und Finanzierung Arbeitnehmer müssen bei Eintritt in den Betrieb automatisch einer (betrieblichen /überbetrieblichen) Versorgungseinrichtung angeschlossen werden, wenn ihr Jahreseinkommen über einem Mindestbetrag liegt (23.205 SFr). Die Versicherungsobergrenze in der BV liegt bei 79.560 SFr. Selbstständige und Arbeitnehmer mit einem Einkommen unter dem Mindestbetrag können sich freiwillig anschließen. Die berufliche Vorsorge wird nach dem Kapitaldeckungsverfahren aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und zusätzlich durch den Kapitalertrag finanziert. Die einzelne Versorgungseinrichtung hat die auf den Lohn der Versicherten erhobenen Beiträge so festzusetzen, dass sie ihre Verpflichtungen auf lange Sicht erfüllen kann. Dabei kann sie einheitliche oder nach dem Alter der Versicherten gestaffelte Beiträge vorsehen; gesetzlich vorgesehen ist lediglich, dass der Arbeitgeber mindestens einen gleich hohen Beitrag wie alle seine Arbeitnehmer zu leisten hat. In der Praxis liegt der Arbeitgeberanteil nach den Reglements vieler Vorsorgeeinrichtungen allerdings bei 60%. Eine Freizügigkeitsregelung sorgt seit 1995 dafür, dass beim Wechsel des Arbeitgebers eine Altersgutschrift der neuen Versorgungseinrichtung überwiesen wird. 3.2.2. Leistungen aus der BV Die Leistungen der BV sind nach den gesetzlichen Vorschriften als Mindestleistung konzipiert, wobei es den einzelnen Vorsorgeeinrichtungen (ca. 9.000) freisteht, über die obligatorische Vorsorge hinaus, höhere Leistungen anzubieten. Von dieser Möglichkeit machen viele Einrichtungen Gebrauch und legen in ihren „Reglements“ ein höheres Sicherungsziel fest. 3.3. Ergänzende Alterssicherung in der 3. Säule Der Staat fördert die Selbstvorsorge, die ergänzende Alterssicherung, indem er Beiträge für bestimmte Vorsorgeformen (gebundene private Versicherungen und Einlagen bei Bankstiftungen) in weitem Umfang zum Abzug vom zu versteuernden Einkommen zulässt . Zusätzlich zu dieser gebundenen Vorsorge besteht die Möglichkeit einer weiteren freien Selbstvorsorge, die allerdings nur in sehr geringem Umfang steuerlich begünstigt wird. - 9 - 4. Unterschiedliche Ausrichtung des deutschen und schweizerischen Alterssicherungssystems Ebenso wie das Schweizer System gliedert sich auch die deutsche Alterssicherung in drei Säulen. Es bestehen aber ganz wesentliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Säulen und in ihrer Funktion6. Während die erste Säule in der Schweiz eine am Existenzminimum ausgerichtete Grundversorgung sicherstellen soll, orientiert sich die erste Säule in Deutschland – die gesetzliche Rentenversicherung – an der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards im Alter. Dieses Ziel wird in der Schweiz erst durch das Zusammenspiel von erster und zweiter Säule erreicht. Die erste Säule übernimmt damit im deutschen System Funktionen, die in der schweizerischen Alterssicherung erste und zweite Säule gemeinsam haben. Die immer wieder angestellten Systemvergleiche tragen diesem Unterschied nicht immer Rechnung. Das gilt insbesondere für den Vergleich der Beitragsbelastung in den staatlichen ersten Säulen. Der fällt zwar auf den ersten Blick für die Schweiz mit insgesamt 10,1 Prozent bei Arbeitnehmern deutlich günstiger aus als für die Rentenversicherung in Deutschland mit 19,5 Prozent. Ein solcher Vergleich ist aber nicht zulässig, da in der Schweiz die Lebensstandardsicherung erst durch das Zusammenspiel zwischen erster und zweiter Säule erreicht wird. Es sind also den 10,1 Prozent weitere 7,5 bis 9 Prozent aus der zweiten Säule hinzuzurechnen. Im Ergebnis ist deshalb in der Schweiz der für die Sicherung des Lebensstandards erforderliche Gesamtbeitrag nicht viel niedriger als in Deutschland. Häufig wird in der öffentlichen Diskussion als wesentlicher Vorteil angeführt, dass in die staatliche erste Säule in der Schweiz „alle Bürger aus ihrem gesamten Einkommen und Vermögen unbegrenzt“ einzahlen. Das ist so nicht richtig . Zwar trifft es zu, dass alle Einwohner Beiträge entrichten. Nicht zutreffend ist aber, dass sie Beiträge aus ihrem gesamten Einkommen und Vermögen unbegrenzt zahlen. Sobald Erwerbseinkommen erzielt wird, werden Beiträge zur AHV und IV nur aus diesem erhoben. Erst wenn kein Erwerbseinkommen vorliegt, wird das Vermögen herangezogen . Zu beachten ist aber, dass es im Gegensatz zu den Beiträgen aus Erwerbseinkommen eine Obergrenze für Beiträge aus dem Vermögen gibt. In den letzten Jahren ist vielfach die Frage diskutiert worden, ob es sinnvoll und zulässig wäre, das „Schweizer Modell“ ganz oder teilweise auf die deutsche Alterssicherung zu übertragen. Dies wird unterschiedlich gesehen. Mit der Frage, ob es Sinn machen würde, ein bereits bestehendes Alterssicherungssystem durch ein neues, in einem anderen Land bereits existierendes System zu ersetzen, 6 BINNE, Wolfgang (2003). Blick über die Grenzen (Schweden, Schweiz). VDR Pressefachseminar 2003, (s. Anlage 3) - 10 - beschäftigt sich Hicks7 und kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass es kein ideales bzw. einziges Modell für eine Rentenreform geben könne. Eine erfolgreiche Reform müsse normalerweise von den bestehenden Regelungen ausgehen und die verschiedenen nationalen Bedürfnisse berücksichtigen. Es könne gemeinsame Trends geben , aber es gebe keinen Grund, eine Übertragbarkeit bestimmter Entwürfe zu erwarten. Das Schweizer System der Alterssicherung unter unterliegt ebenfalls ständigen Änderungen , wie z. B. durch die 11. AHV-Revision (s. o.). Diese Änderungen betreffen nicht die erste Säule, sondern auch die zweite. Eine ausführliche Beschreibung der Regulierung der zweiten Säule unternimmt Lüthje8. Auch Binne beschreibt die Probleme der ersten und zweiten Säule. U. a. verweist er bei der kapitalgedeckten BV auf deren Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Auch im Deutschen System der Alterssicherung hat in den letzten Jahren eine Stärkung der „zweiten“ und „dritten“ Säule stattgefunden, in dem ein Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung zum Zweck der betrieblichen Altersvorsorge eingeführt wurde9. Auch der Bestand der Verträge im Rahmen der privaten Altersvorsorge (Riester -Rente) hat sich seit deren Einführung im Jahr 2001 bis Ende 2007 mehr als verfünffacht (vgl. Anlage 12). Die erste Säule allein wird künftig für die Erhaltung des Lebensstandards nicht mehr ausreichend sein. In diesem Zusammenhang existieren bereits Überlegungen, diesen Zweig zu einer sog. „Erwerbstätigenversicherung“ auszuweiten10. Zur Übertragbarkeit des Schweizer Modells auf die Deutsche Altersvorsorge hat sich Binne (a.a.O.) wie folgt geäußert: „Zum einen würde man mit dem Verzicht auf eine Beitragsbemessungsgrenze und der Festlegung von Minimal- und Maximalrenten nach Schweizer Vorbild das Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung aufgeben. Viele Versicherte müssten eine Art „versteckte“ Steuer zahlen, für die sie keine angemessene Gegenleistung bekommen . Das würde die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich beeinträchtigen . Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze wäre auch verfassungsrechtlich nicht ohne Probleme. Die Beitragsbemessungsgrenze ist in Deutschland we- 7 HICKS, Peter (2001). Neue Tendenzen der Rentenreformen in Europa. Friedrich Ebert Stiftung. (Anlage 13) 8 LÜTHJE, Gesine (2007). Regulierung der zweiten Säule in der Schweiz. In: Deutsche Rentenversicherung , Heft 8-9/2007, S. 520 - 528 (Anlage 4). 9 LEIBER, Simone (2005). Formen und Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge. In: WSI Mitteilungen 6/2005, S. 314 - 321 (Anlage 10). 10 RISCHE, Herbert (2008). Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung . In: RVaktuell 1/2008, S. 2 - 10 (Anlage 11). - 11 - sentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Zwangsversicherung mit Zwangsbeiträgen . Nach dem Grundgesetz ist ein „Übermaß“ an Zwang zu staatlicher Vorsorge nicht erlaubt, weil Versicherte mit höheren Einkommen weniger schutzbedürftig sind und in anderer Form zusätzlich vorsorgen können. Die Beitragsbemessungsgrenze stellt sicher, dass sie den nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dafür erforderlichen Handlungsspielraum haben. Das Fehlen einer Beitragsbemessungsgrenze wäre erst recht verfassungswidrig , wenn man wie in der Schweiz für die hohen Beiträge keine äquivalenten Leistungen bekäme. Ein weiterer verfassungsrechtlicher Aspekt ist der Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG, den Renten und Rentenanwartschaften nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genießen. Sie sind deshalb eigentumsgeschützt, weil sie zum größten Teil auf Eigenleistungen der Versicherten beruhen. Wenn man nun – wie in der Schweiz – mit einer Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Einführung von Mindest- und Höchstrenten den Zusammenhang zwischen Vorleistung und Rente weitgehend aufgeben würde, würde man zwangsläufig den Eigentumsschutz, der die Renten und die Rentenanwartschaften vor willkürlichen Eingriffen schützt, zumindest schwächen . Der Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften ist auch der Grund dafür, warum eine Umstellung der ersten Säule in Deutschland auf eine Grundversorgung nach Schweizer Vorbild schon an den Übergangsproblemen scheitern würde. Bei einer solchen Umstellung dürfte nämlich nicht in eigentumsgeschützte Rentenanwartschaften eingegriffen werden. Sie müssten weiterhin zu äquivalenten und – nach neuester Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – zu dynamisierten Rentenleistungen führen. Das bedeutet, dass während einer langen Übergangszeit zwei Systeme nebeneinander finanziert werden müssten. Die Erwerbstätigen müssten mit ihren Beiträgen die im alten System erworbenen Anrechte bedienen, bekämen aber selbst später nur noch eine Basisversorgung. Das wäre nicht nur verfassungsrechtlich unzulässig, sondern auch politisch nicht durchsetzbar . Auch mit dem Argument einer erforderlichen Mindestsicherung im Alter nach dem Vorbild der ersten Säule des Schweizer Systems lässt sich ein Systemwechsel nicht begründen . In Deutschland wird die Deckung des grundlegenden Bedarfs von der 2003 eingeführten Grundsicherung im Alter und von der Sozialhilfe gewährleistet. Auf beide Leistungen besteht bei Erfüllung der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Wenn ein wesentlicher Vorteil der Schweizer Altersvorsorge in ihrer vergleichsweise breiten Kapitalbasierung gesehen wird, muss darauf hingewiesen werden, dass auch kapitalgedeckte Alterssicherungssysteme nicht resistent gegen die demographische Entwicklung sind. Sie sind im Gegenteil ganz ähnlichen Risiken ausgesetzt wie umlagefinanzierte Systeme. Außerdem liegen die besonderen Risiken der kapitalfundierten Altersvorsorge derzeit auf der Hand, wenn man sich die anhaltenden Kurseinbrüche an den Aktien- - 12 - märkten anschaut, die Pensionsfonds und private Versicherungen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Vielfach wird auch gefordert, nach dem Vorbild der Schweiz auch Beamte, Politiker, Selbstständige und weitere Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen . Abgesehen von den durchaus nachvollziehbaren sozial- und gesellschaftspolitischen Motiven solcher Forderungen werden jedenfalls die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung dadurch nicht gelöst. Denn die zunächst höheren Beitragseinnahmen führen zeitversetzt zu entsprechend höheren Leistungsansprüchen, und zwar gerade dann, wenn die demographiebedingten Lasten sowieso schon besonders groß sein werden . Deshalb hat sich inzwischen auch die Rürup-Kommission gegen entsprechende Forderungen ausgesprochen. Außerdem würde jedenfalls die Überführung der Beamten in die Rentenversicherung eine Verfassungsänderung erfordern und die ohnehin angespannten öffentlichen Haushalte mit rund 11-12 Mrd. € zusätzlich im Jahr belasten.“ Eine ähnliche Auffassung vertritt Rahn11. Sie weist u.a. auch darauf hin, dass wegen der niedrigen Steuersätze in der Schweiz eine vollkommen andere Situation als in Deutschland herrscht. In der Schweiz wird die Einkommensteuer gleichzeitig vom Bund, den Kantonen und allen Gemeinden erhoben. Die Höhe der Steuer auf Kantons- bzw Gemeindeebene können jeder Kanton und jede Gemeinde selbst festlegen (Anlage 9). 5. Verzeichnis der Anlagen BECKER, Susanne (2003). Berlin, Die Alterssicherung im System der sozialen Sicherheit der Schweiz, Rentenversicherung im internationalen Vergleich, DRV-Schriften Band 45 2003, S. 255 - 29. - Anlage 1 - RAHN; Monika (2003). Das System der Altersvorsorge in der Schweiz - Vorbild für die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland? In: Deutsche Rentenversicherung, 3-4, S. 146 - 160. - Anlage 2 - BINNE, Wolfgang (2003). Blick über die Grenzen (Schweden, Schweiz). VDR Pressefachseminar 2003. - Anlage 3 - 11 RAHN; Monika (2003). Das System der Altersvorsorge in der Schweiz - Vorbild für die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland? In: Deutsche Rentenversicherung, 3-4, S. 146 - 160 (Anlage 2). - 13 - LÜTHJE, Gesine (2007). Regulierung der zweiten Säule in der Schweiz. In: Deutsche Rentenversicherung, Heft 8-9/2007, S. 520 - 528. - Anlage 4 - WITSCHARD, Daniela, Gründe und Ziele für die Neufassung der 11. AHV-Revision. In. Soziale Sicherheit CHSS 2/2006, S. 72 - 77. Der Artikel enthält noch ergänzende Ausführungen zu weiteren Änderungen. - Anlage 5 - DEPLAZES, Bernadette, Anpassungen bei den Leistungen. In. Soziale Sicherheit CHSS 2/2006, S. 78 - 82. - Anlage 6 - SCHWEIZERISCHE SOZIALVERSICHERUNG (2008). Synoptische Tabelle der anwendbaren Beitrags- und Prämiensätze. - Anlage 7 - BUNDESAMT FÜR SOZIALVERSICHERUNGEN (2007). Monatliche Vollrenten, Skala 44 AHV/IV. - Anlage 8 - VERNUNFT SCHWEIZ (2006). Die Steuerprogression in der Schweiz. - Anlage 9 - LEIBER, Simone (2005). Formen und Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge. In: WSI Mitteilungen 6/2005, S. 314 - 321. - Anlage 10 - RISCHE, Herbert (2008). Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. In: RVaktuell 1/2008, S. 2 - 10 - Anlage 11 - BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT UND SOZIALES (2008). „Riestern“ lohnt sich- fast 10,8 Millionen Verträge abgeschlossen. - Anlage 12 - - 14 - HICKS, Peter (2001). Neue Tendenzen der Rentenreformen in Europa. Friedrich Ebert Stiftung. - Anlage 13 -