WD 6 - 3000 - 003/21 (14. Januar 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Betriebsvereinbarungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz Die Rechtslage in Bezug auf die Mitbestimmung der Beschäftigten der Bundestagsfraktionen ist von der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Die Ausgestaltung des kollektiven Mitbestimmungsrechts ihrer Beschäftigten unterliegt daher bislang faktisch der Entscheidung der einzelnen Fraktionen.1 Sofern die betriebliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) organisiert wird und ein Betriebsrat besteht, findet auf Vereinbarungen zwischen der Fraktion als Arbeitgeberin und dem Betriebsrat § 77 BetrVG Anwendung. Die Vorschrift regelt Form und Inhalt der Betriebsvereinbarung, die ein wichtiges Gestaltungsinstrument zur Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates innerhalb des betreffenden Betriebes darstellt.2 Inhalt einer Betriebsvereinbarung können grundsätzlich auch Entgeltregelungen sein. Die Regelung kann auch durch Verweis auf einen branchenfremden Tarifvertrag erfolgen. Inhaltliche Beschränkungen regelt allerdings § 77 Abs. 3 BetrVG. 2. Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG Wegen der durch Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) garantierten Tarifautonomie genießen Vereinbarungen zwischen Tarifparteien stets Vorrang und sollen nicht der Konkurrenz oder gar der Aushöhlung durch einzelne betriebsinterne Vereinbarungen ausgeliefert sein.3 Gemäß § 77 1 Vgl. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste, Einzelfragen zur Interessenvertretung der Mitarbeiter einer Fraktion des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 6 – 3000 – 087/20 vom 6. November 2020, S. 4 f. 2 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 77 BetrVG Rn. 1. 3 Vgl. Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 77 BetrVG Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die Festlegung von Arbeitsentgelten für Beschäftigte einer Fraktion des Deutschen Bundestages durch Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG Kurzinformation Die Festlegung von Arbeitsentgelten für Beschäftigte einer Fraktion des Deutschen Bundestages durch Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG Fachbereich WD 6 (Arbeit Soziales) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Abs. 3 BetrVG können durch Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten daher keine Vereinbarungen über Arbeitsentgelte getroffen werden, die bereits durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, soweit der Tarifvertrag nicht ausdrücklich ergänzende Betriebsvereinbarungen zulässt. Die Sperrwirkung nach § 77 Abs. 3 BetrVG tritt ein, wenn bezüglich der vereinbarten Arbeitsentgelte oder sonstigen Arbeitsbedingungen bereits Regelungen in einem Tarifvertrag getroffen wurden oder wenn nach der bisherigen Tarifpraxis eine derzeit nicht bestehende tarifvertragliche Regelung wieder zu erwarten ist.4 Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen , fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt; auf eine Tarifbindung des Arbeitgebers kommt es nicht an.5 3. Übernahme der Entgeltregelungen eines Tarifvertrages in einer Bundestagsfraktion Die Fraktionen haben hinsichtlich der Arbeitsentgelte für ihre Beschäftigten unterschiedliche Regelungen getroffen. Die Fraktion DIE LINKE. hat beispielsweise als Tarifpartei mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di einen Tarifvertrag für ihre Beschäftigten ausgehandelt.6 Soweit ersichtlich sind andere Fraktionen diesem Tarifvertrag nicht beigetreten und unterhalten auch keine eigenen Tarifverträge. Schließlich sind die Fraktionen des Deutschen Bundestages nach § 46 Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes nicht Teil der öffentlichen Verwaltung des Bundes, sodass der Geltungsbereich des TVöD (§ 1 TVöD-AT) nicht eröffnet ist. Da eine Bundestagsfraktion mithin nicht in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich eines geltenden Tarifvertrags fällt, sind die Betriebspartner in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht durch die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG beschränkt . Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung kann auch auf die Entgeltreglungen eines Tarifvertrags , zum Beispiel des TVöD, verwiesen werden. 4. Individualvertragliche Vereinbarung Daneben können stets auch durch individualvertragliche Bezugnahme die Bestimmungen eines Tarifvertrags Inhalt eines Arbeitsvertrages werden. *** 4 Kania in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Auflage 2021, § 77 BetrVG, Rn. 48. 5 BAG, Urteil vom 20. November 2001 – 1 AZR 12/01, NZA 2002, 872. 6 Vgl. Kalbe, Uwe, Linksfraktion verbessert Absicherung ihrer Angestellten, Neues-Deutschland vom 21. Januar 2019, abrufbar unter: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1110450.linke-im-bundestag-linksfraktion-verbessert -absicherung-ihrer-angestellten.html (zuletzt abgerufen am 14. Januar 2021).