© 2018 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 003/18 Sozialrechtliche Neuregelung der Plattformökonomie in Frankreich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 2 Sozialrechtliche Neuregelung der Plattformökonomie in Frankreich Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 003/18 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2018 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzliche Neuregelung in Frankreich 4 2.1. Definitionen 5 2.2. Soziale Verantwortung der Plattformen 5 2.3. Rechte der freiberuflichen Mitarbeiter 6 2.4. Durchführungsbestimmungen 6 3. Aktuelle Diskussion in Deutschland 7 4. Übertragbarkeit der französischen Regelung 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 4 1. Einleitung Die sogenannte Plattformökonomie, die in Frankreich überwiegend als économie collaborative (kollaborative Ökonomie) bezeichnet wird, erlangt in Frankreich wie auch in Deutschland und den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) immer größere Bedeutung. Nach Informationen der französischen Assemblée nationale arbeiteten 2015 in der Plattformökonomie etwa 13.000 abhängig Beschäftigte und 80.000 selbständig erwerbstätige Personen. Ihr rechtlicher Status unterscheidet sich ähnlich wie in Deutschland danach, ob sie abhängig Beschäftigte der jeweiligen Plattform sind oder als selbständige Mitarbeiter für eine Plattform tätig werden.1 Vor diesem Hintergrund gewinnt in der sozialpolitischen Diskussion die Frage an Gewicht, wie die zunehmende Zahl von selbständigen Erwerbstätigen, die sich digitaler Plattformen bedienen, sozial abgesichert werden kann.2 2. Gesetzliche Neuregelung in Frankreich In Frankreich sind am 1. Januar 2018 arbeitsrechtliche Neuregelungen in Kraft getreten, die die soziale Absicherung von selbständig Erwerbstätigen in der sogenannten Plattformökonomie verbessern sollen. Hierzu enthält das Gesetz Nr. 2016-1088 vom 8. August 2016 über die Arbeit, die Neugestaltung der Sozialpartnerschaft und die Sicherung des beruflichen Werdegangs3 - allgemein auch als „Arbeitsgesetz (loi Travail)“ bezeichnet - unter anderem Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen in der Digitalwirtschaft. 1 Vgl. zur Rechtslage in Deutschland Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste. Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte der Plattformökonomie, WD 6 - 3000 - 058/17, Sachstand vom 26. Oktober 2017, abrufbar im Internetauftritt des Deutschen Bundestages: https://www.bundestag.de/blob/532608/c9a3fa455e8604f1797f53fa342f4bd5/wd-6-058-17-pdf-data.pdf (letzter Abruf: 8. Februar 2018). 2 Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Situation in der EU verbunden mit politischen Handlungsempfehlungen bietet eine für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten erstellte Studie des Europäischen Parlaments (EP): EP - Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union - Fachabteilung A Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik: The Social Protection of Workers in the Platform Economy, November 2017 (engl.), abrufbar im Internetportal des EP: http://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document.html?reference=IPOL_STU(2017)614184 (letzter Abruf: 22. Februar 2018). Zu der Studie liegt eine Zusammenfassung auf Deutsch und ein Annex mit Einzeldarstellungen mehrerer EU-Mitgliedstaaten vor. 3 Loi n° 2016-1088 du 8 août 2016 relative au travail, à la modernisation du dialogue social et à la sécurisation des parcours professsionels, Journal officiel de la République française (JORF) n°0184 du 9 août 2016, abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank der französischen Regierung: https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000032983213&categorieLien=id (letzter Abruf: 8. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 5 Artikel 60 des Arbeitsgesetzes sieht in dem Teil des Arbeitsgesetzbuches (Code du travail) über personenbezogene Dienstleistungen die Einführung eines neuen Abschnitts mit der Überschrift „Erwerbstätige, die eine elektronische Vernetzungsplattform nutzen“ vor (Artikel L. 7341-1 bis L. 7342-6 des Arbeitsgesetzbuches4). 2.1. Definitionen Die in diesem Abschnitt vorgesehenen Bestimmungen enthalten erstmals eine Legaldefinition des Begriffs „travailleur indépendent (selbständiger Mitarbeiter)“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Plattform“, was auf die wachsende Bedeutung dieser Art von Tätigkeit hindeutet. Eine Plattform wird unter Bezugnahme auf Artikel 242 des Steuer- und Abgabengesetzbuches (Code général des impôts) definiert als Unternehmen, welches Menschen durch ein Netzwerk zum Zweck des Verkaufs einer Ware, der Erbringung einer Dienstleistung oder des Tausches oder des Teilens einer Ware oder einer Dienstleistung verbindet. 2.2. Soziale Verantwortung der Plattformen Das Gesetz führt außerdem den Grundsatz der „sozialen Verantwortung der Plattformen“ ein, indem es diesen unter bestimmten Voraussetzungen Pflichten gegenüber den selbständigen Mitarbeitern auferlegt, welche die von der Plattform angebotenen Dienstleistungen oder Waren erbringen , und den besagten Mitarbeitern bestimmte Rechte eröffnet. Die soziale Verantwortung der Plattformen erstreckt sich auf den Zugang zur Berufsunfallversicherung, zur beruflichen Weiterbildung sowie zur Anerkennung erworbener Berufserfahrungen. Die Plattformen werden verpflichtet zur Übernahme der Kosten für eine von dem selbständigen Mitarbeiter abgeschlossene Berufsunfallversicherung. Die Plattformen sind daher verpflichtet, entweder einen Kollektiv-Versicherungsvertrag zur Deckung von Berufsunfällen für die dort tätigen selbständigen Mitarbeiter abzuschließen oder die Versicherungsbeiträge der individuell versicherten Mitarbeiter (freiwillige gesetzliche Versicherung oder Privatversicherung) zu erstatten. Der Plattformbetreiber muss darüber hinaus einen Beitrag zur beruflichen Weiterbildung (Contribution à la formation professionnelle continue5) der selbständigen Mitarbeiter leisten, die ihre 4 Die konsolidierte Fassung des französischen Arbeitsgesetzbuchs ist abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank der französischen Regierung: https://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do?cidTexte=LEGITEXT000006072050 (letzter Abruf: 8. Februar 2018). 5 Dabei handelt es sich um einen Beitrag zu einem von den Sozialpartnern der jeweiligen Branche paritätisch geführten Fond, aus dem Weiterbildungsmaßnahmen gefördert werden. Beitragspflichtig waren Unternehmer nach den Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches bisher nur für abhängig Beschäftigte; vgl. dazu im Internet: https://www.opcalia.com/employeurs/financer-la-formation-et-lapprentissage/contributions-formation/ (letzter Abruf: 8. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 6 Dienstleistungen nutzen. Er trägt außerdem die Kosten für die Verfahren zur Anerkennung erworbener Berufserfahrungen (validation des aquis de l’expérience6), um die Mitarbeiter in deren Bemühen zu unterstützen, die in deren Tätigkeit erworbene Berufserfahrung zum Erwerb eines anerkannten Abschlusses zu nutzen. 2.3. Rechte der selbständigen Mitarbeiter Die selbständigen Mitarbeiter erhalten das Recht, im Rahmen einer konzertierten Vorgehensweise die Erbringung ihrer Dienstleistungen zu verweigern, um berufliche Interessen zu verteidigen, ohne dass dadurch - außer in Fällen einer missbräuchlichen Ausübung dieses Rechts - die vertragliche Haftung der Mitarbeiter ausgelöst wird oder seitens der Plattformen Vergeltungsmaßnahmen ergriffen oder die Geschäftsbeziehung gelöst werden können. Sie erhalten außerdem das Recht zur Gründung einer Gewerkschaft. 2.4. Durchführungsbestimmungen Das Dekret Nr. 2017-774 vom 4. Mai 2017 über die sozialrechtliche Verantwortung der elektronischen Vernetzungsplattformen7 regelt die Durchführung der Bestimmungen zur sozialen Verantwortung der Plattformen der kollaborativen Wirtschaft und ergänzt den Titel IV des Arbeitsgesetzbuches . Es ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Die Kosten einer Berufsunfallversicherung für selbständige Mitarbeiter werden danach von der Plattform übernommen, sofern der Freiberufler durch die Zusammenarbeit mit dieser Plattform einen Umsatz in Höhe von 13 Prozent oder mehr der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung (für das Jahr 2017 entspricht dies einem Betrag in Höhe von 5.099,64 EUR) erwirtschaftet hat. Der von der Plattform zu leistende Beitrag entspricht in seiner Höhe dem Beitrag zur freiwilligen Berufsunfall- und Berufskrankheitsversicherung, bemessen auf der Grundlage eines Jahreslohns unterhalb eines zum 1. April jedes Jahres festgelegten Minimums, welches auf der Grundlage der Entwicklung der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten (ohne Tabakwaren ) errechnet wird, welche wiederum auf der Grundlage der zwölf letzten Monatsindices der Verbraucherpreise berechnet wird, die vom nationalen Statistikamt im vorletzten Monat vor der Anpassung der genannten Leistungen veröffentlicht werden. 6 Dabei handelt es sich um ein System staatlicher Zertifizierung in der Praxis erworbener Berufserfahrung; vgl. dazu im Internet: http://www.vae.gouv.fr/ (letzter Abruf: 8. Februar 2018). 7 Décret n° 2017-774 du 4 mai 2017 relatif à la responsabilité sociale des plateformes de mise en relation par voie électronique, JORF n° n°0107 du 6 mai 2017, abrufbar in der Internet-Gesetzesdatenbank der französischen Regierung : https://www.legifrance.gouv.fr/eli/decret/2017/5/4/ETST1710240D/jo/texte (letzter Abruf: 8. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 7 Der Beitrag zur beruflichen Weiterbildung sowie die Kosten im Zusammenhang mit der Anerkennung erworbener Berufserfahrungen werden ebenfalls bis zu dieser Bemessungsgrenze von der Plattform getragen. Arbeitet ein selbständiger Mitarbeiter für mehrere Plattformen, werden die oben genannten Kosten von jeder der Plattformen anteilig übernommen, bezogen auf den Umsatz, den der Mitarbeiter der jeweiligen Plattform im Verhältnis zum über diese Plattformen erwirtschafteten Gesamtumsatz erzielt hat. Schließlich regelt das Dekret die Geltendmachung der Kostenübernahme: Selbständige Mitarbeiter müssen den Antrag auf Übernahme dieser Kosten bei der betreffenden Plattform einreichen und einen Kostennachweis sowie eine Angabe des erzielten Umsatzes beifügen. Der Antrag kann online und kostenlos gestellt werden. Die Plattformen sind verpflichtet, ihre Mitarbeiter auf die Möglichkeit und die Bedingungen einer Kostenübernahme hinzuweisen. 3. Aktuelle Diskussion in Deutschland Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Arbeitswelt und die damit zusammenhängenden Herausforderungen für den Sozialstaat sind auch in Deutschland Gegenstand der Diskussion . Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im November 2016 vorgelegte Weißbuch Arbeiten 4.08 thematisiert in diesem Zusammenhang die Bedeutung digitaler Plattformen für die Arbeitswelt, hebt allerdings die bisher mangelhafte Datengrundlage für die Einschätzung der Bedeutung digitaler Plattformen für Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland hervor.9 Es sei nicht absehbar, in welchem Umfang digitale Plattformen sozialversicherungspflichtige Arbeit durch neue ungesicherte Beschäftigungsformen ersetzten.10 Hinweise auf eine deutliche Zunahme selbständiger Tätigkeiten in der Plattformökonomie seien derzeit nicht erkennbar .11 Gleichwohl wird im Weißbuch auch die Frage nach einer - zumindest punktuellen - Einbeziehung der auf den Internetplattformen selbständig Erwerbstätigen in den Schutzbereich von Ar- 8 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0 - Arbeit weiter denken, Berlin, Stand März 2017. Abrufbar im Internetauftritt des BMAS: http://www.bmas.de/DE/Service/Medien/Publikationen/a883-weissbuch.html (letzter Abruf: 22. Februar 2018); vgl. dazu auch BMAS: Arbeiten 4.0 - Arbeit weiter denken. Werkheft 04 - Sozialstaat im Wandel, Berlin, Stand August 2017. Abrufbar im Internetauftritt des BMAS: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads /DE/PDF-Publikationen/a877-04-werkheft-4.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (letzter Abruf: 22. Februar 2018). 9 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 57. 10 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 61. 11 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 175. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 8 beits- und Sozialstandards aufgeworfen. Die in diesem Zusammenhang vor allem genannten Ansätze orientieren sich an bestehenden Gesetzeswerken. In den Vordergrund werden dabei das Heimarbeitsgesetz12 und das Künstlersozialversicherungsgesetz13 gerückt. Das BMAS spricht sich im Weißbuch Arbeiten 4.0 gegen pauschale Lösungen für alle Selbständigen aus. Der Gesetzgeber müsse vielmehr „die Schutzbedürftigkeit spezifischer Typen von Erwerbstätigen feststellen und sie nach jeweiliger Sachlage in den Schutz des Arbeits- und Sozialrechts einbeziehen.“14 Hierzu könnten auch die selbständigen Erwerbstätigen in der Plattformökomie zählen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird auch in der Fachliteratur als sozialpolitische Herausforderung betrachtet. Im Vordergrund steht dabei nicht selten die Suche nach Möglichkeiten der Einbeziehung von Soloselbständigen der Plattformökonomie in die Sozialversicherung.15 4. Übertragbarkeit der französischen Regelungen Unter dem vagen Begriff der sozialen Verantwortung verpflichtet der französische Gesetzgeber die Betreiber digitaler Plattformen im Wesentlichen zur Übernahme bestimmter Kosten zugunsten der ihre Dienste nutzenden selbständigen Mitarbeiter. Soweit dabei die Einbeziehung dieser Personengruppen in die in Deutschland so nicht vorhandenen Systeme der Finanzierung beruflicher Weiterbildung und der Anerkennung erworbener Berufserfahrungen verbunden ist, ist eine Übertragung von vornherein ausgeschlossen, sodass insoweit allein die Verpflichtung zur Übernahme der Unfallversicherungskosten in Betracht kommt. Vor dem Hintergrund der im Rahmen des Dialogprozesses zur Vorbereitung des Weißbuchs geführten Diskussion, die im Wesentlichen darauf zielt, die betroffene Personengruppe möglichst 12 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 175 13 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 167. 14 BMAS: Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 176. 15 Vgl. z.B. Heuschmid, Johannes/ Klebe, Thomas: Erwerbsarbeit in der Plattformökonomie und Schutz des Arbeits - und Sozialrechts, in: Faber, Ulrich et al. (Hrsg.): Gesellschaftliche Bewegungen - Recht unter Beobachtung und in Aktion, Festschrift Wolfhard Kohte, 2016, Baden-Baden: Nomos, S. 73-84; Eichhorst, Werner et al: Digitalisierung und Arbeitsmarkt: Aktuelle Entwicklungen und sozialpolitische Herausforderungen , in: ZSR 2016, S. 383-409; Waltermann, Raimund: Digitalisierung der Arbeitswelt und Schutz kleiner Selbstständiger durch das Sozialversicherungsrecht , in: SGb 2017, S. 425-431;. Speziell zur gesetzlichen Rentenversicherung: Nullmeier, Frank: Digitale Ökonomie und ihre Folgen für die Entwicklungsrichtung der gesetzlichen Rentenversicherung, in: DRV 2017, S. 249-272; speziell zum sog. Crowdworking: Wisskirchen, Gerlind/ Schwindling, Jan: Crowdworking im Lichte des Arbeitsrechts , in: ZESAR 2017, S. 318-327; speziell zur Unfallversicherung: o. V.: Herausforderung Plattformökonomie, DGUV Kompakt, Februar 2018, abrufbar im Internetauftritt der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: http://www.dguv.de/de/mediencenter/dguv-kompakt/2018/index.jsp (letzter Abruf: 23. Februar 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 003/18 Seite 9 weitgehendem sozialen Schutz in allen Bereichen der Sozialversicherung zu unterstellen, der vor allem auch eine angemessene Altersvorsorge umfasst, dürfte sich eine Übernahme dieser Einzelregelung für Deutschland ebenfalls nicht anbieten. Auch der Umstand, dass der - wenn auch besonders bedeutsame - Unfallversicherungsschutz in Frankreich offenbar auch über den Abschluss privater Versicherungen erfolgen und letztlich der Entscheidung des einzelnen Selbständigen überlassen bleiben soll, der sich lediglich die Kosten dafür erstatten lassen kann, passt nicht zu dem in Deutschland geführten Diskurs. Soweit den selbständigen Mitarbeitern in der Plattformökonomie nach dem neuen französischen Arbeitsgesetz das Recht eingeräumt wird, Gewerkschaften zu gründen, ist zunächst festzustellen, dass nach Art. 9 Abs. 3 Satz des Grundgesetzes das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits - und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, für jedermann und für alle Berufe gewährleistet ist. Es erscheint jedoch fraglich, ob auch die Erwerbstätigen in der Plattformökonomie als Berufsgruppe in diesem Sinn gelten können, wenn sie sich insbesondere durch ihre wirtschaftliche Selbständigkeit auszeichnen. Das Tarifvertragsgesetz (TVG) geht jedenfalls grundsätzlich von einem Aushandeln der Bedingungen abhängiger Arbeit zwischen den Gewerkschaften als Vertretern der Arbeitnehmer und den Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden aus. § 12a TVG ordnet zwar ausdrücklich die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des TVG auf arbeitnehmerähnliche Personen an. Zu dieser Personengruppe dürften aber mangels wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem einzelnen Auftraggeber viele Erwerbstätige der Plattformökonomie nicht zählen. Ihre ausdrückliche Einbeziehung in die entsprechende Anwendung des TVG setzt ein der arbeitnehmerähnlichen Person vergleichbares Schutzbedürfnis voraus; die Entscheidung darüber obliegt der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. „Der Katalog der für arbeitnehmerähnliche Personen vereinbarungsfähigen Bestimmungen entspricht grundsätzlich den nach §§ 1 ff. TVG zulässigen Tarifinhalten.“16 Da „überwiegend angenommen [wird], dass die gesetzliche Erstreckung der Tarifautonomie auf Nichtarbeitnehmer bedingt , ihnen die Druckmittel zur Verfügung zu stellen, um den Abschluss von Tarifverträgen zu erreichen,“17 dürften sie zur Durchsetzung tariflicher Regelungen auch den Arbeitskampf einsetzen , so dass es der Einräumung eines besonderen Streikrechts dann wohl nicht bedürfte. *** 16 Reinecke/Rachor in Däubler, Tarifvertragsgesetz, 4. Auflage 2016, § 12a Rn. 57. 17 Reinecke/Rachor in Däubler, Tarifvertragsgesetz, 4. Auflage 2016, § 12a Rn. 77.