© 2021 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 001/21 Kranken- und Rentenversicherung zwischen dem Studium der Rechtswissenschaften und dem Beginn des Vorbereitungsdienstes Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 2 Kranken- und Rentenversicherung zwischen dem Studium der Rechtswissenschaften und dem Beginn des Vorbereitungsdienstes Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 001/21 Abschluss der Arbeit: 14. Januar 2021 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Kranken- und Rentenversicherung während der Ausbildung von Juristen 4 2. Keine Kranken- und Rentenversicherung in der Zeit zwischen den Ausbildungsabschnitten 5 3. Möglichkeiten des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung 6 4. Möglichkeiten des Erwerbs von Rentenanwartschaften 7 5. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 4 1. Kranken- und Rentenversicherung während der Ausbildung von Juristen Die Ausbildung für die Befähigung zum Richteramt, für die Rechtsanwaltschaft und für den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst ist in Deutschland zweistufig und besteht aus einem Universitätsstudium und dem als Rechtsreferendariat bezeichneten etwa zweijährigem Vorbereitungsdienst . Die Ausbildung zum sogenannten Volljuristen wird in der Regel mit der Ersten Juristischen Prüfung und der Juristischen Universitätsprüfung nach dem Studium und der Zweiten Staatsprüfung nach Ablauf des Vorbereitungsdienstes abgeschlossen. Näheres regeln Landesgesetze und -prüfungsordnungen über die juristische Ausbildung.1 Der versicherte Personenkreis ist in der gesetzlichen Krankenversicherung in den §§ 5 bis 10 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) und in der gesetzlichen Rentenversicherung in den §§ 1 bis 8 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) geregelt. Aus einer Pflicht- oder freiwilligen Versicherung folgende Beitragszahlungen gewährleisten den Schutz gegen Gesundheitsrisiken und den Erwerb von Rentenanwartschaften. Für die Zeit des Universitätsstudiums besteht regelmäßig bis zum 30. Lebensjahr Krankenversicherungspflicht in der Studentenversicherung gemäß § 5 SGB V mit vergünstigten Beitragszahlungen . In der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Universitätsstudium zwar keine Beitragszeit, es ist aber dennoch in begrenztem Umfang in der Erwerbsbiographie als rentenrechtliche Zeit anzuerkennen . So ist der Besuch einer Schule, Fachschule oder Hochschule nach dem vollendeten 17. Lebensjahr bis zu insgesamt acht Jahren gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. In der Rentenberechnung sind Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung unter anderem für die Prüfung, ob ein Rentenanspruch besteht, von Bedeutung, auch wenn sie für die Rentenberechnung selbst keine Bewertung erfahren. Der Vorbereitungsdienst erfolgt in den meisten Ländern als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis eigener Art mit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für zur Berufsausbildung Beschäftigte gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Dagegen besteht in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Nr. 4 SGB VI soweit Versorgungsanwartschaften erworben werden. Nach Mecklenburg-Vorpommern hat Hessen jüngst als zweites Bundesland für den Vorbereitungsdienst den Beamtenstatus wiedereingeführt .2 Für Beamte auf Widerruf besteht in beiden Sozialversicherungszweigen Versicherungsfrei- 1 Beispielhaft für Baden-Württemberg: Juristenausbildungsgesetz (JAG-BW) und Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPrO-BW), abrufbar im Internetr unter http://www.landesrecht-bw.de/jportal /?quelle=jlink&query=JAG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true und http://www.landesrechtbw .de/jportal/?quelle=jlink&query=JAPV+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true#jlr- JAPVBW2019pP1, zuletzt abgerufen am 8. Januar 2021. 2 Vgl. Pressemitteilung der Hessischen Landesregierung vom 30. Dezember 2019, abrufbar unter https://www.hessen .de/pressearchiv/pressemitteilung/neuerungen-im-referendariat-2020-0 und Broschüre Referendariat in Mecklenburg-Vorpommern, S. 5, abrufbar im Internet unter https://www.regierung-mv.de/static/Regierungsportal /Justizministerium/Dateien/Flyer/2018_brosch_Din-lang_referendariat_mvtutgut.pdf, jeweils zuletzt abgerufen am 8. Januar 2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 5 heit; in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschiedene Beamte auf Widerruf werden gemäß § 8 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, wenn sie nach der Zweiten Staatsprüfung nicht erneut in ein Beamtenverhältnis berufen werden. Die Dauer zwischen dem Universitätsstudium und dem Beginn des Vorbereitungsdienstes hängt von der Nachfrage nach den in den Ländern jeweils angebotenen Referendariatsplätzen ab und kann mitunter einen längeren Zeitraum umfassen. Zum Einstellungstermin am 2. November 2020 hatten zum Beispiel Personen, die sich auf ein Referendariat in Berlin beworben hatten, eine Wartezeit von bis zu 28 Monaten.3 Es stellt sich die Frage, wie Absolventen der Ersten Juristischen Prüfung bis zum Beginn des Referendariats kranken- und rentenversicherungsrechtlich zu beurteilen sind. 2. Keine Kranken- und Rentenversicherung in der Zeit zwischen den Ausbildungsabschnitten In der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung unterliegen insbesondere abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht und erwerben aus ihrer Beitragszahlung entsprechende Leistungsansprüche . Darüber hinaus sehen die § 5 SGB V und §§ 1 bis 3 SGB VI die Einbeziehung weiterer schutzbedürftiger Personengruppen wie beispielsweise Bezieher von Sozialleistungen und bestimmte selbständig Tätige oder auch die bereits oben erwähnte Krankenversicherung von Studenten vor. Die Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits danach abzugrenzen, welcher Personenkreis zur Bildung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen.4 Zur Vermeidung von Lücken in der Erwerbsbiographie werden in der gesetzlichen Rentenversicherung neben Pflicht- und freiwilligen Beitragszeiten für bestimmte Sachverhalte auch Anrechnungs - und Berücksichtigungszeiten anerkannt. Dies gilt neben familienpolitischen Erwägungen insbesondere für Zeiten, in denen Versicherte an einer Beitragszahlung aus Gründen gehindert waren, die sie nicht selbst zu vertreten haben. Wegen der fehlenden Beitragszahlung handelt es sich bei den hierauf beruhenden Rentenzahlungen um versicherungsfremde Leistungen als Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge und des Sozialstaatgedankens. Ihre Behandlung als reine Versicherungslücke könnte verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn mit dieser Zeit etwa durch eine berufliche Ausbildung eine Vorleistung für das Rentenversicherungssystem erbracht 3 Vgl. Information des Kammergerichts Berlin auf der Internetseite https://www.berlin.de/gerichte/kammergericht /karriere/rechtsreferendariat/bewerbungsverfahren/wartezeit/, zuletzt abgerufen am 8. Januar 2021. 4 Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Berchtold, 6. Aufl. 2019, SGB V § 5 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 6 wurde.5 Aus diesem Grunde gehören, wie bereits erwähnt, auch Zeiten einer schulischen Ausbildung nach dem 17. Lebensjahr bis zu acht Jahren zu den rentenrechtlichen Zeiten. Die Zeit zwischen Universitätsstudium und Vorbereitungsdienst unterliegt als solche nicht der Sozialversicherung. Aus der Krankenversicherung können nach dem Studium gemäß § 19 Abs. 2 SGB V Leistungen noch längstens für einen Monat in Anspruch genommen werden. Eine rentenrechtliche Zeit ist nicht anzuerkennen, so dass in der Erwerbsbiographie eine Lücke entsteht. Dies hat zum einen Auswirkungen für die Prüfung vorzeitiger Rentenansprüche und Leistungen zur Teilhabe und zum anderen durch die ausbleibende Beitragsleistung auf die Rentenhöhe. Ein weitergehender Schutz in der Kranken- und Rentenversicherung kann unter Umständen nur durch 1. die Aufnahme einer versicherten Erwerbstätigkeit, 2. einer Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit oder 3. die Zahlung von freiwilligen Beiträgen erreicht werden. 3. Möglichkeiten des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Krankenversicherung Durch Aufnahme einer versicherten Erwerbstätigkeit, in erster Linie einer abhängigen Beschäftigung , wäre ein Krankenversicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr.1 SGB V gegeben. Alternativ kann der Krankenversicherungsschutz durch eine Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit gewährleistet werden. Bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld, nur denkbar durch eine das Studium mindestens ein Jahr unterbrechende versicherte Beschäftigung, bestünde Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Im Regelfall dürfte die Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld aus der Arbeitslosenversicherung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) jedoch nicht erfüllt sein, so dass unter Umständen lediglich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorliegen kann. Hier wäre der Krankenversicherungsschutz durch die Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V gegeben . Ist wegen fehlender Bedürftigkeit kein Arbeitslosengeld II zu leisten, werden Betroffene durch mehrere Auffangregelungen gegen Gesundheitsrisiken geschützt. So setzt sich die Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, gemäß § 188 Abs. 4 SGB V grundsätzlich als freiwillige Mitgliedschaft fort. Ferner werden private Versicherungsunternehmen durch § 152 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in Verbindung mit § 193 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet, nicht krankenversicherten Personen unbeachtlich etwaiger Vorerkrankungen einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe jeweils den Leistungen der 5 KassKomm/Gürtner, 111. EL September 2020, SGB VI § 58 Rn. 1, 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/21 Seite 7 gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sind. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, unterliegen zudem grundsätzlich der Krankenversicherungspflicht gemäß § 5 Nr. 13 SGB V. 4. Möglichkeiten des Erwerbs von Rentenanwartschaften Eine versicherte Erwerbstätigkeit unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 1 Nr. 1 SGB VI. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung besteht diese auch bereits für geringfügige Beschäftigungen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt unter 450 Euro. Zeiten, für die Pflichtbeiträge gezahlt werden, sind entsprechend der Beitragshöhe rentensteigernd zu berücksichtigen. Soweit für bestimmte selbständige Tätigkeiten nicht bereits Versicherungspflicht kraft Gesetzes gemäß § 2 SGB VI besteht, kann die Versicherungspflicht für Selbständige gemäß § 4 Abs. 2 SGB VI beantragt werden. Die Meldung als arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit dürfte regelmäßig kaum Auswirkungen für die Rentenhöhe haben. Der Bezug von Arbeitslosengeld, der eine das Studium mindestens ein Jahr unterbrechende vorherige versicherte Beschäftigung voraussetzt, könnte gemäß § 3 Nr. 3 SGB VI nur aufgrund einer Versicherungspflicht als Beitragszeit berücksichtigt werden, wenn im letzten Jahr zuletzt Versicherungspflicht bestanden hatte oder die Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI beantragt wird. Dies kommt lediglich in Einzelfällen in Betracht. Wird stattdessen Arbeitslosengeld II bezogen liegt eine Anrechnungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI vor, welche vor allem Lücken in der Erwerbsbiographie für die Anspruchsprüfung schließen soll, jedoch für die Rentenberechnung selbst nicht zu bewerten ist. Wird wegen fehlender Bedürftigkeit kein Arbeitslosengeld II geleistet, liegt keine rentenrechtliche Zeit vor. Personen, die nicht versicherungspflichtig sind, können gemäß § 7 SGB VI freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen und damit entsprechende Rentenanwartschaften erwerben . 5. Fazit Die Absicherung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung zielt zuvörderst auf abhängig Beschäftigte und bestimmte selbständig Tätige. Allein die Wartezeit auf einen Referendariatsplatz erfüllt für sich genommen nicht das Kriterium der Schutzbedürftigkeit. Gegen gesundheitliche Risiken bestehen im System der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung bereits ausreichend Möglichkeiten der Absicherung. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung können durch die Zahlung von freiwilligen Beiträgen in der Zeit zwischen dem Studium der Rechtswissenschaften und dem Beginn des Vorbereitungsdienstes Rentenanwartschaften erworben werden , soweit nicht beabsichtigt ist, eine versicherte Beschäftigung auszuüben. ***