© 2016 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 001/16 Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz Zuarbeit für WD 3 – 001/16 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 2 Arbeitsgelegenheiten nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz Zuarbeit für WD 3 – 001/16 Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 001/16 Abschluss der Arbeit: 6. Januar 2016 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 4 2. Gesetzesbegründung für Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 4 1. Arbeitsgelegenheiten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)1 sieht vor, dass in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes (AsylG)2 und in vergleichbaren Einrichtungen Arbeitsgelegenheiten insbesondere zur Aufrechterhaltung und Betreibung der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden . Davon unberührt bleibt die Verpflichtung der Leistungsberechtigten, Tätigkeiten zur Selbstversorgung zu erledigen. Zudem sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, sofern die zu leistende Arbeit sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden würde (§ 5 Abs. 1 AsylbLG). Für die zu leistende Arbeit sowohl in einer Einrichtung, als auch bei den öffentlichen Trägern wird eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro je Stunde gezahlt (§ 5 Abs. 2 AsylbLG) und die Arbeitsgelegenheit ist zeitlich und räumlich so auszugestalten, dass sie auf zumutbare Weise und zumindest stundenweise ausgeübt werden kann (§ 5 Abs. 3 AsylbLG). Die Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit ist verpflichtend für Leistungsberechtigte , die nicht erwerbstätig und nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind. Bei einer unbegründeten Ablehnung einer solchen Tätigkeit besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 Abs. 4 AsylbLG). Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung werden nicht begründet. § 61 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) sowie ausländer- und asylrechtliche Auflagen über das Verbot und die Beschränkung einer Erwerbstätigkeit stehen einer Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nicht entgegen . Die Vorschriften über den Arbeitsschutz sowie die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung finden entsprechende Anwendung (§ 5 Abs. 5 AsylbLG). Nach Hohm soll mit den Arbeitsgelegenheiten Leistungsberechtigten für die Zeit ihres vorübergehenden Aufenthaltes ermöglicht werden, in beschränktem Umfang ihre Lebenssituation selbst gestalten und finanziell verbessern zu können. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei nicht beabsichtigt.3 Die Arbeitsgelegenheiten können in Aufnahmeeinrichtungen, in Außenstellen von Aufnahmeeinrichtungen und in Gemeinschaftsunterkünften zur Verfügung gestellt werden. In letztgenannten Einrichtungen jedoch nur, wenn sie hinsichtlich ihrer Größe und sonstigen Beschaffenheit sowie 1 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I. S. 2022), das durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) geändert worden ist. 2 Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist. 3 Hohm in: Schellhorn-Hohm-Scheider, Kommentar zum SGB XII, 19. Auflage 2015, § 5 AsylbLG Rn 1. So auch Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 5 AsylbLG Rn 12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 5 ihrer inneren Organisation (Gewährung von Sachleistungen) den Aufnahmeeinrichtungen entsprechen . Die Bereitstellungsverpflichtung gilt zudem für staatliche, kommunale und gemeinnützige Träger . Sie wird begrenzt durch den Vorbehalt des Möglichen und durch das Erfordernis der Zusätzlichkeit . Damit wird etwa die Verpflichtung zu Reinigungsarbeiten in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen ausgeschlossen, weil hierfür bezahlte Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Als Tätigkeiten im Sinne des Asylbewerberleistungsgesetzes kommen zum Beispiel jahreszeitlich nicht zwingend notwendige Reinigungsarbeiten in Grünanlagen, Schulen etc. in Frage.4 Nach Wahrendorf wird die Vorschrift in der Praxis kaum angewandt, da der bürokratische Aufwand den meisten Leistungsträgern zu groß sei. Der Gesetzgeber hingegen habe der Regelung große Bedeutung beigemessen.5 2. Gesetzesbegründung für Arbeitsgelegenheiten nach § 5 AsylbLG Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz, das am 1. November 1993 in Kraft getreten ist, wurde erstmals für Asylbewerber und andere vergleichbare ausländische Staatsangehörige ohne verfestigtes Bleiberecht eine eigenständige einfachgesetzliche Grundlage zur Sicherung des Mindestunterhalts geschaffen.6 Ziel war eine deutliche Absenkung der bis dahin zu gewährenden Leistungen für Asylbewerber nach § 120 des damaligen Bundessozialhilfegesetzes.7 Die Leistungen zur Sicherung des sozio-ökonomischen Existenzminimums werden im Gesetz näher beschrieben. Dazu gehören Grundleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs an Ernährung , Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (§ 3 AsylbLG) sowie Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt (§ 4 AsylbLG) und sonstige Leistungen (§ 6 AsylbLG).8 Die Festlegung des leistungsberechtigten Personenkreises in §§ 1 Abs. 1 Nr. 1-7 und 3 Abs. 1 Satz 6 AsylbLG folgt ausländer- und asylrechtlichen Vorschriften.9 Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundes- 4 Hohm in: Schellhorn-Hohm-Scheider, § 5 AsylbLG Rn 6-7; vgl. Fn 3. 5 Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 5. Auflage 2014, § 5 AsylbLG Rn 1. Vgl. auch BT-Drs. 12/4451 vom 2. März 1993, Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber , S. 9ff sowie BT-Drs. 12/5008 vom 24. Mai 1993, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie und Senioren, S. 14ff. 6 Hohm in: Schellhorn-Hohm-Scheider, Vor § 1 AsylbLG Rn 1, 6; vgl. Fn 3. 7 BT-Drs. 12/5008 vom 24. Mai 1993, S. 1; vgl. Fn 5. 8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2014), Übersicht über das Sozialrecht, 11. Auflage 2014 (Rechtsstand: 1. Januar 2014), Bonn: Bildung und Wissen, S. 1080 ff. 9 Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, § 1 AsylbLG Rn 8; vgl. Fn 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 6 gebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben , höhere und umfangreichere „Analogleistungen“ entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII)10. Die Vorschrift über Arbeitsgelegenheiten im Asylbewerberleistungsgesetz (§ 5 AsylbLG) wurde den entsprechenden Vorschriften im damaligen Bundessozialhilfegesetz (§§ 18-20, 25 BSHG) nachgebildet.11 Auch nach dem heutigen SGB XII kann die Sozialhilfe gemindert werden, wenn Leistungsberechtigte die Aufnahme einer Tätigkeit oder die Teilnahme an einer erforderlichen Vorbereitung entgegen ihrer Verpflichtung ablehnen (§ 39a Abs. 1 SGB XII). Nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)12 verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie eine zumutbare Arbeitsgelegenheit ohne wichtigen Grund ablehnen (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II iVm § 16d SGB II). Auch in einem solchen Fall kann die Leistung gemindert werden.13 Nach der Begründung des Entwurfs für das Asylbewerberleistungsgesetz dienen Arbeitsgelegenheiten in Aufnahmeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen dazu, das in § 3 Abs. 1 AsylbLG verankerte Sachleistungsprinzip im Sinne einer vermehrten selbstversorgenden Tätigkeit zu ergänzen. Daher ist für Arbeitsgelegenheiten in solchen Einrichtungen auch nicht vorgeschrieben , dass sie gemeinnütziger und zusätzlicher Art sind.14 Insbesondere die Arbeitsgelegenheiten in Einrichtungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG dienen zudem der Reduzierung von Kosten , die durch reguläre Arbeitskräfte beim Betrieb der Einrichtung entstehen würden.15 Die Norm wurde im parlamentarischen Verfahren um staatliche Träger (neben kommunalen und gemeinnützigen Trägern), die Arbeitsgelegenheiten zur Verfügung stellen, erweitert. Auf diese Weise soll möglichst vielen Leistungsberechtigten, die keine Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit haben , eine Gelegenheit zur Arbeit geboten werden.16 10 Das Zwölfte Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133) geändert worden ist. 11 Frerichs in: Schlegel/Voelzke, § 5 AsylbLG Rn 5; vgl. Fn 3. 12 Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das durch Artikel 5 des Gesetzes vom 24. Juni 2015 (BGBl. I S. 974) geändert worden ist. 13 Frerichs in: Schlegel/Voelzke, § 5 AsylbLG Rnn 6-8; vgl. Fn 3. Vgl. auch Knickrehm/Hahn in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Auflage 2015, § 31 SGB XII Rn 14, § 16d SGB II, Rn 2. 14 BT-Drs. 12/4451 vom 2. März 1993, S. 9; vgl. Fn 5. 15 Frerichs in: Voelzke/Schlegel, § 5 AsylbLG Rn 19; vgl. Fn 3. 16 BT-Drs. 12/5008 vom 24. Mai 1993, S. 16; vgl. Fn 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 001/16 Seite 7 Die systematische Verortung der Vorschrift über Arbeitsgelegenheiten zwischen den Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt (§ 4 AsylbLG) und den sonstigen Leistungen (§ 6 AsylbLG) ist nach Frerichs Ausdruck dafür, dass die Arbeitsgelegenheit nicht nur als Verpflichtung , sondern auch als Leistung bzw. Möglichkeit zu verstehen ist, sich zu betätigen und die gegenwärtige Situation in begrenztem Maße zu gestalten und finanziell zu verbessern. Daneben stellt die Erledigung von Arbeiten in bestimmten Einrichtungen und bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern aber auch eine „Gegenleistung“ für staatliche Leistungen dar.17 Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten vor Aufnahme der Arbeitsgelegenheit einen Heranziehungsbescheid, mit dem die Tätigkeit hinsichtlich Art, Dauer und Umfang hinreichend klar bestimmt und die Höhe der Aufwandsentschädigung angegeben wird. Diese Bescheide müssen auch die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über die Folgen der Ablehnung von Arbeitsgelegenheiten enthalten. Gegen den Heranziehungsbescheid kann der Leistungsberechtigte gemäß §§ 83,84 Sozialgerichtsgesetz (SGG)18 Widerspruch einlegen.19 Ende der Bearbeitung 17 Frerichs in: Schlegel/Voelzke, § 5 AsylbLG Rnn 11,19; vgl. Fn 3. 18 Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 15. April 2015 (BGBl. I S. 583) geändert worden ist. 19 Hohm in: Schellhorn-Hohm-Scheider, § 5 AsylbLG Rnn 27-28; vgl. Fn 3.