Deutscher Bundestag Finanzierung des ÖPNV in Deutschland und in einzelnen europäischen Staaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000- 220/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 2 Finanzierung des ÖPNV in Deutschland und in einzelnen europäischen Staaten Verfasserin: Aktenzeichen: WD 5 – 3000- 220/11 Abschluss der Arbeit: 13. Februar 2012 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Einleitung 5 3. Vorgaben des Gemeinschaftsrechts 5 4. Finanzierung des ÖPNV in Deutschland 6 5. Finanzierung des ÖPNV in einzelnen europäischen Staaten 11 5.1. Dänemark 12 5.1.1. Organisationsstrukturen 12 5.1.2. Gesetzgebung und Finanzierung 13 5.2. Frankreich 13 5.2.1. Organisationsstrukturen 13 5.2.2. Gesetzgebung und Finanzierung 14 5.2.3. Versement Transport (VT) 15 5.2.3.1. VT in der Schweiz (2010) 17 5.2.3.2. VT in Deutschland (1996) 17 5.3. Großbritannien 18 5.3.1. Organisationsstrukturen 18 5.3.2. Gesetzgebung und Finanzierung 19 5.4. Österreich 20 5.4.1. Organisationsstrukturen 20 5.4.2. Gesetzgebung und Finanzierung 21 5.5. Niederlande 22 5.5.1. Organisationsstrukturen 22 5.5.2. Gesetzgebung und Finanzierung 23 5.6. Schweden 24 5.6.1. Organisationsstrukturen 24 5.6.2. Gesetzgebung und Finanzierung 25 5.7. Schweiz 28 5.7.1. Organisationsstrukturen 29 5.7.2. Gesetzgebung und Finanzierung 29 5.8. Überblick über Marktmodelle einzelner Länder 32 5.9. Finanzierung des ÖPNV in einzelnen Metropolen 33 6. Innovative Finanzierung 34 6.1. Sponsoring bzw. Public Private Partnership (PPP) 34 6.2. Kostenloser ÖPNV 36 6.3. Good-Practice-Beispiele für den ländlichen Raum 36 7. Quellen 38 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 4 1. Zusammenfassung Die Verordnung (EG) Nr.1370/2007 vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates ist seit Dezember 2009 für alle hier behandelten EU-Staaten – mit Ausnahme der Schweiz – geltendes Recht. Sie liefert die aktuelle gemeinschaftsrechtliche Vorgabe für den öffentlichen Personenverkehr und hat u. a. das Ziel, die Finanzflüsse transparent zu machen und einen „regulierten Wettbewerb“ im Dienstleistungsbereich des öffentlichen Personenverkehrs einzuführen. Eine Anpassung der britischen Gesetzgebung an die VO (EG) Nr.1370/2007 ist nicht notwendig, da der Markt hier bereits liberalisiert ist. Die skandinavischen Länder kommen diesem Wettbewerbsmodell bereits sehr nahe. Auch Frankreich und die Niederlande befinden sich auf dem Weg des kontrollierten Wettbewerbs. Der ÖPNV ist in allen hier beschriebenen Ländern zuschussbedürftig und wird sowohl aus öffentlichen als auch privaten Geldern finanziert. In allen Ländern wird nach innovativen Finanzierungsmöglichkeiten für den öffentlichen Verkehr gefahndet. Inwieweit Kommunen eigene Handlungsspielräume für die Finanzierung des öffentlichen Personenverkehr haben, hängt u. a. von den Verwaltungsstrukturen der einzelnen Länder ab. Für Deutschland wird eine stärkere Einbindung der kommunalen Aufgabenträger immer wieder angemahnt . Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Zuständigkeiten bei der Verteilung öffentlicher Gelder in den einzelnen Ländern: Dänemark: Der Ausgleich finanzieller Defizite im örtlichen öffentlichen Verkehr (ÖV) erfolgt durch die Städte. Frankreich: Die Finanzierung des Stadtverkehrs und die Verwendung der Einnahmen obliegt den „organisierenden Behörden“ der Städte und Gemeinden. Großbritannien: Die Aufsicht über die Verteilung öffentlicher Mittel führen beim zweistufigen Verwaltungsmodell Oberbehörden. Österreich: Die Landes- und Gemeinderegierungen verteilen das Geld für den öV. Niederlande: Sonderzuwendungen des Bundes werden zwischen den 19 Verkehrsbehörden aufgeteilt . Schweden: Die Finanzierung erfolgt durch die örtlichen Behörden und den County Council in der jeweiligen Provinz. Schweiz: Die Gemeinden sind für die Finanzierung des öV zuständig. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 5 2. Einleitung Dargestellt werden die aktuellen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts für den öffentlichen Personenverkehr , die nationalen rechtlichen Vorgaben sowie Finanzierungsgrundlagen in Deutschland, den EU-Ländern Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Schweden - sowie in der Schweiz. Besonders berücksichtigt wurden eigene Handlungsspielräume für die Finanzierung des ÖPNV und Finanzierungsmodelle, wie der Versement Transport in Frankreich. 3. Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Die Verordnung (EG) Nr.1370/2007 vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates 1 ist seit dem 3. Dezember 2009 in allen EU-Mitgliedsländern in Kraft. Es ist das Ziel der Verordnung (EG) Nr.1370/2007, dass Leistungsbeziehungen im öffentlichen Personenverkehr2 transparent dargestellt werden müssen, und zwar so, dass jede zuständige Behörde jährlich einen Gesamtbericht - unterschieden nach Busverkehr und schienengebundenem Verkehr - öffentlich zugänglich macht, der eine Kontrolle und Beurteilung der Leistungen, der Qualität und der Finanzierung des öffentlichen Verkehrsnetzes ermöglicht (Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr.1370/2007). Zudem beinhaltet die VO eine Liberalisierung der Märkte, das bedeutet grundsätzlich, dass zukünftig Leistungen europaweit ausgeschrieben werden, um einen „regulierten Wettbewerb“ zu ermöglichen. Das Inkrafttreten der Verordnung erfordert in Deutschland eine Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG), des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) und des Regionalisierungsgesetzes (RegG).3 Für die Vergabe von Aufträgen für den öffentlichen Verkehr auf Schiene und Straße nach Maßgabe der Verordnung ist ein Übergangszeitraum bis zum 3. Dezember 2019 vorgesehen (gem. Art. 8 Abs. 2 VO (EG) Nr.1370/2007).4 Die folgende Tabelle aus dem Abschlussbericht des OECD Zukunftprojekts “Global Infrastructure Needs: Prospects and Implications for Public and Private Actors” aus dem Jahr 2007 gibt einen Überblick über deregulierte Märkte und Märkte des öffentlichen Personennahverkehrs, die sich bereits in Richtung Wettbewerb entwickeln. Die Tabelle zeigt, wie viel Anpassungsbedarf an die Vorgaben der VO (EG) Nr.1370/2007 im städtischen öffentlichen Personenverkehr (UPT) der un- 1 ABl. 2007 L 315 S. 1. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:315:0001:0013:DE:PDF 2 § 2 Abs. a VO (EG) Nr.1370/2007 definiert den "öffentlichen Personenverkehr" als Personenbeförderungsleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die für die Allgemeinheit diskriminierungsfrei und fortlaufend erbracht werden. ABl. 2007 L 315 S. 1. http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:315:0001:0013:DE:PDF 3 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungs- und mautrechtlicher Vorschriften der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der SPD auf BT-Drs. 17/7046 (Stand 5.2.2012: Ausschussüberweisung ). Entwurf eines Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften der Bundesregierung auf BT– Drs. 17/8233 (Stand 5.2.2012: Ausschussüberweisung). 4 http://www.juris.de/jportal/portal/t/29l7/page/jurisw.psml?doc.hl=1&doc.id=SBLU000770411%3Ajurislit 02&documentnumber=6&numberofresults=63&showdoccase=1&doc.part=S¶mfromHL=true#focuspoint Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 6 tersuchten Länder noch besteht. Als komplett liberalisiert wird Großbritannien beschrieben. Die skandinavischen Länder, die Niederlande und Frankreich, die sich auf dem Weg zum Vergabeverfahren („transition towards tendering“) befinden, sind hier allerdings unterschiedlich weit. In Deutschland, Italien, Portugal, Belgien, Luxemburg und Österreich herrsche noch eine Mischung aus öffentlichem/privatem Regime ohne Ausschreibung: Quelle: Crozet, Yves (2007). „Strategic Issues for the Future Funding and Operation of Urban Public Transport Systems“. OECD.5 (UPT=Urban Public Transport). 4. Finanzierung des ÖPNV in Deutschland Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) 6 in Deutschland besteht aus dem straßengebundenen öffentlichen Nahverkehr (Bus, Straßenbahn, U-Bahn) und dem Schienenpersonennahverkehr auf Eisenbahnen (S-Bahnen, die zur Eisenbahn gezählt werden) und dem Eisenbahnregionalverkehr . Aufgabenträger des straßengebundenen öffentlichen Nahverkehrs (ÖSPV) sind Städte, Gemeinden und Landkreise. Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs auf Eisenbahnen (SPNV) sind die Bundesländer, siehe nachfolgende Abbildung: 5 http://www.oecd.org/dataoecd/61/27/40953164.pdf, S. 442. 6 In Deutschland wird ÖPNV gem. § 2 RegG definiert als „die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.“ BGBl I 1993 S. 2378, Zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 12.12.2007 I 2871. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/regg/gesamt.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 7 Quelle: VCD7. (BOStrab=Betriebsordnung für Straßenbahnen8; EBO=Eisenbahnbetriebsordnung9) Der Straßenpersonennahverkehr bildet den größten Teil des ÖPNV. In einigen Bundesländern gehört auch die Beförderung auf dem Wasser zum ÖPNV. Die Finanzierung des ÖPNV auf Schiene und Straße ist immer noch äußerst intransparent, zudem wird bei der Finanzierung zwischen straßengebundenem öffentlichem Verkehr und schienengebundenem Personennahverkehr auf Eisenbahnen unterschieden und auf unterschiedliche Fördermittel zurückgegriffen. Die folgende Abbildung ist sehr stark vereinfacht: 7 http://www.vcd-bayern.de/texte/2007-03-24-Finanzierung_des_OePNV.pdf 8 http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/strabbo_1987/gesamt.pdf 9 http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/ebo/gesamt.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 8 Quelle: VCD. 10 FG=Fahrgeld. Neben der Nutzerfinanzierung durch das Fahrgeld, stehen zur Sicherstellung des ÖPNV Mittel aus verschiedenen Finanzierungsquellen mit unterschiedlichen Laufzeiten zur Verfügung: Gem. Artikel 106a Grundgesetz11 steht den Ländern ein Beitrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs zu. So stellt der Bund u. a. auf Grundlage des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetzes - RegG)12 Finanzmittel für den ÖPNV zur Verfügung. § 5 RegG legt die Höhe des Betrags an die Länder aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes fest. Die Finanzleistung des Bundes in Höhe von 6.675 Millionen Euro im Jahr 2008 steigt seitdem jährlich um 1,5%. Mit diesen Finanzmitteln ist gemäß § 6 Abs. 1 RegG insbesondere der Schienenpersonennahverkehr zu finanzieren.13 10 http://www.vcd-bayern.de/texte/2007-03-24-Finanzierung_des_OePNV.pdf 11 http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_106a.html 12 BGBl I 1993 S. 2378, zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 12.12.2007 I 2871. http://www.gesetze-iminternet .de/bundesrecht/regg/gesamt.pdf 13 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/046/1704674.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 9 Auch den Gemeinden werden auf Grundlage des Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz- GVFG)14 Finanzmittel des Bundes in Form von zweckgebundenen Finanzhilfen für Investitionen zur Verfügung gestellt. Zwar endete aufgrund der Föderalismusreform die Regelung des GVFG zum Ende des Jahres 2006, doch gibt es Übergangsregelungen bis Ende 2019. So erhalten seit dem 1. Januar 2007 die Länder jährlich noch bis zum 31. Dezember 2013 Beträge aus dem Bundeshaushalt in Höhe von insgesamt 1.335,5 Millionen Euro als Kompensationszahlungen (§ 3 Abs. 1 Entflechtungsgesetz15). Hinzu kommen „weitere Zahlungen von 332,6 Millionen Euro jährlich (Übergangsregelung bis 2019) nach Maßgabe des sog. „Bundesprogramms“ gem. § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG).“16 Die Mittel aus dem GVFG-Bundesprogramm können nur für Erstinvestitionen genutzt werden, die „Vorhaltung der Anlagen sowie deren Instandhaltung und Ersatz liegen in der Verantwortung der Länder und Kommunen bzw. der Betreiber “17. Dem ÖPNV stehen zudem Mittel nach dem Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Finanzausgleichsgesetz – FAG)18 sowie Landesmittel für Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr nach § 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG)19 zur Verfügung. Aufgrund des § 45a Personenbeförderungsgesetz haben Bus- und Stadtbahnunternehmen einen Rechtsanspruch auf staatlichen Ausgleich für die preisrabattierte Beförderung von Schülern, Studenten und Auszubildenden im Linienverkehr. Zudem werden Ausgleichsleistungen gem. § 145 SGB IX ff.20 für die Beförderung schwerbehinderter Menschen gezahlt. Nach dem straßengebundenen Nahverkehr befindet sich seit dem 1. Januar 1996 auch der schienengebundene Nahverkehr in der Zuständigkeit der Bundesländer. 15 Bundesländer haben eigene ÖPNV-Gesetze. Diese Gesetze sind von größter Bedeutung für die ÖPNV-Organisation, da sie die Kernelemente der öffentlichen Kofinanzierung enthalten und die Körperschaften bestimmen, die als Aufgabenträger agieren.21 14 BGBl I 1988, 100, zuletzt geändert durch Art. 3 G v. 5.4.2011 I 554; http://www.gesetze-iminternet .de/bundesrecht/gvfg/gesamt.pdf 15 Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsgesetz-EntflechtG); http://www.juris.de/jportal/portal/t/qab/page/jurisw.psml?doc.hl=1&doc.id=BJNR210200006%3Ajurisn 00&documentnumber=1&numberofresults=8&showdoccase=1&doc.part=X¶mfromHL=true#BJNR2102000 06 16 http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/oeffentlicher-personennahverkehr.html 17 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Fraktion der SPD vom 29.04.2011. Zukünftige Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs in Deutschland. BT-Drs. 17/5685, S. 3. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/17/056/1705685.pdf 18 http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/finausglg_2005/gesamt.pdf 19 http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/pbefg/gesamt.pdf 20 http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/BJNR104700001.html#BJNR104700001BJNG002900000 21 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 33. Übersetzt durch Verfasserin . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 10 Im Folgenden eine Übersicht über die wichtigsten öffentlichen Fördermittel des ÖPNV und ihr Anteil am Gesamtbudget: Quelle: Metz, Rainer (2009).22 In der Literatur wird zu Recht das Fehlen von Statistiken über die Finanzflüsse an die Akteure des öffentlichen Nahverkehrs bemängelt.23 Ebenfalls in der Kritik steht die Unübersichtlichkeit der Fördermittel24 und das Vorbeifließen der Finanzströme an den kommunalen Aufgabenträgern 25. So mahnt im Jahr 2010 Matthias Peistrup in seiner Dissertation „Legitimation und Reformpotenziale der ÖPNV-Förderung in Deutschland“, dass die Förderstruktur im öffentlichen Straßenpersonenverkehr(ÖSPV) trotz erster Fortschritte in einigen Bundesländern noch immer 22 Metz, Rainer (2009). GVFG. Aktuelle Lage und Gesamtfinanzierungsbedarf des ÖPNV bis 2025. Fachgespräch mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagsfraktion zur Zukunft des GVFG am 29. Juni 2009 in Berlin. Rechtsanwalt Reiner Metz Geschäftsführer ÖPNV im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.; http://tonihofreiter .de/dateien/Metz_29_06_09.pdf (ANLAGE 1) 23 Vgl. INFRAS, S. 132. 24 Die als ANLAGE 2 beigefügt Übersicht zeigt dies eindrucksvoll. Aus: Bormann, René et al. (2010). Neuordnung der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs. 25 Vgl. INFRAS, S. 132. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 11 sehr komplex und intransparent sei, und dass ein Großteil der finanziellen Mittel an den kommunalen Aufgabenträgern vorbeifließe. Er macht an drei Beispielen26 deutlich, dass die gegenwärtige Förderung zu einem hohen Verwaltungsaufwand führt und die korrekte Mittelverwendung nur schwer zu kontrollieren sei, dass die Gefahr der Überkompensation der Verkehrsunternehmen bestehe sowie Fehlanreize bei der Kundenorientierung geschaffen würden. Die Lösung dieser Probleme sieht er darin, die unterschiedlichen Instrumente zusammenzufassen und nicht den Verkehrsunternehmen direkt, sondern den Aufgabenträgern zu Verfügung zu stellen.27 Dr. Burkhard Huckestein vom Umweltbundesamt thematisiert diese Problematik ebenfalls in seinem Aufsatz „Die Finanzierung des ÖPNV muss reformiert werden“. Er führt aus, dass die vielfältigen , für den ÖPNV verwendeten Budgets des Bundes und der Länder zusammengefasst und als nicht zweckgebundenes "Globalbudget für den straßengebundenen ÖPNV" an die Kommunen als Aufgabenträger verteilt werden sollten, um dadurch den Entscheidungsspielraum der Kommunen deutlich zu erhöhen. Die Zuständigkeit für Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV solle bei den Kommunen gebündelt werden. Die Aufgaben der Genehmigungsbehörden, beispielsweise der Bezirksregierungen oder der Regierungspräsidenten, solle sich künftig lediglich auf die Prüfung der gewerberechtlichen Voraussetzungen beschränken. Huckestein schlägt vor, einen Teil des gebündelten Budgets den Kommunen nach erfolgsorientierten Kriterien zuzuweisen , damit auch unter diesen ein Wettbewerb um das beste Konzept in Gang gesetzt und Anreize für ein kundenorientiertes, attraktives Angebot geschaffen würden. Den Ländern solle ermöglicht werden, besonders erfolgreiche Kommunen zusätzlich zu fördern.28 5. Finanzierung des ÖPNV in einzelnen europäischen Staaten Das EU-Projekt PROCEED (Principles of successful high quality public transport operation and development)29 untersuchte im November 2007 im Auftrag der damaligen Generaldirektion für Energie und Verkehr der EU-Kommission u. a. Struktur, Gesetzgebung und Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs in einigen EU-Staaten. Auf diese Informationen wurde für die nachfolgenden Länderbeschreibungen zurückgegriffen. Diese Grundlagen wurden neben weiteren Quellen insbesondere durch die im Mai 2010 erschiene revidierte Ausgabe „Organisation and major players of short-distance public transport“ der International Association of Public Transport (UITP) sowie durch die bereits 2003 im Rahmen des Projekts PORTAL veröffentlichte Arbeit „Richtlinien und Rechtlichen Rahmenbedingungen in der ÖPNV Planungtransport“ ergänzt. 26 Untersucht wurden die Erstattungsverfahren an die Verkehrsunternehmen bei Ausgleichszahlungen für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen, Ausgleichzahlungen für preisreduzierte Beförderung im Ausbildungsverkehr und bei der ÖSPV-Fahrzeugförderung. 27 Peistrup, Matthias (2010). S. 182f. 28 http://www.fluesse-verbinden.net/download/huckestein_reform.pdf; Huckestein verweist auf das ausführlichere Diskussionspapier „Konzeption zur Finanzierung eines umweltverträglichen öffentlichen Personennahverkehrs “(2003). http://www.umweltdaten.de/daten/nahverkehr.pdf, siehe auch unter http://www.kas.de/upload/kommunalpolitik/veroeffentlichungen/boelke.pdf 29 PROCEED lief von 2006 bis 2009 und wurde von der EU-Kommission im Rahmen des sechsten Forschungsrahmenprogramms kofinanziert, http://www.fgm.at/proceed/Docs/PROCEED_Guidelines_EN.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 12 PROCEED weist darauf hin, dass objektive Vergleiche der öffentlichen Finanzierung des ÖPNV nur schwer möglich seien, da die zugrunde liegenden Kalkulationen einfach zu verschieden seinen . Einige Städte gewährten Zuschüsse für den ÖPNV, in anderen Städten würden zwar Zuschüsse gewährt, diese aber nicht als solche bezeichnet.30 5.1. Dänemark 5.1.1. Organisationsstrukturen In Dänemark ist der öffentliche Personenverkehr dezentralisiert und in 6 regionalen Transportbehörden („Regional Transport Authorities“ - RTA) organisiert. Diese Behörden sind auf der strategischen Ebene (Planung, Ausschreibung, Steuern, Informationen etc.) für den regionalen und lokalen öffentlichen Verkehr zuständig. Die RTA verfügen über keine eigenen Busse, sondern private Busunternehmen führen auf Grundlage eines kostenorientierten Vertrags den Betrieb durch. Den RTA gehören alle Routenlizenzen, während die Busunternehmer lediglich einen Vertrag über den befristeten Betrieb von 4 - 6 Jahren abschließen. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen Transportbehörden und Betreibern. Private Betreiber, die anhand von wettbewerbsrechtlichen EU-Ausschreibungen berufen wurden, sind auf der taktischen und operativen Ebene für den öffentlichen Personenverkehr verantwortlich. Sie sind befähigt, ihre Leistungen nach ihren eigenen Vorstellungen zu organisieren, obgleich sie die Leitlinien der Transportbehörden beachten müssen, die auf der strategischen Ebene zur Erfüllung des öffentlichen Verkehrs bestimmt wurden. Die RTA sind für das gesamte Marketing verantwortlich.31 Für Lokalbahnen sind seit 1999 die Kreisverwaltungen zuständig. Die restlichen Schienen liegen in der Verantwortung der Betreibergesellschaft (DSB, der früheren dänischen Staatsbahn) und der Schienengesellschaft (Banestyrelsen), die beide im Besitz des Verkehrsministeriums sind. 32 Seit 2002 werden alle Busdienstleistungen ausgeschrieben. In der Regel werden für Busdienstleistungen Bruttokostenverträge33 verwendet, d. h. das kommerzielle Risiko liegt beim Aufgabenträger , so haben „alle öffentlichen Verkehrsbehörden den Beschluss gefasst, durch die Verwendung von Bruttokostenverträgen das Einnahmenrisiko zu übernehmen.“ 34 30 http://www.fgm.at/proceed/index.phtml?Lang=DE&tid=8&id=82, siehe weiter unter: Kritische Punkte 31 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Denmark.pdf, Übersetzt von Verfasserin. 32 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Denmark.pdf, Gekürzt und übersetzt von Verfasserin. 33 Bruttokostenverträge: Der Betreiber ist verpflichtet, eine vereinbarte Menge von Verkehrsleistungen zur Verfügung zu stellen. Die Entschädigung wird an den Betreiber gezahlt, während alle Ticketeinnahmen an die Behörden gehen. Nettokostenverträge: Der Unternehmer erhält einen (eher kleinen) feststehenden Betrag von der Behörde für die Dienstleistung, aber er erhält das Recht das Geld aus den Ticketverkäufen einzubehalten. Weitere Informationen zu den Vertragsarten und ihrer Problematik finden sich unter http://othes.univie.ac.at/1255/1/2008-09-10_0301173.pdf 34 http://www.eu-portal.net/material/downloadarea/kt1b_wm_de.pdf, S. 58; UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 13 Der Bahnbetreiber DSB arbeite, so heißt es in der aktuellen Fassung von UITP aus dem Jahr 2010, mit Nettokostenverträgen.35 Von 1974 bis 2006 wurde der ÖPNV im Großraum Kopenhagen noch durch ein Sondergesetz reguliert, dies wurde mit der Strukturreform im öffentlichen Bereich im Jahr 2007 aufgehoben. Gleichzeitig wurden die Gemeinden von 278 auf 99 reduziert und es wurden fünf neue Regionen 37 gegründet.38 5.1.2. Gesetzgebung und Finanzierung Das wichtigste Gesetz hinsichtlich des öffentlichen Personenverkehrs ist das Personenbeförderungsgesetz aus dem Jahr 2005 ("Lov om Kollektiv Trafik, 2005"). Das Gesetz beschreibt die Vorschriften des lokalen und regionalen öffentlichen Personenverkehrs, einschließlich der lokalen Eisenbahnen. Die Wahl des Vorstandes der Transportbehörden, auch das Organisations- und das Finanzierungsmodell sind hier geregelt. Für jede Verkehrsart (Straßenbahn, Bus etc.) gibt es eigene gesetzliche Regelungen. Die Städte bestimmen eigenständig die Serviceebene des örtlichen Busverkehrs und müssen finanzielle Defizite in diesem Teil des Netzes ausgleichen. Die Regionen bestimmen die Serviceebene des regionalen Busverkehrs und der lokalen Eisenbahnen und müssen finanzielle Defizite in diesem Teil des Netzes ausgleichen.39 5.2. Frankreich 5.2.1. Organisationsstrukturen In Frankreich sind die Zuständigkeiten für den Regional-und Stadtverkehr dezentralisiert, dennoch hat die Zentralregierung bis zum Jahr 2003 viel in neue Straßenbahninfrastrukturen investiert . Die Kompetenzen für den regionalen und den ländlichen Verkehr fallen in den Bereich der Departements. Der Stadtverkehr fällt entweder in die Zuständigkeit der Gemeinden oder eines Gemeindeverbandes ("Communauté de Communes"), eines beauftragten Gemeindeverbandes ("syndicat inter- 35 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 21. 36 37 Für die Region Süd-Dänemark sind zwei Transportbehörden zuständig. UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 21. 38 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 21. 39 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Denmark.pdf, Gekürzt und übersetzt von Verfasserin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 14 communal à vocation multiple" (SIVOM) oder "... à vocation unique" (SIVU)“) oder bei größeren Städten in die Zuständigkeit einer Behörde, die die Gemeinden einer städtischen Region vertritt: "Communauté Urbaine" oder "Communauté d'Agglomeration". All diese Organisationsarten werden als "organisierende Behörden" („Authorités Organisatrices des Transports Urbains“) bezeichnet . Der Eisenbahnverkehr liegt in der Zuständigkeit der SNCF40 („Société Nationale des Chemins de fer français“) und wird zum Teil an die Regionen delegiert. Im Jahr 2005 wurden bereits 72% des französischen öffentlichen Stadtverkehrs ausgeschrieben (gegenüber 66% im Jahr 2004).41 5.2.2. Gesetzgebung und Finanzierung Das Gesetz über die Ausrichtung des Landverkehrs von 1982 („Loi d 'orientation des transports intérieurs – LOTI“) erstellte den Regulierungsrahmen für den Stadtverkehr und für die Zukunft der Mobilität. LOTI initiierte die Dezentralisierung der Kompetenzen des öffentlichen Verkehrs an die örtlichen Behörden. Es beschreibt auch ihre Aufgaben. Die Finanzierung des Stadtverkehrs und die Verwendung der Einnahmen (Fahrgeld, Steuern, etc.) wird daher der Initiative der lokalen Behörden überlassen. Das Gesetz "Sapin" (1993) führte den Wettbewerb im ÖPNV durch die Einführung von Ausschreibungsverpflichtungen ein. 42 Die Finanzierung des ÖPNV (ohne die Ile-de-France, den Großraum Paris) beläuft sich auf 6 Mrd. Euro jährlich (für Betriebs- und Investitionskosten, ohne Kreditaufnahmen). Die Mittel kommen aus verschiedenen Quellen: - Fahrgeld (20%) - Versement Transport (siehe 5.2.3.) (44%) - lokale Besteuerung durch die Gemeinden, ohne Versement Transport (34%) - französischer Staat (2%)43 Diese Prozentzahlen beziehen sich auf das Jahr 2008 und beinhalten nicht den Kauf des Rollmaterials , das direkt von den zuständigen Behörden finanziert wird.44 40 Für weitere Informationen zur SNCF siehe unter http://www.sncf.com/de_DE/html/media/CH0001- Konzern/BR0587-EPIC-LOTI/MD0305_20081024-Artikel-lesen.html 41 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-France.pdf, Gekürzt und übersetzt von Verfasserin . 42 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-France.pdf, Gekürzt und übersetzt von Verfasserin . 43 Der prozentuale Anteil bezieht sich auf das Jahr 2008. 44 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 15 5.2.3. Versement Transport (VT) In Frankreich wird eine Transportabgabe bzw. Verkehrssteuer (Versement Transport45) von Unternehmen mit mehr als neun Mitarbeitern erhoben. Die Abgabe wird für die Finanzierung der öffentlichen Verkehrsmittel, hauptsächlich für die Investitionen und den Betrieb, allerdings wenig für die operativen Kosten verwendet.46 Laut Prof. R. König 47 Im Dezember 2010 erstellte PriceWaterHouseCoopers (PwC)48 im Auftrag des schweizerischen Bundesamts für Verkehr (BAV) eine Analyse, inwieweit die französische Verkehrssteuer, der 45 Die rechtliche Grundlage für die Nahverkehrsabgabe ist im Code général des collectivités territoriales, Section: Versement destiné aux transports en commun festgelegt. http://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do;jsessionid=4473DB1DAF0EC46EF78F3EA432D6BB0E.tpdjo10v_3? cidTexte=LEGITEXT000006070633&dateTexte=20120126 46 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-France.pdf, Gekürzt und übersetzt von Verfasserin . Siehe hierzu auch die „Finanzierung des ÖPNV in Frankreich“ vom März 2010; http://www.slideshare.net/heurekaStiftung/finanzierung-des-pnv-in-frankreich-220310 47 Forschungs-Informations-System des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Stand des Wissens: 13.04.2011, Prof. Dr. –Ing. R. König, http://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/218804/ 48 http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00571/03060/index.html?lang=de, danach weiter zum Bericht Versement Transport. (ANLAGE 3) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 16 Versement Transport, hinsichtlich der prognostizierten Mobilitätszunahme der schweizerischen Bevölkerung, eine Lösung für die Finanzierung von Investitionen im ÖPNV darstellen könnte. 49 PwC analysierte Vor- und Nachteile des VT für Frankreich wie folgt: Vorteile: einfache und kostengünstige Erhebung der Steuer, da die Erhebung an den Lohn anknüpft , der der Sozialversicherungsgesetzgebung unterliegt, nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Regionalverkehrs, große Gestaltungsspielräume der Kommunen und Kommunalverbände bei Investitionen und Betrieb des öffentlichen Verkehrs, schwer messbarer Vorteil für die Arbeitgeber eines durch die Abgabe erweiterten Verkehrsnetzes . Nachteile: Erhöhung der Lohnnebenkosten und Gefahr einer wirtschaftlichen und wettbewerblichen Schwächung, Schaffung von Anreizen für Fehlinvestitionen aufgrund der hohen zweckgebundenen Einnahmen, Finanzierung von über 40% des öffentlichen Regionalverkehrs durch die Arbeitgeber, mit geringerem Nutzen für die Arbeitgeber, mögliche Ungerechtigkeiten aufgrund der Regelungen, dass Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern und Arbeitgeber mit mehr als neun Arbeitnehmern die Steuer zu zahlen haben. (Anstellung eines zehnten Arbeitnehmers wird sorgfältig geprüft und Kommunen unter 10.000 Einwohner haben die Kosten des öffentlichen Verkehrs weitgehend selber zu zahlen.)50 Die nachfolgende Tabelle stellt die unterschiedliche Höhe der VT-Abgaben für die einzelnen Kommunen dar: 49 http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00571/03060/index.html?lang=de, danach weiter zum Bericht. 50 http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00571/03060/index.html?lang=de, danach weiter zum Bericht Versement Transport. S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 17 Quelle: PwC (2010)51. 5.2.3.1. VT in der Schweiz (2010) PwC kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass der VT aus rechtlicher und steuerrechtlicher Sicht für die Schweiz denkbar sei. Dies bedürfe allerdings verfassungsmäßiger und gesetzlicher Grundlagen. PwC weist allerdings weiter darauf hin, dass die Einführung einer neuen Steuer schwierig sei, da es eines politischen Konsenses bedürfe. Nachfolgend werden die Vor- und Nachteile für eine Abgabe nach französischem Vorbild für die Schweiz gelistet. Als Vorteile benennt PwC: erhebliche zweckgebundene wiederkehrende und damit nachhaltige Mehreinnahmen, Beschleunigung des Ausbaus des ÖPNV, an in der Schweiz bereits bestehende Strukturen für den sozialversicherungsrechtlich maßgebenden Lohn könnte angeknüpft werden. Als Nachteile werden genannt: eine zusätzliche Erhöhung der Lohnkosten und die Verteuerung von Produkten, eine Erhöhung der Arbeitnehmerkosten könnte zu einer Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz führen; der Nutzen für die einzelnen zahlenden Unternehmen sei schwer zu bemessen, zudem könne davon ausgegangen werden, dass durch diese Abgabe der Freizeitverkehr durch die Arbeitgeber quersubventioniert würde.52 5.2.3.2. VT in Deutschland (1996) Bereits im Jahr 1996 fragte die Diplom-Ingenieurin Angelika Klein von der damaligen Gesamthochschule Kassel in ihrem Aufsatz „Die französische Nahverkehrsabgabe. Versement Transport – ein Modell für Deutschland?“53 Klein verwies auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zwischen dem deutschen und französischen ÖPNV und führte aus, dass eine einfache Übertra- 51 http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00571/03060/index.html?lang=de, danach weiter zum Bericht Versement Transport. S. 7 52 Ebenda, S. 23f. 53 In: Der Nahverkehr 6/1996 (ANLAGE 4) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 18 gung auf hiesige Verhältnisse, nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen, weder möglich noch sinnvoll sei.54 Ein schwerwiegender Nachteil des VT liege in der Erhöhung der Lohnnebenkosten, deren Ausmaß allerdings überprüft werden müsste.55 Klein empfahl die Einbindung der Finanzierungsreform des ÖPNV in eine allgemeine (ökologisch orientierte) Unternehmenssteuerreform sowie wesentlich weitreichendere Planungs- und Gestaltungskompetenzen für die kommunale Gebietskörperschaften.56 5.3. Großbritannien 5.3.1. Organisationsstrukturen In Großbritannien sind Busleistungen außerhalb von London und Nordirland dereguliert. Das bedeutet, dass jeder Busunternehmer jegliche Dienstleistung anbieten kann, die nicht die Verkehrssicherheit gefährdet. Während die überwiegende Mehrheit der Busse Privatunternehmen gehören, sind in einigen Städten lokale Behörden Eigentümer der Busunternehmen, obgleich diese als eigenständige Unternehmen geführt werden müssen. Geplante Buslinien müssen bei den „Traffic Commissioners“, einer halbstaatlichen Organisation, registriert werden; diese Informationen müssen an die Kommune weitergeleitet werden. Unternehmen haben eine gesetzliche Frist einzuhalten, um ihre Leistungen aufzunehmen, zu ändern oder zurückzuziehen. Die lokalen Behörden entscheiden, welche Dienstleistungen angeboten werden, um die Busstrategie des gesetzlichen 5-Jahres-Nahverkehrsplans von England und Wales oder die Busstrategie von Schottland, die sich dort Local Transport Strategy nennt, inklusive weiterer Kriterien zu erfüllen. Da die Behörden Budgetrestriktionen unterliegen, kaufen sie zusätzliche Verkehrsleistungen nur ein, wenn Privatunternehmen diese nicht anbieten. Dies geschieht in der Regel durch Ausschreibungen. Die lokalen Behörden haben keinen Einfluss auf die Fahrpreise, mit Ausnahme von Leistungen, die sie in der Ausschreibung formulieren, dies können allerdings auch Fahrpreise sein. Es gibt strenge Regelungen des Office of Fair Trading, um wettbewerbswidrige Praktiken zu vermeiden. Dennoch können unter bestimmten strengen Auflagen Busunternehmer gemeinsame Dienste anbieten und gemeinsam Ticketpreise vorgeben. Die lokalen Behörden in England und Wales haben die gesetzliche Verpflichtung, eine Businformationsstrategie (als Teil ihres lokalen Transportplans) zu entwickeln. Das System der Kommunalverwaltungen in Großbritannien außerhalb von London und Nordirland ist entweder ein- oder zweistufig. Das einstufige System gilt in ganz Schottland und Wales und in einigen Teilen Englands außerhalb der großen Ballungsgebiete. Das zweistufige System gilt im übrigen Gebiet, dort sind die Oberbehörden verantwortlich für Transport, Finanzierung und Verkehrsplanung, während die nachgeordneten Behörden für Raumplanung und für Parkraumbewirtschaftung zuständig sind. 54 Ebenda, S. 60. 55 Ebenda, S. 62. 56 Ebenda, S. 62. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 19 Darüber hinaus haben die schottischen und walisischen Landesregierungen die Befugnis der britischen Nationalregierung, die Verkehrsfinanzierung, die allgemeine Verkehrsplanung und die allgemeinen und politischen Rahmenbedingungen für die Kommunen zu lenken. Zudem gibt es ein System der regionalen Verkehrsplanungspartnerschaften in Schottland und Wales, die den Rahmen und die Leitlinien für die Verkehrsplanung in einzelnen Kommunen vorgeben. England hat regionale Raumplanungs- und Verkehrsstrategien. Die zuständigen Ministerien sind das Department for Transport, Department for Communities and Local Government, Scottish Executive, Welsh Assembly Government und das Finanzministerium („HM Treasury“). Letzteres ist höchst relevant bezüglich der Höhe der für den Verkehr verfügbaren Mittel.57 5.3.2. Gesetzgebung und Finanzierung Das wichtigste Gesetz ist der Transport Act 1985, der den britischen Busmarkt deregulierte, privatisierte und den größten Busbetreiber in England und Wales auflöste, die National Bus Company , und der Transport Act 2000, der weitere Qualitätskriterien bezüglich der Verträge, Informationen etc. festlegte. Ein ähnliches Gesetz gilt für Schottland, der Transport Act (Schottland) 2001. Der Transport Act 1985 markierte einen sehr radikalen Einschnitt für die britische Busindustrie, da seitdem alle Dienstleistungen außerhalb von London und Nordirland dem Wettbewerb unterliegen . Dieser Wettbewerb wird durch die bestehenden Wettbewerbsgesetze geregelt, die durch das Office of Fair Trading überwacht werden. 58 Neben Fahrgeldeinnahmen werden öffentliche Gelder für den Busverkehr zur Verfügung gestellt. Die Regierung stellt den lokalen Behörden einen Nominalbetrag für den Verkehr zur Verfügung. Es gibt eine Vielzahl an Finanzierungsunterschieden in ganz Großbritannien. 59 Exemplarisch: Der Großraum London hat sein eigenes Konzept. Hier liegt die Verantwortung bei der Greater London Authority (GLA), die aus dem Bürgermeister und Stadtrat besteht. Die Londoner U-Bahn ist eine der wenigen, die nicht privatisiert ist. Seit 2000 ist die Transport for London (TfL) für Busse, U-Bahn, Taxen etc. in London zuständig, sie steht im Verantwortungsbereich des Bürgermeisters und wird je zur Hälfte durch Fahrgeld und Regierungszuwendungen finanziert .60 57 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-UK.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin . 58 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-UK.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin . 59 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-UK.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin . 60 http://oxrep.oxfordjournals.org/content/25/3/451.full.pdf+html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 20 Nordirland bildet eine Ausnahme, hier ist der gesamte öffentliche Personenverkehr bislang noch öffentliches Eigentum.61 Im Februar 2003 wurde in London das „Congestion Charging“ (CC), die City-Maut, auf Grundlage gesetzlicher Regelungen eingeführt. Die Einnahmen sind für mindestens zehn Jahre zweckgebunden und dienen hauptsächlich der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs.62 Laut OECD63 wurde den Verantwortlichen im Vorfeld zu den Verhandlungen um die VO (EG) 1370/2007 durch das Beispiel Großbritannien deutlich, dass die Liberalisierung und Deregulierung des öffentlichen Personenverkehrs möglich ist, zudem hatten verschiedene Studien gezeigt, dass durch den Wettbewerb Effizienzgewinne erzielt werden konnten. Bis dahin hatte die EU- Kommission den Wettbewerbsgedanken für den öffentlichen Personenverkehr immer verworfen, so gab u. a. Großbritannien den Anstoß für die VO (EG) 1370/2007. Das Umweltbundesamt (UBA) beschreibt im Jahr 2003 die Vor- und Nachteile der Privatisierung. So habe zwar das von Großbritannien verfolgte Modell der vollständigen Deregulierung zu erheblichen Produktivitätssteigerungen, sinkenden Personal- und Betriebskosten geführt, aber auch zu erhöhten Fahrpreisen, einem Rückgang der Fahrgastzahlen und verringerten Beschäftigtenzahlen. In Skandinavien sei der ÖPNV regionalisiert und ein Wettbewerb um den Markt eingeführt worden , was auch dort zu Produktivitätssteigerungen mit Verbesserungen in der Ertragslage geführt habe. Gleichzeitig sei allerdings das Niveau der Leistungen flächendeckend verbessert worden. In allen Ländern seien starke Konzentrationseffekte zu beobachten.64 5.4. Österreich In Österreich legt das Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999 – ÖPNRV-G 1999)65 die organisatorischen und finanziellen Grundlagen für den Betrieb des ÖPNRV fest. Der ÖPNV wird in Österreich als ÖPNRV bezeichnet, als öffentlicher Personennah- und Regionalverkehr.66 5.4.1. Organisationsstrukturen In Österreich ist das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) für die rechtlichen Rahmenbedingungen des öffentlichen Verkehrs zuständig, wie z.B. das Tarifsystem, Qualitätskriterien und den Regelungsrahmen für die Verkehrs-und Tarifverbünde. 61 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 85. 62 Kloas, Jutta; Voigt, Ulrich (2007). Erfolgsfaktoren von City-Maut-Systemen. In: DIW-Wochenbericht. Nr. 9./2007http://www.diw.de/documents/publikationen/73/55793/07-9-2.pdf 63 OECD (2007). S. 444. 64 http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2323.pdf 65 http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/recht/oepnrv1999.pdf 66 Vgl. http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/recht/oepnrv1999.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 21 Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs wird durch das Bundesfinanzministerium bestimmt. Eine weitere staatliche Behörde, die auf Bundesebene beteiligt ist, ist das Bundesgesundheitsministerium . Es ist für die Regulierung und Finanzierung der Schülerbeförderung verantwortlich. Die Planung und Entwicklung von Konzepten für den öffentlichen (Straßen-)Verkehr ist dezentralisiert und fällt in den Bereich der neun österreichischen Bundesländer. Die für den öffentlichen Verkehr auf regionaler Ebene zuständige Abteilung ist das jeweilige Ministerium für Verkehr und Stadtplanung der einzelnen Landesregierungen. Die Landesregierungen haben Organisationen gegründet, die die (Straßen-)Verkehrsplanung und die Konzeptentwicklung im Auftrag der Regierungen übernehmen. Auf lokaler Ebene sind die Gemeinden für die Planung, Organisation und Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs zuständig. Häufig wird die Planung auch von den Verkehrsunternehmen übernommen. In Österreich wird der städtische Nahverkehr in der Regel von Unternehmen organisiert , die sich zu 100% im Besitz der Gemeinden befinden. 67 5.4.2. Gesetzgebung und Finanzierung Das bmvit bezuschusst den ÖPNRV seit dem 1. Januar 2000 mit bis zu 50 Prozent der jährlichen Betriebskosten gem. Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs (Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz 1999: ÖPNRV-G 1999)68. Die Höhe des Zuschusses hängt jedoch vom Haushaltsbudget des Bundes ab.69 Vom bmvit werden für den Betrieb des ÖPNRV Mittel für die folgenden Bereiche zur Verfügung gestellt: „Gemeinwirtschaftliche Leistungen für Schienenverkehrsunternehmen: Zahlungen an die Schienenverkehrsunternehmen für Leistungen, die sonst nicht betriebswirtschaftlich geführt werden könnten. Bestellerförderung (Paragrafen 24 Absatz 2 und 26 Absatz 3 ÖPNRV-G 1999): Zahlungen für die durch regionale Gebietskörperschaften bestellten Verkehrsdienstleistungen , wobei die einzelnen Projekte in Abhängigkeit der budgetären Bedeckung mit bis zu einem Drittel der jährlich anfallenden Kosten bezuschusst werden können. Grund- und Finanzierungsverträge: Primär Zahlungen im Rahmen der Verkehrsverbünde, um den durch die Anwendung des Verbundtarifs entstandenen Einnahmenausfall bei den Verkehrsunternehmen auszugleichen . Schüler- und Lehrlingsfreifahrt: die Hälfte der laufenden Kosten werden im Rahmen der Abrechnung bezahlt. Die restlichen 50 Prozent werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) getragen. Studentenermäßigung: Stützungen für spezielle Studententickets in den Verkehrsverbünden. 67 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Austria.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 68 http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/recht/oepnrv1999.pdf 69 http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/finanzierung/index.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 22 Familienlastenausgleichsfonds: Zahlungen des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) an die Verkehrsunternehmen zur Finanzierung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt (in den Verkehrsverbünden ). Finanzausgleich: Beiträge des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) an die Länder und Gemeinden sowie Mittel aus der Mineralölsteuer für Zwecke des ÖPNRV.“70 Insgesamt wurden im Jahr 2009 vom Bund 1.103 Mio. Euro für die Finanzierung des ÖPNRV in Österreich zur Verfügung gestellt.71 Der lokale und regionale öffentliche Verkehr wird von den Landes-und Gemeinderegierungen finanziert. Allerdings können die Länder und Gemeinden selbst entscheiden, welchen Anteil ihres Gesamtbudgets sie in den öffentlichen Verkehr investieren. Der Bund zahlt einen festen jährlichen Betrag an die Landesregierungen für die Kofinanzierung der Verkehrs- und Tarifverbünde gem. "Finanzausgleichsgesetz". Die Bundesregierung zahlt einen jährlichen Betrag (bezogen auf die Zahl der Einwohner) an die Gemeinderegierungen und die Gemeinden für die Kofinanzierung von regionalen und lokalen öffentlichen Verkehrsmitteln . Die Schülerbeförderung wird von der Bundesregierung finanziert. 72 Der ÖPNRV (Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr ) in Österreich wird als „verhältnismäßig attraktiv und kostengünstig“73 beschrieben. 5.5. Niederlande 5.5.1. Organisationsstrukturen In den Niederlanden ist die Verantwortung für den regionalen und lokalen öffentlichen Verkehr dezentralisiert und auf die zwölf Provinzen und sieben größeren Stadtregionen verteilt. Dies sind die 19 sog. "öffentlichen Verkehrsbehörden“. Die Hauptaufgaben der nationalen Behörde sind die Gesetzgebung und die Aufteilung der öffentlichen Verkehrsmittelsubventionen zur Deckung der Verluste bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben. Die öffentlichen Verkehrsbehörden sind auf der strategischen Ebene (Planung, Ausschreibung etc.) für die regionalen und lokalen öffentlichen Verkehrsmittel verantwortlich. In einigen Fällen haben die Regionen/Provinzen die Verantwortung für den öffentlichen Nahverkehr auf die Städte delegiert. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen öffentlichen Verkehrsbehörden und Betreibern. (Private) Betreiber, unter Ausschreibungsgesichtspunkten ausgesucht, sind für den öffentlichen Verkehr auf der taktischen und ope- 70 http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/finanzierung/bund.html 71 http://www.bmvit.gv.at/verkehr/nahverkehr/finanzierung/bund.html 72 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Austria.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 73 http://www.eu-portal.net/material/downloadarea/kt1b_wm_de.pdf, S. 57. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 23 rativen Ebene verantwortlich. Sie sind befähigt, ihre Dienste nach ihren eigenen Vorstellungen zu organisieren unter Wahrung der Leitlinien, die von Behörden auf der strategischen Ebene zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben gesetzt wurden. Die Ziele der Dezentralisierung und die Einführung des Ausschreibungsverfahrens (Ende der 1990er Jahre) waren zum einen die Verbesserung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs und zum anderen das Erreichen eines höheren Kostendeckungsgrads durch die Verringerung der Subventionierungsrate, von ungefähr zwei Drittel der Gesamtkosten des öffentlichen Transports in der Vergangenheit auf künftige 50%.74 5.5.2. Gesetzgebung und Finanzierung Das wichtigste Gesetz hinsichtlich des öffentlichen Verkehrs ist das Personenbeförderungsgesetz 2000 ("Wet Personenvervoer 2000") und der damit einhergehende Personenbeförderungsbeschluss ("Besluit Personenvervoer“). Sie beinhalten die Vorschriften über den lokalen und regionalen öffentlichen Verkehr, die Aufgaben der beteiligten Organisationen (z.B. der öffentlichen Verkehrsbehörden, der Betreiber und der Kundenorganisationen), öffentliche Aufträge, Beschwerden und Streitverfahren, Anforderungen an die Betreiber, Fahrer und die Ausrüstung. Die lokalen und regionalen öffentlichen Verkehrsleistungen werden aus den folgenden Quellen finanziert: 1. 'Brede Doeluitkering': Die öffentlichen Verkehrsbehörden erhalten eine jährliche Zuwendung von der nationalen Behörde aus dem Bundeshaushalt, der als große Sonderzuwendung („Brede Doeluitkering“)75 bezeichnet wird. Die nationale Behörde teilt diese Mittel zwischen den öffentlichen Verkehrsbehörden nach einem festen Schlüssel auf. Den öffentlichen Verkehrsbehörden steht es bis zu einem gewissen Grad frei, dieses Budget für verschiedene Verkehrs-und Transportdienstleistungen zu nutzen. 2. Fahrgeldeinnahmen aus: • dem Vorverkauf der nationalen öffentlichen Nahverkehrstickets, die danach zwischen den öffentlichen Verkehrsunternehmen aufgeteilt werden. • dem Vorverkauf von besonderen regionalen Tickets oder Stadtbustickets und durch den Ticketverkauf im Bus, die vom Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs direkt erhoben werden. • Ein Teil der Einkünfte stammt aus dem nationalen Vertrag mit dem Bildungsministerium für den Transport von Schülern, der unter den Betreibern nach einem festen Schlüssel verteilt wird. • Umsatzerlöse aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die vom Betreiber ausgeführt werden, wie Transportdienstleistungen für private Organisationen, Beratung und Projektmanagement , Werbung, Taxileistungen etc . 76 74 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Netherlands.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 75 Das Budget aus dem Bundeshaushalt dient u. a. der Finanzierung der regionalen Verkehrsinfrastruktur (für die Erhaltung und für Investitionen für neue Infrastruktur bis zu 225 Mio. Euro) und dem Betrieb des öffentlichen Verkehrs. UITP, S. 55. 76 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Netherlands.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 24 Die meisten Verträge mit den Verkehrsbetreibern sind Nettokostenverträge, die Fahrgeldeinnahmen gehen also an die Betreiber.77 Die Niederlande hatten vor Verabschiedung und ganz im Einklang der VO (EG) 1370/2007 bereits Vergabeverfahren im öffentlichen Personenverkehr, 2007 wurde allerdings nach Verabschiedung der VO (EG) 1370/2007 die Debatte über die Verpflichtung zur Angebotsabgabe wieder ins Parlament getragen. Aus dieser Parlamentsdebatte entwickelte sich ein fundamentaler Politikwechsel . Das Parlament unterstützte für die drei Metropolen Amsterdam, Rotterdam und Den Haag unter bestimmten Bedingungen eine Ausnahmeregelung von der Ausschreibungspflicht. Für alle weiteren Regionen besteht weiterhin die Verpflichtung zur Angebotsabgabe.78 Laut aktuellen Informationen der European Metropolitan Transport Authorities (emta) werden im Jahr 2013 massive Einbußen bei der Finanzierung durch die öffentliche Hand für Amsterdam, Rotterdam und Den Haag erwartet.79 5.6. Schweden 5.6.1. Organisationsstrukturen Seit 1978 liegt die Verantwortung, für den lokalen und regionalen öffentlichen Verkehr mit Bus, Bahn und Schiff sowohl politisch als auch finanziell bei den öffentlichen Verkehrsbehörden in jeder Provinz, d. h. bei den lokalen Behörden und dem County Council. Der County Council und die lokalen Behörden teilen sich die Aufgabe, dadurch werden sowohl die Interessen des lokalen als auch des regionalen öffentlichen Verkehrs wahrgenommen. Dies ermöglicht einheitliche Tarife für alle Dienstleistungsbereiche und eine einheitliche Verkehrsplanung. Die Rolle der Regierung besteht hauptsächlich darin, sicherzustellen, dass grundlegende Bedürfnisse des öV befriedigt werden und gute Bedingungen für die Koordination und Entwicklung des öffentlichen Verkehrs geschaffen werden. Dies geschieht hauptsächlich durch die Gesetzgebung und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Darüber hinaus zahlt die Regierung Zuschüsse für die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs und für Forschung und Entwicklung im Bereich Verkehr. Es wird zudem eine gewisse finanzielle Unterstützung für den Personenverkehr vorbehalten. Unter anderem geschieht dies im öffentlichen Personenverkehr für solche Strecken, wo keine guten Bedingungen für einen kommerziellen Betrieb existieren. Rikstrafiken (The National Public Transport Agency), eine Agentur, die ihre Tätigkeit am 1. Juli 1999 aufnahm, ist für die Vergabeverfahren zuständig.80 77 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 55. Übersetzt durch Verfasserin . 78 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 55. Übersetzt durch Verfasserin . 79 http://www.emta.com/spip.php?article807&lang=en 80 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Sweden.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 25 5.6.2. Gesetzgebung und Finanzierung Überblick über die Reformen des öffentlichen Verkehrs in Schweden: • Verkehrsbehördenreform im Jahr 1978. • Deregulierung des lokalen und regionalen Busverkehrs seit 1. Juli 1989 (Entschließung des Parlaments bereits im Jahr 1985). • 1988er Verkehrspolitikentscheidung. Verkehrsbehörden wurden für den Bahnverkehr in den Provinzen verantwortlich. Regierungsbeitrag zu den operativen Kosten für die folgenden zehn Jahren. • Im Jahr 1989 übernahmen die öffentlichen Verkehrsbehörden die Zuständigkeit für den gesamten lokalen und regionalen Linienverkehr, d. h. die öffentlichen Verkehrsmittel mit Bus, Bahn und Schiff (Gesetz 1987/88: 78). • 1997: Neue Gesetze über den Transport von Menschen mit Behinderungen und zur nationalen Mobilität machten es für die Verkehrsbehörden möglich, diese Leistungen mit jenen im öffentlichen Personenverkehr zu koordinieren. Die Regierung beteiligt sich nicht an den Betriebskosten der lokalen oder regionalen öffentlichen Verkehrsmitteln, stattdessen erfolgt die Finanzierung durch die örtlichen Behörden und den County Council in der jeweiligen Provinz. Die Verkehrsbehörde entscheidet über das Ausgleichen der Defizite der Verkehrsbetriebe. Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Provinzen über die Art, wie die operativen Defizite ausgeglichen werden. Es ist gängige Praxis, dass die Hälfte des Defizits durch den County Council und die andere Hälfte von den örtlichen Behörden abgedeckt wird. Staatliche Zuwendungen werden für barrierefreie Infrastrukturen gewährt, vor allem für Bushaltestellen und Umsteigemöglichkeiten.81 Der schwedische Verband für öffentliches Verkehrswesen, der Svensk Kollektivtrafik82, schreibt hierzu noch etwas detaillierter auf seiner Homepage: Schweden besteht aus 21 Provinzen („counties“) und 290 Gemeinden („local authorities“). Für den öffentlichen Verkehr sind in Schweden viele Behörden zuständig. Die Regierung ist für die Grundlagen des öffentlichen Verkehrs verantwortlich, insbesondere für die Koordinierung und die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs. Dies geschieht vor allem durch Gesetzgebung und durch Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Die Regierung stellt auch Zuschüsse für Forschung und Entwicklung im Bereich Verkehr zur Verfügung. 81 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Sweden.pdf, Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 82 Der Svensk Kollektivtrafik ist die Mitgliederorganisation des lokalen und regionalen öffentlichen Verkehrs in Schweden. Svensk Kollektivtrafik hat zwei Arten von Mitgliedern: Erstens alle Public Transport Authorities oder kurz PTAs (21 - entsprechend der Anzahl der Provinzen) zusammen mit sieben lokalen PTAs, dies sind die so genannten aktiven Mitglieder, die die Aktivitäten von Svensk Kollektivtrafik finanzieren. Zweitens gibt es 80 assoziierte Mitglieder, das sind die Zulieferer der PT-Industrie. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 26 Die schwedische Verkehrsverwaltung, die ihren Betrieb am 1. April 2010 aufnahm, hat die Verantwortung für die langfristige Planung des Transportsystems auf Straßen-, Schienen-, See- und im Luftverkehr und für die Weiterentwicklung im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Die Verantwortung für den lokalen und regionalen öffentlichen Personenverkehr liegt bei den Behörden des öffentlichen Personenverkehrs, d. h. bei den Gemeinden in Zusammenarbeit mit dem County Council in jeder Provinz. Die Finanzierung erfolgt durch die Gemeinden und durch den County Council der jeweiligen Provinz, indem sie die Defizite ausgleichen. In der Regel trägt jede Partei 50% des Defizits. Der öffentliche Personenverkehr in Schweden wird in jeder Provinz von einer Public Transport Authority (PTA) koordiniert, die politisch und finanziell für den gesamten lokalen und regionalen öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb dieser Provinz verantwortlich ist. Generell gilt, dass die PTA einer jeden Provinz gemeinsam den Gemeinden und dem County Council gehören. Eine Ausnahme ist die Provinz Stockholm, wo die PTA in vollem Umfang der Provinz gehört. Die Vorteile dieser Organisationsform sind: Sie bieten gute Bedingungen für die Verkehrsplanung und für die Anwendung einheitlicher Tarife für alle Dienstleistungsbereiche. Der Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wird ebenso erleichtert wie die Informationen über Abfahrts-und Ankunftszeiten, Umsteigemöglichkeiten usw. Die Koordination bietet auch Möglichkeiten für eine effektivere Nutzung der Ressourcen und reduziert die Ausgleichszahlungen durch die Gesellschaft. Der Vorstand der PTA setzt sich aus Politikern der Provinz und der Gemeinden zusammen. Über 95% aller lokalen und regionalen PT-Dienstleistungen in Schweden werden nach dem Wettbewerbsrecht durch die Aufgabenträger beschafft. Dadurch ist der Eigenfinanzierungsgrad (Ticket Erträge/Gesamtkosten) um mehr als 55% gestiegen, was einen geringeren Bedarf an Subventionen erfordert. Die Möglichkeit, wettbewerbliche Vergabeverfahren zu nutzen, hat sich als ein entscheidender Faktor für eine positive Entwicklung erwiesen. Vergabeverfahren sind nicht nur ein Mittel zur Reduzierung der Verkehrskosten, sondern erfüllen auch andere wichtige Ziele, wie Schaffung eines öffentlichen Verkehr mit besseren Umwelteigenschaften, mit verbesserter Verkehrssicherheit und mit einer behindertengerechteren Infrastruktur. Es ist zweifelhaft, ob es möglich gewesen wäre, diese Ziele so schnell zu erreichen, wenn es die PTA nicht in jeder Provinz gegeben hätte. Die Verträge zwischen den PTAs und den Betreibern lassen sich wie folgt klassifizieren: Bruttokostenverträge („Gross contracts”): Dies ist die Hauptvertragsform in Schweden. Der Betreiber ist verpflichtet, eine vereinbarte Menge von Verkehrsleistungen zur Verfügung zu stellen. Die Entschädigung wird an den Betreiber gezahlt, während alle Ticketeinnahmen an die PTA gehen. Die Entschädigung ist in der Regel nicht an die Anzahl der Passagiere gebunden. Allerdings sind bestimmte Formen positiver und/oder negativer Anreize für die Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Reinigungsdienste etc. entwickelt worden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 27 Nettokostenverträge („Net contracts”): Der Unternehmer erhält einen (eher kleinen) feststehenden Betrag von der PTA für Verkehrsleistungen, aber er erhält zusätzlich das Recht, das Geld aus den Ticketverkäufen einzubehalten. Dadurch hat der Unternehmer ein höheres wirtschaftliches Risiko. Um die Zahl der Passagiere zu beeinflussen und dadurch sein Risiko zu minimieren, kann der Unternehmer für die Routenplanung, die Tarife etc. verantwortlich sein. Nach der Deregulierung im Jahr 1989 und dem damit verbundenen Start der Ausschreibungsverfahren beliefen sich Anfang der 1990er Jahre die Kostensenkungen der PTAs auf etwa 20%, regional sogar noch höher auf bis zu 40%. Der Eigenfinanzierungsgrad, der sich in den späten 1980er Jahren auf unterhalb von 40% belief, stieg als Folge auf über 50% im Jahr 1994, als die Ticketeinnahmen zur gleichen Zeit stiegen. Seit 1998 kann ein Aufwärtstrend auf der Kostenebene wahrgenommen werden. Dies liegt vor allem an folgenden Fakten: Zunahme der PT Dienstleistungen in Bezug auf Quantität und Qualität, Höhere Beschaffungskosten: Nach Jahren mit dem Schwerpunkt auf dem Gewinn von Marktanteilen, konzentrieren sich die Betreiber nun auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Dienstleistungen. Trotz der höheren Kosten blieb der Eigenfinanzierungsgrad stabil, da eine Erhöhung der Zahl der Passagiere positiv zur finanziellen Situation der PTA beitrug. Zwischen 1993 und 2001 stieg die Zahl der Passagiere um rund 9,2 Prozent. Die Gesamtkosten des schwedischen öffentlichen Verkehrs belaufen sich auf 20,8 Mrd. Schwedische Kronen. Eine Mrd. Fahrten werden unternommen . Der Busmarkt setzt sich u. a. aus einigen großen Unternehmen zusammen: Nobina, Veolia Transport und Busslink stellen ca. 50% der gesamten Busflotte von mehr als 13.000 Bussen. Alle drei Unternehmen haben einen ausländischen Mehrheitseigentümer und Verträge werden in allen Teilen des Landes generiert. Auf der anderen Seite gibt es eine große Zahl kleinerer Unternehmen . Zum Beispiel haben 1.450 Busunternehmen nur 1 - 9 Busse und arbeiten meist lokal. Kleinere Unternehmen geben häufig ein gemeinsames Angebot bei Vergabeverfahren ab. 80% der Busunternehmen sind Privatunternehmen. Das größte öffentliche Unternehmens ist "Göteborgs Spårvagnar" mit etwa 350 Bussen und dem gesamten Straßenbahnsystem in Göteborg. Auch der Markt für überregionale Busverbindungen ist dereguliert. Insbesondere Strecken zwischen großen Städten wie Stockholm - Göteborg werden bedient. Der Bahnverkehr wird immer noch von dem früheren monopolistischen Unternehmen "Statens Järnvägar" (SJ AB) dominiert. SJ AB hat das Recht, profitable interregionale Zugverbindungen zu betreiben. Nicht profitable, aber bedeutende interregionale Zugverbindungen werden durch wettbewerbliche Vergabeverfahren durch Rikstrafiken ausgeschrieben, die staatliche Autorität für diese Art der Ausschreibung. Einigen privaten Unternehmen ist es gelungen, einige dieser Ausschreibungen zu gewinnen. 83 83 Vgl. http://www.svenskkollektivtrafik.se/English/FAQ/, übersetzt und gekürzt von Verfasserin. Für weitere Informationen zum schwedischen öV siehe unter http://www.svenskkollektivtrafik.se/Global/In%20english/reports/Public%20transport%20in%20Sweden_2002 _06_10.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 28 Die größte Herausforderung für den öffentlichen Personenverkehr der Zukunft bilden die finanziellen Zwänge. Um mehr Menschen davon zu überzeugen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen , ist es zwingend erforderlich, eine höhere Qualität, zuverlässigere und kundenorientiertere Dienstleistungen anzubieten. Die Verträge mit den Betreibern werden ständig weiterentwickelt und es werden mehr Anreizsysteme („incentive systems“) hinzugefügt. Auf diese Weise werden die Netzbetreiber dazu ermutigt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die finanziellen Anreize der PTAs an die Betreiber sollte von der Zahl der Passagiere gekoppelt werden.84 Nur 14% der Schweden nutzen den öffentlichen Personenverkehr täglich, daraufhin wurde jetzt das „doubling project“ gestartet.85 5.7. Schweiz In der Schweiz wird der Begriff Nahverkehr in der Regel nicht verwendet, auch die Bezeichnung Regionalverkehr (RV)86 wird dem ÖPNV nicht gerecht. Die nachfolgende Tabelle beschreibt den öffentlichen Personenverkehr, der in der Schweiz aus Fern-, Regional- und Ortsverkehr besteht: Quelle: Wo steht der öffentliche Regionalverkehr der Schweiz? 87 Verkehrsarten des öffentlichen Personenverkehrs in der Schweiz. Der öffentliche Verkehr umfasst Schiene, Straße, Wasser und Seilbahnen88, aber anders als in Deutschland auch den Fernverkehr. 84 Vgl. http://www.svenskkollektivtrafik.se/English/FAQ/, übersetzt und gekürzt von Verfasserin. Für weitere Informationen zum schwedischen öV siehe unter http://www.svenskkollektivtrafik.se/Global/In%20english/reports/Public%20transport%20in%20Sweden_2002 _06_10.pdf 85 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 79. Übersetzt durch Verfasserin . 86 http://www.s-bahn-luzern.ch/regionalverkehr_schweiz.pdf 87 http://www.s-bahn-luzern.ch/regionalverkehr_schweiz.pdf 88 Schweizerisches Personenbeförderungsgesetz (PBG)88 vom 20. März 2009; Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 2010; Art. 29 Abs. 1 Bst. d tritt am 1. Januar 2012 in Kraft http://www.admin.ch/ch/d/sr/7/745.1.de.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 29 5.7.1. Organisationsstrukturen In der Schweiz liegt die Verantwortung für die Ausschreibung für den regionalen öffentlichen Verkehr bei den Kantonen. Diese sind verpflichtet, eine grundlegende Instandhaltung des öffentlichen Verkehrs im ganzen Kanton zu gewährleisten. Der Kanton ist die Genehmigungsbehörde für öffentliche Verkehrsleistungen. Die Gemeinde ist verantwortlich für die Finanzierung des lokalen öffentlichen Personenverkehrs und ist ebenfalls in das Ausschreibungsverfahren involviert . Bei öffentlichen Verkehrsmitteln, die die lokalen Grenzen überschreiten, ist eine gute Koordination mit den angrenzenden Gemeinden notwendig. Die Planung des städtischen Verkehrs erfolgt in den örtlich zuständigen Abteilungen, die in der Schweiz hauptsächlich zum Tiefbauamt gehören. Diese Abteilungen arbeiten eng mit den Verkehrsbetreibern und den kantonalen Behörden zusammen, um ein optimales Verkehrsangebot zu planen und zu spezifizieren. Anschließend können sich geeignete Verkehrsdienstleister bewerben . Die Planung des Verkehrsangebots wird häufig von externen Planungsbüros durchgeführt. In Zusammenarbeit mit örtlichen Vertretern entwickeln sie ein Angebot des öffentlichen Verkehrs, das auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt ist. Das öffentlichen Verkehrsangebot wird so oft wie möglich mit den Plänen für die Siedlungsentwicklung abgestimmt.89 5.7.2. Gesetzgebung und Finanzierung In der Schweiz hat das Recht auf Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine besondere Bedeutung . Bundesregierung und Kantone garantieren die stündliche Erreichbarkeit aller kleinen Ortschaften – abgesehen von den allerkleinsten – mit Bus oder Bahn.90 Die Finanzierung des Regionalverkehrs regeln das Personenbeförderungsgesetz (PBefG)91, die Verordnung über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV) und die Verordnung über die Anteile der Kantone an den Abgeltungen und Finanzhilfen im Regionalverkehr (KAV).92 Die Vergabe einer Personenbeförderungskonzession wird auf nationaler Ebene durch die Verordnung über die Beförderungskonzession geregelt. Das PBefG regelt unter anderem die Gleichbehandlung von Behinderten in öffentlichen Verkehrsmitteln , Fahrpläne, Entschädigungen, Zoll- und Personenbeförderungskonzessionen. Auf kantonaler und regionaler Ebene werden die Richtlinien für den öffentlichen Verkehr detailliert formuliert. Im Prinzip ist jeder Kanton und jede Gemeinde frei, die von der Bundesregierung festgelegten Anforderungen auf seine Bedürfnisse maßzuschneidern. Personenbeförderungskonzessionen werden in der Regel für 10 Jahre gewährt, hierzu müssen u. a. folgende Anforderungen 89 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Switzerland.pdf, gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 90 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 82. Übersetzt durch Verfasserin . 91 Die Finanzielle Aufteilung zwischen Bund und Kantonen regelt Art. 33 Personenbeförderungsgesetz. http://www.admin.ch/ch/d/sr/7/745.1.de.pdf 92 INFRAS (2011). Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr, S. 44. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 30 erfüllt werden: Neben Informationen über Bequemlichkeit und Rentabilität des Verkehrsdienstes und seine Auswirkungen auf die Konzepte der relevanten Planungsvorgaben müssen Fahrplan und Tarife, Informationen über Finanzierungsmöglichkeiten, Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugen etc. enthalten sein. Der Kanton und die einzelnen ausschreibenden Gemeinden setzen die Höhe der Entschädigung für den öffentlichen Verkehr fest. In der Regel wird sie jährlich für das folgende Jahr festgelegt. Der Verkehrsbetreiber nutzt diese Entschädigungsmittel, die Fahrgeldeinnahmen und sonstige Einkünfte (z. B. Werbeeinahmen), um die Versorgung zu gewährleisten. In den untersuchten Städten variiert der Anteil der durch den Kanton abgedeckten Entschädigungsmittel zwischen 10% bis 20%. Die beteiligten Kommunen, insbesondere deren Hauptstädte, kommen für den Rest auf. 93 Zur Steigerung der Kosteneffizienz gibt es zwei Möglichkeiten, die schon in Teilen, aber noch nicht flächendeckend eingesetzt werden: Einerseits Vergabe durch Ausschreibung und dadurch entstehender Preiswettbewerb zwischen den Anbietern. Anderseits können mit Transportunternehmen mehrjährige Zielvereinbarungen in Form eines Bonus-Malus-Systems über die Qualität und weitere Vorgaben abgeschlossen werden.94 Im nachfolgenden Diagramm des VöV, des schweizerischen Dachverbands der Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs, wird der Anteil der Gelder für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz im Jahr 2008 in Mio. Franken dargestellt: Quelle: VöV95. Woher kommt das Geld im öffentlichen Verkehr? (ANLAGE 5)96 93 http://www.proceedproject.net/images/documentos/nr/PROCEED-Switzerland.pdf, gekürzt und übersetzt durch Verfasserin 94 INFRAS (2011). Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr. S. 44f. 95 http://www.voev.ch/dcs/users/1126/FaktenArgumente_2010_d.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 31 In einer aktuellen Untersuchung vom September 2011 im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft „Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr“ heißt es, dass bei der Schieneninfrastruktur und dem Betrieb des öffentlichen Verkehrs keine klare Unterteilung der Netze resp. Verkehre existiere, die der Kompetenz des Bundes oder jener der Kantone zugeteilt werden könne. Vielmehr seien Bund und Kanton gemeinsam zuständig. Daher beziehe sich die Finanzierung immer klar auf ein Objekt. Das könne eine Erweiterungsinvestition, der Betrieb einer bestimmten Schieneninfrastruktur oder das Angebot einer klar definierten Verkehrsdienstleistung sein.97 Obgleich der Betrieb des Fernverkehrs kostendeckend sei und – nach Erstellung der Infrastruktur – von keinen öffentlichen Zuwendungen profitiere, könne der Regionalverkehr selbst nach Erstellung der Infrastruktur jedoch nur dank öffentlichen Geldern betrieben werden. 98 Nachfolgend eine Übersicht über die Finanzierung des Betriebs des öffentlichen Verkehrs: Quelle: INFRAS99 Das Eidgenössische Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation führt aus, dass das Eisenbahngesetz zwischen Orts-, Ausflugs-, Regional- und Fernverkehr unterscheide. Vom Bund werde jedoch nur der regionale Personenverkehr mit Betriebsbeiträgen unterstützt. 96 Eine weitere Übersicht über die Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs Schweiz von 2000 bis 2004 (http://www.voev.ch/dcs/users/117/V_Schrift_04_de.pdf, S. 27) sowie Finanzflüsse im öffentlichen Verkehr der Schweiz (http://www.voev.ch/dcs/users/1126/FaktenArgumente_2010_d.pdf, S. 28, siehe ANLAGE 6) 97 Vgl. INFRAS (2011). Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr. 98 INFRAS (2011). Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr, S. 42. 99 INFRAS (2011). Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr. S. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 32 Dies im Unterschied zur Finanzierung der Infrastruktur. Zum regionalen Personenverkehr zähle neben den Eisenbahn-, Bus-, und Schiffslinien auch einzelne Seilbahnen. Bund und Kantone bestellen den regionalen Personenverkehr gemeinsam. Die prozentuale Aufteilung des Anteils werde alle 4 Jahre für jeden Kanton neu festgelegt. Die Bundesbeteiligung liege im Durchschnitt bei 50 Prozent, sie stamme aus dem Bundeshaushalt und werde jährlich festgelegt (im Jahr 2010 ca. 800 Millionen Franken). Die Kantone steuern den gleichen Beitrag bei. Weitergehende Angebote würden vollständig von den bestellenden Kantonen getragen. Eine große finanzielle Herausforderung sei die Finanzierung des Rollmaterials. Der Bedarf steige stark, einerseits weil älteres Rollmaterial ersetzt werden müsse, und andererseits weil die steigende Nachfrage und der Ausbau des Angebots zusätzliche Kompositionen erfordere.100 Der schweizerische öffentliche Personenverkehr wird 2010 als extrem gut entwickelt („extremely well-developed“) beschrieben. 101 Auch die Autoren des Aufsatzes „Wo steht der öffentliche Regionalverkehr der Schweiz. Neue Entwicklungen bei der Bestellung und Finanzierung“ bescheinigen dem öffentlichen Personenverkehr in der Schweiz im Jahr 2008 eine Vorbildfunktion. Der öffentliche Personenverkehr habe ein „außergewöhnlich hohes Niveau“ erreicht und dies aufgrund des „dichten und qualitätsvollen Bus- und Bahnangebots in der Fläche, optimal abgestimmt in größeren und kleineren Knotenpunkten auf den Fernverkehr“102. Nirgends in Europa, so heißt es dort weiter, sei die Nachfrage höher und die Leistungen auch in den Randregionen besser. 5.8. Überblick über Marktmodelle einzelner Länder Um den öffentlichen Verkehr zu finanzieren, wenden die Unternehmen unterschiedliche Marktmodelle an. Das Fachportal Nahverkehr NRW beschreibt in einer Übersicht drei Marktmodelle des ÖPNV in Europa: den Konzessionswettbewerb, den Ausschreibungswettbewerb sowie den freien Wettbewerb: „Konzessionswettbewerb Funktionsweise: Dem Verkehrsunternehmen wird auf Antrag die Genehmigung erteilt, eine Linie bzw. ein Liniennetz exklusiv zu betreiben (Konzessionierung von Linien). Philosophie: Der Unternehmer wird durch die Erteilung ausschließlicher Rechte in die Lage versetzt, seine Kosten durch Verkehrserträge zu erwirtschaften. Verbreitung (beispielhaft): Deutschland, Österreich. Ausschreibungswettbewerb (kontrollierter Wettbewerbsmarkt) Funktionsweise: Die zuständige Behörde (Aufgabenträger) schreibt den Betrieb von Linien bzw. Liniennetzen aus, ermittelt im Wettbewerbsverfahren den Bieter mit dem wirtschaft- 100 Vgl. http://www.uvek.admin.ch/verkehrspolitikdesbundes/02763/02860/index.html?lang=de 101 UITP (2010). Organisation and major players of short-distance public transport, S. 81. 102 http://www.s-bahn-luzern.ch/regionalverkehr_schweiz.pdf, S. 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 33 lichsten Angebot und erteilt ihm den Auftrag zum Betrieb für einen zuvor festgelegten Zeitraum. Philosophie: Die Behörde stimuliert durch Ausschreibungsverfahren den Wettbewerb der Unternehmen untereinander. Verbreitung (beispielhaft): Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Frankreich. Freier Wettbewerb (deregulierter Wettbewerbsmarkt) Funktionsweise: Es besteht keine Marktzutrittsbeschränkung, d.h. Verkehrsunternehmen können überall dort Leistungen erbringen, wo sie Erträge erwarten. Philosophie: Der ÖPNV-Markt regelt sich - wie im Handel üblich - durch Angebot und Nachfrage selbst. Verbreitung (beispielhaft): Großbritannien (teilweise).“103 5.9. Finanzierung des ÖPNV in einzelnen Metropolen Bormann et al. (2010) erstellten anhand einer Studie der European Metropolitan Transport Authorities (emta) die folgende Tabelle, die den Anteil der Fahrgeldeinahmen, der öffentlichen Zuschüsse und für Frankreich den Anteil des Versement Transports (siehe unter 6.2.3.) in den Großstädten Berlin, Barcelona, Madrid, Paris und Brüssel darstellt: Quelle: Bormann, René (2010).104 103 http://www.fachportal.nahverkehr.nrw.de/index.php?id=80 104 Bormann, René et al. (2010). Neuordnung der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07641.pdf, S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 34 Die Tabelle zeigt den durchschnittlichen Fahrpreis für eine Fahrt im städtische Nahverkehr (UPT= Urban Public Transport). Der Fahrpreis in den einzelnen Städten wird anteilig vom Bruttoinlandsprodukt (GDP) des jeweiligen EU-Landes dargestellt. So sind London und Glasgow die mit Abstand teuersten Städte. Quelle: Crozet, Yves (OECD)..105 UPT=Urban Public Transport. GDP=Bruttoinlandsprodukt. 6. Innovative Finanzierung 6.1. Sponsoring bzw. Public Private Partnership (PPP) Die britische Verkehrsministerin Theresa Villiers äußerte im September 2011 zum Thema PPP während eines informellen Treffens der EU-Verkehrsminister zum Thema „Mobilizing private financing for transport infrastructure“: In Großbritannien gebe es mehrere Beispiele für den Einsatz von PPP im Verkehrsbereich, wie Verträge für die Straßenbeleuchtung, Wartung von Autobahnen und die Londoner U-Bahn. Villiers betonte allerdings, dass die Erfahrungen mit PPP in diesem Sektor gemischt seien. Während PPP-Programme zu signifikanten Investitionen in die Infrastruktur beigetragen hätten und in einer Reihe von Fällen bei der Umsetzung von Projekten 105 http://www.oecd.org/dataoecd/61/27/40953164.pdf, S. 447. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 35 hinsichtlich Zeit und Budget hilfreich waren, konnte dies jedoch nur durch wiederholte Interventionen erreicht worden.106 Der „Verein PPP Schweiz“ wies darauf hin, dass zur Deckung der zunehmenden Infrastrukturbedürfnisse weitere Finanzierungsquellen wie Private Equity, Pension Funds etc. erschlossen werden müssten. Dies habe auch kürzlich die OECD formuliert, die festgestellt habe, dass sich international betrachtet die Rahmenbedingungen zu Gunsten einer verstärkten Kooperation zwischen privatem Sektor und öffentlicher Hand verändert hätten. Laut OECD werde der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen bis 2030 auf 2.5% der globalen Wirtschaftsleistung ansteigen.107 PROCEED weist in seinen Leitlinien für einen hochwertigen Busverkehr auf einen Nachteil des Sponsoring hin, dies bestehe in der Abhängigkeit von den Sponsoren. Je größer diese Abhängigkeit sei, desto wahrscheinlicher sei, dass der Einfluss der Verwaltung in den Bereichen Planung und Betrieb abnehme. Plötzliche Änderungen der Orientierung des Sponsors (z. B. aufgrund von eigenen finanziellen Problemen) könnten zu Finanzierungslücken führen, die in der Regel nur schwer aufzufangen seien.108 Als Möglichkeiten der innovativen Finanzierung des ÖPNV werden neben dem Sponsoring auch örtliche Steuern und Abgaben genannt, die insbesondere für kleine und mittlere Städte geeignet seien, wie Werbung, Vermietung/Verkauf von Gelände und Einrichtungen , zusätzliche Dienstleistungsangebote, Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerabgaben, Bußgelder, Straßenbenutzungsgebühren, Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung etc.109 Als Praxisbeispiele werden genannt: „Chur (Schweiz): Alle Bushaltestellen weisen das gleiche Design und die gleiche Farbgestaltung auf, genau wie die Busse. Der Werbeflächenvermarkter „Allgemeine Plakatgesellschaft“ (APG) finanziert und unterhält die Bushaltestellen in Chur. Die Werbeflächen werden vermietet. Schaffhausen/Neuhausen (Schweiz): In der Agglomeration gibt es ungefähr 45.000 Einwohner. Die ÖPNV-Nutzung je Einwohner ist relativ hoch. 75 % der Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung dienen der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. Auf diese Weise werden 20% der öffentlichen Finanzierung aufgebracht. Großbritannien: In einigen Städten werden kostenlose Buslinien angeboten, die von großen Einzelhandelsgeschäften finanziert werden. Meist dienen diese Linien der Anbindung des Geschäftsstandorts an bestimmte andere Stadtbereiche. Diese Praxis ist insbesondere bei neu eröffneten Einkaufszentren oder bei starker örtlicher Konkurrenzsituation zwischen den Geschäften üblich.“110 106 http://www.dft.gov.uk/news/statements/villiers-20110915; Gekürzt und übersetzt durch Verfasserin. 107 http://www.ppp-schweiz.ch/de/ppp-news/aktuelles/view/items/private-finanzierung-von-infrastrukturanlagendes -verkehrs-in-der-schweiz-99/ 108 http://www.fgm.at/proceed/Docs/PROCEED_Guidelines_DE.pdf, S. 144. 109 http://www.fgm.at/proceed/Docs/PROCEED_Guidelines_DE.pdf 110 http://www.fgm.at/proceed/Docs/PROCEED_Guidelines_DE.pdf, S. 144. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 36 6.2. Kostenloser ÖPNV Einige Städte bieten kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr an, wie die belgische Stadt Hasselt oder das schwedische Kristinehamn. In Schweden wurde allerdings nach einer Testphase das normale Tarifsystem wieder eingeführt, da sich durch diese Maßnahmen die Anzahl der Fahrten verdoppelt hatte, und dies zu Lasten der Strecken ging, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt wurden. In kleineren Städten scheine die Beförderung zum Nulltarif jedoch eine gute Alternativlösung zu sein, da Transaktionskosten wie z. B. das Aufstellen von Ticketautomaten wesentlich reduziert werde. In größeren Städten führe die kostenlose Beförderung dagegen nicht nur zu höheren variablen Kosten, sondern auch zu höherer Fixkosten, da in der Regel zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt werden müssten.111 6.3. Good-Practice-Beispiele für den ländlichen Raum Der Projektbericht im Rahmen von IMAGO (Innovative Marketing- und Angebotskonzepte für Gemeinden mit Ortsbussystemen) aus dem Jahr 2004, der im Auftrag des BMBF durch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt , Energie GmbH erstellt wurde 112, nennt u. a. Good-Practice- Beispiele für den Nahverkehr im ländlichen Raum. Die Autoren kommen in einem Zwischenfazit zu dem Ergebnis, dass ein Informations- bzw. Forschungsdefizit zu den Auswirkungen der Deregulierung und Privatisierung auf den ÖPNV speziell in der ländlichen Region vorliege. Festzustellen sei allerdings, dass ein eigenwirtschaftlicher Betrieb des ÖPNV, der sich rein aus den Fahrgeldeinnahmen ohne öffentliche Zuschüsse und Ausgleichzahlungen finanziere, kaum möglich sei. Es sei schwer, Aussagen zur Gesamtentwicklung der einzelnen Länder zu machen, dennoch wird konstatiert, dass Schweden bekanntermaßen als Idealmodell für eine wettbewerbsorientierte Organisation des ÖPNV gelte. Auch würden in Frankreich Reformen relativ erfolgreich umgesetzt. In Großbritannien dagegen gelte insbesondere der ländliche ÖPNV als Verlierer der Privatisierung, da sich die Verkehrsunternehmen zur Vermeidung von Verlusten fast ausschließlich auf rentable Strecken konzentrieren.113 Nachfolgend werden die Finanzierungsmodelle der Good-Practice-Beispiele aufgeführt. Zuschüsse und Einnahmen werden angegeben und soweit möglich werden Angaben zur Kostendeckung der Projekte gemacht sowie Strategien zur Verbesserung der Kostendeckung vorgestellt. Das Dorfmobil (Österreich), CARLOS (Schweiz), Siilinjärvi Service Line (Finnland), Belbus (Belgien), Regiotaxi Achterhoek (Niederlande), Wasti (Österreich), PubliCar (Schweiz), Burgess Hill Bus Service (Großbritannien), Beeline Community Cars (Großbritannien), Tandridge Taxi Vouchers (Großbritannien), The Penistone Line Partnership (Großbritannien), Amserol (Großbritannien) und X-Bus (Dänemark, Jütland): 111 http://www.fgm.at/proceed/index.phtml?Lang=DE&tid=8&id=82, dann siehe weiter unter: Hintergrundinformationen : öffentliche Finanzierung des ÖPNV 112 Böhler, Susanne et al. (2004). IMAGO. http://www.imago-mobil.de/files/IMAGO_BP-Bericht.pdf 113 Böhler, Susanne et al. (2004). IMAGO, http://www.imago-mobil.de/files/IMAGO_BP-Bericht.pdf S. 29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 37 Quelle: Böhler, Susanne et al. (2004). IMAGO.114 114 Böhler, Susanne et al. (2004). IMAGO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000- 220/11 Seite 38 7. 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Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. http://www.imago-mobil.de/files/IMAGO_BP-Bericht.pdf (Rahmenbedingungen des ÖV in Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich , Polen, Schweden sowie Good-Practice-Beispiele aus europäischen Nachbarstaaten, wie z.B. Dorfmobil, Belbus, PubliCar oder X-Bus) Bölke, Michael; Denzin, P.; Huckestein, B., Specht, B. (2003). Konzeption zur Finanzierung eines umweltverträglichen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Diskussionspapier. Im Auftrag des Umweltbundesamtes. http://www.umweltdaten.de/daten/nahverkehr.pdf Bormann, René et al. (2010). Neuordnung der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs . Bündelung, Subsidiarität und Anreize für ein zukunftsfähiges Angebot. Publikation im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07641.pdf Bundesregierung (2012). Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 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