WISSENSCHAFTLICHE DIENSTE DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES AUSARBEITUNG Thema: Transparenz von Agrarbeihilfen Fachbereich V Wirtschaft und Technologie; Ernährung. Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 11.1M8 14. Dezember 2005 Reg.-Nr.: WF V 201/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe 'oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der 'Wahrnehmung .des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. 2 Inhaltsverzeichnis L Einleitung S. 3 II. Rechtsgrundlage bzgl. der Veröffentlichung von Zahlungen S. 3 III. Praxis in anderen EU-Mitgliedstaaten S. 6 IV. Fazit S 7 V. Literatur- und Anlagenverzeichnis S. 8 VI. Anlagen S. 9 ff. I. Einleitung Einen Ansatzpunkt für Kritik an der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, der in der jüngeren Debatte weiter in den Vordergrund gerückt ist, bildet die Verteilung der Subventionen. Die Angaben hierzu sind allerdings recht kursorisch gehalten. Aufgrund der Kategorisierung und Anonymisierung der betreffenden Daten sind die . Gesamtzahlungen pro Land, Region und Betriebsform ableitbar. Auch lAsst sich ans den Statistiken errechnen, dass 2,2 % der Betriebe — nämlich die größten- 25 % der Direktzahlungen erhalten, während .54 % der Betriebe nur jährliche Zahlungen von weniger als 1250 € und damit einen Anteil von nur 4,3 % in Empfang nehmen. Dass sich in der Gruppe der größten Empfänger u.a. eine große Zahl von juristischen Personen aus der lebensmittelverarbeitenden Branche oder auch von branchenfremden befindet, _ für die die Zahlungen ursprünglich nicht gedacht waren, ist hingegen allgemein nicht bekannt. Deshalb versucht eine allgemeine Reihe von Nicht- Regierungsorganisationen seit längerem in unterschiedlich angelegten Aktionen mehr Transparenz zu erreichen. Der Erfolg fällt in den Mitgliedsstaaten der EU bislang recht unterschiedlich aus und bleibt insgesamt bescheiden. So ist eine von "Farrnsubsidy.org " - ein vom Danish International Center for Analytical Reporting (DICAR) and EU Transparency europaweit angelegtes Projekt zur Einholung von Angaben über Empfänger von Agrarsubventionen in Deutschland durchweg fehlgeschlagen. Ein Teil der Länder hat auf die Anfrage gar nicht reagiert'. Ähnliche Erfahrung machten auch OXFAM und Transparency International mit gleichgelagerten Aktionen 2. II. Rechtsgrundlage bzgl. der Veröffentlichung von Zahlungen Wie in den meisten Mitgliedsstaaten der EU werden in Deutschland Empfänger von Agrarbeihilfen bislang nicht namentlich bekannt gegeben. Für behördliche Veröffentlichungen, wie sie in Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Schweden in unterschiedlicher Weise erscheinen, fehlt es hier an einer eindeutigen Rechtsgrundlage. Diese wäre aber laut Grundgesetz erforderlich. In Art. 2 Abs. I in Verbindung mit Art.1 . 1 GG ist das Recht des Einzelnen gewährleistet, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, soweit nicht überwiegend Allgemeininteressen eine Einschränkung rechtfertigen (BVerfGE 65: 1 f1). 1 www.farmsubsidy.org mündliche Auskünfte Aus dieser Bestimmung leiten sich sowohl ein Gesetzesvorbehalt für „Informationseingriffe" als auch ein Gebot zur Zweckbindung der Herausgabe personenbezogener Daten im Bereich der öffentlichen Verwaltung , ab. Auch ist durch organiSatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährleisten, dass durch einschlägige Veröffentlichungen keine Persönlichkeitsrechte`verletzt werden. Daraus begründet sieh die anonymisierte Weitergabe der statistisch erfassten Zahlungen und die durch die Europäische Kommission in deren Veröffentlichungen vorgenommene Kategorisierung der Empfänger nach Höhe der bezogenen Beihilfen. In der Spitzengruppe der subventionierten Betriebe ( > 500.«000 EURO p.a. ) bzw. in den regional herunter gebrochenen Statistiken werden darüber hinaus Nennungen unter 10 Betrieben unsichtbar gemacht, um eine indirekte Identifizierung auszuschließen. Zwar räumt die sog. Transparenzverordnung3 natürlichen und juristischen Personen Zugang zu den Dokumenten der EU-Organe ein, da die Hauptakten aber bei den zuständigen (Landes-) Behörden der Mitgliedsstaaten verbleiben, welche die der Kommission zu meldenden Daten vor der Weitergabe anonymisieren, bietet die genannte Verordnung keine praktische Handhabe zur Bekanntmachung von Zahlungsempfängern. Auch die Richtlinie Zum erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen 4 eröffnet schon wegen der relativ unscharfen Definition der Informations-Kategorien keinen direkten Weg zur Erschließung personenbezogenen . Datenmaterials. Das in ihrer Umsetzung am 22. Dezember 2004 beschlossene Umweltinformationsgesetz (UIG) des Bundes', das am 14.Februar 2005 in Kraft trat, förmuliert am ehesten in §2 Abs. 3 einen Anspruch auf Informationen wirtschaftlichen Charakters. Neben Daten über Zustand der Umwelt, Emissionen etc. sind dort auch „Kosten-Nutzenanalysen .und sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen" genannt, die „sich auf. die Umweltbestandteile..." auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Da die Auszahlung von Agrarbeihilfen in der Verantwortung der Landesbehörden liegt, die für die Kommission als Zahlstellen fungieren, sind die betreffenden Informationen nicht in den vom Bundesgesetz angesprochenen Behörden des Bundes verfügbar . Die Notwendigkeit der Begründung eines öffentlichen Interesses ergibt sich aus der Abwägung gegenüber den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen. Eine Verbindung mit personenbezogenen Angaben zu den Empfängern scheitert vor allem an der 4 RL 2003/4/EG s Anlage 2 5 Bgbl. 2004, Teil I, Nr. 73 3 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001...s. Anlage 1. 5 Schwierigkeit ; im jeweiligen Antrag die UinweltreleVanz der Nennung von Namen und Adressen zu begründen. Die auskunftspflichtigen Landesbehörden legen die oben zitierte Formulierung des UIG erfahrungsgemäß eng aus. Auch in dem einzigen bislang bekannten Fall, in dem auf Basis des UIG Angaben über die Höhe von Einzelzahlungen an Betriebe herausgegeben wurden (SchlesWig-Holstein), geschah dies in anonymisierter Form, d.h. die Auszahlungen wurden lediglich mit Postleitzahlen der betreffenden Betriebe versehen 6 . Ein weiterer Ansatz zur Einholung von Informationen über Bezieher von Agrarbeihilfen ergibt sich theoretisch aus dem im Januar 2006 in Kraft tretenden Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) 7 . Dort wird versucht, einen „allgemeinen und voraussetzungslosen Zugang zu amtlicher Information des Bundes" zu eröffnen. Allerdings kann das Bundesgesetz im Falle der EU-Beihilfen kaum greifen, da die den Bundesbehörden von den Länderinstanzen zur Verfügung gestellten Angaben wiederum anonymisiert sind. Somit kommen als evtl. Rechtsgrundlagen am ehesten die Landesgesetie zur Informationsfreiheit in Betracht, wie sie bisher in BerW, Brandenburg, Schleswig- Holstein und Nordrhein-Westfalen in Kraft sind. Mit Ausnahme von Baden- Württemberg, Hamburg, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern existieren in den anderen Ländern entsprechende Entwürfe. Hinreichende Erfahrungen mit der Handhabung der IFG. der Länder, insbesondere der Abwägung von Informations- und Schutzbedürfnissen liegen bislang noch nicht vor, Immerhin wird dort weitestgehend umfassender Zugang zu Akten „im beantragten Umfang" eröffnet. Sofern nicht „überwiegen Privatinteressen verfolgt werden" und „das Informationsinteresse das Interesse der Betroffenen an der Geheinthaltung überwiegt", dürfen in Berlin auch personenbezogene Daten herausgegeben werden. Im Berliner Gesetz ergibt sich ein Hindernis eher aus Ausnahmeregelungen für den Fall, dass durch die Bekanntgabe „Angaben oder Mitteilungen anderer Behörden offen gelegt werden" 9 . Mit Berufung auf die Zuständigkeit der EU könnte daraus Verweigerung einer Auskunft abgeleitet werden. Höher sind die Hürden im IFG von Schleswig-Holstein. Dort muss der Antragssteller ein „rechtliches Interesse" geltend machen, welches schutzwürdige Belange von Betroffenen überwiegt. 6 Quelle: www.farmsubsidy.org Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes 8 s. IFG Berlin, NRW, S-H, Brandenburg in Anlage 3 9 mündliche Auskünfte TIL Praxis in anderen EU-Mitgliedstaaten Im . Frühjahr 2004 machte Dänemark alS erstes EU-Mitglied die Empfänger von Agrarsubventionen offiziell bekannt. Damals veröffentlichte die Regierung *namentliche Listen. Rechtliche ‚Grundlage war der „Danish Act an Access to Public Administration Files". Die Informationen beinhalten neben EU-Beihilfen auch nationale Subventionszahlungen. Ebenfalls detailliert dokumentiert .sind die Zahlungsempfänger in Schweden, wo sich die Regierung im Oktober :2005: zur Veröffentlichung der Angaben über Statens Jodbruksverk — dem Zusammenseilhiss der Kommunen und Landkreise - entschloss. In Großbritannien, wo ein — dem 1FG vergleichbarer. - „Freedom of Information Act" seit längerem in Kraft ist und im Januar 2005 erweitert wurde, ist die Anfrage von . „Farrnsubsidy.org" in Verbindung mit dem dortigen, aus der EU-Richtlinie 2003/4/EG « abgeleiteten Umweltinformationsgesetz, behandelt worden. Im Ergebnis führte dies zur Veröffentlichung einer namentlichen Liste von Zahlungsempfängern, die aber Schottland und Wales nicht erfasse ) . Deren Regierungen pflegen — ähnlich der gängigeren deutschen Interpretation — eine enge AuSlegung des Begriffs „Auswirkung auf Umweltbestandteile". In Belgien sind die einschlägigen Angaben für den wallonischen LandeSteil im Oktober 2005 aufgrund der Initiative eines Journalisten veröffentlicht worden. Die flämische Provinzregierung hat die Herausgäbe der Daten bislang verweigert Auch in Spanien, für das OXFAM im Jahr 2004 einen Bericht erstellt hat, ist die Datenlage nach, Regionen 7. entsprechend der den lokalen Behörden obliegenden Interpretationen - sehr unterschiedlich, In Frankreich verhindert die Gesetzeslage bzw. deren Interpretation durch die zentral geführte Regierung bislang eine namentliche Kenntlichmachung der Zahlungsempfänger. GEM 11 , ein Forschungsnetzwerk von Politologen unr d Ökonomen aus wissenschaftlichen Instituten, hat im August 2005 in einer Veröffentlichung die ungleiche Verteilung der Agrar-Subventionen in anonymisierter Form dokumentiert und eine Gesetzesinitiative zur Herstellung größerer Transparenz I2 gestartet. lo s. Anlage 4 Groupe d'Economie Mondiale des Sciences Po 12 Groupe d'Economie Mondiale des Sciences Po - 7 - IV. Fazit Eine . Rechtsgrundlage für die . Veröffentlichung personenbezogener Daten über Empfänger von Agrarbeihilfen wäre (ab 1. Januar 2006) auf Bundesebene am ehesten in Gestalt des Inforrnationsfreiheitsgesetzes vom 14_ Dezember 2004 gegeben. Aufgrund der Zuständigkeitsregelungen zwischen Bund und Ländern verbleiben die spezifischen Datenzu Agrarbeihilfen jedoch in der Obhut'der Landesbehörden bzw. EU-Zahlstellen. Landesgesetze zur Informationsfreiheit sind noch nicht in allen Bundesländern beschlossen. Außerdem variieren die Texte hinsichtlich der Anforderungen an das öffentliche Interesse, die gegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen natürlichen oder' juristischen Personen abzuwägen sind. NiCht zuletzt sind die Interpretationen der Vorschriften durch die zuständigen Ämter und Behörden aufgrund fehlender Praxis und Rechtssprechung sehr unterschiedlich. Letzteres gilt auch für das . Uniweltinforrnationsgesetz des Bundes (speziell für die Auslegung des Begriffs der "Auswirkung auf UmweltbeStandteile", der wirtschaftliche Faktoren prinzipiell einschließt), welches theoretisch eine geeignete — weil bundeseinheitliche - Grundlage für entsprechende Informationen böte. • Wie in den meisten anderen europäischen Ländern, dürfte-auf Basis der IFG - eine durchgängige Praxis der Veröffentlichung am ehesten auf dem Rechtsweg erreichbar sein. Im Fall des UIG könnte eine adäquate Ausgestaltung evtl. auf dem Weg der Rechtsverordnung Oder der Gesetzesergänzung in Frage kommen. ' Berlin, 14.12.2005 1111311n11111> Literatur — und Anlagenverzeichnis Farmsubsidy (Oktober 20005). Status Report.(http://www.farmsubsicly.org/index.phOemd=s umeon&c=uk). IStand 10. Dezember 2005] - Gesetze zur Regelung des Zugangs zu Informationen der Länder [Stand 10. DezeMber 2005] Berlin: http://www.datenschutz-berlin.de/rechUbbg/rv/allg/aig.bün Brandenburg: http://www.Infoprmationsfreiheit.de NRW: http://www.lfd.nrw.de/fachbereich/fach 10 1.html Schleswig — Holstein: http://www.datenschutz.de/material/recht/infofrei/infofrei.htm - Groupe d'Economie Mondiale des Sciences (10. November 2005). Les r6alite's de la distribution des subventions agricoles en France. Po http://gem.sciencespo.fr/content/publications/ pdf/subventions agricoles.pdf [Stand 14.Dezember 20051