Zur Berechnung des Netzkaufpreises im Rahmen einer Stromnetzübernahme - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 5 - 171/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Zur Berechnung des Netzkaufpreises im Rahmen einer Energienetzübernahme Ausarbeitung WD 5 - 171/07 Abschluss der Arbeit: 23.8.2007 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - - Zusammenfassung - Der derzeit dem Bundesrat vorliegende Entwurf einer Anreizregulierungsverordnung der Bundesregierung (BRat-Drs. 417/07) trifft keine unmittelbaren Regelungen für die Kostenkalkulation bei der Übernahme eines Stromnetzes. Allerdings können die Regelungen der Anreizregulierungsverordnung für die Frage der Weitergabe der Übernahmekosten im Rahmen der Netzentgelte zum Tragen kommen. Eine Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG dahingehend, dass statt einer „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ die Anwendung des tarifkalkulatorischen Restbuchwertes vorgeschrieben wird, dürfte gegen deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen. 1. Einleitung Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Berechnungsmethoden zur Ermittlung des Kaufpreises beim Erwerb von Stromnetzen. Es wird dabei zum Einen der Frage nachgegangen , ob die geplante Anreizregulierungsverordnung zu einer Änderung der Berechnungsmethode der Übernahmekosten bei der Netzübernahme führen wird und welche Auswirkungen die Regelungen der ARegV für einen Eigentümer haben werden, der das Netz zum Sachzeitwert erworben hat. Zum Anderen wird erörtert, ob eine Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG mit höherrangigem Recht vereinbar wäre, wenn für die Überlassung von Energieversorgungsnetzen statt einer „wirtschaftlich angemessenen Vergütung“ konkret die Zahlung des tarifkalkulatorischen Restbuchwertes gesetzlich vorgeschrieben würde. 2. Kaufpreisberechnung und Anreizregulierung Wie bereits erwähnt, bezieht sich das geplante System der Anreizregulierung auf die Netznutzungsentgelte, nicht jedoch unmittelbar auf die Kaufpreisberechnung. Entsprechend der Fragestellung, welche (mittelbaren) Auswirkungen für den Netzerwerber die Anreizregulierungsverordnung zeitigen kann, wird in diesem Kapitel zunächst das System der Anreizregulierung dargestellt, dann die Kaufpreisberechnung nach bisheriger Praxis erläutert, um schließlich mögliche Auswirkungen der Anreizregulierung auf Käufer und Verkäufer von Netzen aufzuzeigen. - 4 - 2.1. Das System der Anreizregulierung Das gegenwärtig angewandte System der Kostenkontrolle1 in den Netzentgeltverordnungen für Strom und Gas unter Anwendung der kalkulatorischen Kostenrechnung (vgl. §§ 4 – 11 NEV Strom und Gas) soll von einem System ersetzt werden, das „Anreize für eine effiziente Leistungserbringung setzt“, die sog. Anreizregulierung gem. § 21a Abs. 1 EnWG. Grundgedanke der Anreizregulierung ist es, durch Vorgaben der Regulierungsbehörde den Gestaltungsspielraum der Netzbetreiber und die Höhe der Netzzugangsentgelte nach oben zu beschränken, so dass auch die Gesamtkosten des Netzbetriebs begrenzt sind. Dazu wird hinsichtlich der beeinflussbaren Kosten eine Effizienz vorgegeben, die dem angenommenen Produktsteigerungspotential der Netzbetreiber entspricht. Obergrenzen und Effizienzvorgaben sollen einen nach unten verlaufenden Pfad für Netzzugangsentgelte bzw. Netzzugangserlöse bewirken. Die Regulierung ist zeitlich begrenzt. Innerhalb einer Regulierungsperiode ist es den Netzbetreibern überlassen , wie sie innerhalb der behördlichen Vorgaben wirtschaften. Eine Prüfung der Kosten auf Notwendigkeit oder Überflüssigkeit soll nicht stattfinden.2 Die Einführung des Systems der Anreizregulierung erfolgt dabei in zwei Schritten. Zunächst soll eine Obergrenze für die Gesamterlöse (anstelle einer Preisobergrenze)3 aus Netzzugangsentgelten auf Basis der Gesamtkosten festgelegt werden. Die Bestimmung dieser Erlösobergrenze soll durch Ermittlung des Ausgangsniveaus erfolgen, indem bei den einzelnen Netzbetreibern eine Kostenprüfung für einen der Anreizregulierung vorhergehenden Zeitraum durchgeführt wird (Vgl. § 21 a EnWG, § 6 ARegV - Entwurf4). Auf dieses Ausgangsniveau wird der Erlöspfad nach der Anwendung der Anreizformel aufgesattelt 5 bis zur unternehmensindividuell gültigen Erlösobergrenze (sog. Revenue-Cap Regulierung ).6 Die Unternehmen sollen dadurch angeregt werden ihren Gewinn zu steigern , indem sie ihre Kosten senken. In einem zweiten Schritt soll zu einem System übergegangen werden, in dem die Vorgaben zur Erlössenkung von den Kosten des Unternehmens abgekoppelt werden und vollständig durch Unternehmensvergleiche ermittelt werden (sog. Yardstick Competiti- 1 Vertiefend dazu BÜDENBENDER, Ulrich, „Das System der Netzentgeltregulierung in der Elektrizitäts - und Gaswirtschaft“, in: DVBl. (2006), S. 197ff. 2 Vertiefend dazu Baur/Fritzsche/Garbers, „ Anreizregulierung nach dem Energiewirtschaftsgesetz (2005). 3 Bericht der BNetzA nach § 112 a EnWG, S. 61, Rn. 244f.. 4 http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/V/verordnung-zum-erlass-und-zuraenderung -von-rechtsvorschriften-auf-dem-gebiet-derenergieregulierung ,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf [ Stand: 16.08.2007]. 5 BNetzA, S. 68, Rn. 292ff. 6 Säcker/ Busse von Colbe, „Wettbewerbsfördernde Anreizregulierung“ (2007), S. 97f. - 5 - on)7. Dabei will man sich am durchschnittlichen Produktivitätsfortschritt der Branche orientieren und periodisch die Kosten des effizientesten Netzbetreibers ermitteln. 2.2. Die Berechnungsmethoden und ihre Handhabung in der bisherigen Übernahmepraxis Bei der Berechnung des Netzkaufpreises wird zwischen dem Sachzeitwert und dem Restbuchwert des Versorgungsnetzes unterschieden. Der Sachzeitwert ist ein auf Grundlage des Wiederbeschaffungswertes unter Berücksichtigung von Alter und Zustand ermittelter Restwert und entspricht dem Substanzwert.8 Der Restbuchwert (auch Anschaffungskostenrestwert) ist der buchmäßig abgeschriebene Wert, d.h. vom Beschaffungswert des Versorgungsnetzes wird der jährliche „Wertverzehr“ in Abzug gebracht . Letztere Berechnungsmethode lässt auch die seit dem Zeitpunkt der Anschaffung bzw. Herstellung der jeweiligen Anlage eingetretene Geldentwicklung unberücksichtigt .9 Daher liegt der Anschaffungskostenrestwert i.d.R. unter dem Sachzeitwert. Teile in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten die Auffassung, im Bereich der Energieversorgung würden energiewirtschaftsrechtliche Besonderheiten gelten, da die Preisgestaltung staatlicher Aufsicht unterliege. Daher bestünde eine Verpflichtung der Entgeltbestimmung nach dem tarifkalkulatorischen Restbuchwert (d.h. weitere Berücksichtigung bei der Bestimmung des Kaufpreises soll der mögliche Verdienst durch genehmigte Netznutzungsentgelte finden). Dieser ist i.d.R noch niedriger als der Anschaffungskostenrestwert . Eine solche Verpflichtung hat der BGH in seinem Kaufering- Urteil nicht gesehen. Insbesondere gebe es keine Verpflichtung des abgebenden Versorgungsunternehmens , seine Netze zum tarifkalkulatorischen Restbuchwert zu überlassen, da dies der „energierechtlichen Rahmenordnung“ nicht zu entnehmen sei.10 Der BGH hat lediglich eingeräumt, dass der tarifkalkulatorische Restbuchwert als Preiskorrektur dienlich sein kann, um festzustellen, ob die Forderung des Sachzeitwertes prohibitiv wirkt (so dass die Übernahme der Stromversorgung durch einen nach den Maßstäben wirtschaftlicher Vernunft handelnden anderen Versorger ausgeschlossen ist und eine faktische Bindung an den bisherigen Versorger besteht) und damit gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstößt (§ 1 GWB).11 7 Säcker/ Busse von Colbe a.a.O. 8 BGH, Urt. v. 28.06.2006, in: NVwZ-RR 2006, S. 808 (809). 9 BGH, Urt. v. 28.06.2006, in: NVWZ-RR 2006, S. 808 (810). 10 BGH, Urt. v. 16.11.1999 (Kaufering), in: NJW 2000, S. 577. 11 So im Ergebnis auch Ballwieser/ Lecheler, „Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG“ (2007), S.40. - 6 - Die Berechnungsmethoden stehen in der Praxis gleichberechtigt nebeneinander. Eine Übertragung der kalkulatorischen Kostenrechnung12 aus den Netzentgeltverordnungen komme wegen der strikten Trennung der Rechtsmaterien (Netznutzungsentgelt/ Regelung in NEV, Konzessionsabgabe/ Regelung in KAV und Netzübernahmeentgelt/ Regelung in § 46 EnWG) nicht in Betracht.13 Die Bestimmung des Netzüberlassungsentgeltes gehöre damit zum nicht regulierten Bereich und liege in der Privatautonomie der Vertragspartner.14 2.3. Mögliche Auswirkungen im Rahmen der Anreizregulierung Entsprechend dieser Gleichberechtigung knüpft auch die ARegV nicht an eine bestimmte Berechnungsmethode hinsichtlich der Netzübernahmekosten an. Gleichwohl hat die Art und Weise der Berechnung des Netzübernahmeentgeltes zumindest mittelbaren Einfluss auf die Anreizregulierung, da sie bei der Ermittlung der Erlösobergrenze als Kostenfaktor (vgl. § 21a Abs. 4 EnWG, § 11 ARegV) Berücksichtigung findet. Je nach Berechnungsmethode wirken die Einnahmen aus dem Verkauf von Netzen oder Ausgaben wegen des Kaufes von Netzen unterschiedlich auf die ansetzbaren Netzkosten (Ausgangsniveau). Vorteilhaft wirken könnte, dass die Spannbreite der Kostenminderung und Gewinnmaximierung für Unternehmen, die höhere ansetzbare Netzkosten haben, größer ist, weil die Erlösobergrenze in diesen Fällen höher liegt als bei Unternehmen mit niedrigeren anzusetzenden Netzkosten. Benachteiligt wären also Netzbetreiber, die Netze zum niedrigen Restbuchwert erwerben bzw. zum höheren Sachzeitwert verkaufen konnten. Dieser Vorteil dürfte jedoch nur vorübergehender Natur sein, da im zweiten Schritt der Anreizregulierung sich die Erlösobergrenze der Netznutzungsentgelte am effizientesten, d.h. kostengünstigsten Netzbetreiber ausrichten werden und nicht mehr unternehmensbezogen bestimmt wird. 3. Änderung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG Bislang hat es der Gesetzgeber bewusst Literatur und Rechtsprechung überlassen, die Formel des „angemessenen Entgeltes“ für eine Netzübernahme i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 2 12 Teil 2 Abschnitt 1 der NEVen Strom und Gas enthalten in den §§ 4 – 11 die Grundlagen der kalkulatorischen Kostenrechnung. § 6 Abs. 1 der NEV stellt klar, dass die kalkulatorischen Abschreibungen in einer kalkulatorischen Kostenrechnung an die Stelle der entsprechenden bilanziellen Positionen treten und nicht der Gewinn und Verlustrechnung entnommen werden. Gem. § 6 Abs. 6 S. 1 der NEV beträgt der kalkulatorische Restwert eines Anlagegutes nach Ablauf des ursprünglich angesetzten Abschreibungszeitraum Null. (Die kalkulatorischen Kosten bezeichnen Kosten, welche nicht mit realen Güter- oder Geldströmen übereinstimmen, sondern dazu bestimmt sind, auch periodisierte und antizipierte Kosten in die Kostenkalkulation aufzunehmen.) 13 Vertiefend dazu Lecheler a.a.O., so auch BGH in seiner „Kaufering“-Entscheidung. 14 Lecheler, S.13. - 7 - EnWG auszufüllen. Dadurch können die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls zum gerechten Ausgleich gebracht werden. Nach oben dargestellter Rechtsprechung, muss die Angemessenheit derzeit im jeweiligen Einzelfall geprüft werden.15 Dies dürfte zu sachgerechteren Lösungen für das einzelne Netzbetreiberunternehmen führen, als eine pauschale Behandlung dieses Sachverhaltes. Überdies bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer gesetzlichen Festschreibung des tarifkalkulatorischen Restbuchwertes in § 46 Abs. 2 S.2 EnWG mit Verfassungsrecht und den Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft. 3.1. Art. 14 Abs. 1 GG Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schützt den Bestand der Eigentumsposition in der Hand des Eigentümers und die Nutzung der Position sowie deren Veräußerung bzw. Verfügung über sie.16 Die gesetzliche Vorgabe, dass das Eigentum an den Versorgungsnetzen nur zu einem tarifkalkulatorischen Restbuchwert (der ggf. wegen entsprechender Abschreibungsdauer gegen Null geht) übergehen darf, greift in die Eigentumsfreiheit bzw. in dessen Schutzgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Zwar ist diese Freiheit einschränkbar gem. Art. 14 Abs. S. 2 GG, jedoch müssen Eingriffe verhältnismäßig sein, d.h. die Interessen des Eigentümers müssen mit den Allgemeinwohlbelangen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Für die Festschreibung des tarifkalkulatorischen Restbuchwertes spricht das grundsätzliche Ziel des Gesetzgebers einer kostengünstigen Energieversorgung. Nach oben Gesagtem dürfte dieses Argument jedoch mit der Einführung der Anreizregulierung an Bedeutung verlieren, welche ja als Gesamtkonzept der Kostensenkung dient. Auch dürfte die Zumutbarkeitsgrenze mit einer solchen Regelung neben der Anreizregulierung überschritten sein. Ziel sei es auch, den Unternehmen im Rahmen der Anreizregulierung maximale wirtschaftliche Freiheiten zu belassen.17 Wie bereits gezeigt ist der BGH in seiner Kaufering-Entscheidung auch nicht dem Argument gefolgt, das Ansetzen des Buchwertes sei nötig, weil die Energieversorgungsunternehmen der staatlichen Preisaufsicht unterliegen und entsprechende Rentabilitätsüberlegungen anstellen müssen. Er führt dazu aus, dass die Kostenkontrolle im Wettbewerbsrecht nur den Missbrauch von Monopolstellung verhindern will, nicht aber bezwecke , dass mit den genehmigten Tarifen auch die gesamten Kosten gedeckt werden. 15 So auch Salje, § 46, Rn. 164, EnWG. 16 Jarass/ Pieroth § 14, Rn. 6 GG. 17 BNetzA, S. 61, Rn. 244. - 8 - Vielmehr würden die Energieversorgungsunternehmen ebenfalls nach marktwirtschaftlichen Prinzipien wirtschaften und kalkulieren.18 Damit kann die angemessene Vergütung nur dazu dienen, den marktwirtschaftlichen Ausgleich für die Übernahme zu sichern. Um prohibitiv wirkende Kaufpreisforderungen zu verhindern19 ist sie erforderlich, aber auch ausreichend. Andere Anhaltspunkte, die für eine Rechtfertigung des Eingriffs sprechen, sind momentan nicht ersichtlich. 3.2. Art. 28 Abs. 2 GG Zwar würde die Festschreibung des tarifkalkulatorischen Restbuchwertes als Übernahmeentgelt kaufinteressierte Kommunen vor (zu) hohen Ausgaben schützen. Andernfalls jedoch Kommunen, die selbst Netzbetreiber sind und verkaufen möchten, in ihrer Planungs - und Finanzhoheit beeinträchtigen. Art. 28 Abs. 2 GG schützt die kommunale Selbstverwaltung und umfasst damit alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft.20 In diesen Bereich fällt die Planungshoheit , d.h. die Befugnis, vorhersehbare Entwicklungen längerfristig zu steuern. Dabei ist das gemeindliche Eigentum insoweit geschützt, als es Gegenstand kommunaler Betätigung ist. Gem. Art. 28 Abs. 2 S.3 GG ist auch die Befugnis zur eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft (Finanzhoheit) garantiert.21 Die Grundversorgung der örtlichen Gemeinde mit Strom und Wasser ist ureigenste Aufgabe der Kommunen. Dazu dienen ihnen die ggf. in ihrem Eigentum stehenden Versorgungsnetze. Hinsichtlich der Veräußerung von Gemeindeeigentum haben die Gemeinden in ihren Gemeindeordnungen geregelt, dass eine Veräußerung grds. nur zum vollen Wert erfolgen soll.22 Darunter sei nicht der buchmäßig abgeschrieben Wert zu verstehen.23 Im Falle, dass einer Gemeinde ein Stromnetz gehört und sie dies veräußern will, würde die hier fragliche Regelung also einen Eingriff in die gemeindliche Selbstverwaltung darstellen. Eine Netzübernahme durch die Kommune dürfte aus Gleichbehandlungsgründen indes im Hinblick auf die Kaufpreiskalkulation vom Gesetzgeber nicht anders behandelt werden als der Netzverkauf durch die Gemeinde. Sollte eine Kommune beim Kauf eines Stromnetzes durch einen Kaufpreis, der über dem tarifkalkulatorischen Restbuchpreis liegt, derartig belastet werden, dass z.B. die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet 18 BGH a.a.O. 19 Diesen Zweck misst der Gesetzgeber der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG zu, vgl. BT Drs.13/7274, S. 21. 20 Jarass/ Peroth, Art. 28, Rn. 12 GG. 21 Jarass/ Peroth, Art. 28, Rn. 14 GG. 22 Vgl. z.B. § 77 Abs. 1 S. 2 GO NRW, § 90 Abs. 1 GO Brdbg., § 97 Abs. 1 S. 2 niedersächs. GO. 23 BGH Urt. v. 28.06.2006, in: NVWZ-RR 2006, S. 808 (809). - 9 - werden könnte, bietet die offene Forderung einer „wirtschaftlich angemessenen Vergütung “ in 46 Abs. 2 EnWG die Möglichkeit einer passenden Einzelfallentscheidung. 3.3. Europäisches Gemeinschaftsrecht Die fragliche Änderung könnte auch gegen primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen. Hier kommt ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56) in Betracht. Anerkannt ist seit der sog. „Gebhard Rechtsprechung “ des EuGH24, dass eine gemeinschaftswidrige Beeinträchtigung der Marktfreiheiten schon dann vorliegt, wenn nationale staatliche Maßnahmen geeignet sind den Zugang zum Markt zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Vorliegend könnte die fragliche Regelung anderen mitgliedstaatlichen Unternehmen den Zugang zum inländischen Markt versperren, weil die Überlassung von Netzen oder die Beteiligung an inländischen Netzbetreiberunternehmen unattraktiv gemacht wird. Die beabsichtigte Regelung könnte auch gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen . Gem. Art. 23 Abs. 2 lit a der Elt – RL / Art. 25 Abs. 2 lit a Gas – RL i.V.m. Erwägungsgrund 2325 muss im Rahmen der Regulierung sichergestellt sein, dass die Netze „lebensfähig“ bleiben und nötige Investitionen getätigt werden. Ziel ist dabei das reibungslose Funktionieren des Energiebinnenmarktes. Das Beeinträchtigungsverbot des Art. 10 UAbs. 2 EG gilt auch für die Ziele von Richtlinien. Die fragliche Regelung könnte dazu führen, dass Investitionen nicht stattfinden, weil ein diese Investitionen enthaltender Übernahmepreis bei der Veräußerung von Netzen keine Berücksichtigung findet.26 Diesem Problem könnte jedoch im Rahmen der Anreizregulierung entgegengewirkt werden, indem Effizienzvorgaben für die Einhaltung einer entsprechenden Netzqualität sorgen. In ihrer Mitteilung vom 07.07.2004 an das Europäische Parlament und den Rat27 führt die Kommission aus, dass geeignete Anreize für Investitionen in Übertragungs- und Verteilernetze zu schaffen sind. Dies könne grundsätzlich auch durch entsprechende 24 EuGHE C-55/94-Gebhard, Slg. 1995,S. I-4165, Rn. 37. 25 Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG - Erklärungen zu Stilllegungen und Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen, Abl. EU Nr. L 176 v. 15.07.2003, S. 37ff. Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG, Abl. EU Nr. L 176 v. 15.07.2003, S. 57ff. 26 Lecheler, S. 51. 27 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und an den Rat - Energieinfrastruktur und Versorgungssicherheit {KOM(2003) 739, 740, 741, 742} /* KOM/2003/0743 endg. - 10 - Preisanreize geschehen. Sie betont mehrfach die Notwendigkeit der Stärkung des Wettbewerbs . Dies dürfte ein Hinweis darauf sein, dass grundsätzlich auf dem Energiemarkt ein marktwirtschaftlicher Ausgleich für erbrachte Leistungen zu erfolgen hat, um die nötigen Investitionen zu sichern. Die hier fragliche Regelung dürfte für die Entstehung von Wettbewerb mangels unternehmerischer Freiheit in der Übernahmepreisgestaltung eher hinderlich sein. 3.4. Bedenken in wirtschaftlicher Hinsicht Weiterhin werden in der Literatur Bedenken geäußert28, dass durch eine Reduzierung des Übernahmeentgeltes auf den Buchwert eine ungerechtfertigte Benachteiligung der Kunden des überlassenden Netzbetreibers geschaffen würde. Bevorteilt würden die Kunden des übernehmenden Netzbetreibers, denen ein Wirtschaftsgut geschenkt würde, das die Kunden des vorherigen Netzbetreibers bezahlt haben. Diese Überlegungen müssten für den niedriger liegenden tarifkalkulatorischen Restbuchwert um so mehr gelten. Auch sei problematisch, dass die Kommunen ungeschmälerte Konzessionsabgaben erhalten , während ihre zivilrechtlichen Vertragspartner mit einer substanziellen Entwertung ihres Eigentums an der Versorgungseinrichtung belastet werden. Dies wäre auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bedenklich.29 28 Lecheler, S. 50. 29 Lecheler, a.a.O. - 11 - 4. 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