Deutscher Bundestag Die Wiederentdeckung der Landwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit Infobrief Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000 – 170/11 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 2 Die Wiederentdeckung der Landwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit Verfasser: Dokument. Aktenzeichen: WD 5 – 3000 – 170/11 Abschluss der Arbeit: 12.10.2011 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Entwicklung der Agrar-Ausgaben in der Official Development Assistance (ODA) 4 3. Agro-Optimismus - Agro-Pessimismus und retour 7 4. Abschluss 10 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 4 1. Einleitung „In der Frühphase der wirtschaftlichen Entwicklung ist der Primärsektor die Startposition, er muss die Entwicklung tragen und die Ressourcen für die Bildung der anderen Sektoren bereitstellen , bis deren eigene Wachstumskräfte erstarken… Keinem Volk ist der mühevolle und lange Weg kleiner Schritte von der breiten Basis des Primärbereichs aus in die moderne Wirtschaft zu ersparen.“ So hieß es 1983 im Fazit eines Aufsatzes des kritisch-konservativen Agrarwissenschaftlers Hermann Priebe zum Thema „Das verkannte Entwicklungspotential im Agrarbereich“. Priebe bezog seine Sichtweise vor allem aus der Geschichte der Wirtschaftsentwicklung in europäischen Ländern. Andere Wissenschaftler, die das in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts dominierende Paradigma der stufenweisen strukturellen Transformation mit ihm teilten, bezogen sich dabei auf die Erfolge der Grünen Revolution, die in den dichtbesiedelten Teilen Asiens zwischen 1960 und 1980 zu enormem Wachstum im Agrarsektor und benachbarten Wirtschaftsbereichen geführt hatten. Auch die Weltbank hatte ihren Weltentwicklungsbericht 1982 der Bedeutung der Landwirtschaft für die generelle wirtschaftliche Entwicklung gewidmet und schrieb: „In fast allen Ländern mit starker landwirtschaftlicher Entwicklung ist das Wirtschaftswachstum rasch fortgeschritten. In der Folge sind in vielen Ländern mit mittleren Einkommen die schlimmsten Erscheinungen absoluter Armut verschwunden, auch wenn es noch starke Unterschiede im Lebensstandard gibt.“ (WDR,1981) Was den Ausschlag dafür gab, dass es von da an mit den Ausgaben für landwirtschaftliche Entwicklung bergab ging, bis die Weltbank den Weltentwicklungsbericht 2008 erneut der Landwirtschaft widmete, soll nachfolgend näher beleuchtet werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung des Politikwandels bei der Weltbank. Dies nicht nur wegen deren Meinungsführerschaft , an der sich die nationalen Geber über die vergangenen Jahrzehnte hinweg immer ausgerichtet haben, sondern auch wegen der außerordentlichen Transparenz, mit der die Bank die inneren Prozesse für die Öffentlichkeit einsehbar macht. 2. Die Entwicklung der Agrar-Ausgaben in der Official Development Assistance (ODA) Die Ausführungen des Weltentwicklungsberichts 1982 flankierten eine Erhöhung der Ausgaben für Agrarentwicklung bei den multilateralen Gebern um 50 % gegenüber 1981. Zwei Jahre später hatte sich der Trend bereits ins Gegenteil verkehrt und die Entwicklungsausgaben für den Agrarsektion begaben sich auf einen Sinkflug, der sie bis 1997 auf das Niveau von 1973 zurückführte . Dieses wurde dann bis 2008 beibehalten, nachdem im Weltentwicklungsbericht “Land- Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 5 wirtschaft für Entwicklung“ wieder größere Investitionen gefordert wurden. Allerdings hatte die Weltbank – passend zum 13. Gipfeltreffen der Afrikanischen Union in Maputo - schon ab 2003 ihre Ansätze für Agrarförderung moderat erhöht1. Der neue Bericht mahnte nun massiv an, „den Sektor in den Mittelpunkt der Entwicklungsagenda zu stellen, wenn das Ziel, extreme Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren, realisiert werden soll“ und klagt: „während 75 % der Armen in der Welt in ländlichen Gebieten wohnen, gehen gerade mal 4% der ODA in die Landwirtschaft “(WDR2008). Vier Jahre, nämlich bis 1987, dauerte es damals, bis die bilateralen Geber den Schwenk der Weltbank nachvollzogen hatten und ihre Agrarausgaben für Entwicklungsländer zurückfuhren. Dagegen wurde in einzelnen Ländern , darunter Frankreich, Japan, UK, Norwegen und Kanada in 2008 wesentlich schneller reagiert. Die US- Regierung verdoppelte im Zweijahreszeitraum gar die einschlägige Ausgabenposition . In Deutschland begann die neuerliche „Agrarwende “ mit dem G8-Gipfel von L’Aquila im Sommer 2009 und der dort in Gang gesetzten „Food Security Initiative“. Im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober 2009 findet sich die ländliche Entwicklung als Schlüsselsektor zwischen guter Regierungsführung , Bildung /Ausbildung, Gesundheit , Klima-, Umwelt und Ressourcenschutz sowie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eingereiht . Im Juni 2010 hat das BMZ ein Konzept zur Entwicklung ländlicher Räume vorgelegt2. Im Jahr 2010 standen für diesen Bereich ca. 650 Millionen Euro zur Verfügung, ab 2011 sollen es laut Pressemitteilung vom 10. Oktober 2011 mehr als 700 Millionen Euro sein. Welchen Anteil die Landwirtschaft als Produktionsbereich ausmachen soll – der Begriff „Ländliche Entwicklung“ kann bekanntlich sehr weit definiert werden - ist allerdings noch nicht zu erkennen3. Auch der in dieser Woche (42. KW) im Plenum des Bundestages zur Abstimmung stehende Antrag der Regierungsfraktionen , in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „in ihrem Engagement, die Entwicklung ländlicher Räume zu einem Schlüsselbereich und Förderschwerpunkt der deutschen Entwicklungspolitik zu machen, konsequent fortzufahren“, enthält sich einer quantifizierenden Gewichtung der sektoralen Prioritäten innerhalb des weitgefassten Bereichs der Ländlichen Entwicklung 4. 1 -dort verständigten sich die afrikanischen Staatschefs darauf, künftig jährlich 10 % der Staatsbudgets in die . Landwirtschaft zu investieren 2 BMZ-Strategiepapier 1|2011 3 Bt.-DrS 17/7185 4 Im Jahr 2009 lag sie mit einem Anteil von 4 % der gesamten deutschen ODA noch erheblich hinter den Durchschnittswerten der gesamten bilateralen (6%) und multilateralen Hilfe (17%) wie auch hinter den Enga Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 6 Die im Januar 2007 erschienene BMZ-Materialie Nr. 163 „Partner für ein starkes Afrika“ beschrieb die Zusammenarbeit im Bereich Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und nannte - nach dem Engagement für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen und dem breiten Zugang zu Finanzierung - als dritten Politikbereich Wachstum und Beschäftigung im Agrarsektor. Innerhalb des agrarwirtschaftlichen Engagements lag der Akzent wiederum auf der „Schaffung günstiger Rahmenbedingungen (rechtlich, infrastrukturell , institutionell) in der Agrar- / Ernährungswirtschaft und –politik“5. Auch das BMZ-Strategiepapier 1/2011 mit dem Titel „Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung “6 beschreibt die Landwirtschaft in Entwicklungsländern überwiegend als einen in ungünstigen und zu verändernden Rahmenbedingungen operierenden Problemfall, denn als essenziellen Treiber der Entwicklung. Und wiederum kommt es laut BMZ auf internationaler Ebene darauf an, „durch Abbau der handelsverzerrenden Agrarsubventionen faire Wettbewerbsbedingungen für Partnerländer herzustellen , durch kontextgerechte Finanzierungsmechanismen Anreize und Möglichkeiten für nachhaltige Ressourcennutzung zu schaffen und die internationale Agrarforschung noch stärker an den Erfordernissen einer nachhaltigen und sozial verträglichen Intensivierung auszurichten7“. Auf nationaler Ebene geht es laut BMZ in erster Linie darum „die Erarbeitung kontextgerechter rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen moderierend und durch fachliche Inputs zu unterstützen 8“. Der direkte Weg zur Intensivierung und zur Steigerung der Produktivität wird hingegen nicht beschrieben. Immerhin wird an einer Stelle postuliert, die Landwirtschaft sollte „Ausgangspunkt und Motor einer umfassenden Entwicklung sein“ und eingeräumt, dass viele Partnerländer „beachtliche Möglichkeiten zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität“ aufweisen . Gleichzeitig wird aber vor der Gefahr gewarnt, „dass die Bedeutung der Landwirtschaft insgesamt überbetont und die Notwendigkeit einer Verbreiterung der Beschäftigungsbasis zu gering bewertet wird9.“ Es fragt sich, ob das dieser Denkweise zugrundeliegende Paradigma von der Landwirtschaft als Sorgenkind und Opfer widriger Verhältnisse im Zuge der Wiederbelebung des internationalen Engagements für die Landwirtschaft Bestand haben kann. Der bei der Weltbank vollzogene Meinungsumschwung zugunsten der Landwirtschaft als Schlüsselsektor der Entwicklung kam für viele überraschend und wird –angesichts der Abwendung von der Landwirtschaft in den 1980er gements für Staat und Zivilgesellschaft und Finanzwesen. (Quelle: OECD/DAC) 5 www.bmz.de/de/publikationen/reihen/...flyer/.../Materialie163.pdf, S.12 6 www.bmz.de/de/publikationen/.../Strategiepapier300_01_2011.pdf 7 ebenda, S 16 8 ebenda, S 17 9 ebenda, S.11 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 7 Jahren in NRO-Kreisen häufig eher abfällig, bis hin zum Vorwurf des Zynismus, kommentiert. Doch stützt er sich auf sehr gründliche, seit den 1990er Jahren fortlaufend erstellte ökonometrische Analysen, die insgesamt zu einer durchaus optimistischen Grundhaltung gegenüber den Potenzialen des Sektors kommen und gezielte Investitionen in die Produktivkräfte des Agrarsektors gerade in Afrika empfehlen, in dem die Grüne Revolution aus verschiedenen Gründen bislang weitgehend ausblieb. 3. Agro-Optimismus - Agro-Pessimismus und retour Eine groß angelegte, bei der Weltbank entstandene Studie fasst den bis dahin vorliegenden Stand der Forschung zusammen und beschäftigt sich anhand von 10 Länderbeispielen eingehend mit den Veränderungen der Landwirtschaft, der ländlichen Räume und dem armutsorientierten Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern seit Abschluss der Strukturreformen zu Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts (Byerlee, Diao, Jackson 2005). Auch werden dort die Wechselfälle der von Ökonomen vorgenommenen Rollenzuweisungen für die Landwirtschaft selbstkritisch erläutert: Die von Priebe (1983) monierte “falsche Übertragung von Erkenntnissen und Maßnahmen aus hoch entwickelten Wirtschaftssystemen auf Länder im Anfangsstadium der Entwicklung“ hatte auf rasche Industrialisierung gesetzt und der Landwirtschaft eine passive Rolle als Zulieferer von Nahrungsmitteln für die heranwachsende industrielle Gesellschaft zugedacht. Produktionssteigerungen waren durchaus erwünscht, jedoch nicht als dynamische Ausgangsbasis für nachgelagerte Sektoren, sondern in dem Maße, wie die Nachfrage in den Städten wachsen sollte. Diese Strategie war zeitlebens ohne Erfolg, so dass sich das Interesse im Verlauf der 60er Jahre auf die in der Grünen Revolution10 Asiens sichtbar gewordenen Anreize landwirtschaftlichen Wachstums für nachgelagerte Sektoren (forward linkages) verlagerte und der Landwirtschaft nunmehr eine aktive Rolle zuerkannt wurde. Paradoxerweise führten gerade die Errungenschaften der Grünen Revolution dazu, dass das aus der Landwirtschaft angestoßene rasche Wirtschaftswachstum zu immer größeren Teilen in der Industrie realisiert wurde und die Landwirtschaft demgegenüber an Aufmerksamkeit verlor. In späteren ökonometrischen Arbeiten wurde die Treiberrolle der Landwirtschaft bestätigt, zunächst fiel aber ins Auge, dass der Anteil des Agrarsektors am BIP auf bis zu 20 % abgesunken war und das Wachstum im nichtlandwirtschaftlichen Bereich erheblich schneller vonstatten ging. 11 Diese Wahrnehmung ermutigte wiederum zu Überlegungen, wie man den zeitraubenden Weg über die Entwicklung der heimischen Landwirtschaft abkürzen könne. Zur Zeit der Grünen Revolution in Asien gelangte der dort produzierte Reis nur zu 5% auf die internationalen Märkte. Eine Reihe von Ökonomen waren später der Ansicht, bei einer weiteren Liberalisierung und Deregulierung hätte dasselbe Ergebnis wesentlich rascher erzielt werden können und setzten daher vornehmlich auf die Entwicklung des Agrar-Handels. Auch könnten Entwicklungsländer mit großen 10 Die Grüne Revolution begann in den frühen 1940er Jahren in Zusammenarbeit der Rockefeller Foundation und der mexikanischen Regierung mit dem Ziel, die Produktion von Weizen, Mais und Bohnen zu steigern. Innerhalb von zehn Jahren gelang es, die Weizenerträge zu versechsfachen. Als Reaktion auf die Hungersnöte der 1950er und 60er Jahre machte sich die indische Regierung an den Versuch, die mexikanischen Erfolge zu wiederholen. Von dort strahlte das inzwischen von der Henry Ford Stiftung unterstützte Programm über das gesamte Süd-Ostasien aus und legte den Grund für die Industrialisierung 11 Z.B. zeigten Gollin et al. (2002) in einer Analyse von 62 Entwicklungsländern über den Zeitraum von 1960- 1990 auf, dass im frühen Entwicklungsstadium das pro Arbeitskraft erzielte Wirtschaftswachstum zu 54 % aus der Landwirtschaft, zu 17% aus anderen Sektoren und zu 29 % aus Übertragungen stammte. Hierzu s.a. Ishishe (2005) Does Agriculture Lead the Economy's Growth? Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 8 Bodenschätzen versuchen, auf dieser Basis ihre Industrie so zu entwickeln, dass mit den Erlösen genügend Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt eingekauft werden könnten.12. Als Ergebnis der umfangreichen Auswertung von ökonometrischer Literatur zu Entwicklungsländern und von selbst erhobenen Daten aus den beobachteten Ländern empfiehlt die zitierte Studie eine Rückkehr zum Paradigma der stufenweisen strukturellen Transformation (s.o.) und legt somit - zusammen mit der Agrarpreis- und Ernährungskrise der Jahre 2006/2007- den Grund für den 2008 vollzogenen Politikwechsel der Weltbank. Allerdings wird der neu ausgerufenen Agro-Optimismus wird allerdings in Bezug auf die einzelnen Länder wie folgt konditioniert: Klima und Verfügbarkeit von Böden lassen ein Produktivitätswachstum zu. Das Bodeneigentum ist relativ gleich verteilt. Ungleiche Landverteilung macht die Armutsbekämpfungseffekte landwirtschaftlichen Wachstums zunichte (z.B. reduziert eine Ertragssteigerung von 1% in Lateinamerika die Zahl der Armen um lediglich 0,1%). Die Armen konsumieren nicht marktfähige Grundnahrungsmittel und andere Güter aus dem ländlichen Raum. Niedrige Transaktionskosten und Risiken schaffen ein günstiges Klima für Investitionen in landwirtschaftsnahen Sektoren. Eine weitere, bei der Weltbank entstandene Studie befasst sich speziell mit der Entwicklung des landwirtschaftlichen Engagements in Afrika (IEG 2007).Auf diesem Kontinent hatten die Ausgaben der bilateralen und multilateralen Geber für die Landwirtschaft im Zeitraum 1981-2001 von 1,9 auf 1,0 Mrd $ abgenommen. Die bilateralen Geber hatten damit den Anteil der Agrarausgaben an der gesamten Hilfe für Afrika von 15 auf 6% abgesenkt, die multilateralen Organisationen gar von 33 auf 7%, und dies auf einem Kontinent, auf dem bis heute unverändert 70-80 % der Bevölkerung auf dem Lande leben und ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft bestreiten. Auch für die Strukturen der Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit hatte dieser Politikwechsel Folgen. So reduzierte die Weltbank die technischen Kapazitäten in zwei aufeinander folgenden Organisationsreformen. Beschränkte sich die Veränderung 1987 auf die Reduktion des technischen Personals zugunsten von Generalisten, so wurde 1997 nicht nur das Organigramm ganz auf regionale Kompetenzen ausgerichtet, sondern auch der Bestand an technischem Personal erneut reduziert. Der Begriff „Landwirtschaft“ ging im Bereich „Ländliche Entwicklung“ auf. Waren 1997 noch 40 Fachkräfte dem Feld Landwirtschaft in Afrika zuzuordnen , so waren es 2007 nur mehr 1713. Im Gegenzug stieg der Anteil von Generalisten im Rahmen der „newer agenda“ des African Rural Development von 51 auf 71 %. Konsequenterweise bemängelt die Studie den Verlust des institutionellen Wissens im Sektor Landwirtschaft und stellt den Empfehlungen zur neuen Ausrichtung auf die Produktivkräfte der Landwirtschaft die Forderung nach der Heranbildung der notwendigen Analyse- und Steue- 12 Verlockend war diese Option besonders in den Jahren bis 2006, die aufgrund hoher Agrarsubventionen der Überschussländer durch einen stetigen Verfall der Getreidepreise charakterisiert waren Abgesehen von den bekannten Schwierigkeiten öl- und mineralienreicher Entwicklungsländer, ihren Reichtum in ein breites und gleich verteiltes Wachstum umzusetzen, dürfte dieser Weg durch die 2007/2008 eingetretene Hausse der Grundnahrungsmittelpreise am Weltmarkt bis auf weiteres versperrt sein. Ähnliches gilt für Bestrebungen, die Mittel für den Zukauf von Grundnahrungsmittel durch spezialisierte, auf den Export ausgerichtete Agrarproduktion zu erwirtschaften. 13 Ganz ähnlich wurde in Deutschland verfahren. Die Hauptabteilung Landwirtschaft der GTZ wurde in der Organisationsreform von 1989 aufgelöst. Die Zahl der Fachkräfte mit technischen Kompetenzen ist seither beständig gesunken . Ein erheblicher Teil auch explizit landwirtschaftlicher Vorhaben wird inzwischen von Generalisten geleitet. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 9 rungskapazitäten in der Bank voran. Insbesondere wird bemängelt, dass in den Länderstrategiepapieren , im allgemeinen Politikdialog mit den Nehmerländern14 und in den Programmfinanzierungsmodalitäten die (technischen) Belange der Landwirtschaft zu wenig abgedeckt seien. Als fortlaufende und kaum zu behebende Erschwernisse werden die im Vergleich zu anderen Sektoren höheren Vorbereitungs- und Supervisionskosten und der Umstand genannt, dass der Bereich Landwirtschaft selten mit raschen Erfolgsmeldungen aufwarten kann. Die Kernempfehlungen des Berichts der Independant Evaluation Group (IEG) bei der Weltbank sind sehr gezielt - und stärker als das oben zitierte Strategiepapier des BMZ -auf die Entfaltung der Produktivkräfte der Landwirtschaft ausgerichtet. Das Hauptaugenmerk soll demnach auf die Produktivität gerichtet werden, insbesondere durch Ausbau der Bewässerungskapazitäten auf Basis realistischer Ziele und durch Verbesserung der Böden und des Wasser- und Dürremanagements im Regenfeldbau. Die Versorgung der Bauern mit Saatgut, Dünger und Krediten soll durch Mobilisierung von Public Private Partnerships verbessertet werden und die Infrastruktur für Transport und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte ausgebaut werden. Eine weitere Empfehlung bezieht sich auf die quantitativ und qualitativ verbesserte Situationsanalysen. Des weiteren wird die Einrichtung eines konsequentes System von Benchmarking, Monitoring und Evaluierung gefordert. Große Gemeinsamkeit herrscht bei allen Gebern inzwischen darüber, dass die Ernährungssicherung in erster Linie eine Angelegenheit der heimischen Landwirtschaft sein muss. Nachdem die Periode der Entsorgung von Nahrungsmittelüberschüssen der Industrieländer durch die Kanäle der Nahrungsmittelhilfe zum Abschluss gekommen zu sein scheint und der Abbau von Exportsubventionen zumindest in der EU vorankommt, gehen derzeit alle Teilnehmer an der Debatte davon aus, dass grundsätzlich in allen Ländern genügend Ressourcen vorhanden sind, um den Nahrungsmittelbedarf zu decken und dabei das Prinzip der nachhaltigen Nutzung zu respektieren. Dennoch sah sich die FAO im Jahr 2009wieder veranlasst, vor einem Ungleichgewicht zwischen kurzfristigen Interventionen und langfristig angelegter, entwicklungsorientierter Unterstützung des Agrarsektors zu warnen: Laut ihrem „Rapid Assessment of Aid Flows for Agricultural Development in Sub-Saharan Africa ” werden die derzeitigen kurzfristigen Mittelallokationen für Ernährungs-sicherheitnicht genügend durch Finanzierungen flankiert, die sich auf langfristige Produktivitätssteigerungen und Anpassungsfähigkeit der heimischen Landwirtschaft in afrikanischen Ländern richten15. In der Tat weisen die Zahlen der OECD aus, dass seit 2002 Nahrungsmittelhilfen dasselbe Niveau erreicht haben wie entwicklungsorientierte Ausgaben, oder diese in einzelnen Jahren gar übertrafen . Offenbar wird es noch einer Reihe von Jahren bedürfen, bis der 2003 eingeleitete und mit 14 Die Partner der Bank sind i.d.R. die Finanzministerien. 15 www.fao.org/docrep/012/al144e/al144e.pdf, S.9 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 10 dem Weltentwicklungsbericht 2008 der Weltbank verkündete Politikwechsel wieder gesündere Relationen zwischen kurzfristigen und langfristig wirkenden Maßnahmen der Ernährungssicherung hergestellt haben wird. 4. Abschluss „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln und retour“ ließe sich die Geschichte der Agrarhilfe in der Entwicklungszusammenarbeit seit ca. 1970 überschreiben. Das ist einerseits zu bedauern , andererseits Kennern des Institutionengefüges der EZ aber auch vertraut. Nicht nur die Landwirtschaft selbst, auch die Befassung damit ist ein vergleichsweise mühseliges Unterfangen. Die hohe Anzahl unterschiedlichster Akteure und die von Standort zu Standort unterschiedlichen Bedingungen verlangen relativ kleinteilige Lösungen. Damit eignen sich Programme und Projekte der Agrarentwicklung weit weniger für die in den vergangenen 20 Jahren beliebt gewordenen Budgethilfen als etwa die Förderung von Systemen der Grundbildung und Gesundheitsversorgung . Auch Infrastrukturprojekte und Kreditfazilitäten setzten den gewünschten zügigen Mittelabflüssen weit weniger Widerstand entgegen als Agrarvorhaben. Hinzu kommt, dass die Landwirtschaft – obwohl sie den Grund für die industrielle Entwicklung gelegt hat -, von Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft der Industrieländer gerne mit Langsamkeit und Rückständigkeit assoziiert wird. Häufig anzutreffende Aussagen wie „Die Landwirtschaft im Land X beschäftigt 70 % der Bevölkerung, trägt aber nur mit 32% zum BIP bei“ unterschlagen die forward und backward linkages der Agrarproduktion und legen Entscheidungsträgern den Schluss nahe, in diesem Sektor sei nicht mehr viel zu holen. Dabei führen die von der Landwirtschaft im positiven Fall geleisteten Anstöße für Entwicklungsprozesse in angrenzenden Sektoren zwangsläufig zur Reduktion ihres Anteils an der volkswirtschaftlichen Leistung. Die verschiedentlich gehegten Hoffnungen, mithilfe der Liberalisierung des Außenhandels und /oder aufgrund der Rohstoffvorkommen in einzelnen Ländern den zweiten Schritt der Entwicklung vor dem ersten unternehmen zu können und sich so die Befassung mit dem sperrigen Gegenstand der Agrarwirtschaft ersparen zu können, hat sich aus verschiedenen Gründen nicht erfüllt . Inzwischen erscheint die grundlegende Rolle des primären Sektors im Entwicklungsprozess neu entdeckt zu sein. Wie ein deutscher Agrarökonom im Untertitel seiner Arbeit „Die dritte Grüne Revolution“ formuliert hat, könnte die Landwirtschaft durch die heranziehende globale Hungerkrise die Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts werden (v. Witzke, 2010). Es bleibt zu hoffen, dass die neuere Erkenntnis für dieses Mal nachhaltiger wirkt als zu Ende der 70er /Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Dazu würde auch gehören, dass der damals begangene Fehler einer überdimensionierten Mittelerhöhung nicht wiederholt wird. Nicht zuletzt die geringe Effektivität von damals - oft ohne Rücksicht auf die Absorptionsfähigkeit der Strukturen in armen und ärmsten Ländern gestarteten Großprojekte - hat ein Übriges dazu getan, dass die zur Verfügung stehendenden Mittel im weiteren Verlauf andere Wege eingeschlagen haben . Auch ist zu hoffen, dass der neue Schwung auf dem Weg durch die in den vergangenen Jahren auf andere Agenden ausgerichteten und deshalb ungenügend gerüsteten Institutionen nicht verloren geht. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 5 – 3000 – 170/11 Seite 11 Literatur Aldermann, H.: What has Changed Regarding Rural Poverty Since Vision to Action Rural development Strategy Background Paper No 5 World bank, Rural Development Family, Washington September 2001, abrufbar unter: www.wds-woldbank.org Byerlee et al (2005): Agriculture, Rural Development and Pro-Poor Growth, Country experiences in the Post-Reform Era, Agriculture and Rural Development Discussion Paper 21, World Bank Department Agriculture and Rural Development 2005 abrufbar: http://siteresources.worldbank.org/INTARD/Resources/PPG_final.pdf Hoering, U. 2006): Agro-Optimismus hat Konjunktur; die Weltbank entdeckt die Agrarpolitik neu abrufbar unter: www.globespotting.de/.../agriculture/Weltbank_Agrarpolitik.pdf IAASTD (2009): Agriculture at a Crossroads, Weltagrarbericht, Hamburg 21.09.2009, abrufbar unter: http://www.weltagrarbericht.de/report.html IEG (2007) World Bank Assistance to Agriculture in Sub-Saharan Africa- An IEG Review Independent Evaluation Group, Worldbank 2007 abrufbar unter: http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/EXTOED/EX- TASSAGRISUB- SAHAFR/0,,menuPK:4422655~pagePK:64829575~piPK:64829612~theSitePK:4422577,00.html Priebe, H. 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