Rechtliche Prüfung einer Regulierung der Preisbildung im Strommarkt zur Verhinderung von Windfall Profits durch den Emissionshandel - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 5 -168/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtliche Prüfung einer Regulierung der Preisbildung im Strommarkt zur Verhinderung von Windfall Profits durch den Emissionshandel Ausarbeitung WD 5 -168/06 Abschluss der Arbeit: 24.08.2006 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhalt 1. Einleitung S. 4 2. Der nationale rechtliche Rahmen S. 5 3. Das „Beleihungsmodell“ S. 6 4. Das Einpreisungsverbot verbunden mit einer gesetzlichen Offenlegungspflicht der betrieblichen Kalkulationen S. 9 4.1. Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht S. 9 4.2. Vereinbarkeit mit primären Gemeinschaftsrecht S. 11 4.3. Nationales Verfassungsrecht S. 13 a) Verhältnismäßigkeit des Einpreisungsverbotes S. 14 b) Legitimes Ziel und Geeignetheit der Maßnahme dieses Ziel zu erreichen S. 14 c) Erforderlichkeit S. 14 d) Angemessenheit S. 15 4.4. Fazit S. 18 5. Literaturverzeichnis S. 19 - 4 - 1. Einleitung Am 25.10.2004 ist die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates in Kraft getreten (Emissionshandelsrichtlinie). Damit wurde der Weg für den Treibhausgasemissionshandel in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) bereitet. Der Emissionshandel als Instrument der Umweltpolitik mit dem Ziel des Klimaschutzes stützt sich auf das Coase- Theorem als Weg einer marktgerechten Internalisierung externer Effekte. Der Preis der handelbaren Emissionszertifikate bestimmt sich dabei grundsätzlich durch Angebot und Nachfrage und spiegelt die Knappheit der natürlichen Ressourcen bei einem vorgegebenen Emissionsziel wider. Es ist den Unternehmen dabei freigestellt, ob sie Zertifikate (Berechtigungen) hinzukaufen oder bei entsprechender Emissionsreduktion verkaufen. Bei einem funktionierenden Emissionshandel wird die Emissionsreduktion zunächst dort erfolgen, wo dies am preisgünstigsten möglich ist. Dadurch kann prinzipiell das Emissionsziel mit den niedrigsten gesamtwirtschaftlichen Kosten erreicht werden und führt so zur marktwirtschaftlichen Effizienz des Instruments. Mit dem Inkraftreten des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TEHG) zum 15.07.2004 wurde die Richtlinie in Deutschland umgesetzt. Nun, kurz vor Ablauf der ersten Zuteilungsperiode, gibt es erste Erfahrungen mit dem neu eingeführten marktwirtschaftlichen Anreizinstrument. Unter Anderem hat sich die Vermutung1 bestätigt, dass die Stromversorger den Wert der kostenlos zugeteilten Zertifikate in die Strompreiskalkulation einbeziehen würden. Dadurch erzielen die Energieversorgungsunternehmen durch Überwälzen der sog. Opportunitätskosten auf den Stromverbraucher Gewinne in Milliardenhöhe.2 Die aktuell stark gestiegenen Strompreise treffen Verbraucher und produzierende Industrie empfindlich und bedrohen z.T. die Existenz mittelständischer Unternehmen.3 Daher könnte ein staatliches 1 DIW Berlin u.a., Endbericht vom 01.09.2003, „Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems auf die deutsche Industrie“, S. 30 und 142. 2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Hintergrundpapier „Nationaler Allokationsplan 2 (2008-2012)“ vom 28.06.2006, S. 5. 3 Hydro- Aluminium Deutschland GmbH, Schreiben an den Bundesumweltminister vom 30.05.2006, http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/nap_stellungnahme_hydro.pdf [Stand: 10.08.2006]. - 5 - Eingreifen zum Schutz von Verbrauchern und industriellen Stromabnehmern angezeigt sein. Die nachfolgende rechtliche Prüfung erstreckt sich auf eine dem Fachbereich zur Prüfung vorgelegte Kombination von Maßnahmen, die die Einpreisung der sog. Opportunitätskosten verhindern sollen. Es handelt sich dabei um: 1. die Einführung eines sog. „Beleihungsmodells“, nach dem die kostenlos und endgültig zugeteilten Zertifikate für die Zertifikatsempfänger in ihrer eigentumsrechtlichen Verfügbarkeit bis zum Zeitpunkt des Verkaufs oder Verbrauchs beschränkt werden, 2. die Einführung eines gesetzlichen Verbotes bezüglich der Weitergabe der Opportunitätskosten an die Verbraucher für tatsächlich zum Ausstoß von Emissionen verbrauchte Zertifikate (Einpreisungsverbot) i.V.m. einer gesetzlichen Offenlegungspflicht der Kalkulationen im Rahmen einer im Ermessen des Bundeskartellamtes liegenden Strompreiskontrolle. 2. Der nationale rechtliche Rahmen Das TEHG regelt die Grundlage des Emissionshandels in Deutschland, wobei in wichtigen Punkten auf die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) aufgebaut wird. Das Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007)4 definiert die Gesamtsumme der für Deutschland zuzuteilenden Emissionszertifikate und enthält die Regeln für die Zuteilung an die einzelnen Anlagen. Das Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG) verknüpft die projektbezogenen Mechanismen Joint Implementation und Clean Development Mechanism mit dem Emissionshandel. Die Zuteilungsverordnung 2007 (ZuV 2007) enthält Detailregeln für die Zuteilung der Emissionszertifikate auf die emissionshandelspflichtigen Anlagen. Die Emissionshandelskostenverordnung 2007 (EHKostV 2007) regelt die Gebühren für die Finanzierung des Verwaltungsaufwands, der durch den Zuteilungsprozess sowie die Kontoführungsgebühren im deutschen Register entsteht. Die Gebührenverordnung für das ProMechG (ProMechGV) setzt den Rahmen für die Gebührenerhebung im Hinblick auf die Anerkennung und Verbuchung 4 Der Nationale Allokationsplan 2 (2008-2012) wurde der EG Kommission zur Genehmigung vorgelegt. Eine Neuerung gegenüber den bisherigen Zuteilungen soll die geringere Ausstattung der Energiewirtschaft mit kostenlosen Zertifikaten sein. Dadurch sollen die „windfall profits“ verringert werden. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Hintergrundpapier „Nationaler Allokationsplan 2 (2008-2012)“ vom 28.06.2006, S. 5. - 6 - der Emissionsgutschriften aus den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto- Protokolls. Steuer- und bilanzrechtliche Fragen wurden durch Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzvollzugsbehörden geregelt. Für die Umsetzung des Emissionshandelssystems wurde mit der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) eine neue Institution geschaffen.5 3. Das „Beleihungsmodell“ Eine Beschränkung der kostenlos zugeteilten Zertifikate hinsichtlich ihrer eigentumsrechtlichen Verfügbarkeit könnte verhindern, dass ihr Wert in die Bilanz eines Unternehmens eingeht. Auf den Strompreis wird dies, wenn überhaupt nur mittelbare Auswirkungen haben. Die Bilanz stellt lediglich die Finanzlage eines Unternehmens am Schluss eines jeden Geschäftsjahres dar.6 Der Strompreis ergibt sich jedoch nach ökonomischen Grundsätzen aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Konkret ermittelt sich der Preis aus den Kosten und der Begehrtheit eines Produkts. Kosten stehen wiederum für den bewerteten Verbrauch an Produktionsfaktoren, welche zur Erbringung der betriebswirtschaftlichen Leistung notwendig sind. Daneben finden entscheidungsorientierte Kosten, mithin auch die sog. Opportunitätskosten, Eingang in den Preisbildungsprozess.7 Zwischen diesen Kosten und der Bilanzierung besteht also kein direkter Zusammenhang. Eine mögliche Verhinderung der Bilanzwirksamkeit der erstmaligen kostenlosen Zuteilung von Emissionsberechtigungen (Zertifikate) könnte somit nur formal das zeitweilig auftauchende Argument beseitigen, der Wert der Zertifikate müsse preiswirksam sein, weil gem. § 242 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) eine gesetzliche Verpflichtung seiner bilanziellen Darstellung bestehe. Emissionsberechtigungen sind immaterielle Wirtschaftsgüter und dem Umlaufvermögen zuzuordnen.8 Damit gehören die Berechtigungen gem. § 246 Abs. 1 S. 1 HGB zu den bilanzierungspflichtigen Vermögensgegenständen. I.S.d. HGB stellen 5 Schafhausen, in: ZfE (2006), S. 3 (5). Vgl. zu den gesetzlichen Regelungen im Einzelnen Adam/ Hentschke/ Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrecht (2006). 6 Baumbach/Hopt/ Merkt, Handelsgesetzbuch, § 242 Rn. 2. 7 Samuelson/ Nordhaus (2005), Volkswirtschaftslehre: das internationale Standartwerk der Makround Mikroökonomie, Kapitel 8, S. 238f., Punkt 8. Vgl. auch SRU, „Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels: Marktwirtschaflicher Klimaschutz oder Fortsetzung der energiepolitischen Subventionspolitik mit anderen Mitteln“, Stellungnahme vom April 2006, S. 5 Pkt. 5. 8 BMF, Rundschreiben vom 06.12.2005 zur ertragssteuerrechtlichen Behandlung von Emissionsberechtigungen nach dem TEHG, S. 3. - 7 - sie einzelverwertbare und –bewertbare, nichtkörperliche Vermögensvorteile dar, die sich rechtlich soweit verdichtet haben, dass sie dem Berechtigten nicht mehr gegen seinen Willen entzogen werden können.9 Will man das Auftauchen der Emissionsberechtigungen in den Bilanzen der Empfänger nach geltendem Recht vermeiden, ist dies denkbar mit der oben erläuterten Maßnahme zur Einschränkung der Verfügungsberechtigung. Problematisch ist dabei jedoch, dass gem. dem in § 246 Abs. 1 S. 2 HGB verankerten Grundsatz der Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums für die Zuordnung des bilanzierungspflichtigen Gegenstandes, sich die Zurechnung nach der wirtschaftlichen Inhaberschaft und nicht nach sachenrechtlichen Kriterien des BGB bestimmt.10 Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise bewirkt, dass Vermögensgegenstände, die zivilrechtlich einem Rechtssubjekt zuzuordnen sind, nach der Ausgestaltung der Rechtsbeziehung und den tatsächlichen Verhältnissen einer anderen Person gehören können.11 Es fragt sich also, wie die rechtliche Ausgestaltung der Zuteilung erfolgen müsste, um hier eine eindeutige Zurechnung der Vermögensposition im Sinne des § 246 Abs. 1 HGB vornehmen zu können. Die Rechtsnatur der erstmalig zuzuteilenden Berechtigungen (Zertifikate) ist umstritten.12 Wohl überwiegend wird angenommen, es handele sich um eine öffentlichrechtliche Rechtsposition im Verhältnis Anlagenbetreiber und Staat.13 Diese Einordnung steht einer zivilrechtlichen Behandlung wegen des Verweises in § 62 S. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in das Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich nicht entgegen. Zwar verwendet die Richtlinie den Begriff „Emissionszertifikate“, der auf die Eigenschaft als Wertpapier deutet (Art. 11 EG Rili), jedoch wurde diese Einordnung vom deutschen Gesetzgeber mit Erlass des § 15 TEHG eindeutig abgelehnt.14 § 3 Abs. 4 i.V.m. § 6 TEHG spricht von Berechtigung i.S. einer Befugnis zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten 9 Vgl. Staub/ Kleindiek, Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 10f. 10 Baumbach/Hopt/ Merkt, Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 11. 11 Staub/ Kleindiek, Handelsgesetzbuch, § 246 Rn. 52; BFH, Urt. v. 14.05.2002, Az. VIII R 30/98, in: DStR 2002, S. 1569 (1570). 12 Zu den unterschiedlichen Positionen Adam/ Hentschke/ Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrecht, Kapitel 8, S. 148f. 13 Adam/ Hentschke/ Kopp-Assenmacher a.a.O.; Lucht/ Spangardt/ Burgi/ Müller, Emissionshandel (2004), Kapitel 4, S. 96; BMF, Rundschreiben vom 06.12.2005 zur ertragssteuerrechtlichen Behandlung von Emissionsberechtigungen nach dem TEHG, S. 3. 14 BT Drs. 15/5911, Antwort der Bundesregierung „Umsetzung des Emissionshandels in Deutschland und Europa“, Frage 30. - 8 - Zeitraum. Es ist fraglich, ob eine Verfügungsbeschränkung i.S.e. Beschränkung von Eigentum zu Gunsten des Staates an solchen Berechtigungen überhaupt möglich ist. § 14 Abs. 1 TEHG spricht zumindest davon, dass das zu führende Register u.a. Verfügungsbeschränkungen auszuweisen hat, doch meint dies nur die Phase der freien Handelbarkeit der Zertifikate zwischen Privaten, um Sicherungsrechte eintragen lassen zu können.15 Unter Berücksichtigung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 30.06.2005 kann die erteilte Berechtigung nicht selbst als eine eigentumsrechtliche Position gesehen werden. Nach diesem Urteil soll Luft schon aus der Natur der Sache heraus nicht nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet werden können. Vielmehr sei durch die auf Grundlage des TEHG erlassenen Berechtigungen eine Nutzungsbeschränkung des Anlageneigentums erfolgt.16 Unabhängig davon, ob man die Berechtigung in ihrer Verfügbarkeit einschränken oder als Eigentumstitel dem Staat zuordnen will (was nach o.g. Verwaltungsgerichtsurteil schwer zu konstruieren sein dürfte), wird dies unter der nach § 246 Abs. 1 HGB angezeigten wirtschaftlichen Betrachtungsweise nichts daran ändern, dass man mit ihrer Erteilung den Unternehmen eine Rechtsposition verschafft, die es erlaubt zu emittieren oder das Recht dazu zu verkaufen. Gerade wegen der späteren Handelbarkeit erhält diese Rechtsposition einen den Unternehmen zuzuordnenden Vermögenswert. Damit wäre sie weiterhin in die Bilanz eines Unternehmens aufzunehmen. Denkbar ist jedoch eine Regelung ähnlich der des § 15 S.1 TEHG (nach der Berechtigungen nicht als Finanzinstrumente gelten, um den Handel möglichst unbeschränkt von finanzrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten)17, die die Berechtigung als immaterielles Wirtschaftsgut von der Bilanzierungspflicht ausnimmt. 15 Jahn, in: BKR (2004), S. 293 (295). 16 BVerwG, Urt. v. 30.06.2005, Az. 7 C 26.04, in: Gewerbearchiv 2005, S. 417ff.; Gegen dieses Urteil wurde Verfassungsbeschwerde erhoben, das Ergebnis bleibt abzuwarten. Vgl. auch Ehrmann/ Greinacher, in: RdE (2006), S. 97 (98). 17 Adam/ Hentschke/ Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrecht, Kapitel 8, S. 157. - 9 - 4. Das „Einpreisungsverbot“ verbunden mit einer gesetzlichen Offenlegungspflicht der betrieblichen Kalkulationen Ein sog. Einpreisungsverbot könnte verhindern, dass die Unternehmen den Wert der erteilten Berechtigungen als Opportunitätskosten bei der Preisbildung berücksichtigen. Fraglich ist, ob eine solche Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar wäre. 4.1. Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht Die fragliche Preisregulierung könnte gegen die Emissionshandelsrichtlinie18 und die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie19 verstoßen. Ausdrücklich enthält die Emissionshandelsrichtlinie keine Regelungen zur Frage der „Windfall Profits.“ Auch der Richtlinienentwurf sah diesbezüglich keine Vorschriften vor20 und die den Richtlinienbeschluss begleitenden Materialen äußern sich zu dem Problem nicht. Vielmehr ging die EG Kommission in ihrem Richtlinienentwurf davon aus, dass es aufgrund der unterschiedlichen politischen Konzepte und Maßnahmen in den Mitgliedstaaten und der damit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft nötig war, die Richtlinie so einfach wie möglich zu halten.21 Mit der Emissionshandelsrichtlinie liegt darüber hinaus keine abschließende gemeinschaftliche Harmonisierung des Emissionshandelsbinnenmarktes vor.22 Dies könnte dafür sprechen, dass Preisregulierungen zur Korrektur der wirtschaftlichen Auswirkungen auf nationaler Ebene grundsätzlich möglich sind. Jedoch ist es Ziel der Richtlinie, einen gemeinsamen europäischen Markt für Berechtigungen zu schaffen. Auf diesem gelte es u.a. Beschränkungen des Marktzugangs zu unterbinden und die Liberalisierung der Energiemärkte nicht zu beeinträchtigen.23 Die Emissionshandelsrichtlinie ist daher im Lichte dieser Zielvorgaben auszulegen. Art. 10 S. 1 Emissionshandelsrichtlinie spricht von einer kostenlosen Zuteilung der „Zertifikate“, mithin die Ausgabe der 18 Siehe oben S. 1. 19 Richtlinie 2003/54/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, ABl. Nr. L 176 vom 15/07/2003, S. 0037-0056. 20 DIW Berlin u.a., Endbericht vom 01.09.2003, „Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems auf die deutsche Industrie“, S. 136. 21 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates; KOM/2001/0581 endg.; Ziff. 5.. 22 Vgl. KOM Richtlinienentwurf a.a.O. 23 KOM a.a.O. - 10 - Berechtigungen ohne Kostenlast pro Zertifikat.24 Dem strengen Wortlaut nach, ist damit lediglich die entgeltliche Ausgabe der Zertifikate untersagt, nicht jedoch irgendeine Belastung der Unternehmen. Andererseits gilt es gem. des Erwägungsgrundes 7 der Emissionshandelsrichtlinie25 u.a. die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Nach Sinn und Zweck der Emissionshandelsrichtlinie soll das Klimaschutzziel gerade über die Marktteilnehmer mit Hilfe eines marktwirtschaftlichen Anreizsystems erreicht werden. Von der Zertifikatslösung als marktwirtschaftlichem Instrument verspricht man sich gegenüber alternativen Mitteln (z.B. ordnungspolitischen Vorgaben) den Vorteil der kosteneffizienten Realisierung der Vorgaben des Kyoto-Protokolls.26 Gem. Ziff. 3.2. der Mitteilung der Kommission27 vom 07.07.2004 sollen Unsicherheiten für die Betreiber vermieden werden, die sich sonst auf Investitionen und den Handelsmarkt auswirken würden. Entsprechend wurden die von Deutschland geplanten „Ex-post“ Anpassungen der Zertifikatszuteilung nach dem ZuG 2007 von der Kommission mit dem Argument abgelehnt, effizientere Lösungen durch den Markt würden dadurch verhindert. Vorbehaltlich einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in vorgenannter Angelegenheit, kann man somit annehmen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu unterlassen haben, die die Effizienz des neu eingeführten Handelssystems gefährden. Das hier zu prüfende Einpreisungsverbot würde aus ökonomischer Sicht zu erheblichen Ineffizienzen am Markt führen,28 so dass das Ziel der Richtlinie an diesem Punkt „ad absurdum“ geführt würde.29 Das fragliche Einpreisungsverbot könnte gegen die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie30 verstoßen. Gemäß den Erwägungsgründen31 vorgenannter Richtlinie dient diese der Schaffung eines Elektrizitätsbinnenmarktes, um u.a. zu Effizienzsteigerungen, 24 Erling/ Ahlhaus, in: NVwZ (2006), S. 254 (257). 25 Siehe Fn. 17. 26 Lucht/ Spangardt/ Burgi/ Müller, Emissionshandel (2004), Kapitel 4, S. 87f. 27 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zu den Entscheidungen der Kommission vom 07.07.2004 über die nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, die von Dänemark, Deutschland, Irland, den Niederlanden, Österreich, Slowenien, Schweden, und dem Vereinigten Königreich gemäß der Richtlinie 2003/87/EG mitgeteilt wurden; KOM/2004/0500 endg. 28 Vgl. Gaul a.a.O. 29 SRU, Stellungnahme vom April 2006, S. 5. 30 Sh. Fn. 18. 31 Richtlinie 2003/54/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, Ziff. 2ff. - 11 - Preissenkungen und höherer Wettbewerbsfähigkeit zu gelangen. Dafür galt es die Liberalisierung des Elektrizitäts- und Gassektors zu beschleunigen. In erster Linie sieht vorgenannte Richtlinie zwar die Regulierung der Netzzugänge und ihrer Entgelte durch die Mitgliedstaaten vor, jedoch ist sie ihrerseits im Lichte der Vorgaben des EG Vertrages auszulegen. Gem. Art. 4 Abs. 1 und Art. 98 EG sind neben der Gemeinschaft auch die Mitgliedstaaten zur Verwirklichung einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet. Unter Beachtung dieses Grundsatzes ergibt sich aus der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie, dass bei der Strombelieferung grundsätzlich keine marktfremden staatlichen Preiseingriffe gewollt sind. Die dadurch bewirkte Beeinflussung des Marktpreisniveaus würde dem durch die Richtlinie eingeführten Wettbewerb bei der Strombelieferung und dem angestrebten Ziel der Effizienz zuwiderlaufen. Die in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorgesehenen Strompreisregulierungen hinsichtlich der Netzzugangsentgelte sind als Ausnahme zur nicht gewollten staatlichen Preiskontrolle zu sehen.32 Entsprechende Regelungen für die Strombelieferung sind nicht vorgesehen. Vor diesem Hintergrund dürfte die Einführung eines Einpreisungsverbotes mit entsprechender Strompreiskontrolle durch das Bundeskartellamt mit europarechtlichen Harmonisierungsvorschriften nicht vereinbar sein. 4.2. Vereinbarkeit mit primärem Gemeinschaftsrecht Das „Einpreisungsverbot“ verbunden mit einer entsprechenden Preiskontrolle durch die Kartellbehörde stellt im Grunde eine Preisregulierung dar, welche gegen die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 des Vertrages der Europäischen Gemeinschaften (EG) verstoßen könnte und damit wegen der Vorrangigkeit des Gemeinschaftsrechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte nicht anzuwenden wäre. Art. 28 EG enthält in erster Linie das Verbot der mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung. Trotz seiner Nichtkörperlichkeit ist anerkannt, dass auch Strom eine Ware i.S.d. Art. 28 EG ist.33 Das hier zu prüfende Einpreisungsverbot nimmt keine mengenmäßige Beschränkung der Stromeinfuhr vor. Nach der sog. Dassonville-Formel34 sind jedoch auch Maßnahmen gleicher Wirkung verboten, die geeignet sind, den Handel zwischen 32 Diese Regulierung rechtfertigt sich aus den bislang noch nicht funktionierenden Märkten für den leitungsgebundenen Stromtransport; Vgl. Erwägungsgrund 17 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie. 33 Vgl. nur EuGHE, C-379/98-Preussen-Elekktra, Slg. 2001, I-2099. 34 EuGHE, C-112/00-Schmidberger, Slg. 2003, I-5659, Rn. 55ff., m.w.N. - 12 - den Mitgliedstaaten tatsächlich oder potentiell, mittelbar oder unmittelbar zu behindern. Das Einpreisungsverbot verbunden mit einer staatlichen Preiskontrolle ist geeignet, den Absatz von eingeführtem Strom zu erschweren oder weniger attraktiv zu machen, weil die Rentabilitätsspanne für den Verkauf zumindest gekürzt wird. (Im Vergleich dazu wird es inländischen Stromerzeugern leichter fallen, den produzierten Strom in das EG- Ausland unter Einpreisung der Opportunitätskosten für nicht verkaufte Zertifikate zu verkaufen, da hier ein ähnliches Verbot nicht existiert.)35 Der Eintritt in einen Markt ist umso attraktiver, je höher die möglichen erzielbaren Gewinne sind. Durch marktfremde Preisregulierungen der hier zu prüfenden Art werden zusätzlich Marktzutrittsschranken errichtet, da sie das Preisniveau in einer wettbewerbsbeschränkenden Weise nach unten korrigieren. Für Wettbewerber ist dadurch ein Marktzutritt weniger attraktiv oder sogar ausgeschlossen. Damit handelt es sich bei vorliegender Maßnahme auch nicht um die Regelung einer bloßen Verkaufsmodalität i.S.d. sog. Keck-Rechtsprechung,36 so dass eine Bereichsausnahme von Art. 28 EG nicht vorliegt. Damit wäre ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit gegeben. Eine Rechtfertigung nach Art. 30 EG kommt nicht in Betracht. Der Eingriff könnte zwar wegen des zwingenden Allgemeinwohlerfordernisses37 des Verbraucherschutzes hinsichtlich einer sicheren und preisgünstigen Stromversorgung gerechtfertigt sein, jedoch ist die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme sehr fraglich (insbesondere sind die Gemeinschaftsgrundrechte bei einer Beschränkung der Grundfreiheiten durch nationale Maßnahmen zu beachten. Die Schutzbereiche der Gemeinschaftsgrundrechte und der national gewährten Grundrechte sind überwiegend identisch, so dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit [Siehe dazu unten.] ähnlich ausfällt.). Geht man von der Unverhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme aus, wäre die Regelung für EG- Ausländer unangewendet zu lassen, hätte aber dennoch Wirkung für inländische Stromerzeuger. Damit würde es zu einer sog. Inländerdiskriminierung kommen, welche die Chancen der inländischen Stromerzeuger, auf dem europäischen Strommarkt zu bestehen, stark verschlechtern und entsprechend ausweichendes Verhalten nach sich ziehen würde.38 35 Zu den ökonomischen Folgen vgl. a.a.O. 36 EuGHE, C-268/91-Keck, Slg. 1993, S. I-6097. 37 Nichtdiskriminierende nationale Maßnahmen können durch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe nach der sog. „Cassis“-Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt sein. Vgl. EuGHE, C-120/78- Cassis de Dijon“, Slg. 1979, S. I-0649. 38 Vgl. , Sachstand vom 19.07.2006, WD 5 164-06. - 13 - Die bisherige Beurteilung bezieht sich ausdrücklich nicht auf den Schutz der Stromkunden vor Strompreisbildung unter Missbrauch der Marktmacht. Für diesen Fall greifen auf nationaler Ebene bereits bestehende kartellrechtliche Vorschriften (siehe unten). 4.3. Nationales Verfassungsrecht Ein mögliches Einpreisungsverbot mit gesetzlicher Offenlegungspflicht der Kalkulationen könnte rechtswidrig in die Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG)39, die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs.1 GG)40 und die von Art. 2 Abs. 1 GG gewährte Unternehmensfreiheit41 eingreifen. Gem. Art. 19 Abs. 3 GG kommen diese Grundrechte auch Personenvereinigungen des privaten Rechts zu Gute. Der Eingriff wäre rechtswidrig, wenn das Gesetz in formeller oder materieller Hinsicht gegen geltendes Verfassungsrecht verstieße. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Nr. 11 (Wirtschaft, insbesondere hinsichtlich der Preisbildung und -überwachung)42 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit, wonach den Ländern nur Regelungsbefugnis zukommt, solange und soweit nicht der Bund entsprechende Regelungen getroffen hat. Voraussetzung ist gem. Art. 72 Abs. 2 GG, dass eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist, um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet zu schaffen oder die Rechts- und Wirtschaftseinheit zu wahren. Dieses Erfordernis wird bei der hier zu prüfenden Regelung erfüllt sein. a) Verhältnismäßigkeit des Einpreisungsverbotes In materieller Hinsicht könnte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes insbesondere bezüglich seiner Verhältnismäßigkeit fraglich sein. Oben genannte Grundfreiheiten sind zwar grundsätzlich einschränkbar, diese gesetzliche Beschränkbarkeit erfährt jedoch ihre verfassungsrechtlichen Grenzen in dem in Art. 20 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip, aus dem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für jede staatlichen Maßnahme abgeleitet wird.43 Demnach ist eine staatliche Maßnahme nur 39 Thiele, in: JR (1977), S. 359 (361) m.w.N. 40 Hoffmann, in: BB (1995), S.53. 41 Hoffmann, in: BB (1995), S. 53 (55). 42 Vgl. dazu Jarass/ Pieroth, Art. 74, Rn. 22 und 26. 43 Jarass/ Pieroth, Art. 20, Rn. 80. - 14 - verfassungsgemäß, wenn sie mit ihrer die Grundfreiheiten einschränkenden Wirkung ein legitimes Ziel verfolgt und das Gebot der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit i.e.S. beachtet. b) Legitimes Ziel und Geeignetheit der Maßnahme um dieses Ziel zu erreichen Der Schutz der Stromkunden vor überhöhten Strompreisen stellt grundsätzlich ein legitimes Ziel dar. Fraglich ist zwar, ob die derzeitige Höhe der Strompreise allein auf die Einpreisung der kostenlos zugeteilten Zertifikate zurückzuführen ist,44 jedoch hat der Gesetzgeber bei der Auswahl der Maßnahmen einen Prognose- und Entscheidungsspielraum. Dieser ist umso größer, je höher der soziale Bezug der Maßnahme (wie z.B. bei wirtschaftsbezogenen Regelungen der Fall) ist.45 Anhaltspunkte dafür, dass die geplante Maßnahme völlig ungeeignet wäre, bestehen nicht. c) Erforderlichkeit Eine staatliche Maßnahme ist erforderlich, wenn kein milderes Mittel zur Erreichung des Ziels ersichtlich ist. Grundsätzlich bedeutet das Außerkraftsetzen ökonomischer Grundsätze einen schwerwiegenden Eingriff in die unternehmerische Freiheit.46 Mildere Mittel können vorliegend sein: die Förderung des Wettbewerbs unter Beschränkung staatlicher Interventionen auf die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht, die von der Emissionshandelsrichtlinie vorgegebene Möglichkeit der teilweisen Versteigerung der Zertifikate oder ggf. eine Ex-post Regulierung der Zertifikatszuteilung.47 Jedoch wird man auch hier dem Gesetzgeber nach vorgenanntem Grundsatz einen gewissen Prognose- und Entscheidungsspielraum zugestehen müssen, insbesondere hinsichtlich der Frage welche Maßnahme aus Sicht des Gesetzgebers die Verfolgung des Ziels am effektivsten durchsetzt. 44 Vgl. SRU a.a.O.; FAZ vom 07.02.2006, in: FAZ.NET, „Schlechte Ökobilanzen treiben Preise für Emissionsrechte“. 45 Jarass/ Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 87. 46 Vgl. auch Hoffmann, in: BB (1995), S. 53 (56). 47 BMWi, Pressemitteilung vom 28.06.2006, wie oben bereits angedeutet bleibt hier das Verfahren vor dem EuGH abzuwarten. - 15 - d) Angemessenheit Kollidieren Normen mit Verfassungsrang miteinander, ist eine Maßnahme angemessen, wenn die kollidierenden Rechtsgüter infolge einer Abwägung so zum Ausgleich gebracht werden, dass jedem Rechtsgut optimale Geltungskraft eingeräumt wird (praktische Konkordanz)48. Im hier zu prüfenden Fall kollidiert das Recht der Unternehmer, ihr Kapital eigenverantwortlich und ohne Fremdbestimmung einzusetzen, mithin das Recht auf autonome unternehmensbezogene Entscheidungsfindung, welche das Recht zur Erhebung der Preise für den Vertrieb von Wirtschaftsgütern beinhaltet, mit dem Recht der Verbraucher auf eine angemessene, dem menschenwürdigen Lebensstandart entsprechende, sichere und preisgünstige Stromversorgung, welche sich aus dem in der Verfassung verankerten Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG) ableiten lässt. Beide Rechtsgüter haben also Verfassungsrang und sind im o.g. Sinne zum Ausgleich zu bringen. Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes muss die Rechtsordnung der Vertragsfreiheit einen ordnenden Rahmen geben und die unterlegene Partei schützen. 49 Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Marktbeteiligten fehlt, gilt es durch staatliche Regelungen den Grundrechtsschutz zu wahren und sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Gegenwärtig erschöpft sich die Strompreiskontrolle in der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle. Das staatliche Eingreifen ist in diesen Fällen der Preisaufsicht durch Marktversagen und die dadurch entstehenden sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte gerechtfertigt. Sofern die vorgenommenen Einpreisungen in diesem Sinne marktmissbräuchlich sein sollten,50 erfahren die Verbraucher ausreichenden Schutz über die kartellrechtlichen Bestimmungen. Die aktuell steigenden Strompreise müssen jedoch nicht zwingend ein Indiz für bestehende Marktmacht sein.51 Mithin ist vor dem Hintergrund der o.g. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fraglich, ob ein solch starkes Ungleichgewicht zwischen 48 Vgl. Jarass/ Pieroth, Einl., Rn. 6, Art. 20; Rn. 86. 49 BVerfGE 81, S. 242 (255), Urteil vom 07.02.1990. 50 Laut Monopolkommission seien bereits entsprechende Verfahren beim Bundeskartellamt anhängig. Sechzehntes Hauptgutachten , http://www.monopolkommission.de/haupt_16/kapitel04_h16.pdf . 51 Ockenfels, http://ockenfels.uni-koeln.de/download/press/2005-10-faz.pdf. - 16 - den Marktteilnehmern besteht, dass eine staatliche Regulierung über die bereits bestehenden kartellrechtlichen Vorschriften hinaus angemessen wäre. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass Eingriffe in die Unternehmenspolitiken umso mehr einer Rechtfertigung bedürfen, je schwerwiegender die Folgen für den Markt in Form von Ineffizienzen und Wettbewerbsverzerrung sind. Auch muss in die Abwägung mit einfließen, dass kartellrechtliche Vorschriften bislang dann greifen, wenn von einem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung gesprochen werden kann. Missbrauch setzt begriffsnotwendig ein Unwerturteil im Sinne eines unangemessenen oder ungerechtfertigten Verhaltens voraus, welches sich am Prinzip der Wettbewerbsfreiheit orientiert und von subjektiver Vorwerfbarkeit losgelöst zu betrachten ist.52 Dieser Maßstab, der die kartellrechtliche Aufsicht zu Gunsten der Unternehmensfreiheit beschränkt, um ihre Verfassungsgemäßheit zu wahren, sollte bei der hier zu prüfenden weitergehenden gesetzlichen Maßnahme im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses zur Orientierung dienen. Es fragt sich also, ob Windfall Profits aus ungerechtfertigtem wirtschaftlichem Verhalten der Stromerzeuger resultieren. Wie bereits erwähnt, liegt die Ursache der Entstehung der Windfall Profits in der kostenlosen Zuteilung der Zertifikate. Diese wiederum ergibt sich in erster Linie aus den verpflichtenden Vorgaben der Emissionshandelsrichtlinie. Maßgebend für diese Entscheidung zur kostenlosen Zuteilung war u.a., dass zum Schutz des EG Binnenmarktes eine einheitliche Methode der Zuteilung gefunden werden musste,53 wobei die Unternehmen möglichst nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt werden sollten.54 Mithin resultieren die „windfall profits“ schon aus diesem Grund nicht aus ungerechtfertigtem oder missbräuchlichen Verhalten der Anlagenbetreiber. Tatsächlich hat der europäische Richtliniengeber mit der kostenlosen Zuteilung der Zertifikate die Entstehung der Windfall Profits bedingt. 52 Schoening, in: BB (1993), S. 1463 (1464), mit Verweis auf WuW/E BGH 1965 „Gemeinsamer Anzeigenteil“, Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.06.2005, Az. KVR 17/04, S. 15. 53 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates; KOM/2001/0581 endg.; Ziff. 5.. 54 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates“, ABl. der EG 2002, S. C-221/27. - 17 - Aus nationaler rechtlicher Sicht soll die bisherige vollständig kostenlose Vergabe der Berechtigungen ihrerseits nötig sein, um die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs durch das TEHG und damit des eingeführten Emissionshandelssystems zu wahren.55 Aus rechtlicher Sicht ist fraglich, ob dem Stromerzeugungsunternehmen mit der kostenlosen Zuteilung der Zertifikate etwas vom Staat „geschenkt“ wurde56 und deshalb an diese Tatsache staatliche Eingriffe in die Unternehmensfreiheit geknüpft werden können. Unter Berücksichtigung des Bundesverwaltungsgerichtsurteils vom 30.06.200557 kann die erteilte Berechtigung nicht selbst als eine eigentumsrechtliche Position gesehen werden. Vielmehr sei durch die auf Grundlage des TEHG erlassenen Berechtigungen eine Nutzungsbeschränkung des Anlageneigentums erfolgt.58 Dass man den Unternehmen (für eine bestimmte Zeit bis zum Abgabezeitpunkt der Berechtigungen am Ende eines Zurechnungszeitraums) eine Rechtsposition verschafft hat, die einen Marktwert besitzt, ist notwendige Folge des durch den Gesetzgeber eingeführten Emissionshandelssystems. Dies spricht gegen die Annahme, dass die Stromerzeugungsunternehmen sich bei der Einpreisung der kostenlos zugeteilten Zertifikate ungerechtfertigt oder sogar missbräuchlich verhalten würden. Folgt man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts und sieht in der Einführung des Emissionshandelssystems durch das TEHG einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der nur durch die kostenlose Zuteilung der Zertifikate verhältnismäßig gestaltet werden konnte, würde eine Folgemaßnahme, wie sie das Einpreisungsverbot darstellen würde, nochmals diese vom TEHG betroffenen Unternehmen belasten. Insgesamt betrachtet, sprechen diese Argumente zumindest für einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die Unternehmensfreiheit der Stromerzeugungsunternehmen. Um einen solchen zu rechtfertigen, bedürfte es tatsächlicher Anhaltspunkte, dass Verbraucherinteressen im Hinblick auf das 55 Vgl. Rebentisch, in: NVwZ (2006), S. 747 (750), BVerwG vom Urt. v. 30.06.2005, Az. 7 C 26.04, in: GewArch (2005), S. 417 (419). 56 Anders die rein ökonomische Betrachtung, z.B. , in: Der Aktuelle Begriff Nr. 2/06, vom 29.Juni 2006. 57 Fn. 16. 58 BVerwG a.a.O. - 18 - Sozialstaatsprinzip aber auch die Existenzen anderer Marktteilnehmer durch das Verhalten der Stromerzeugungsunternehmen stark gefährdet sind.59 4.4. Fazit Die Grenzziehung ist schwierig und nicht unumstritten, man wird jedoch davon ausgehen dürfen, dass sich auch ein Unternehmen im Rahmen der ihm verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit Einschränkungen gefallen lassen muss, um das soziale Zusammenleben in den Grenzen des allgemein Zumutbaren zu erhalten und zu fördern.60 Der hier zu prüfende Vorschlag zur Verhinderung der Einpreisung der sog. Opportunitätskosten wirft allerdings eine Reihe juristischer Probleme auf. 59 Am 31.08.2005 wurde durch die Deutschen Aluminiumhütten gegen das ZuG 2007, wegen der angeblich darin enthaltenen Möglichkeit der Einpreisung der Marktpreise der Emissionszertifikate, Verfassungsbeschwerde erhoben. Auch dieses Ergebnis bleibt abzuwarten. 60 Thiele, in: JR (1977), S. 359 (362). - 19 - 5. Literaturverzeichnis: ADAM, Michael/ HENTSCHKE, Helmar/ KOPP-ASSENMACHER, Stefan, Handbuch des Emissionshandelsrecht, Berlin Heidelberg 2006. BAUMBACH, Adolf/ HOPT, Klaus/ MERKT, Hanno, Handelsgesetzbuch, 32.Auflage, München 2006. BUNDESFINANZHOF, Urt. v. 14.05.2002, Az. VIII R 30/98, in: Deutsches Steuerrecht (DStR) 2002, S. 1569ff. BUNDESMINISTERIUM für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Hintergrundpapier „Nationaler Allokationsplan 2 (2008-2012)“ vom 28.06.2006, http://www.bmu.de/files/emissionshandel/downloads/application/pdf/hintergrund_nap. pdf, (Stand: 03.08.2006). 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