© 2019 Deutscher Bundestag WD 5- 3000 - 165/18 Wirtschaftliche Auswirkungen des Brexits auf Großbritannien (England, Schottland und Nord-Irland) und Irland Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 2 Wirtschaftliche Auswirkungen des Brexits auf Großbritannien (England, Schottland und Nord-Irland) und Irland Aktenzeichen: WD 5- 3000 - 165/18 Abschluss der Arbeit: 30.01.2019 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Der Brexit 4 2.1. Brexit-Definition 4 2.2. Brexit-Szenarien 5 2.3. Wirtschaftliche Auswirkungen 11 2.3.1. Vereinigtes Königreich 11 2.3.1.1. Schottland 14 2.3.1.2. Nordirland 14 2.3.2. Quellen zur Situation der Republik Irland 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 4 1. Einleitung Die wirtschaftlichen Folgen eines Brexits für einerseits Großbritannien, insbesondere England, Schottland und Nordirland und andererseits die Republik Irland sind im starken Maße an die Form des Brexits gebunden. In der folgenden Arbeit werden zunächst einleitend der Begriff Brexit definiert, verschiedene Brexit-Szenarien dargestellt und schon bestehende sowie sich entwickelnde Auswirkungen auf Wirtschaft und Außenhandel zwischen der übrigen EU und Großbritannien aufgezeigt. Belastbare Aussagen zu den Wirtschaftsfolgen sind derzeit nicht möglich, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder die Form des Austritts, noch der Austrittstermin bzw. ob es überhaupt zum Brexit kommt, feststehen. Ferner musste aus der Vielzahl von Quellen eine Auswahl getroffen werden. In der Anhörung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages vom 14. Januar 2019 wurde über einen Austritt mit oder ohne Austrittsabkommen diskutiert. Die Stellungnahmen der Sachverständigen finden sich unter dem Link https://www.bundestag.de/ausschuesse/pe1_europaeischeunion/oeffentliche_anhoerungen #url=L2F1c3NjaHVlc3NlL3BlMV9ldXJvcGFlaXNjaGV1bmlvbi9vZWZmZW50bGlja GVfYW5ob2VydW5nZW4vMjAxOTAxMTQvNTg1MTc0&mod=mod554384 Weitere Ausführungen zum Thema „Großbritannien und der BREXIT, Verteidigungs- und außenpolitische Implikationen sind Bestandteil einer anderen Arbeit (WD 2- 185/18). 2. Der Brexit 2.1. Brexit-Definition Die BertelsmannStiftung verweist in einem Policy Brief in der Reihe „Zukunft Soziale Marktwirtschaft “ auf die folgende Brexit-Definition: „Die in den Medien häufig verwendete Abkürzung »Brexit« (ein Kunstwort aus „Britain“ und „Exit“) ist insofern irreführend, als dass nicht „Britain“ oder Großbritannien, sondern das Vereinigte Königreich (zu dem neben England, Schottland und Wales auch Nordirland gehört) aus der EU austreten würde. Der geographische Begriff der britischen Inseln umfasst auch die irische Insel und mithin Irland, dessen Austritt aus der EU nicht zur Debatte steht.“1 Eine der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entnommene Grafik2 verdeutlicht nochmals diese geographische Begrifflichkeit: 1 https://www.cesifo-group.de/DocDL/Policy-Brief-Brexit-de_NW_05_2015.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) 2 https://www.faz.net/aktuell/brexit/grossbritannien-wartet-auf-theresa-mays-plan-b-zum-brexit-15999662.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 5 Bei dem 2016 erfolgten Referendum hatten Schotten und Nordiren mehrheitlich für den Verbleib in der EU votiert.3 2.2. Brexit-Szenarien Bereits vor dem Brexit-Referendum der britischen Bevölkerung vom 23. Juni 2016, das durch die Wiederwahl David Camerons auf den Weg gebracht wurde, hatte ein SWP-Arbeitspapier mögliche Brexit-Szenarien wie folgt aufgezeigt: 3 https://rp-online.de/politik/eu/brexit-was-machen-schottland-und-nordirland_aid-19534613 (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 6 „- Einbindung in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Szenario). Dieses Szenario geht davon aus, dass sich Großbritannien wie Norwegen dem EWR anschließt. Als EWR- Mitglied hätte das Vereinigte Königreich bis auf wenige Ausnahmen vollen Zugang zum Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten, müsste dafür aber in den EU-Haushalt einzahlen und in allen betroffenen Politikfeldern EU-Gesetzgebung ohne Mitspracherecht nachvollziehen . - Bilaterale Abkommen (Schweizer Szenario). Das zweite Szenario sieht eine Reihe von sektoral-beschränkten bilateralen Abkommen vor, wie sie die EU mit der Schweiz vereinbart hat. Im Gegensatz zum EWR ist der Zugang zum Binnenmarkt beschränkter, vor allem die für Großbritannien relevanten Bereiche Dienstleistungen und Finanzmarkt sind bei den bilateralen Abkommen mit der Schweiz ausgeklammert. Selbst beim Warenhandel gibt es Ausnahmen, in der Breite herrscht aber freier Warenverkehr. Die Schweiz zahlt hierfür ebenfalls in den EU-Haushalt ein und muss – in begrenzteren Maße – EU-Standards umsetzen, um den Zugang zum Binnenmarkt aufrechtzuerhalten. - Die dritte Möglichkeit ist ein erweitertes Freihandelsabkommen (FTA), wie es die EU zuletzt etwa mit Kanada vereinbart hat (FTA-Szenario). Das Umfassende Wirtschafts- und Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA) beinhaltet einen schrittweisen Abbau der meisten Zölle, wobei diese gerade in Schlüsselsektoren wie der Automobilindustrie nur sehr langsam reduziert werden. Zwar sollen durch einen Regulierungsdialog auch nichttarifäre Handelshemmnisse reduziert werden, insgesamt dürften diese aber auf absehbare Zeit substantiell bleiben. Die für Großbritannien so wichtigen Sektoren Dienstleistungen und Finanzmarkt sind weitgehend ausgeschlossen. Insgesamt wird der freie Warenverkehr mit einem CETA-ähnlichen Abkommen zwar weitgehend offen gehalten, dem Handel zwischen der EU und Großbritannien werden jedoch viele neue Hürden auferlegt. - Zuletzt bleibt die Null-Option, der Handel nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO- Szenario). Dies beinhaltet die Wiedereinführung von Zöllen und die schrittweise Entstehung neuer nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Die Null-Option kann auch eine Zwischenlösung sein, falls die EU wie beschrieben erst nur die Übergangsbestimmungen mit Großbritannien aushandelt und sich erst nach dem vollzogenen Austritt über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Großbritannien einigt. Potentiell gibt es noch weitere mögliche Szenarien, wie die EU ihre Beziehungen zu Großbritannien zukünftig organisieren könnte, die politisch aber zumindest vor dem Referendum nicht in Betracht gezogen werden. Hierzu gehört zum Beispiel die Zollunion der Türkei mit der EU, welche zwar die Zölle aufhebt, aber keinen erweiterten Zugang zum Markt bietet und zudem die Türkei an die Außenhandelsverträge der EU bindet. Zum anderen sind grundlegende strukturelle Änderungen am Aufbau der EU denkbar, welche den vollen Zugang zum Binnenmarkt auch für nicht Mitglieder möglich macht.“4 Jede dieser Optionen hätte jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Großbritannien, aber auch in anderen EU-Staaten. 4 Julia Becker / Nicolai von Ondarza, Die Kosten eines EU-Austritts. Ein systematischer Vergleich von Studien zu den wirtschaftlichen Konsequenzen eines Brexits, SWP-Arbeitspapier, Arbeitspapier FG EU/Europa, 2016/Nr. 01, Juni 2016 SWP Berlin https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/arbeitspapiere/AP_UK_Wirtschaft.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 7 Eine der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.01.2019 entnommene Grafik veranschaulicht mögliche Szenarien wie folgt. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/nach-der-chaos-woche-in-london-jetzt-wird-der-brexit-laestig-15997555- p3.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Das Ifo-Institut betrachtet in seiner Stellungnahme zur Anhörung im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag vom 24.04.2017 folgende Szenarien: „Weicher Brexit: I. EWR-Szenario. In diesem Fall kommt es zu einem tiefen Freihandelsabkommen zwischen EU und Großbritannien, das sich an den Bedingungen orientiert, die zwischen der EU und Norwegen, Island, Liechtenstein gelten. Die Schweiz ist nicht im EWR (europäischen Wirtschaftsraum), sondern unterhält eine Vielzahl von bilateralen Verträgen mit der EU. Materiell ist – mit einigen Ausnahmen, z.B. im Finanzbereich – die Situation aber ähnlich. II. DCFTA-Szenario. In diesem Fall kommt es zu einem tiefen und umfassenden Freihandelsabkommen (deep and comprehensive free trade agreement), wie es die EU vor kurzem mit Kanada abgeschlossen hat, und wie es seit Juli 2011 mit Korea in Kraft ist. Harter Brexit: III. WTO-Szenario. In diesem Fall gelten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Damit gelten alle 8 unter kurzfristige Effekte genannten Kostentreiber (S. 8 f. der Dokumentation). IV. Konfliktszenario. Dieses Szenario baut auf dem WTO-Szenario auf, und verschärft dieses durch den Einsatz nicht-kooperativer handelspolitischer Instrumente.“5 5 Ifo-Institut, Stellungnahme zur Anhörung im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag 24. April 2017, Wirtschaftliche Aspekte des Brexit, S. 9 ff. https://www.bundestag.de/blob/503534/404bfd5eaa05b07453e568e3762ad372/adrs-18_21_98-data.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 8 Die Ifo-Szenarien basieren auf folgenden Überlegungen, die langfristige und kurzfristige Effekte berücksichtigen: Langfristige Effekte: „1. Hysterese und versunkene Investitionskosten. Neue Projekte, die aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen die Investitionskosten nicht mehr verdienen, werden nicht mehr durchgeführt. Aber langfristige Projekte, die vor dem Juni 2016 (dem Zeitpunkt des Referendums) unter der Erwartung eines Verbleibens des Vereinigten Königreichs in der EU angestoßen wurden, werden kurzfristig nur dann unrentabel, wenn sie die durchschnittlichen variablen Kosten nicht mehr erwirtschaften. Das heißt, es kommt nur langsam zu einem Rückbau der notwendigen Investitionen, die für das Funktionieren der regionalen Wertschöpfungsketten wesentlich sind. 2. Grandfathering. Mit dem Brexit wird nicht sofort der gesamte Acquis Communautaire – der Bestand an EU Verordnungen und Richtlinien – durch anderslautende britische Bestimmungen ersetzt. Es ist damit zu rechnen, dass die „Great Repeal Bill“ der britischen Regierung den allergrößten Teil des Bestands an EU Recht einfach in britisches Recht überführen wird. Das heißt, es kommt nicht über Nacht zu einer Divergenz in der Regulierung . Es ist nur allmählich zu erwarten, dass einerseits das Vereinigte Königreich eigene Akzente setzt, und andererseits die EU keine Rücksicht mehr auf britische Befindlichkeiten nimmt. Ähnliches ist hinsichtlich der Verpflichtungen zu erwarten, die die EU auch im Namen des Vereinigten Königreichs in der Welthandelsorganisation (WTO) eingegangen ist.“ Kurzfristige Effekte in Abhängigkeit zu den ausgehandelten Bedingungen (ab April 2019): „1. Es würde, wenn kein Freihandelsabkommen geschlossen wird, zu einer Anwendung der Meistbegünstigungszölle der EU gegenüber dem Vereinigten Königreich kommen. Diese sind im Durchschnitt zwar niedrig, bei Agrarprodukten, Lebensmitteln, Kleidung, Schuhwerk und PKW aber erheblich (knapp zweistellig). Auch das Vereinigte Königreich könnte Zölle einführen, und würde sich dabei vermutlich an die derzeit gültigen Außenzölle der EU halten; alles andere würde Verhandlungen mit den anderen WTO Mitgliedern erfordern. Das Vereinigte Königreich könnte diese Zölle aber jederzeit unterbieten. Zölle verteuern die Importe und verringern diese deshalb. Selbst in einem Freihandelsabkommen ist vorstellbar, dass Zölle auf gewisse sensible Produkte erhoben werden. 2. Falls kein Freihandelsabkommen geschlossen wird, müsste die EU die mengenmäßigen Importbeschränkungen (Quoten, Quotenzölle), die in sensiblen Bereichen existieren, auch auf Importe aus dem Vereinigten Königreich anwenden. Dies betrifft vor allem Agrarprodukte (Rindfleisch, Geflügel, Eier, ...). Gleiches könnte das Vereinigte Königreich tun. Quoten reduzieren, falls sie bindend sind, die Importe direkt. 3. In Abwesenheit eines Freihandelsabkommens könnten die EU und das Vereinigte Königreich defensive handelspolitische Instrumente wie Antidumpingzölle oder Strafzölle gegen Subventionen einsetzen, wenn die eigene Industrie durch Importe aus dem jeweils anderen Land geschädigt würde. Selbst mit einem Abkommen, könnte dies erlaubt sein (zum Beispiel gab es Verfahren gegen Norwegen). Dies führt zu zusätzlicher Unsicherheit, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 9 weil es im Prinzip jederzeit und überraschend zu solchen Zöllen kommen könnte. Die Absicherung gegen diese Unsicherheit führt zu höheren Exportpreisen, was den Handel mindert . 4. Selbst beim Abschluss eines Freihandelsabkommen ist es möglich, dass die im Binnenmarkt vereinbarte gegenseitige Anerkennungen von Produktzulassungen (zum Beispiel im Bereich der Finanzdienstleistungen) oder von Berufsqualifikationen (zum Beispiel bei Rechtsberatung, Buchhaltung, oder Ingenieursdienstleistungen) erlischt. Die Unternehmen müssten sich dann für den jeweiligen anderen Markt erneut um Produktzulassung oder Lizenzierung bemühen, was zusätzliche Kosten verursacht. 5. Durch den Brexit könnte es zu Marktzutrittsbeschränkungen bei Dienstleistungen (zum Beispiel im Energiebereich oder im öffentlichen Nahverkehr) oder bei Investitionen kommen. Dies würde den Dienstleistungshandel direkt beschränken, und könnte auch den Güterhandel behindern (beispielsweise wenn Dienstleistungen oder Investitionen komplementär zum Handel sind). 6. Durch den Brexit könnte es zu einem (teilweisen) Ausschluss von Anbietern der jeweils anderen Region von öffentlichen Beschaffungsvorgängen kommen. Dies würde den Handel einschränken, den Wettbewerb reduzieren, und könnte zu zusätzlichen Kostenbelastungen der öffentlichen Haushalte und Steuerzahler führen. 7. Durch den Austritt aus der Zollunion kommt es selbst dann zu zusätzlichem bürokratischen Aufwand, wenn im Rahmen eines Freihandelsabkommens keine Zölle erhoben werden. In allen Abkommen der EU müssen Unternehmen für die Inanspruchnahme des zollfreien Handels nachweisen, dass der Ursprung ihrer Waren nicht in einem Drittstaat liegt. Dieser Nachweis, der mit Hilfe so genannter Ursprungsregeln geführt wird, ist teuer und wird von Unternehmen in Umfragen immer wieder kritisiert. Und wenn es zu Zöllen – auch sehr geringen – kommen sollte, entstehen Zollabwicklungsformalitäten, die zu Verzögerungen, Staus, und Kosten führen könnten. 8. Schließlich ist damit zu rechnen, dass das britische Pfund gegenüber dem Euro volatiler wird, weil der Brexit kurzfristig zu Unsicherheiten und langfristig zu einer Verringerung der wirtschaftlichen Synchronizität zwischen EU und Großbritannien führt. Höhere Volatilität des Wechselkurses bedeutet höhere Absicherungskosten der Unternehmen bei Exportgeschäften .“6 6 Ifo-Institut, Stellungnahme zur Anhörung im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag 24. April 2017, Wirtschaftliche Aspekte des Brexit. https://www.bundestag.de/blob/503534/404bfd5eaa05b07453e568e3762ad372/adrs-18_21_98-data.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 10 Als Fazit bemerkt das Ifo-Institut: „Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird die Europäische Union substantiell verändern , und zwar zunächst unabhängig davon, wie die bestehenden finanziellen Verbindungen gelöst und die Handelsbeziehungen neu gestaltet werden. Das Vereinigte Königreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU. Sie ist für fast 18% des europäischen BIP verantwortlich. Das Prokopfeinkommen liegt um fast 40% über dem EU-Durchschnitt. Einige der besten europäischen Universitäten liegen in England. Ohne das Vereinigte Königreich wird die EU kleiner, ärmer, und weniger innovativ sein. Welches Arrangement auch immer die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU27 und Großbritannien regeln wird, es wird zwangsläufig weniger tief und umfangreich sein wie eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union; dies bedeutet ökonomische Kosten auf beiden Seiten, die aber asymmetrisch verteilt sind. Im Durchschnitt verlieren die verbleibenden EU Mitglieder weniger als das VK; einzelne Mitgliedsstaaten können aber prozentuell stärker negativ betroffen sein. Für Deutschland ist durch höhere Handelsbarrieren kurzfristig mit einem ein Verlust von bis zu 0,5% des BIP pro Jahr bzw. circa 15 Mrd. Euro zu rechnen ; je großzügiger die Neugestaltung der Wirtschaftsbeziehungen ausfällt, umso kleiner sind die Kosten. Im Falle eines tiefen Abkommens (CETA-plus bzw. EU-Korea-plus) könnten die Belastungen auf 6 Mrd. Euro pro Jahr fallen. Diese Kosten enthalten jeweils höhere deutsche Nettobeiträge von circa 2,5 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Effekte sind allerdings statischer Natur. Sie berücksichtigen nicht, dass durch die Verkleinerung des Binnenmarktes Anreize zu Innovationen, Investitionen, oder Humankapitalbildung fallen könnten, und die kleinere EU möglichweise weniger wachstumsfreundliche Politiken verfolgt. Diese dynamischen Effekte sind seriös kaum bezifferbar; ihre Richtung scheint aber jedenfalls klar. Gewisse volkswirtschaftliche Kosten sind nicht zu vermeiden: selbst im Falle eines tiefen Freihandelsabkommens würden Exporteure durch die Kosten des Nachweises des Warenursprungs belastet. Entzieht sich das VK der Rechtsprechung des EUGHs, so ist auch die gegenseitige Anerkennung von Produktzulassungen, Berufsqualifikationen, und dergleichen kaum vorstellbar. Auch das generiert zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten.“7 Weitere Links verdeutlichen: - Szenarium des ungeordneten (No-Deal-) Brexit: Handelsblatt, 27.01.2019, EU-Austritt. Welche Aktien ein ungeordneter Brexit besonders hart träfe. https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/marktberichte/eu-austritt-welche-aktienein -ungeordneter-brexit-besonders-hart-traefe/23907228.html?ticket=ST-154946- SjDu9cbge6dpbKNWkCOK-ap5 (letzter Abruf: 29.01.2019) 7 Ifo-Institut, Stellungnahme zur Anhörung im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Deutschen Bundestag 24. April 2017, Wirtschaftliche Aspekte des Brexit, S. 2 https://www.bundestag.de/blob/503534/404bfd5eaa05b07453e568e3762ad372/adrs-18_21_98-data.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 11 Handelsblatt, 28.01.2019, Kommentar. Die britischen Abgeordneten können sich vor ihrer Verantwortung nicht drücken. https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-britischen-abgeordneten -koennen-sich-vor-ihrer-verantwortung-nicht-druecken/23917030.html?ticket=ST-152399- cYXnrxxIVwVSJmbVbTB6-ap5 (letzter Abruf: 29.01.2019) - Szenarium des Exit vom Brexit: Süddeutsche Zeitung, 10.12.2018, EuGH-Urteil, Großbritannien darf Brexit einseitig zurücknehmen . https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-eugh-urteil-1.4246582 (letzter Abruf: 29.01.2019) Süddeutsche Zeitung, 29.01.2019, Debatte im britischen Parlament, Demokratie in Gefahr? Was gegen ein zweites Brexit-Referendum spricht. https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-grossbritannien-zweites-referendum-1.4303880 (letzter Abruf: 29.01.2019) - sowie generell die Problematik von Vorhersagen, u.a. den Brexit: Der Tagesspiegel, 26.01.2019, Wirtschaftsprognosen. Warum Ökonomen immer wieder daneben liegen. https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wirtschaftsprognosen-warum-oekonomen-immerwieder -daneben-liegen/23911598.html (letzter Abruf: 29.01.2019) 2.3. Wirtschaftliche Auswirkungen 2.3.1. Vereinigtes Königreich Germany Trade & Invest (GTAI) analysiert im Wirtschaftsausblick vom November 2018 die Situation für das Vereinigte Königreich wie folgt: „Wirtschaftsentwicklung: Das Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich verlangsamt sich seit dem Brexit-Referendum . Die EU-Kommission rechnet mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) um real 1,3 Prozent für 2018 und mit einem Plus von 1,2 Prozent für 2019. Das sind die niedrigsten Wachstumszahlen seit der Weltwirtschafts- und Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Prognosen zur mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung werden durch die noch unklaren Rahmenbedingungen des Brexits erschwert. Seit dem EU-Referendumsjahr hat sich das Pfund Sterling abgeschwächt. Diese Entwicklung hat einerseits dazu geführt, dass die britischen Exporte im Ausland preiswerter geworden sind. Der schwache Außenwert der britischen Währung macht aber gleichzeitig die Importe teurer und treibt die Inflation in die Höhe. Als Konsequenz stagnieren die Reallöhne . Trotz des robusten Arbeitsmarktes rechnen Experten für 2018 und 2019 lediglich mit einem geringen Wachstum des für die Wirtschaft so wichtigen privaten Konsums. Hinzu kommt, dass der private Konsum zunehmend durch Privatschulden finanziert wird, ein Indikator dafür ist die sinkende Sparquote der britischen Haushalte. (…) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 12 Investitionen: Die verunsicherte Wirtschaft hält sich seit dem EU-Referendum mit Investitionen zurück. Nach jüngsten Schätzungen des Statistikamts ONS (Office for National Statistics) gehen die Neuinvestitionen der Unternehmen seit dem 2. Quartal 2018 zurück. Das deutlichste Beispiel ist die Kfz-Branche. Die Autohersteller im Vereinigten Königreich haben im Jahr 2016 insgesamt 2,5 Milliarden Pfund Sterling, rund 3,1 Milliarden Euro, in ihre Werke investiert. Im vergangenen Jahr hat sich die Investitionssumme auf 1,1 Mrd. Pfund, etwa 1,3 Milliarden Euro, reduziert. Nach jüngsten Schätzungen kamen im 1. Halbjahr 2018 lediglich 347 Millionen Pfund, rund 395 Millionen Euro, hinzu. Die Regierung versucht den Investitionsstau auszugleichen und finanziert große Schienen-, Energie- und Straßenprojekte. Auch fördert London neue Technologien, darunter die 5G-Mobilfunktechnik und die Elektromobilität. (…) Konsum: Im Jahr 2018 wird die private Nachfrage nach Schätzung der EU-Kommission nur um 1,4 Prozent zulegen. Bereits im Jahr 2017 hatte die private Konsumnachfrage mit 1,8 Prozent deutlich schwächer zugelegt als 2016, als ein Plus von 3,1 Prozent verzeichnet worden war. Für 2019 prognostiziert die Kommission ein ähnliches Plus wie im Jahr 2018 (1,3 Prozent ). Ursächlich für die getrübte Konsumstimmung sind unter anderem die inflationsbedingt stagnierenden Realeinkommen: Der harmonisierte Verbraucherpreisindex legte 2018 um 2,6 Prozent zu. Seitdem das Pfund Sterling wegen des Brexit schwächelt, werden importierte Waren, Vorprodukte und Rohstoffe immer teurer. Die schwache Konsumnachfrage ist ein Beispiel dafür, wie sehr bereits der geplante EU-Austritt die Wirtschaft schwächt. Ein weiteres Warnzeichen ist die gleichzeitig sinkende Sparquote der Haushalte als ein Indikator dafür, dass die Briten ihren leicht steigenden Konsum auf Pump finanzieren . (…) Außenhandel: Die Abschwächung des Pfund Sterlings nach dem Referendum begünstigt tendenziell britische Exporte und verteuert britische Importe. Nach Angaben des Statistikamtes ONS stiegen die britischen Warenausfuhren 2017 um real 7,1 Prozent. Die Einfuhren legten hingegen nur um real 3,3 Prozent zu. Im Jahr 2018 setzt sich dieser Trend fort, allerdings etwas schwächer als im Vorjahr. Insbesondere die Exportnachfrage geht zurück. Die jüngsten Zahlen von Eurostat auf Euro-Basis bestätigen den Ausbau der Position Deutschlands als wichtigstes Lieferland des Vereinigten Königreichs. Während die Gesamteinfuhren im 1. Halbjahr 2018 um nominal 1,4 Prozent sanken, stiegen die Importe aus Deutschland um 0,9 Prozent. Der Anteil der Einfuhren aus Deutschland an den Gesamteinfuhren lag im 1. Halbjahr 2018 bei 14,4 Prozent mit steigender Tendenz. Die Analysten der EU-Kommission gehen von einem Wachstum der britischen Waren- und Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 13 Dienstleistungsimporte um 2,8 Prozent in 2019 aus. Für die Waren- und Dienstleistungsexporte rechnen sie mit einem Plus von 2,9 Prozent in 2019. Diese Prognosen sind allerdings aufgrund des Brexits mit Vorsicht zu betrachten.“8 Weitere einzelne volkwirtschaftliche Kenngrößen sind den folgenden GTAI-Veröffentlichung zu entnehmen: GTAI, Wirtschaftsdaten kompakt Vereinigtes Königreich, November 2018. http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /MKT/2016/11/mkt201611222078_159080_wirtschaftsdaten-kompakt---vereinigtes-koenigreich .pdf?v=7 (letzter Abruf: 29.01.2019) GTAI, Deutschland ist wichtigster Handelspartner der Briten. Das Vereinigte Königreich ist stark von Importen abhängig. http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=deutschland-ist-wichtigster -handelspartner-der-briten,did=1925102.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Die folgenden Links verdeutlichen den Investitionsstau bzw. Investitionsverlagerungen britischer Unternehmen: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.2018, Niedrigere Wachstumsprognose: Wie der Brexit der Wirtschaft schadet. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/grossbritannien-wie-der-brexit-bereits-der-wirtschaft -schadet-15947261.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Spiegel Online, 18.12.2018, Schlechte Zahlen Wie der ungeklärte Brexit die Wirtschaft lähmt http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/brexit-wie-der-ungeklaerte-eu-austritt-diewirtschaft -laehmt-a-1244266.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Spiegel Online, 22.01.2019, Brexit, Britische Firmen starten Notfallpläne http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/brexit-britische-firmen-starten-notfallplaene -a-1249402.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Handelsblatt, 22.01.2019, Kommentar. Großbritannien droht ein schleichender Unternehmens -Exodus. https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-grossbritannien-drohtein -schleichender-unternehmens-exodus/23897192.html?ticket=ST-2343383- WuudPG5Zznq6btf2v6ml-ap1https://www.handelsblatt.com/?reloadlayer=klick (letzter Abruf: 29.01.2019) 8 GTAI, Wirtschaftsausblick - Vereinigtes Königreich (November 2018) http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftsausblick,t=wirtschaftsausblick --vereinigtes-koenigreich-november-2018,did=2185794.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 14 Basler Zeitung, 23.01.2019, Brexit: Dyson geht nach Singapur, Sony nach Amsterdam https://bazonline.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/brexit-dyson-geht-nach-singapur -sony-nach-amsterdam/story/18145300 (letzter Abruf: 29.01.2019) 2.3.1.1. Schottland Das Handelsblatt folgert in einem Artikel zur Situation Schottlands: „Schottland strebt wegen des EU-Austritts des Vereinigten Königreichs ein neues Unabhängigkeitsreferendum an. Doch schwächt dieser Schritt vor allem die wirtschaftlichen Argumente der schottischen Nationalisten. Schottland exportiert mehr als dreimal so viel in den Rest Großbritanniens als in andere EU-Länder. Die wirtschaftlichen Risiken, die auf ein eigenständiges Schottland zukämen, sind also enorm. Denn wäre Schottland dann EU-Mitglied, würde es eine harte Grenze zum EU-Ausland Großbritannien geben und damit möglicherweise Zölle und andere Handelsbarrieren . Der Brexit zwingt Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon zwar, die Frage der Unabhängigkeit erneut zu stellen. Doch gleichzeitig schwächt dieser Schritt die wirtschaftlichen Argumente der schottischen Nationalisten.“9 Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) führt 2017 ergänzend zum Thema „Schottland“ aus: „Bei einer erneuten Referendumskampagne würden sich außerdem dieselben Fragen stellen wie 2014, etwa nach der Währung und der Tragfähigkeit der schottischen Wirtschaft. Gerade in Zeiten niedriger Ölpreise befindet sich etwa die Ölindustrie, Schottlands drittgrößter Exportsektor, in einer prekären Situation. Unterstützung in Form von Steuererleichterungen und Nachlässen für Forschungsinvestitionen bot bislang das Finanzministerium aus London. Hinzu kommen die engen Handelsbeziehungen zum Rest des Vereinigten Königreichs – rund zwei Drittel (63 Prozent) aller Waren und Dienstleistungen aus Schottland werden ins Rest-VK exportiert. Kurzum: Für Schottland ist der ungehinderte Zugang zum Rest des Vereinigten Königreichs wirtschaftlich wichtiger als die Teilnahme am EU-Binnenmarkt.“10 2.3.1.2. Nordirland Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sieht Anfang 2017, trotz oberflächlicher Parallelen zu Schottland, in den Brexit-Verhandlungen hinsichtlich Nordirland eine Sondersituation gegeben , die mit ganz eigenen Herausforderungen und Interessenkonflikten wie folgt verbunden ist: 9 Handelsblatt, 14.03.2017, EU-Austritt mit Folgen, Brexit, Scoxit und andere Wahrheiten. https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-austritt-mit-folgen-brexit-scoxit-und-andere-wahrheiten /19515856.html?ticket=ST-525508-1KRbZEIjerTQeyg5Hlwa-ap1 (letzter Abruf: 29.01.2019) 10 SWP, Ein differenzierter Brexit für das Vereinigte Königreich Optionen der EU für den Umgang mit Schottland und Nordirland in den Austrittsverhandlungen, SWP-Aktuell 11, März 2017. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A11_orz_Becker.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 15 „Zwischen dem Norden und Süden Irlands liegt die einzige Landgrenze Großbritanniens zur EU (ausgenommen Gibraltar), die Auswirkungen eines harten Brexits wären in dieser Region besonders einschneidend.“ (…) „Wirtschaftlich sind Nordirland und die Republik Irland engmaschig miteinander verflochten . So erwirtschaften sie beispielsweise jährlich rund 2,8 Milliarden Euro aus ihrem wechselseitigen Handel und sie verfügen praktisch über ein gemeinsames Energienetz. Täglich passieren durchschnittlich circa 15 000 Personen die Grenze, um auf der jeweils anderen Seite zu arbeiten. An dieser künftigen Außengrenze der EU zu Großbritannien ist die Offenheit akut gefährdet.“ (…) „Definitiv notwendig werden bei einem harten Brexit Kontrollen von Waren und Dienstleistungen . Würde Großbritannien, wie von Theresa May angekündigt, auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen, müsste zumindest Irland Kontrollen durchführen. Selbst wenn die EU mit Großbritannien ein weitreichendes Freihandelsabkommen abschließt , muss zumindest die Herkunft der Waren kontrolliert werden. Beschränkt werden dürften vor allem Dienstleistungen, die die irisch-nordirische Grenze überschreiten. Auch die Mitnahme von Tieren oder der Transport von Agrarprodukten – der wichtigste Zweig des Handels zwischen Nordirland und der Republik Irland – wäre nicht ohne zusätzliche Genehmigungen möglich. Würden die EU und Großbritannien kein Freihandelsabkommen schließen, wären sogar Zölle fällig. Das irische Finanzministerium rechnet in diesem Fall mit einem Rückgang der irischen Exporte nach Großbritannien um bis zu 30 Prozent.“ (…) „Zudem werden die gemeinsamen Institutionen Irlands und Nordirlands geschwächt. So hat die EU seit 1994 nicht nur mehr als 13 Milliarden Euro an Strukturfondsmitteln in Nordirland investiert, sondern finanziert im Rahmen des PEACE-Programms zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zur Stärkung des Friedensprozesses. Teil der gemeinsamen Institutionen ist der Special EU Programmes Body, der die Kohäsions- und Strukturmittel der EU für beide Teile der Insel gemeinsam verwaltet. Fraglich ist, inwieweit diese Form der Förderung und Zusammenarbeit gerade bei einem harten Brexit fortgesetzt werden kann.“ (…) „Angesichts dieser Herausforderungen wird auch in Nordirland und der Republik Irland über Möglichkeiten nachgedacht, im Rahmen der Brexit-Verhandlungen über einen Sonderstatus Nordirlands zu sprechen. Hauptziel ist dabei, die Grenzen offen zu halten. Hiervon ist insbesondere die Aufrechterhaltung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs betroffen. Sobald Großbritannien die Zollunion und den Binnenmarkt verlässt, sind Kontrollen an der nordirischen Grenze nahezu unausweichlich. In Irland wird daher über die Möglichkeit diskutiert, ob nicht Nordirland mit einem Sonderstatus in der EU-Zollunion verbleiben könnte. Die Zollkontrollen (und -erhebungen) würden dann nicht an der nordirischen Grenze stattfinden, sondern an der Grenze Nordirlands zum Rest des Vereinigten Königreichs.“11 11 SWP, Ein differenzierter Brexit für das Vereinigte Königreich Optionen der EU für den Umgang mit Schottland und Nordirland in den Austrittsverhandlungen, SWP-Aktuell 11, März 2017, S. 5 ff. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A11_orz_Becker.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 16 Eine weitere SWP-Veröffentlichung (aus Oktober 2018) sieht den Schlüssel zur Einigung bei den Austrittsverhandlungen in der britischen Innenpolitik begründet und verweist auf die folgende Grafik12: 2.3.2. Quellen zur Situation der Republik Irland GTAI, Wirtschaftsausblick - Irland (November 2018) https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftsausblick ,t=wirtschaftsausblick--irland-november-2018,did=2184864.html (letzter Abruf: 29.01.2019) GTAI, Wirtschaftsdaten kompakt, Irland November 2018 https://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /MKT/2016/11/mkt201611222033_159090_wirtschaftsdaten-kompakt---irland.pdf?v=6 (letzter Abruf: 29.01.2019) GTAI, Branchencheck - Irland (November 2018) https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Branchen/branchencheck,t=branchencheck --irland-november-2018,did=2184872.html (letzter Abruf: 29.01.2019) 12 SWP, 2018, Tanz auf der Brexit-Klippe. Der Schlüssel zur Einigung bei den Austrittsverhandlungen liegt in der britischen Innenpolitik, SWP-Aktuell 55, Oktober 2018, S. 2 ff. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A55_orz.pdf (letzter Abruf: 29.01.2019) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5- 3000 - 165/18 Seite 17 GTAI, Irland: Brexit beeinträchtigt Unternehmen in vielerlei Hinsicht. https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=irland-brexit-beeintraechtigtunternehmen -in-vielerlei-hinsicht,did=1922650.html (letzter Abruf: 29.01.2019) GTAI, Irland plant Maßnahmen für den Fall eines harten Brexits, Regierung sieht Fördergelder, Gesetzesänderungen und Investitionen in die Grenzabfertigung vor. https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=irland-plant-massnahmenfuer -den-fall-eines-harten-brexits,did=2208464.html (letzter Abruf: 29.01.2019) Süddeutsche Zeitung, 24.01.2019, Brexit. Zwischen grüner Grenze und roten Linien. https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-irland-grenze-eu-1.4299456 (letzter Abruf: 29.01.2019) Süddeutsche Zeitung, 29.01.2019, Interview am Morgen: Brexit "Wir sind ein Kollateralschaden". https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-grenze-grenzkontrollen-nordirland-1.4306276 (letzter Abruf: 29.01.2019) * * *