Ursache der AGENDA 2010 für den wirtschaftlichen Aufschwung - Dokumentation - © 2007 Deutscher Bundestag WD 5 - 158/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Ursache der AGENDA 2010 für den wirtschaftlichen Aufschwung Dokumentation WD 5 - 158/07 Abschluss der Arbeit: 20.08.2007 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Es konnten leider keine Untersuchungen gefunden werden, die einen direkten Zusammenhang zwischen den wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Agenda 2010 und dem aktuellen wirtschaftlichen Aufschwung feststellen (den Beitrag, den die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Agenda 2010 zum Abbau der Arbeitslosigkeit und dem derzeitigen Aufschwung leisten, untersucht der Fachbereich WD 6 ). Bei der Agenda 2010 handelt es sich um ein Bündel von Reformvorhaben, die nur zum Teil konkret ausgearbeitet wurden (vgl. SPD 2003 – Anlage 1). Wissenschaftliche Untersuchungen darüber, inwieweit etwa die Abschaffung des Meisterzwanges für eine Reihe von Handwerksberufen oder der gelockerte Kündigungsschutz tatsächlich zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben, liegen (noch) nicht vor. Die wissenschaftlichen Erklärungen für den jüngsten Aufschwung und die Prognosen für den weiteren konjunkturellen Verlauf gehen recht weit auseinander. Entsprechend wird der Einfluss wirtschaftspolitischer Maßnahmen sehr unterschiedlich bewertet. Im Folgenden werden einige Einschätzungen präsentiert. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Institute – ARGE – betont, dass die konjunkturelle Dynamik in Deutschland im Jahr 2006 erstmals in etwa so hoch war wie im übrigen Euroraum. Die Institute nennen eine Reihe von Faktoren, die für einen sich verfestigenden Aufschwung sprechen. Wichtige Gründe seien die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre, Umstrukturierungen innerhalb der Unternehmen sowie die kräftige Expansion der Weltwirtschaft (vgl. ARGE 2007: 25). Die erwartete Verlangsamung der Konjunktur führen die Institute auch auf den anhaltend restriktiven Kurs der Finanzpolitik zurück. Sie gehen aber davon aus, dass die privaten Konsumausgaben infolge des Einkommens- und Beschäftigungsanstieges einen stärkeren Wachstumsbeitrag leisten werden (vgl. ebd.: 27). Zur besseren Lage auf dem Arbeitsmarkt hat nach Ansicht der Institute die Deregulierung der Leiharbeit beigetragen. Auch der höhere Arbeitsanreiz, der durch die Kürzung der Lohnersatzleistungen gesetzt wurde, leiste einen Beitrag. In erster Linie steige die Beschäftigung aber aus konjunkturellen Gründen (vgl. ebd.: 53). Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) (2003). Mut zur Veränderung. Agenda 2010. Leitantrag des SPD-Parteivorstandes zum Sonderparteitag am 1. Juni 2003 in Berlin. Fundstelle: - 4 - http://archiv.spd.de/servlet/PB/show/1027234/Beschluss-Agenda-2010-neu.pdf [Stand: 14.08.07] Anlage 1 Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V. (ARGE) (2007). Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 2007. Fundstelle: http://www.cesifogroup .de/portal/page/portal/ifoContent/N/data/forecasts/forecasts_container/gd2007041 9/GD_Fruehjahr_ARGE_Freigabe_V01.pdf [Stand: 14.08.07] Anlage 2 Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung schätzt die Bedeutung des weltwirtschaftlichen Umfeldes und vor allem die konjunkturelle Entwicklung in Europa als entscheidend für den Aufschwung in Deutschland ein (vgl. Sachverständigenrat 2006: 6). Die Sachverständigen bewerten die arbeitsmarkt -, wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischen Maßnahmen, welche die große Koalition beschlossen hat. Der beigefügte Ausschnitt aus dem aktuellen Gutachten gibt hierzu einen Überblick. Ein Rückschluss auf die Vorhaben, die bereits in der Agenda 2010 angelegt waren, lässt sich hieraus allerdings nicht ziehen, da die Reformen der großen Koalition einen Kompromiss zwischen den Ansätzen der Regierungsparteien darstellen. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2006). Widerstreitende Interessen – Ungenutzte Chancen. Jahresgutachten 2006/07. Fundstelle: http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/download/gutachten/ga06_ges.pdf [Stand: 20.08.07] Anlage 3 (Auszug) Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) betont die Bedeutung der Lohnpolitik sowie der öffentlichen Ausgabenpolitik für ein Anhalten der guten Konjunktur (vgl. DIW 2006: 18). Das DIW empfiehlt, erst in einem gefestigten Aufschwung die Haushaltskonsolidierung konsequent voranzutreiben. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Einflussfaktoren des Konjunkturaufschwungs. - 5 - Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) (2006). Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung 2006/2007. In: DIW-Wochenbericht Nr. 1-2/2006. Fundstelle: http://www.diw.de/deutsch/produkte/publikationen/wochenberichte/docsnew/06-1-1.pdf [Stand: 14.08.07] Anlage 4 Kritisch schätzt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik die verbreiteten Erklärungen für den Aufschwung ein. Er sei weder ein Erfolg der Agenda 2010 noch der großen Koalition, sondern durch die Kombination einer weiter gestiegenen Exportnachfrage und höherer privater Investitionen verursacht. Das „wichtigste Aggregat“ der Binnenkonjunktur , der private Verbrauch, habe sich hingegen nur geringfügig bewegt (vgl. Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2007: 3). Insofern handele es sich um einen „normalen“ Konjunkturzyklus mit einer „unnormalen“ Komponente, da er nur durch Investitionen, nicht durch eine gestiegene private Verbrauchsnachfrage getragen sei (vgl. ebd.). Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (2007). Memorandum 2007. Mehr und bessere Beschäftigung, ökologischer Umbau und soziale Gerechtigkeit – Demokratische Wirtschaftspolitik statt Aufschwungstaumel. Kurzfassung. Fundstelle: http://www.memo.uni-bremen.de/docs/memo07-kurz.pdf [Stand: 14.08.07] Anlage 5 Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stellt der Agenda 2010 ein positiveres Zeugnis aus. Es seien aber weitere Reformen nötig, um die strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes , der sozialen Sicherung, der Besteuerung und der öffentlichen Haushalte zu lösen. Hüther, Michael / Scharnagel, Benjamin (2005). Die Agenda 2010: Eine wirtschaftspolitische Bilanz. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 32-33/2005. Fundstelle: http://www.bpb.de/publikationen/2GBMQR,0,Die_Agenda_2010%3A_Eine_wirtschaft spolitische_Bilanz.html [Stand: 14.08.07] Anlage 6 Aufsätze zu den wirtschaftspolitischen Effekten der Agenda 2010 erschienen zu einem Zeitpunkt, als mögliche Erfolge zwar abgeschätzt, aber nicht wissenschaftlich belegt - 6 - werden konnten. Das gilt auch für den Beitrag von Eichhorst und Zimmermann. Nach ihrer Einschätzung haben die Reformen der rot-grünen Regierung in vielen Bereichen langfristig bedeutsame Veränderungen eingeleitet (Eichhorst / Zimmermann 2005: 17). Dazu zählen sie neben den arbeitsmarkpolitischen Maßnahmen die zunehmende Steuerfinanzierung sozialer Sicherheit bei gleichzeitiger Stärkung der privaten und betrieblichen Vorsorge sowie die Marktöffnung bei selbständiger Erwerbstätigkeit. Eichhorst, Werner / Zimmermann, Klaus F. (2005). Eine wirtschaftspolitische Bilanz der rot-grünen Bundesregierung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 43/2005. Fundstelle: http://www.bpb.de/publikationen/C0B4OL,0,Eine_wirtschaftspolitische_Bilanz_der_rot gr%FCnen_Bundesregierung.html [Stand: 20.08.07] Anlage 7 Auch zu einer der zentralen Liberalisierungen im Zusammenhang mit der Agenda 2010, der Lockerung des Kündigungsschutzes, liegen keine gesicherten Daten vor. Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) verweist auf einen generellen Mangel an wissenschaftlichen Untersuchungen über Kündigungsschutz und Kündigungsschutzpraxis (vgl. Pressemitteilung vom 11.11.2005). Aktuelle Untersuchungen über die Auswirkungen des gelockerten Kündigungsschutzes im Zusammenhang mit der Agenda 2010 konnten nicht gefunden werden. Institut für Arbeit und Technik (IAT) (2005). Kündigungsschutz – eine vom Aussterben bedrohte Art. Pressemitteilung vom 11.11.2005. Fundstelle: http://www.iatge.de/aktuell/presse/2005/051111.html [Stand: 20.08.07] Anlage 8