© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 150/20 Zum Ausschluss von Wäldern für die Windenergienutzung durch Landeswaldgesetze Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Fragestellung Für einen Ausschluss von Wäldern für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen sind grundsätzlich zwei Möglichkeiten denkbar: 1. Zum einen können Gebiete, also auch Wälder, im Rahmen der Raumordnung ausgeschlossen werden. In den Raumordnungsplänen werden dann Ausschlussgebiete ausgewiesen. Diese sind jedoch nur dann zulässig, wenn im Gegenzug eine Ausweisung von Eignungsgebieten für Windenergie erfolgt.1 2. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Nutzung von Wäldern für die Windenergie durch Gesetz, insbesondere durch die jeweiligen Landeswaldgesetze, auszuschließen. Nur die zweite Möglichkeit ist Gegenstand dieses Sachstandes: Es ist danach gefragt, ob Länder durch ihre Landeswaldgesetze Wälder für die Nutzung für Windenergie pauschal ausschließen können, auch wenn dies den Ausbauzielen des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbaren-Energien-Gesetz – EEG)2 widerspricht. 2. Ausschluss durch Landeswaldgesetze 2.1. Gesetzgebungskompetenz der Länder Das Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz – BWaldG)3 bestimmt in § 5, dass es sich bei den nachfolgenden Vorschriften des zweiten Kapitels zur Erhaltung des Waldes (§§ 6 bis 14) um bundesgesetzliche Mindestnormen handelt. Die Ausfüllung und Konkretisierung der Vorschriften erfolgt durch die jeweiligen Landeswaldgesetze . Verfassungsrechtlich stützt sich der Gesetzgeber des BWaldG insoweit auf eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes.4 2.2. Einschränkung von Umwandlungen Anknüpfungspunkt für einen (pauschalen) Ausschluss von Wäldern für die Windenergie durch die Landeswaldgesetze ist die Umwandlung in eine andere Nutzungsart. Umwandlung in eine andere Nutzungsart ist dabei die Änderung der forstlichen Nutzung einer Waldfläche zugunsten einer anderen Nutzung.5 1 So jedenfalls OVG Münster, Urteil vom 22. September 2015 – 10 D 82/13.NE, http://www.justiz .nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/10_D_82_13_NE_Urteil_20150922.html. 2 https://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/BJNR106610014.html. 3 https://www.gesetze-im-internet.de/bwaldg/BJNR010370975.html. 4 BT-Drs. 7/889 vom 9. Juli 1973, S. 40, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/008/0700889.pdf. 5 Vgl. Endres, Bundeswaldgesetz Kommentar, 2014, § 9 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 150/20 Seite 5 Die Umwandlung bedarf nach § 9 Abs. 1 S. 1 BWaldG grundsätzlich der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde (Umwandlungsgenehmigung). Die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen im Wald stellen in der Regel eine Umwandlung in eine andere Nutzungsart dar.6 Unter welchen Voraussetzungen eine Umwandlung zulässig und eine Umwandlungsgenehmigung erteilt werden kann, ist in den Landeswaldgesetzen bestimmt, mithin bestehen Unterschiede in den einzelnen Bundesländern. Zur Umwandlung der Nutzungsart regelt § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG ferner: „Die Länder können bestimmen, dass die Umwandlung weiteren Einschränkungen unterworfen oder, insbesondere bei Schutz- und Erholungswald, untersagt wird.“7 Somit gesteht das BWaldG es den Behörden und Gesetzgebern der Bundesländer zu, die Umwandlung von Wald in einer grundsätzlich nicht eingegrenzten Intensität rechtlich zu erschweren .8 2.3. Ausschluss der Umwandlung 2.3.1. Grundsatz Nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG sind die Länder grundsätzlich ermächtigt, eine Umwandlung von Wald auch vollständig zu untersagen.9 Dies gilt auch nicht nur für Waldgebiete, die Schutz- oder Erholungswald darstellen, denn § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG nennt diese nur beispielsweise („insbesondere “).10 Die Landeswaldgesetze können eine solche Untersagung der Umwandlung auch nur für bestimmte Fälle regeln.11 Ein pauschales Verbot der Umwandlung von Wald für Windenergieanlagen dürfte damit bei isolierter Betrachtung des BWaldG von der bundesrechtlichen Ermächtigung gedeckt und somit möglich sein. 6 Vgl. Lietz, Windenergieanlagen im Wald – Rahmenbedingungen, Nutzungskonflikte und rechtliche Vorgaben des Raumordnungs- und Waldrechts, UPR 2010, 54-60 (57). 7 Hervorgehoben durch den Verfasser des Sachstands; siehe dazu auch die Kurzinformation „Zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für eine Beschränkung der Windkraftnutzung in Wäldern“ (WD 8 – 3000 – 094/20), https://www.bundestag.de/resource/blob/816824/738871895927b43fb5edca87a6ec1e2a/WD-8-094-20-pdfdata .pdf. 8 Vgl. Endres, Bundeswaldgesetz Kommentar, 2014, § 9 Rn. 47. 9 Ebd. 10 Ebd. 11 Ebd., Rn. 48. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 150/20 Seite 6 Derzeit ist die Umwandlung von Wald zur Errichtung von Windenergieanlagen nach den Waldgesetzen der Länder Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen unzulässig.12 2.3.2. EEG-Ausbaupfade Eine Vorschrift im Landeswaldgesetz, die pauschal die Umwandlung von Wald für Windenergieanlagen ausschließt oder für unzulässig erklärt, muss aber wie jedes Landesrecht mit höherrangigem Recht im Einklang stehen. Darunter fällt auch das EEG als Bundesrecht. Der Bundesgesetzgeber hat in § 4 Nr. 1 EEG nationale Ausbaupfade für die Steigerung der installierten Leistung von Windenergieanlagen auf Land jeweils für die Jahre 2022 bis 2030 festgelegt, um das in § 1 Abs. 2 EEG statuierte Ziel des Gesetzes, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 65 Prozent im Jahr 2030 zu steigern, zu erreichen: „Das Ziel [...] soll erreicht werden durch eine Steigerung der installierten Leistung von Windenergieanlagen an Land auf a) 57 Gigawatt im Jahr 2022, b) 62 Gigawatt im Jahr 2024, c) 65 Gigawatt im Jahr 2026, d) 68 Gigawatt im Jahr 2028 und e) 71 Gigawatt im Jahr 2030 [...].“ Die festgelegten Ausbaupfade sind die Grundlage für die Bestimmung des Ausschreibungsvolumens . Der Begriff und die Rechtsnatur der „Ausbaupfade“ sind nicht definiert. In der Literatur werden sie als „rechtsverbindliche Zielwerte“, die „primärenergieabhängig den Umfang der Förderung auf jährliche kumulierte Anlagenleistungen“ begrenzen, klassifiziert.13 Hauptzweck der Bestimmung der Ausbaupfade soll zum einen die Verbesserung der Planungssicherheit von Investoren und sonstigen beteiligten Akteuren sowie zum anderen die Deckelung des Finanzvolumens der Förderung (nach dem EEG) sein.14 Eine Landesvorschrift, die, wenn auch pauschal, die Umwandlung von Wäldern zur Errichtung von Windenergieanlagen als unzulässig erklärt, widerspricht daher regelmäßig nicht den in § 4 EEG festgelegten Ausbauzielen: Das EEG enthält keine Bestimmungen darüber, wo konkret die 12 Vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 LWaldG Sachsen-Anhalt, § 9 Abs. 3 S. 3 LWaldG Schleswig-Holstein, § 10 Abs. 1 S. 2 ThürWaldG. 13 Vgl. Salje, Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017, 8. Auflage 2018, § 4 Rn. 2. 14 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 150/20 Seite 7 Verwirklichung der Ausbauziele stattfinden soll. Es bestimmt weder die räumliche Verteilung innerhalb Deutschlands noch macht es Vorgaben hinsichtlich der Standorte von zu errichtenden Windenergieanlagen. Wohl aus diesen Gründen finden sich mitunter Forderungen, der Bund solle an die einzelnen Bundesländer gerichtete Flächenziele vorgeben.15 2.3.3. Abwägung Ferner müsste der Landesgesetzgeber vor Erlass eines pauschalen Ausschlusses von Windenergieanlagen im Wald wohl eine Abwägung vornehmen, wie sie § 9 Abs. 1 S. 2 BWaldG für die Entscheidung über die Umwandlungsgenehmigung erfordert.16 Denn mit dem Gesetz nimmt er diese Entscheidung pauschal zu Lasten des möglichen Antragsstellers voraus. Dabei sind die Belange von Waldeigentümern – dazu gehören deren Rechte, Pflichten und wirtschaftliche Interessen – sowie die öffentlichen Belange gegen- und untereinander abzuwägen.17 Ein Verbot der Umwandlung von Wald zur Errichtung von Windenergieanlagen stellt wohl einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit der Waldeigentümer aus Art. 14 Grundgesetz (GG)18 dar. Auf der Seite der öffentlichen Belange steht insbesondere die als Gesetzeszweck in § 1 BWaldG statuierte Erhaltung des Waldes und seiner Schutz- und Erholungsfunktion.19 Unter Umständen können im Rahmen der Abwägung die im EEG festgelegten Ausbaupfade (und ggf. andere, auf Landesebene bestehende Zielvorgaben) als eines von mehreren öffentlichen Belangen berücksichtigt werden. Welche Belange bei der Abwägung mit einfließen und wie sie gewichtet werden, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. So wird z. B. der Erhaltung des Waldes in waldärmeren Bundesländern wohl regelmäßig ein höheres Gewicht beizumessen sein. Auch spielt die Verfügbarkeit von nicht bewaldeten Flächen für Windkraftanlagen eine Rolle. Dass sich nur durch Umwandlung von Wald in einem bestimmten Bundesland das nationale Ausbauziel des § 4 EEG erreichen lässt, dürfte wohl ein nur rein theoretisches Gedankenspiel sein. Dafür gibt es sowohl landesintern als auch bundesweit wohl zu viele andere Optionen, um das nationale Ausbauziel zu erreichen. *** 15 Vgl. Bovet/Dross/Kindler, Bundesweite Flächenvorgabe für den Ausbau von Windenergie an Land, NVwZ 2020, 754 (755). 16 Vgl. Endres, Bundeswaldgesetz Kommentar, 2014, § 9 Rn. 21 Fn. 161. 17 Vgl. Thomas, Bundeswaldgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2018, § 9 Punkt 4.1. 18 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. 19 Vgl. Thomas, Bundeswaldgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2018, § 9 Punkt 5.