© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 148/20 Variable Vorstandsvergütung bei staatlichen Kapitalhilfen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 148/20 Seite 2 Variable Vorstandsvergütung bei staatlichen Kapitalhilfen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 148/20 Abschluss der Arbeit: 7. Januar 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 148/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Vergütung von Vorständen 4 1.2. Fragestellung 5 2. Bundeseigene Unternehmen 5 2.1. Ermessen 5 2.2. Kein Ermessen 5 3. Privatunternehmen 6 4. Eigene Verpflichtung des Aufsichtsrats 6 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 148/20 Seite 4 1. Einleitung 1.1. Vergütung von Vorständen Die Vergütung der Vorstände von Aktiengesellschaften teilt sich regelmäßig in einen festen und variablen Teil („Bonus“) auf.1 Die Einzelheiten richten sich nach den jeweiligen Vorstandsdienstverträgen . Je nach Vertrag kann der variable Teil unter einem umfassenden Freiwilligkeitsvorbehalt stehen :2 Vorstandsdienstverträge können, anders als Arbeitnehmerverträge, auch zielgerichtete Boni als eine rein freiwillige zusätzliche Vergütung ausweisen.3 In diesen Fällen besitzt der Aufsichtsrat vollständiges Ermessen im Hinblick auf die Auszahlung der Boni. Alternativ kann der Vertrag die Zahlung von Boni an wirtschaftliche und geschäftliche Ziele der Gesellschaft oder auch des Vorstandsmitglieds knüpfen. Mit Erreichen der Ziele besteht Anspruch auf den vereinbarten Bonus; ein Ermessen seitens des Aufsichtsrats besteht dann nicht.4 Über Höhe und Ausgestaltung im Einzelfall entscheidet der Aufsichtsrat als verantwortliches Organ (§ 87 Aktiengesetz – AktG).5 Dabei steht ihm ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum zu (§§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG).6 Aktiengesellschaften sind gem. § 285 Satz 1 Nr. 9 HGB verpflichtet, die Höhe der Vorstandsvergütung im Anhang des Jahresabschlusses offenzulegen. Die Gesamtbezüge müssen nicht für jedes einzelne Organmitglied im Anhang aufgeteilt werden.7 Die Kriterien der Bemessung des variablen Anteils sind vom Gesetzeswortlaut des § 285 HGB nicht erfasst. 1 Lindemann/Heim, Die Vergütung von Vorständen, JuS 2018, 1121 (1122). So auch die Empfehlung der Ziff. 4.2.3. Abs. 2 S. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex, https://www.dcgk.de/en/home.html; für öffentliche Unternehmen siehe Ziffer 4.3 Public Corporate Governance Kodex, https://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik /grundsaetze-guter-unternehmensfuehrung-anlage-de.pdf?__blob=publicationFile. 2 Vgl. Lembke, Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 321; Kort, Freiwillige und gänzlich unbestimmte Teile der Vorstands-Vergütung: AGB-Kontrolle und Anwendung von § 87 AktG, NZG 2020, 121. 3 BGH, Urteil vom 24.09.2019, II ZR 192/18, NJW 2020, 679. 4 Vgl. Lembke, Die Gestaltung von Vergütungsvereinbarungen, NJW 2010, 321. 5 https://www.gesetze-im-internet.de/aktg/BJNR010890965.html; siehe auch WD 7 – 3000 – 167/09, Analoge Anwendung des Gesetzes zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen auf Genossenschaften, https://www.bundestag .de/resource/blob/407836/77a2608376fb3f7c9912fbe92ab2e50b/WD-7-167-09-pdf-data.pdf. 6 Stenzel, Neue Regeln für die variable Vorstandsvergütung, BB 2020, 970. 7 Poelzig, in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2020, § 285 Rn. 159; Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, § 87 Rn. 232. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 148/20 Seite 5 1.2. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob der Bund die Höhe der Boni für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften beeinflussen kann, wenn diese staatliche Kapitalhilfen erhalten. 2. Bundeseigene Unternehmen 2.1. Ermessen Steht die Zahlung des Bonus im Vertrag unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, könnte der Aufsichtsrat dafür votieren, die Boni nicht auszuzahlen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die vom Bund in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder grundsätzlich unabhängig sind.8 Ferner lässt sich ein etwaiger Einfluss des Bundes zunächst nur in den Gesellschaften eines Konzerns geltend machen, in deren Aufsichtsräte der Bund Mitglieder entsandt hat. Dies dürfte regelmäßig vor allem für die Muttergesellschaft gelten, nicht aber für Tochtergesellschaften. Für Boni von Vorständen der Tochtergesellschaften käme in Betracht, dass der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft auf dessen Vorstand Einfluss nimmt. Allerdings ist die Einflussnahme des Aufsichtsrats begrenzt: Gemäß § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Aktiengesellschaft „unter eigener Verantwortung“ und insoweit unabhängig von konkreten Weisungen des Aufsichtsrats.9 In Betracht käme daher allenfalls ein faktischer Einfluss. Unter diesem Einfluss könnten die Mitglieder des Vorstands oder deren Angestellte als Gesellschaftervertreter oder Mitglieder in Aufsichtsräten der Tochtergesellschaften wiederum ihren Einfluss ausüben.10 Inwieweit allerdings bei Tochtergesellschaften Möglichkeiten verbindlicher Maßnahmen bestehen, hängt insbesondere ab von der Rechtsform und dem Gesellschaftsvertrag der Tochtergesellschaften, sowie von den mit den Tochtergesellschaften bestehenden etwaigen Konzernverträgen und sonstigen Konzernverhältnissen . 2.2. Kein Ermessen Besteht nach dem Vorstandsdienstvertrag ein grundsätzlicher Anspruch auf die Bonuszahlung, so dürfte eine Einflussnahme nicht ohne weiteres möglich sein: Nur wenn Aufsichtsrat und Vorstandsmitglieder als die Parteien des Vorstandsdienstvertrages zustimmen, ließe sich die Gestaltung der Boni in den Verträgen ändern. 8 Siehe hierzu näher WD3 – 3000 – 107/19, Zur Unabhängigkeit von Ministern als Mitglieder im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, https://www.bundestag.de/resource /blob/648698/e4106e30d39c6c3afba5480a6d03c1dc/WD-3-107-19-pdf-data.pdf. 9 Näher hierzu Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 14. Auflage 2020, § 76 AktG Rn. 25: „nicht an Weisungen anderer Gesellschaftsorgane gebunden“. 10 Vgl. hierzu Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Auflage 2019, AktG § 311 Rn. 28: „personelle Verflechtungen als solche zulässig“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 148/20 Seite 6 Es ließe sich auch überlegen, dass der Bund seine Kapitalhilfe von einer Änderung der Vorstandsverträge im Verhandlungswege abhängig macht. Wäre das Unternehmen ohne die Eigenkapitalhilfe wirtschaftlich in seiner Existenz gefährdet, könnte dies die Vorstände dazu bewegen, in einen (Teil-)Verzicht der Boni einzuwilligen. Allerdings könnte im Fall der Deutschen Bahn AG die verfassungsrechtliche Gewährleistungsverantwortung aus Art. 87e Abs. 4 S. 1 Grundgesetz11 den Verhandlungsspielraum des Bundes begrenzen. Hiernach besteht unter bestimmten Voraussetzungen für den Bund die Pflicht, eine Kapitalhilfe zu gewähren.12 Dies gilt insbesondere in den Bereichen Eisenbahninfrastruktur („Ausbau und Erhalt des Schienennetzes“) und Eisenbahnverkehrsangebot. 3. Privatunternehmen Bei Privatunternehmen ist der Bund grundsätzlich nicht über ein von ihm entsandtes Aufsichtsratsmitglied vertreten. Ein Einfluss im Aufsichtsrat auf die Höhe der Boni scheidet damit aus. Jedoch könnte der Bund in diesen Fällen im Verhandlungswege eine Kapitalhilfe von einem (freiwilligen ) Verzicht der Vorstandsmitglieder auf Bonuszahlungen abhängig machen (siehe oben Abschnitt 2.2.). Anders als bei der Deutschen Bahn AG besteht bei Privatunternehmen für den Bund grundsätzlich keine verfassungsrechtliche Gewährleistungsverantwortung. 4. Eigene Verpflichtung des Aufsichtsrats Gemäß § 87 Abs. 2 AktG soll der Aufsichtsrat die Bezüge der Vorstandsmitglieder auf die angemessene Höhe herabsetzen, wenn sich die Lage der Gesellschaft verschlechtert, so dass die Weitergewährung der Bezüge unbillig für die Gesellschaft wäre. An die Voraussetzungen stellt die Kommentierung strenge Anforderungen.13 Die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft muss von erheblichem Gewicht sein; bloß vorrübergehende Schwierigkeiten genügen nicht. Das Tatbestandsmerkmal „unbillig für die Gesellschaft“ setzt zudem voraus, dass das Vorstandsmitglied pflichtwidrig gehandelt hat oder aber die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist.14 *** 11 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. 12 WD 5 – 3000 – 66/20, Finanzhilfen für die Deutsche Bahn AG – verkehrsrechtliche Aspekte, https://www.bundestag .de/resource/blob/794648/ae61ba9b4c38c79d491a65e537a7ad63/WD-5-066-20-pdf-data.pdf. 13 Vgl. Spindler, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Auflage 2019, AktG § 87 Rn. 171; Werntrup, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 5. Auflage 2020, § 87 Rn. 81. 14 Vgl. Werntrup, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 5. Auflage 2020, § 87 Rn. 82 f.