Deutscher Bundestag Änderungen der Vorschriften zur Qualzucht in Paragraph 11 b des Tierschutzgesetzes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000/140/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000/140/12 Seite 2 Änderungen der Vorschriften zur Qualzucht in Paragraph 11 b des Tierschutzgesetzes Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 5 – 3000/140/12 Abschluss der Arbeit: 21.09.2012 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Name des Fachbereichs Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000/140/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Umfang und Wirkung der vorgeschlagenen Änderung des § 11 b 4 3. Schlußbemerkung 5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000/140/12 Seite 4 1. Einleitung In der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung zum Dritten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 25.05.12 heißt es: „Durch Formulierungsänderungen in § 11b wird der fachlich gebotene Wahrscheinlichkeitsmaßstab für das Auftreten von Qualzuchtmerkmalen in einer Zucht so definiert, dass das bestehende Verbot die vom Gesetzgeber intendierte Wirkung auch tatsächlich entfalten kann“.1 Dieser Passus geht auf das sog. „Haubenentenurteil“ des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2009 zurück. Dort stellte das BVerwG fest, dass die gegenwärtige Vorschrift, welche eine Zucht verbietet, wenn mit erblich bedingten Schäden „gerechnet werden muss“ voraussetzt, dass „es nach dem Stand der Wissenschaft überwiegend wahrscheinlich ist, dass solche Schäden signifikant häufiger auftreten, als es zufällig zu erwarten wäre.“ Eine naheliegende Möglichkeit, dass es zu derartigen Schäden kommen kann, reiche dagegen für ein Verbot nicht aus.2 Nachfolgend wird geprüft, inwieweit die von der Bundesregierung vorgeschlagene Neuformulierung dem in der Begründung formulierten Anspruch gerecht werden kann. 2. Umfang und Wirkung der vorgeschlagenen Änderung des § 11 b Nach dem Text des bisherigen § 11b sind die Zucht und die Veränderungen durch bio- oder gentechnische Maßnahmen verboten, „wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.“ Auch die weiteren Detailvorschriften des § 11 b sind an das Tatbestandsmerkmal „wenn damit gerechnet werden muss“ gebunden . Im neuen Text wird das Verbot hingegen ausgelöst, „wenn züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse , die Veränderungen durch bio- oder gentechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen…“. Dies bedeutet eine Anhebung der Schwelle für ein Verbot durch die zuständigen Behörden und entsprechende Sanktionen (Bußgeld, Unfruchtbarmachung). Auch wenn in dem vom BVerwG beurteilten Fall das von der zuständigen Behörde verhängte Verbot mit den Inhalten einiger wissenschaftlicher Arbeiten begründet war, wurde dies nicht als ausreichend befunden, da aus diesen Arbeiten nicht erkennbar war, dass bei den Ergebnissen entsprechender Zuchten „überwiegend“ mit genetisch bedingten Gesundheitsschäden zu rechnen ist. Solange dies in der Wissenschaft nicht gesichert bzw. noch umstritten ist, soll lt. BVerwG dem Züchter das Risiko nicht alleine aufgeladen werden. Tritt die Neuformulierung in Kraft, so wird die Dokumentation von Verbotsgründen mit Sicherheit aufwendiger. Da bei weitem nicht das ganze Feld der Heimtierzucht mit wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen abgedeckt ist und die Forschung kaum in der Lage ist, der Kreativität der Züchter zu folgen, ist damit zu rechnen, dass die Zahl der ausgesprochenen Verbote eher sinken wird. Dafür sind die verbleibenden Verbotsbescheide im Sinne des Spruches des BVerwG gerichtssicherer . 1 BR-Drs. 300/12, S. 30 2 BVerwG Urteil vom 17.12.2009, 7 C 4.09, abrufbar unter http://www.bverwg.de/enid/0,c32e7d655f76696577092d0964657461696c093a09636f6e5f6964092d0931323830 34093a095f7472636964092d093133333232/Entscheidungen/Entscheidung_8n.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000/140/12 Seite 5 Eine Verschärfung der Gesetzesvorschrift zur Verhinderung der Qualzuchten ist in der Neuformulierung nicht zu erkennen, allenfalls eine gewisse Präzisierung. Diese bezieht sich aber ausschließlich auf die Forderung des BVerwG und behandelt nicht evtl. Einschränkungen der Zuchtmöglichkeiten . Wären solche gewünscht, so würden einschlägige Vorschriften sich in einer Qualzuchtverordnung niederschlagen müssen. Von der im bisherigen Gesetz vorhandenen Verordnungsermächtigung (§ 11 Abs. 5), die mit der Gesetzesveränderung von 1998 erteilt wurde, ist allerdings bislang kein Gebrauch gemacht worden. In den Empfehlungen des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz und des Ausschusses für Kulturfragen im Bundesrat vom 25.06.2012 findet sich zwar die Einführung einer Verordnungverpflichtung3. In der Abstimmung vom 6. Juli 2012 (Sitzung 899) erlangte aber dieser Vorschlag ebenso wenig eine Mehrheit, wie die übrigen, präzisierenden Empfehlungen des Ausschusses, für die als Kernbegründung angegeben war, der Regierungsentwurf sei nicht geeignet , die in der Begründung genannte intendierte Wirkung, Qualzucht umfassend zu verhindern, auch tatsächlich zu entfalten: „Mit der im Verordnungsentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Formulierung, wonach es für die Beurteilung, ob die näher beschriebenen Folgen der Zucht oder Veränderung eintreten, auf züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch bio- oder gentechnische Maßnahmen betreffen, ankommt, wird ein einer subjektiven Einschätzung maßgebendes Gewicht beimessender Maßstab gewählt. In der amtlichen Begründung wird unter anderem auch klargestellt, dass zum einen auf wissenschaftliche fundierte Erkenntnisse - Erkenntnisse, die von einem durchschnittlich sachkundigen Züchter oder einer durchschnittlich sachkundigen Person, die bio- oder gentechnische Maßnahmen durchführt, erwartet werden können - , abzustellen ist und dass die Veränderungen oder Störungen wissenschaftlich reproduzierbar sein müssen.(…) Die bisherige Formulierung forderte für ein Verbot eine überwiegende Wahrscheinlichkeit einer der in § 11b genannten Folgen. Eine realistische und aus objektiver Ex-ante-Sichtweise nicht fernliegende Möglichkeit des Eintritts einer solchen Folge muss genügen. Ein Abstellen auf die subjektive Ansicht des jeweiligen Züchters kann nicht im Sinne des Tierschutzes sein“, heißt es weiter in der Begründung zu der vom Plenum ohne Aussprache abgelehnten Ausschussempfehlung 4. Die zitierten Stellen, ebenso wie der Stellungnahme der Deutschen Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT)5 verdeutlichen, dass den Züchtern mit der Neuformulierung des Qualzucht-Paragraphen bis auf weiteres keine Einschränkung droht. 3. Schlussbemerkung Eine Verschärfung und/oder Konkretisierung der Vorschriften zur Verhinderung von Qualzuchten ist in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neuformulierung nicht zu erkennen. 3 Empfehlung des Ausschusses AV zu Artikel 1 Nummer 19 (§ 11b): „(6) Das Bundesministerium hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die erblich bedingten Veränderungen und Verhaltensstörungen nach den Absätzen 1 und 2 näher zu bestimmen,- 2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen die Absätze 1 und 2 führen kann." ' 4 BR-Drs . 300-1-12, s. 37 5 s. hierzu: Anmerkungen zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 13.02.2012, abrufbar unter http://www.djgt.de/thema/aenderung-tierschutzgesetz-2012 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 – 3000/140/12 Seite 6 Vielmehr beschränkt sich die Veränderung auf eine Anpassung des bisherigen Textes an die aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abzuleitenden Anforderungen an Verbote. De facto werden dadurch die bisher schon vorhandenen Einschränkungen eher aufgeweicht als verstärkt. Erst eine, von einzelnen Bundesländern mittelfristig geforderte, Bundesverordnung wird hier evtl. Änderungen bringen können. .