© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 139/20 Zur Förderung einer Betriebsübernahme durch eine Mitarbeitergenossenschaft Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Gründungsvoraussetzungen von Genossenschaften unter dem Aspekt der Fördermöglichkeiten von Betriebsübernahmen durch Mitarbeitergenossenschaften . 2. Quellenlage 2.1. Genossenschaftsverband Der deutsche Genossenschaftsverband verweist zur Betriebsübernahme durch eine Mitarbeitergenossenschaft auf bestimmte genossenschaftliche Modalitäten1. So sei eine intensive Genossenschafts -Gründungsberatung rechtlich verpflichtend. In der Gründungsprüfung müsse festgestellt werden, dass die Gründungsidee wirtschaftlich und nachhaltig tragfähig sei. Weiterhin müsse der genossenschaftliche Förderzweck klar definiert sein und es sich somit um keine Kapitalsammelstelle handeln, sondern eine wirtschaftliche, operative Tätigkeit, mit der die Mitglieder gefördert werden. Bei einer Übernahme im Handwerk wäre dies der Erhalt des Betriebes und der Arbeitsplätze . Die steuerfreie Förderung bei Mitarbeiterbeteiligung liege bei nur 360 Euro im Jahr und stelle für Mitarbeiter, die schon länger in einem Betrieb arbeiten, keinen Anreiz dar. https://www.genossenschaftsverband.de/newsroom/politische-positionen/interview-mit-dem-handwerksblatt-unternehmensuebernahme -durch-mitarbeiter/ 1 Genossenschaftsverband, 25.10.2018, Interview mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Ralf W. Barkey im Handwerksblatt: Unternehmensübernahme durch Mitarbeiter. https://www.genossenschaftsverband.de/newsroom/politische-positionen/interview-mit-dem-handwerksblattunternehmensuebernahme -durch-mitarbeiter/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 139/20 Seite 5 2.2. Handwerksblatt Das Handwerksblatt führt ergänzend im Rahmen eines Themen-Specials zur Betriebsübernahme durch Mitarbeiter wie folgt aus2: „Die Vorteile genossenschaftlicher Modelle zur Unternehmensübernahme durch Mitarbeiter liegen vor allem in der Risikominderung: So werden in der Gründungsprüfung durch den Verband Businessplan und Übernahmemodell auf Herz und Nieren geprüft - eine wichtige Voraussetzung für das Engagement von Fremdfinanzierern und eine Absicherung der Interessen der Alteigentümer. Gleichzeitig ist die Haftung der Mitarbeiter auf die Genossenschaftsanteile beschränkt, so dass auch für die übernehmenden Mitarbeiter das persönliche Risiko überschaubar ist. Hinzu kommen regelmäßige Jahresprüfungen durch den Genossenschaftsverband, die die ökonomische Nachhaltigkeit sichern helfen. So funktioniert die Unternehmensübernahme in die genossenschaftliche Rechtsform: Es wird eine Beteiligungsgesellschaft (z.B. eG) gegründet, die (mindestens) die Mehrheit der Anteile des zu veräußernden Unternehmens übernimmt. Mitglieder können sein: Mitarbeiter, Kapitalgeber, Kombination von Beidem. Die "eG" übernimmt eine Holdingfunktion d.h. die Rechtsform des übernommenen Unternehmens kann beibehalten werden. Förderung von eG-Beteiligungen über 5. VermBG3 i.V.m. § 3 Nr. 39 EStG4 (steuer- und SV-freie Höchstbetrag: 360,00 Euro/Jahr zzgl. evtl. 20 % AN-Sparzulage).“ 2.3. Hans-Böckler-Stiftung Johannes Blome-Drees/Reiner Rang kommen in einer im Jahre 2014 erschienenen Veröffentlichung im Rahmen von Unternehmensübernahmen durch Belegschaften zu folgenden Erkenntnissen 5: 2 Handwerksblatt.de, Januar 2019, Nachfolge durch Mitarbeiter Genossenschaften, Betrieb übergeben? Betrieb übernehmen? - Themen-Specials. https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/betrieb-uebergeben-betrieb-uebernehmen/nachfolge-durchmitarbeitergenossenschaften 3 Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz - 5. VermBG). https://www.gesetze-im-internet.de/vermbg_2/BJNR005850965.html 4 Einkommensteuergesetz (EStG). https://www.gesetze-im-internet.de/estg/BJNR010050934.html 5 Johannes Blome-Drees | Reiner Rang, 2014, Unternehmensübernahmen durch Belegschaften im Rahmen von Unternehmensnachfolgen, Unternehmensverkäufen und Unternehmenskrisen, Hans-Böckler-Stiftung, edition 284. https://www.boeckler.de/pdf/p_edition_hbs_284.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 139/20 Seite 6 „Eine weitere Option der Mitarbeiterkapitalbeteiligung besteht darin, Mitarbeiter als Kapitalgeber über eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft zu beteiligen. Diese Beteiligungsgesellschaft wird ‚zwischengeschaltet‘, d. h., die Beteiligten haben eine vermögensrechtliche Beziehung zur Beteiligungsgesellschaft - in der Regel über eine Kapitalbeteiligung. Die Beteiligungsgesellschaft wiederum hat eine vermögensrechtliche Beziehung zum Unternehmen . Für Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften wird häufig die Rechtsform der GmbH gewählt . Auch Stiftungsmodelle sind üblich. Neuerdings kommen Genossenschaftsmodelle vor (S.30).“ (…) Im Kap. 6 (S. 59 ff.) der Veröffentlichung werden Genossenschaften als erfolgversprechende Option bei Unternehmensübergaben an die Mitarbeiter wie folgt dargestellt…. „Die Übernahme in Form eines genossenschaftlichen Employee-Buy-outs EBO6s durch die Mitarbeiter hat folgende Vorteile: - Eine Genossenschaft kann bereits von drei Personen oder Unternehmen gegründet werden . Mit der Satzung lässt sich die Genossenschaft individuell für jedes Vorhaben ausgestalten . - Im Vordergrund steht immer die Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Mitgliedsbetriebe . Jedes Mitglied ist zugleich Eigentümer und Geschäftspartner seiner Genossenschaft . Es profitiert unmittelbar von den Leistungen des Unternehmens. 6 „Die betriebswirtschaftliche Literatur hat sich ebenfalls implizit mit Produktivgenossenschaften beschäftigt, insbesondere vor dem Hintergrund von Unternehmenskrisen und Unternehmensübernahmen. Allerdings taucht hier der Begriff „Genossenschaft“ kaum auf. Vielmehr wird unterschieden in ‚Management Buy-outs‘ (MBO) und ‚Employee-Buy-outs‘ (EBO). Im ersten Fall übernimmt das bisherige Management die Kapitalanteile einer zum Verkauf stehenden Firma. Die Mitarbeiter spielen als Eigenkapitalgeber üblicherweise keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Das ‚neue‘ Unternehmen firmiert meist als Kapitalgesellschaft, so dass sich weder de jure noch de facto genossenschaftliche Strukturen zeigen. Anders liegen die Dinge beim Employee-Buy-out. Hier wird die Firma von ihren Beschäftigten ganz oder mit wesentlichen Kapitalanteilen übernommen, wobei die unternehmerische Mitbestimmung der Belegschaft unterschiedlich geregelt sein kann. Für solche Betriebe eignet sich prinzipiell die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft , wenn die Willensbildung über Kopfstimmrechte und nicht über die Höhe der Kapitalanteile organisiert werden soll. Allerdings sind Produktivgenossenschaften, die aus EBOs entstanden sind in Deutschland extrem selten. Wenn überhaupt ein Unternehmen von der Belegschaft übernommen wird, so geschieht dies erfahrungsgemäß ebenfalls in Form einer Kapitalgesellschaft, gegebenenfalls unter Einbeziehung externer Investoren oder durch Hereinnahme signifikanter Eigenkapitalanteile durch das Management.“, Herbert Klemisch /Richard Reichel /Walter Vogt/ Kai-Ingo Voigt, Produktivgenossenschaften und selbstverwaltete Unternehmen – eine Alternative bei Unternehmenskrisen und Unternehmensnachfolgen S. 7, in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (ZfgG) Sonderheft 2014, S. 1 – 20, Lucius & Lucius, Stuttgart 2014. https://www.wilabonn.de/images/PDFs/Genossenschaften /Produktivgenossenschaften_und_selbstverwaltete_Unternehmen_-_eine_Alternative_bei_Unternehmenskrisen __und_Unternehmensnachfolgen.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 139/20 Seite 7 - Die Gründung einer Genossenschaft erfordert kein gesetzlich vorgeschriebenes Mindesteigenkapital . Die Eigenkapitalausstattung orientiert sich ausschließlich an betriebswirtschaftlichen Kriterien. Die individuelle Festlegung eines Mindesteigenkapitals in der Satzung ist aber möglich. - Jedes Mitglied zeichnet einen oder mehrere Geschäftsanteile. Die Höhe dieser Geschäftsanteile wird individuell in der Satzung festgelegt. Die persönliche Haftung ist grundsätzlich nur auf die Einlage begrenzt. - Das Risikokapital in Form der Geschäftsanteile und einer eventuell zusätzlich vereinbarten Haftsumme wird bereits während der Gründungsphase festgelegt. Somit besteht kein unkalkulierbares Risiko bei der Mitgliedschaft. - Zusätzliches Eigenkapital kann durch neue Mitglieder oder Zeichnung weiterer Geschäftsanteile gewonnen werden. Bei einer eG erfolgt der Ein- und Austritt ohne großen Verwaltungsaufwand. Für den Eintritt reicht schlicht eine Beitrittserklärung, die Mitwirkung eines Notars ist nicht erforderlich. - Beim Ausscheiden aus der Gesellschaft hat das Mitglied Anspruch auf Auszahlung seines Geschäftsguthabens, sodass die Suche nach einem Käufer der Geschäftsanteile entfällt. Ein Kursrisiko wie bei Aktien gibt es nicht. - Mit einem Vorstand und einem Aufsichtsrat hat die Genossenschaft eine klare Leitungsund Kontrollstruktur. Damit bietet sie weitreichende Sicherheit im alltäglichen Geschäftsverkehr . - Jedes Mitglied hat unabhängig von seiner Kapitalbeteiligung nur eine Stimme. Deshalb ist die Genossenschaft vor der Dominanz Einzelner und sogenannten ‚feindlichen Übernahmen ‘ geschützt. Damit wird die Souveränität der Mitgliedsbetriebe gewährleistet. - Die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) in eine eingetragene Genossenschaft nach dem Umwandlungsgesetz ist problemlos möglich. Auch die Umwandlung einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG, GmbH & Co KG) in eine eingetragene Genossenschaft ist flexibel handhabbar. - Die Gründung einer Genossenschaft wird von erfahrenen Beratern der Genossenschaftsverbände begleitet. Sie besprechen vor Ort das Gründungskonzept und den Businessplan und geben dabei viele Anregungen mit auf den Weg. - Zu guter Letzt ist noch darauf hinzuweisen, dass die eingetragene Genossenschaft seit Jahren die mit Abstand insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland ist. Die eingetragene Genossenschaft (eG) ist traditionell die am wenigsten von Insolvenz betroffene Rechtsform. Selbst im Krisenjahr 2009 lag ihr Anteil an allen Insolvenzen bei lediglich 0,1 Prozent. Um die geringe Insolvenzgefahr der Genossenschaften zu verdeutlichen, kann zudem die Insolvenzquote (Insolvenzen/10.000 Unternehmen) herangezogen werden. Die eG liegt mit 23 Insolvenzen deutlich unter dem Durchschnitt von 101 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen über alle Rechtsformen in Deutschland.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 139/20 Seite 8 In ihrem Fazit (S. 136) bemerken die Autoren, dass geeignete politische Rahmenbedingungen den Gedanken des Mitarbeiter-Buy-Outs befördern könnten und die derzeitige Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung unzureichend erscheine, da die Summen, die im bestehenden gesetzlichen Rahmen zusammenkommen, nicht für Übernahmen ausreichten. Weiterhin wird eine steuerliche Subventionierung von Unternehmensverkäufen an die Belegschaft vorgeschlagen, da auch die Vererbung von Familienunternehmen steuerlich subventioniert wird und in beiden Fällen die Subventionierung mit einer Arbeitsplatzsicherung verbunden wäre. 2.4. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) In einer Stellungnahme verweist das BMWi darauf, dass für Unternehmensübernahmen durch eine oder mehrere natürliche Personen den Übernehmenden das gesamte Instrumentarium der Gründerdarlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und des jeweils zuständigen Landesförderinstituts zur Verfügung stehen. Diese Darlehen sind bei einer Geschäftsbank nach Wahl der Gründenden zu beantragen. Diese Bank entscheidet auf der Grundlage des einzureichenden Businessplanes , ihrer banküblichen Bonitäts- und Soliditätsprüfung der Antragsteller und der bankinternen Risikoabschätzung über die Kreditbewilligung. Genossenschaften können mit Darlehen der KfW Bankengruppe gefördert werden, wenn sie körperschaftsteuerpflichtig sind und die Antragsvoraussetzungen des jeweiligen Förderprogramms erfüllen. Voraussetzung sind insbesondere haftungsrechtliche Regelungen in der Satzung der zu gründenden Genossenschaft, über die die Gründenden bei KfW die erforderlichen Informationen einholen sollten. Die folgende Übersicht der KfW Bankengruppe verdeutlicht die Nachfolgefinanzierung. https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Unternehmen/Gr%C3%BCnden-Nachfolgen/Nachfolge/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 139/20 Seite 9 Weitere Förderprogramme, insbesondere hinsichtlich einer Gründung, sind dem folgenden Link der Förderdatenbank des BMWi zu entnehmen: https://www.foerderdatenbank.de/SiteGlobals/FDB/Forms/Suche/Expertensuche_Formular .html?resourceId=c4b4dbf3-4c29-4e70-9465-1f1783a8f117&input_=bd101467-e52a-4850-931d- 5e2a691629e5&pageLocale=de&filterCategories=FundingProgram&filterCategories .GROUP=1&templateQueryString=Gr%C3%BCndung&submit=Suchen ***