© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 137/20 Auswirkungen eines Indexlohns auf das allgemeine Preisniveau Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Die vorliegende Arbeit hat die Auswirkungen eines Indexlohns auf das allgemeine Preisniveau zum Gegenstand. Länder wie z.B. Luxemburg1 und Belgien2 koppeln ihre Löhne und Gehälter an die Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus. Anhand einer von der Generaldirektion für Wettbewerbsforschung des Ministeriums für Wirtschaft und Außenhandel des Großherzogtums Luxemburg in Auftrag gegebenen Studie werden im Folgenden die Unterschiede eines Lohnfindungssystems mit und ohne Lohnindexierung (d.h. einer automatischen Koppelung der Löhne/Gehälter an die Entwicklung des Preisniveaus oder nicht) dargestellt. 2. Vergleich Lohnindexierung/keine Lohnindexierung Eine Studie für die Generaldirektion für Wettbewerbsforschung des Ministeriums für Wirtschaft und Außenhandel des Großherzogtums Luxemburg vergleicht Lohnfindungssysteme ausgewählter Länder der Europäischen Union. Die Studie beschreibt fünf ausgewählte Lohnfindungssysteme wie folgt:3 „In Deutschland werden die Tarifverträge zur Lohnbildung vor allem auf regionaler Ebene für Branchen ausgehandelt (Flächentarifverträge). Qualitative Aspekte der Arbeitsbeziehungen (Teilzeit, Weiterbildung,….) werden auf Betriebsebene vereinbart. Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, zunehmend auch einzelne Unternehmen . Der staatliche Einfluss ist gering und entspricht der Koalitionsfreiheit nach dem Grundgesetz. Die Tarifbindung ist jedoch deutlich gesunken, und in den Flächentarifverträgen werden (insbesondere in Ostdeutschland) zunehmend Öffnungsklauseln vereinbart, die eine Dezentralisierung gestatten. Die Tarifforderungen werden insbesondere unter Berücksichtigung der erwarteten Preissteigerungsrate, des Produktivitätsfortschritts und einer Umverteilungskomponente formuliert. Eine Lohnindexierung wird nicht angewendet [...]. In Frankreich sind jährliche Lohnverhandlungen auf Betriebsebene gesetzlich vorgeschrieben . In der Praxis werden jedoch Tarifverträge auf Branchenebene ausgehandelt und stellen den Rahmen für die Lohnleitlinien auf der Betriebsebene dar. Die zentrale Bedeutung des Staates besteht darin, dass dieser häufig in den Lohnfindungsprozess eingreift und das Verhandlungsergebnis einer Branche für allgemeinverbindlich erklärt. Der Mindestlohn ist am Verbraucherpreis (ohne Tabak) indexiert und betrifft 15% der Beschäftigten direkt und etwa 50% der Löhne indirekt. Die Indexierung wurde zwischen Juli 2002 1 guichet.public.lu, Sozialer Mindestlohn und Lohnindexierung, https://guichet.public.lu/de/entreprises/ressources-humaines/remuneration/paiement-remunerations/salaire .html. 2 KAP Eupen, Automatische Indexbindung der Löhne, soziale Sicherheit in Belgien, https://www.soziale-sicherheit.kap-eupen.be/automatische-indexbindung-der-loehne/. 3 Hujer/Rodrigues, Wirtschaftliche Auswirkungen der Lohnindexierung, Studie für die Generaldirektion für Wettbewerbsforschung des Ministeriums für Wirtschaft und Außenhandel des Großherzogtums Luxemburg, in: Perspectives de Politique Economique Nr. 10, Juli 2008, S. 12 ff., https://gouvernement.lu/dam-assets/fr/publications/rapport-etude-analyse/minist-economie/observatoire-de-lacompetitivite /perspectives-politique-economique/perspectives-politique-economique-10/ppe-010.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 137/20 Seite 5 und Juli 2005 unterbrochen, da die Wochenarbeitszeit von 39 auf 35 Stunden verkürzt wurde und verschiedene Mindestlöhne zur Folge hatte. Während dieser Periode stieg der durchschnittliche Mindestlohn um 6,5%. Ab Juli 2005 wurden die verschiedenen Mindestlöhne harmonisiert, und es existiert wiederum ein einheitlicher Mindestlohn. In Spanien ist die Lohnindexierung von hoher Bedeutung. Die Bank von Spanien (2006) stellt fest, dass seit 2000 im Durchschnitt 70% der Beschäftigten Lohnvereinbarungen mit Indexklauseln haben. Jedoch ist der Anteil der Beschäftigten, die tatsächlich diesen Klauseln unterliegen, mit 43% deutlich niedriger: ‚This is due to the existence of several thresholds and caps within the definition of indexation clauses or the need to meet certain requirements in order to make the indexation clause effective‘ (EU (2006). Die Lohnverhandlungen orientieren sich dabei an dem Inflationsziel oder der Inflationsprognose der Regierung sowie am Produktivitätswachstum. Weiterhin können die Lohnvereinbarungen der Sozialpartner Ex-post-Anpassungsklauseln enthalten. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage danach, ob die Klauseln rückwirkend sind, d.h. ‚they involve revision of wage tariffs in the year in which the deviation occurs and, therefore, generate the payment of arrears‘ (EU(2006)). Etwa 60% der Klauseln sind rückwirkend, vor allem mit über 90% auf Unternehmensebene , mit etwa 80% auf nationaler Ebene und mit 50% in den Provinzen. Weiterhin soll bei den Lohnabschlüssen die Entwicklung der Lohnstückkosten berücksichtigt werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Deshalb wurden auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung seit Juli 2006 gekürzt, und eine weitere Reduktion ist ab Juli 2008 geplant. In Belgien sind die Löhne fast vollständig indexiert. Die Lohnanpassung in den einzelnen Sektoren orientiert sich seit 1994 am Gesundheitsverbraucherindex (nationaler Verbraucherpreisindex ausschließlich Tabak, Alkohol, Benzin und Diesel). Heizöl und Gas werden jedoch aus dem Index nicht eliminiert, sodass Zweit-Runden-Effekte zu erwarten sind. Weiterhin wurde im Jahre 1996 gesetzlich festgelegt, dass die Lohnentwicklung in Belgien sich an die beobachteten Tendenzen in den drei Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Niederlande anpassen soll. In den letzten Jahren werden jedoch in den Sektoren ‚all-in wage agreements‘ abgeschlossen, ‚stipulating that real wage increases can be reduced if inflation exceeds a certain threshold. If actual inflation is below the expected level, the all-in agreements imply that the originally expected increase in nominal wages is indeed granted; the ex post increase in real wages then exceeds the rise agreed during the negotiations.‘ (European Commission (2006), S. 27). Das Index-Komittee Belgiens hat eine Revision des Warenkorbes mit Beginn 2004 vorgenommen. Dies hat dazu geführt , dass die Inflationsrate für 2006 um 0,5% Prozentpunkte nach unten korrigiert wurde. Luxemburg ist seit 1975 durch ein vollständiges Indexierungssystem für Löhne, Sozialleistungen und Pensionen im öffentlichen und privaten Sektor gekennzeichnet. Die Anpassung erfolgt auf der Basis eines speziellen Preisindex (‚échelle mobile‘), der als gleitender 6-Monatsdurchschnitt des nationalen Verbraucherpreisindex berechnet wird. Der monatliche Verbraucherpreisindex wird derzeit auf der Basis von 2005 ausgewiesen, auf die Basis 100 =1.1.1948 umgerechnet und dann die gleitenden Durchschnitte gebildet. Wenn dieser eine bestimmte Grenze (‚cote d’échéance‘) erreicht oder überschreitet, die den vorher geltenden (‚cote d’échéance‘) um 2,5% übersteigt, tritt die Lohnindexierung automatisch in Kraft und die Anpassung erfolgt im folgenden Monat. Ein um 2,5% erhöhter ‚cote Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 137/20 Seite 6 d’application‘ wird angewendet und bleibt bis zur nächsten Indexierung konstant. Um Inflationstendenzen abzuschwächen, die öffentlichen Ausgaben zu begrenzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, haben das ‚Tripartite Committee‘ (Arbeitgeber, Gewerkschaften , Regierung) am 28. April 2006 beschlossen, diesen Automatismus zunächst bis 2009 außer Kraft zu setzen und die Löhne und Sozialleistungen zu bestimmten Zeitpunkten anzupassen , und zwar am 1. Dezember 2006, 1. Januar 2008 und 1. Januar 2009. Darüber hinaus werden die Indexierungen für den Januar 2008 und 2009 um zwei Monate verschoben , wenn der Ölpreis 63 US-Dollar pro Barrel übersteigt. Weiterhin sollen neue direkte und indirekte Steuern, beispielsweise als Folge der Kyoto-Vereinbarungen, im ‚échelle mobile‘ nicht berücksichtigt werden. Um neue Prioritäten in der Familienpolitik zu setzen , wurde auch entschieden, die Indexierung einiger Sozialleistungen (‚forfait d’education , allocation familiales‘) aufzuheben. ‚To ensure social equity the Government will work on a mechanism of tax reductions by a system of tax credits. An agreement concerning this mechanism and the methods of application of this new system will have to be found by January 2008 between the members of the ‚Tripartite Committee‘. This system will become operational in 2008. In the absence of such an agreement, the social benefits will be subjected again to the mechanism of the automatic indexation‘ (STATEC (2007)).“ Dies führt, so die Studie, innerhalb der dargelegten Länder zu folgenden Unterscheidungen (S. 14): – Deutschland als Referenzland ohne Lohnindexierung, – Frankreich und Spanien als Länder mit partieller Lohnindexierung, – Belgien und Luxemburg als Länder mit vollständiger Lohnindexierung. Die Unterschiede wirken sich wie folgt aus:4 „In Systemen mit Lohnindexierung sind die Verhandlungskosten geringer, da der Lohnanpassungsmechanismus langfristig gestaltet ist. Weiterhin wird das Ziel verfolgt, den sozialen Frieden zwischen den Tarifparteien zu sichern. Dazu dient vor allem der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer gegen Preissteigerungen. Dafür erhält der Arbeitnehmer allerdings einen Reallohn, der unter dem Gleichgewichtslohn liegt. Gleichzeitig ist jedoch die Flexibilität der Tarifparteien im Hinblick auf möglichst schnelle Anpassungsmaßnahmen aufgrund der Langfristigkeit eingeschränkt. In Bezug auf die Inflationsrate ist zu erwarten , dass eine Lohnindexierung mit verzögerter Anpassung eine Erhöhung der Inflationsrate zur Folge hat. Schließlich führen Lohnfindungssysteme mit Indexierung im Vergleich zu Systemen ohne Indexierung bei sofortiger Anpassung zu niedrigerer Reallohnvariabilität , zu geringerer Beschäftigungsvariabilität und zu höherer Preisvariabilität. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3.3 zusammengefasst“: 4 S. 22 (Hervorhebung durch Autor). Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 137/20 Seite 7 Zum Zusammenhang zwischen Preisniveau und Lohnkosten kommt die Studie zu folgender Einschätzung (S. 63): „Die makroökonomische Untersuchung des Preisbildungs- und Lohnkostenprozesses hat gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen beiden Größen für die Länder gefunden werden kann, die durch einen Lohnindexierungsmechanismus gekennzeichnet sind. Es wird eine Granger-Kausalität[5] des Lohn- auf den Preisbildungsprozess auf gesamtwirtschaftlicher Ebene für alle vier Länder mit Lohnindexierung gefunden. Im Gegensatz hierzu wird 5 Das mathematische Komplexität dieses Modells lässt sich wie folgt beschreiben: „Eine der wenigen Möglichkeiten , die Kausalität wirtschaftstheoretischer Überlegungen auch empirisch zu fundieren, ist der Test auf die so genannte Granger-Kausalität. Dieses Vorgehen wird im Rahmen ausgewählter Modelle, die den gegenseitigen Einfluss von Variablen im Zeitverlauf zu bestimmen versuchen (vektorautoregressive Modelle), angewandt und geht zurück auf den britischen Ökonomen C. Granger (vgl. Granger, 1969, S. 424)“, Manuel Rupprecht/Andreas Schweinberger, Gesetze, Effekte, Theoreme: Kausale Zusammenhänge in der Ökonometrie – Die Granger-Kausalität am Beispiel von Immobilienvermögen und Konsum, in: WiSt Heft 12, Dezember 2008, https://pdfs.semanticscholar.org/767d/b46254a2956ce1b6619cc3e868c56340ecd1.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 137/20 Seite 8 die Hypothese keiner Granger-Kausalität für Deutschland, das Referenzland ohne Lohnindexierung , nicht abgelehnt.“ 3. Generelle Auswirkung von Löhnen auf Preise 3.1. Deutsche Bundesbank Hinsichtlich des Einflusses der Löhne auf die Preise in Deutschland schlussfolgert die Deutsche Bundesbank in einer empirischen Analyse:6 „Insgesamt deuten die Ergebnisse der unterschiedlichen Analysen darauf hin, dass der Pass-Through [Einfluss der Löhne auf die Preise] der Löhne auf die Verbraucherpreise ungefähr ein Drittel beträgt. Eine Lohnänderung um 1% führt somit zu einer Änderung der Verbraucherpreise von rund 0,3 %. Es dauert allerdings deutlich länger als ein Jahr, bis die zyklische Anpassung der Preise an einen Lohnschock weitgehend abgeschlossen ist. Für die These, dass sich die Weitergabe von Lohnschocks in die Preise abgeschwächt habe, lässt sich für Deutschland für den Konsumdeflator[7] im Zeitraum ab dem Jahr 1970 zwar eine gewisse Evidenz finden. Allerdings war der Rückgang seit der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 gering und ist zuletzt zum Erliegen gekommen. In diesem Zusammenhang gilt es zudem zu beachten, dass der stochastische Trend der Inflationsrate in Deutschland, der mit dem SVAR-Modell[8] ermittelt wurde, seit Anfang der 2000er Jahre nicht mehr sinkt, sondern seitwärts tendiert. Er sollte also den zyklischen Einfluss der Löhne auf die Preise nicht überlagern. Insofern spricht einiges dafür, dass sich das überdurchschnittliche Lohnwachstum der letzten Jahre in Deutschland in einem allmählichen Anstieg der Inflation niederschlagen dürfte.“ 6 Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 2019, Zum Einfluss der Löhne auf die Preise in Deutschland: Ergebnisse ausgewählter empirischer Analysen, in: Monatsbericht September 2019, S. 33, https://www.bundesbank.de/resource/blob/807702/ac61e5c3526f6f974415870109aa6ced/mL/2019-09-lohnaenderungen -data.pdf (Hervorhebung durch Autor). 7 Konsumdeflator: Nominale Konsumausgaben der privaten Haushalte bereinigt um die inländische Inflation, Deutsche Bank, Ausblick Deutschland, 4. Juli 2016, S. 8, https://www.deutsche-bank.de/dam/deutschebank/de/shared/pdf/Ausblick_Deutschland__Deutscher_Konsument _vs__Brexit.pdf. 8 „Konjunkturanalyse ist von zentraler Bedeutung für die Analyse von ökonomischen Risiken. Strukturelle vektorautoregressive (SVAR) Modelle sind ein wichtiges Werkzeug in der Konjunkturanalyse. Ein wesentliches Problem dabei ist die überzeugende Identifikation der Schocks, die Aufschluss über die Reaktion von Variablen auf unerwartete Innovationen geben können.“, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Strukturelle vektorautoregressive Analyse, https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/229337971?context=projekt&task=showDetail&id=229337971&. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 137/20 Seite 9 3.2. Mindestlohnkommission In ihrem 2018 erschienenen zweiten Bericht an die Bundesregierung merkt die Mindestlohnkommission zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns Folgendes an:9 „Eine weitere mögliche Reaktion von Unternehmen auf die Einführung oder Erhöhung des Mindestlohns kann in der Anpassung von Preisen für Waren und Dienstleistungen bestehen . Unternehmensbefragungen verdeutlichen, dass sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2016 Preiserhöhungen infolge des Mindestlohns vorgenommen wurden. Branchen, die vom Mindestlohn besonders betroffen waren, weisen teilweise überdurchschnittliche Preissteigerungen auf. Zudem ermitteln erste Kausalanalysen auf der betrieblichen Ebene einen mindestlohnbedingten Anstieg der Produzentenpreise.“ 3.3. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) Im Vorfeld des o.g. Berichts hatte die Mindestlohnkommission eine Projektvergabe durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in die Wege geleitet, die letztendlich zu folgendem Fazit gelangte:10 „Das Wirtschaftswachstum wird durch die Einführung des Mindestlohns vor allem über die Steigerung des privaten Konsums angeregt. Diese Konsumsteigerung wird durch höhere Löhne der Mindestlohnbegünstigten und einen Spillover-Effekt für Beschäftigte oberhalb des Mindestlohns verursacht. Dieser Effekt fällt deswegen besonders stark aus, weil vor allem Personen profitieren, die mit einer vergleichsweise geringen Sparquote für eine Steigerung des realen privaten Verbrauchs sorgen. Die Beschäftigung insgesamt steigt an. Es kommt dabei zwar zu Preissteigerungen, die allerdings im gesamtwirtschaftlichen Maßstab vernachlässigbar gering sind.“ *** 9 Mindestlohnkommission (2018): Zweiter Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns. Bericht der Mindestlohnkommission an die Bundesregierung nach § 9 Abs. 4 Mindestlohngesetz, Berlin, S. 137, https://www.mindestlohn-kommission.de/DE/Bericht/pdf/Bericht2018.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (Hervorhebung durch Autor). 10 Hansjörg Herr, Alexander Herzog-Stein, Jürgen Kromphardt, Camille Logeay, Patrick Nüß, Toralf Pusch, Thorsten Schulten, Andrew Watt, Rudolf Zwiener, 2017, Makroökonomische Folgen des gesetzlichen Mindestlohns aus keynesianisch geprägter Perspektive, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans- Böckler-Stiftung, Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission, Endbericht, S. 7-8, https://www.mindestlohn-kommission.de/DE/Forschung/Projekte/pdf/Bericht-Mindestlohn-keynesianische- Perspektive.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Hervorhebung durch Autor).