Grauer Kapitalmarkt - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 137/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserinnen: Grauer Kapitalmarkt Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 137/08 Abschluss der Arbeit: 6. Oktober 2008 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Entstehung des Grauen Kapitalmarktes 5 3. Geschlossene Fonds 5 4. Regelungen auf nationaler Ebene 6 4.1. Zivilrechtliche Schutzvorschriften 6 4.1.1. Widerrufsrecht, § 312 Abs. 1 BGB 6 4.1.2. Prospekthaftung 7 4.1.2.1. § 13 Abs. 1 VerkProspG 7 4.1.2.2. § 13a VerkProspG 7 4.2. Strafrechtliche Schutzvorschriften 8 4.2.1. § 264a StGB 8 4.2.2. § 54 des Kreditwesengesetzes (KWG) 9 4.3. Zwischenergebnis 9 5. Aufsichtsrechtliche Regelungen im Ausland 9 5.1. Aufsichtsrechtliche Regelungen zum Beteiligungsangebot 11 5.2. Spezialfall Österreich 12 5.3. Zwischenergebnis 12 6. Anlageberater 13 7. Zusammenfassung 14 8. Quellen 15 - 4 - 1. Einleitung Bisher existiert keine gesetzliche Definition für den „Grauen Kapitalmarkt“. Im weitesten Sinne kann man den Grauen Kapitalmarkt als den nicht-regulierten bzw. als den von staatlicher Regulierung und Überwachung weitgehend freien Teil des Kapitalmarktes definieren1. Bei diesen Geschäften handelt es sich meist um Kreditbeziehungen zwischen Unternehmen und Privathaushalten2. Der Graue Kapitalmarkt ist nicht insgesamt als unseriös oder als ein von Anlagebetrügern beherrschter Markt zu begreifen3. Trotzdem ist ein nicht unerheblicher Teil der Angebote am Grauen Kapitalmarkt von zweifelhafter Seriosität und Legalität4. Kapitalanlegern werden durch betrügerische Geschäftsaktivitäten jedes Jahr Schäden in Milliardenhöhe zugefügt5. Aus einer Studie des BKA von 1999 geht hervor, dass sich in keinem anderen Land der Europäischen Union auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ ein so gefährliches Potenzial an krimineller Energie entwickelt hat wie in der Bundesrepublik Deutschland6. In dieser Ausarbeitung sollen daher die Ursachen bzw. die Entstehung des „Grauen Kapitalmarktes “ beleuchtet werden. Außerdem werden Besonderheiten aufsichtsrechtlicher Regelungen ausländischer Kapitalmärkte aufgezeigt, wobei hier besonders auf die österreichische Finanzaufsicht eingegangen wird. Der Schluss dieser Ausarbeitung widmet sich dem Begriff des Anlageberaters bzw. Finanzberaters in Deutschland im Lichte der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie. 1 Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der SPD (BT 12/5726) vom 21.09.1993; Begründung des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften (6. KWG-Novelle). 2 Thomas Werner/Ralf Burghardt, Der Graue Kapitalmarkt – Chancen und Risiken, S. 46. 3 Siehe hierzu den Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drucksache 14/ 1633, S. 2. 4 Hasenkamp, DStR 2004, 2154. 5 Michael H. Hagemann, „Grauer Kapitalmarkt“ und Strafrecht, S. 147. 6 BKA-Studie von 1999: „Kriminalität und kriminogene Faktoren bei der Einführung des Euro“, S. 55. - 5 - 2. Entstehung des Grauen Kapitalmarktes Der graue Kapitalmarkt ist im Zeitraum von Ende der 1960er bis Anfang der 1970er Jahre entstanden7. Bis dahin konnte man als Anleger sein Geld fast ausschließlich auf Sparbüchern anlegen oder in Aktien notierter Unternehmen am rechtlich geordneten Kapitalmarkt investieren. Dies änderte sich, als Anlegern Investitionsangebote von Unternehmen unterbreitet wurden, welche erheblich höhere Renditen als die Anlage in Aktien versprachen8. Eines der ersten Unternehmen war die International Overseas Services (IOS), welche von Bernie Cornfeld in den USA Ende der 1960er Jahre gegründet wurde. Bis zum Herbst 1969 gelang es der IOS, mit sog. Anlageberatern bis zu vier Milliarden DM Anlegergelder, die zuvor bei Banken angelegt waren, in ihre Investmentfonds umzuleiten9. Die IOS brach Ende 1969 zusammen. Deren Vertriebssystem überlebte nicht nur den Zusammenbruch der IOS, es entwickelte sich sogar fort. Der Zusammenbruch der IOS war somit die Geburtsstunde vieler neuer Kapitalanlagen.10 Dadurch entstanden ein organisierter und ein nichtorganisierter Teil des deutschen Kapitalmarktes , welcher weltweit in dieser Form und Ausprägung ohne Beispiel ist und bis heute als „Grauer Kapitalmarkt“ fortbesteht11. Selbst Kritiker sehen diesen Markt als einen typisch deutschen Kapitalmarkt an12. Ähnliches ist lediglich aus Österreich bekannt 13. 3. Geschlossene Fonds Seit dem 1. Juli 2005 unterliegen geschlossene Fonds als öffentliche Angebote der ausdrücklichen Gestattung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Dazu ist vom Initiator der Verkaufsprospekt vorzulegen. Dieser muss alle wirtschaftlichen und rechtlichen Aufgaben erhalten, um den Anlegern eine umfassende Einschätzung des Initiators und der Kapitalanlage zu ermöglichen. Nach der Prüfung und der Freigabe dürfen der Verkaufsprospekt und das zugrundeliegende Beteiligungsangebot öffentlich angeboten werden14. Die Prüfung der BaFin umfasst allerdings nur die Vollständigkeit und die Klarheit des Verkaufsprospektes. Eine inhaltliche Überprüfung 7 Spannagel, ZfgK 1981, 1080 (1081 f.); Assmann, in Assmann/Schneider, WpHG, Kommentar, 3. Aufl., Köln 2003, Einl. Rn. 4. 8 Hagemann, S. 65, vgl. auch Assmann, in: Assmann/Schneider, Einl. Rn. 4. 9 Spannagel, ZfgK 1980, 1080 (1081 f.). 10 Hagemann, S. 65. 11 Hagemann, S. 65; siehe auch Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, Einl. Rn. 6; Fleischer, BKR 2004, 339. 12 Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht, Recht des Primärmarktes, S. 355; Assmann, in Assmann /Schütze, Handbuch, § 1 Rn. 8-12. 13 Siehe S. 12. 14 Werner/Burghardt, S. 68. - 6 - der im Verkaufsprospekt gemachten Angaben erfolgt nicht15. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VermVerkProspV ist daher ein Hinweis aufzunehmen, dass die inhaltliche Richtigkeit der im Prospekt gemachten Angaben nicht Gegenstand der Prüfung des Prospekts durch die BaFin ist. Der geschlossene Fonds als Anlage ist also weiterhin mit Risiken verbunden . Für geschlossene Fonds gibt es keinerlei Einlagensicherungsfonds. Bei Pflichtverstößen oder Fehlern der Fondsmanager haftet meist nur deren Eigenkapital. Mangelnder wirtschaftlicher Erfolg kann also zu einer Nachschusspflicht führen. Dies gilt vor allem bei GbR-Fonds, bei denen der GbR-Gesellschafter im Zweifelsfall mit seinem gesamten Vermögen haftbar gemacht werden kann. Bei KG-Fonds haftet der Kommanditist „nur“ mit der Einlage. Des Weiteren ist ein Verkauf von Anteilen vor der Auflösung des Fonds nur möglich, wenn der Anleger selbst einen Käufer dafür findet. Nicht selten ist dies von der Zustimmung des Fondsmanagements abhängig. 4. Regelungen auf nationaler Ebene Der „Graue Kapitalmarkt“ in Deutschland wird zwar als „nicht-regulierter“ Kapitalmarkt umschrieben. Es existieren jedoch sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Vorschriften, die den Anleger und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes schützen sollen. 4.1. Zivilrechtliche Schutzvorschriften Neben vertraglichen oder quasivertraglichen Ansprüchen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs-, Beratungs- oder Prüfungspflichten kommt eine deliktische Haftung des Anlagevermittlers wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB oder auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht, wenn er seinen eigenen Wissens- und Erfahrungsvorsprung auf Kosten des Anlageinteressenten, der in derartigen Geschäften nicht ausreichend bewandert und daher auf die Fairness seines Vertragspartners angewiesen ist, gewerbsmäßig ausnutzt und dadurch auf grob anstößige Weise seine geschäftliche Überlegenheit missbraucht16. 4.1.1. Widerrufsrecht, § 312 Abs. 1 BGB Der Anleger hat ein Widerrufsrecht, wenn es sich bei ihm um einen Verbraucher handelt und der Vertrag in einer Haustürsituation zustande gekommen ist. Das Widerrufsrecht bezieht sich auch auf Verträge, welche sich in der Haustürsituation angebahnt haben und später erst geschlossen wurden, wenn sich der Anleger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses infolge der Haustürsituation noch in einer Lage befindet, in der er in sei- 15 Begründung des Regierungsentwurfs zum AnSVG, BT-Drucksache 15/3174, S. 26. 16 Werner/Burghardt, S. 142. - 7 - ner Entschließungsfreiheit beeinträchtigt ist, den später abgeschlossenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen17. 4.1.2. Prospekthaftung Unter der Prospekthaftung versteht man die Haftung eines bestimmten Personenkreises für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Unterlagen zur Werbung für Geldanlagen. Die Grundlage für die Prospekthaftung im engeren Sinne ist das typisierte Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und die Vollständigkeit der im Prospekt gemachten Angaben. Im Rahmen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG)18 entschloss sich der Gesetzgeber zur Aufstellung spezialgesetzlicher Regeln für die Prospekthaftung auf dem Grauen Kapitalmarkt, indem die Vorschriften über die Prospekthaftung auf dem organisierten Kapitalmarkt angeglichen wurden. 4.1.2.1. § 13 Abs. 1 VerkProspG § 13 Abs. 1 VerkProspG gilt für Verkaufsprospekte für Wertpapiere, die außerhalb der inländischen Börsen gehandelt werden und deren Prospektpflicht sich aus den §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 WpPG ergibt. Eine Haftung liegt hier vor, wenn wesentliche Angaben in einem Prospekt unrichtig oder unvollständig sind. Der Prospekt ist dann richtig und vollständig, wenn er sämtliche Umstände, welche für die Entscheidung des Anlegers für oder gegen eine Beteiligung an dem beschriebenen Produkt von Bedeutung sind, informiert 19. Dies ist dann der Fall, wenn der Anleger zutreffende und verständliche Erklärungen über das Beteiligungsobjekt erhält20. Die Haftung der Prospektverantwortlichen besteht persönlich und grundsätzlich unbeschränkt . Auch externe Berater mit besonderem Sachverstand haften für unrichtige und unvollständige Prospektinhalte, allerdings nur, wenn ihnen die Angaben im Einzelnen zugerechnet werden können. Die Haftung umfasst das sogenannte negative Interesse. 4.1.2.2. § 13a VerkProspG Des Weiteren begründet § 13a eine Haftung für den fehlenden Prospekt. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 VerkProspG kann der Erwerber von dem Emittenten und dem Anbieter als Gesamtschuldner die Übernahme der Wertpapiere oder Vermögensanlagen gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen, soweit dieser den ersten Erwerbspreis nicht 17 BGH NJW 2003, 2088; BGH NJW 2002, 1881; BGH NJW 2004, 2731, 2732; Claus Ott, in: Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag, S. 731. 18 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28. Oktober 2004, BGBl. I 2630; Heisterhagen, DStR 2004, 1089. 19 BGH NJW 2004, 2228. 20 BGHZ 123, 106. - 8 - überschreitet. Auch hier muss das negative Interesse ersetzt werden, weshalb der Anleger die Kosten verlangen kann, welche üblicherweise mit dem Erwerb verbunden sind. 4.2. Strafrechtliche Schutzvorschriften Nach Auffassung des Gesetzgebers21 kommt dem strafrechtlichen Anlegerschutz am Grauen Kapitalmarkt eine eigenständige Bedeutung zu, da allgemeine und spezielle zivilrechtliche Haftungsansprüche geschäftlich unerfahrenen Kapitalanlegern lediglich einen begrenzten Schutz bieten. Regelmäßig wird die Durchsetzbarkeit zivilrechtlicher Ansprüche wegen zwischenzeitlich eingetretener Vermögenslosigkeit der Gesellschaft oder der Initiatoren erschwert oder unmöglich gemacht22. Im Folgenden werden daher die für den „Grauen Kapitalmarkt“ bedeutenden Straftatbestände des § 246a StGB und des § 54 KWG angesprochen. 4.2.1. § 264a StGB Einigkeit besteht darüber, dass § 264a das Vermögen betroffener Güter schützt23. Nach der Rechtsprechung24 schützt § 264a StGB daneben auch die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. § 264a StGB umfasst auch Prognosen, die auf einen Tatsachenkern zurückzuführen sind. Nach § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, „wer im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erhebliche Umstände gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Angaben verschweigt.“ Im Unterschied zu § 263 StGB wird in § 264a StGB auf das Erfordernis eines Vermögensschadens und auf die Bereicherungsabsicht verzichtet25. Strafbar ist damit die bloße vorsätzliche Täuschung im Zusammenhang mit dem Vertrieb von im Tatbestand näher bezeichneten Kapitalanlagen. § 264a StGB erfasst die Fälle, in denen andere durch täuschende Angaben zur Anlage ihres Geldes veranlasst werden sollen26. 21 Siehe dazu die Begründung der Bundesregierung zum 2. WiKG, BT-Drucksache 10/318, S. 21. 22 Deckert/ v. Rüden, EWS 1998, 46 (52) 23 Tiedemann, LK, StGB, § 264a Rn. 13. 24 OLG Köln, wistra 1999, 348 (349). 25 Achenbach, NJW 1986, 1835 (1839); Worms, in: Assmann/Schütze, Handbuch, § 8 Rn. 50.. 26 Begründung des Regierungsentwurfs zum 2. WiKG, BT-Drucksache. 10/318, S. 12. - 9 - Gegenstand der nach § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbaren Handlungen sind Wertpapiere , Bezugsrechte oder Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen. Anleger erwerben mit der Zeichnung eines oder mehrerer Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der KG oder GbR eine unmittelbare Beteiligung, die ihnen eine Beteiligung am Ergebnis des Unternehmens im Sinne von § 264a StGB verschafft27. 4.2.2. § 54 des Kreditwesengesetzes (KWG) Auch § 54 des Kreditwesengesetzes (KWG) schützt die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes neben der staatlichen Aufsicht über das Kreditwesen28. § 54 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. KWG sanktioniert das Betreiben von Bankgeschäften und § 54 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. KWG das Erbringen von Finanzdienstleistungen, jeweils ohne die erforderliche aufsichtsrechtliche Erlaubnis29. 4.3. Zwischenergebnis Der durch das Zivilrecht gewährte Schutz für den Anleger kann, obwohl eine ausgeprägte bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung und deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 264a StGB oder § 54 KWG, § 826 BGB Platz greifen können, in vielen Fällen gegenwärtig als noch nicht hinreichend angesehen werden, weil entsprechende Schadensersatzansprüche erst nach der getroffenen Anlageentscheidung zum Tragen kommen und bei Unternehmensinsolvenzen wirtschaftlich wertlos sein können30. Der strafrechtliche Schutz mit § 264a StGB, § 54 KWG und anderen strafrechtlichen Normen ist erforderlich, um die Anleger vor zum Teil mit hoher krimineller Energie geprägten Vermittlungspraktiken zu schützen. § 264a StGB bietet außerdem auch bei ausländischen Anlageformen Schutz, die mittels eines Prospektes im Inland vertrieben werden (§ 9 Abs. 1 StGB)31. 5. Aufsichtsrechtliche Regelungen im Ausland Die Beaufsichtigung von Unternehmen des Finanzsektors erfolgt in nahezu allen Staaten der Welt. Die Bundesregierung hatte für ihren Bericht zum „Grauen Kapitalmarkt“32 das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAWe) mit der Erkundung aufsichtsrechtlicher Vorschriften in ausgewählten EU-Staaten beauftragt. Erkenntnisinteresse 27 Hagemann, S. 234. 28 Schröder, in Achenbach/Ransiek, X 3, Rn. 2. 29 Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 3, Rn. 3. 30 Begründung der Bundesregierung zum 2. WiKG, BT-Drucksache 10/ 318, S. 21. 31 S. Worms, in: Assmann/Schütze, § 8 Rn. 98. 32 Siehe hierzu den Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drucksache 14/ 1633. - 10 - war dabei die Überwachung des Vertriebs von Finanzprodukten außerhalb der organisierten Kapitalmärkte. Soweit von den ausländischen Aufsichtsbehörden bzw. Botschaften Angaben gemacht wurden, verknüpft die nachfolgende Darstellung der aufsichtsrechtlichen Regelungen in den Staaten der Europäischen Währungsunion die eigenen Untersuchungen mit den Erkenntnissen der Bundesregierung33. Eine Schwierigkeit bestand darin, dass bestimmte Finanzprodukte, z. B. Anteile an Treuhandvermögen, im Ausland aufgrund unterschiedlicher Rechtskonstruktionen nicht bekannt sind. Die von den ausländischen Aufsichtsbehörden gemachten Aussagen sind im Hinblick auf die vertriebenen Produkte somit nicht in vollem Umfang mit den in Deutschland auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ angebotenen Geldanlagen vergleichbar. Es hat sich folgende Darstellung ergeben, welche eine kurze Übersicht über die Besonderheiten einzelner Staaten zur Überwachung außerhalb der organisierten Kapitalmärkte gibt34. Da es in Österreich einen vergleichbaren „Grauen Kapitalmarkt“ gibt, wird im darauf folgenden Punkt kurz auf die Besonderheit des sogenannten Enforcement- Paketes der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde eingegangen. 33 Die Angaben für Italien, Frankreich und Niederlande beruhen auf der Untersuchung des BAWe sowie ergänzenden Internet-Recherchen. 34 Ausführlich zu den einzelnen Staaten: Martin Klaffke, Anlagebetrug am Kapitalmarkt, Theoriebasierte empirische Analyse aus ökonomischer Perspektive, S. 58 ff. - 11 - 5.1. Aufsichtsrechtliche Regelungen zum Beteiligungsangebot Land Regelungen Belgien Beaufsichtigung und Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften; Überwachung auch von Gesellschaften, die lediglich Anlageberatung betreiben. Deutschland Beaufsichtigung und Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften; Überwachung der Vermittlung sonstiger Beteiligungen erfolgt durch die Gewerbebehörden . Finnland Beaufsichtigung und Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen an öffentlichen Unternehmen; kein Prospektzwang für Privatgesellschaften und sonstige Beteiligungen, keine Überwachung des Handels an Beteiligungs- und Risikokapitalmarkt . Frankreich Verbot des öffentlichen Angebots von Beteiligungen an Gesellschaften , die keine Kapitalgesellschaften sind; Prospektpflicht für öffentliche Angebote. Irland Verbot des öffentlichen Angebots von Beteiligungen an Privatgesellschaften ; Prospektpflicht für das öffentliche Angebot von Anteilen an öffentlichen Gesellschaften. Italien Prospektzwang bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren an der Börse gelisteter Unternehmen; keine Prospekt- und Anzeigepflicht bei Beteiligungsangeboten von nicht-börsennotierten Kapitalgesellschaften ; Agenten eines Finanzintermediärs müssen von der Aufsichtsbehörde zugelassen sein. Luxemburg Registrierungs- und Prospektzwang für das öffentliche Angebot von Beteiligungen, keine Prospektpflicht bei Privatplatzierungen; Spezielle gesellschaftsrechtliche Regelungen für den Erwerb, die Veräußerung und den Handel mit Gesellschaftsanteilen, die keine Wertpapiere darstellen. Niederlande Prospekt- und Registrierungszwang bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen; Erlaubnispflicht für Vermittlungs- und Kommissionsgeschäfte mit Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften . Österreich Beaufsichtigung und Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften; sonstige Beteiligungen fallen unter die Überwachung der Gewerbeaufsicht. Portugal Prospekt- und Registrierungspflicht bei öffentlichen Angeboten von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften; Anzeigepflicht von Privatplatzierungen . Spanien Kein ungeregeltes Marksegment außer den staatlich zugelassenen Märkten. Quelle: Martin Klaffke, Anlagebetrug am Kapitalmarkt, Theoriebasierte empirische Analyse aus ökonomischer Perspektive, „Eigene Darstellung“, Stand: 2002, S. 67. - 12 - 5.2. Spezialfall Österreich In Österreich wurde am 1. April 2002 die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) im Rahmen des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes (FMABG) geschaffen. Durch die Errichtung einer operativ unabhängigen Finanzmarktaufsicht sollen die Stabilität des Finanzplatzes Österreich gestärkt und die Anleger geschützt werden. Dabei wacht die FMA über die Einhaltung der gesetzlichen Verhaltensregeln bei Banken, Versicherungen , Pensionskassen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Außerdem steht sie für Transparenz und Fairness am österreichischen Kapitalmarkt ein35. Am 1. März 2006 trat das sogenannte „Enforcement-Paket“ in Kraft. Die bei der FMA angesiedelte "Task Force Grauer Kapitalmarkt" ist mit der Bekämpfung des unerlaubten Betriebes von Bank-, Finanzdienstleistungs-, Börsen-, Pensionskassen- und Versicherungsgeschäften betraut. Eines der Haupteinsatzinstrumente der „Task Force Enforcement “ ist die Möglichkeit, bei Unternehmen und Privatpersonen unangekündigte Vorortprüfungen zu machen. Dabei hat sie die Möglichkeit, Daten zu ermitteln und zu verarbeiten, in Schriftstücke und EDV-Datenträger vor Ort Einsicht zu nehmen und sich Auszüge davon herstellen zu lassen sowie Verdächtige und Zeugen zu vernehmen. Dadurch kann sie gegebenenfalls auch selbst die Verwaltungsverfahren durchführen.36 Es handelt sich dabei um die Führung von Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren im Bereich des sogenannten „Grauen Kapitalmarkts“. Des Weiteren können Maßnahmen und Sanktionen, die wegen Verstößen gegen die vorhin angeführten Regelungen in den Materiengesetzen gesetzt wurden, beauskunftet oder öffentlich bekanntgegeben werden. Die FMA kann sogar die Schließung von Teilen eines Betriebes oder die Schließung eines gesamten Betriebes verfügen.37 Durch die Kompetenzen der FMA soll die Durchsetzung erleichtert werden, unerlaubt betriebene Geschäfte effizienter zu verfolgen und zu unterbinden. 5.3. Zwischenergebnis Die Umfrage der BAWe macht sichtbar, dass aufgrund unterschiedlicher Rechtskonstruktionen bestimmte Finanzprodukte bzw. Beteiligungsformen im Ausland nicht existieren . Daher sind die „von den ausländischen Aufsichtsbehörden gemachten Aussagen … im Hinblick auf die vertriebenen Produkte … nicht in vollem Umfang mit den in Deutschland auf dem „Grauen Kapitalmarkt“ angebotenen Geldanlagen vergleichbar.“38 35 Siehe hierzu die Internetseite der FMA: www.fma.gv.at. 36 Jahresbericht 2006 der Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde in Österreich. 37 Siehe dazu Jahresbericht der FMA 2007 unter: http://www.fma.gv.at/cms/site//attachments/1/8/0/CH0240/CMS1213190360423/fma_jb07_komplet tneu_05_05_08.pdf. 38 Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drucksache 14/ 1633, S. 4. - 13 - Lediglich auf dem österreichischen Kapitalmarkt gibt es einen vergleichbaren „Grauen Kapitalmarkt“. Das „Enforcement-Paket“ der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde schafft eine Möglichkeit, unseriöse Praktiken von Unternehmen am „Grauen Kapitalmarkt “ zu kontrollieren bzw. zu unterbinden, wenn diese gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen39. 6. Anlageberater Nach § 34c Abs. 1 Nr. 3 der Gewerbeordnung (GewO) benötigen gewerbsmäßig handelnde Anlageberater bzw. Finanzberater eine behördliche Genehmigung für ihre Tätigkeit . Bis 31. Oktober 2007 war nur die Vermittlung von Investmentfonds erlaubnispflichtig . Diese Erlaubnispflicht bezieht sich auf Anlageberatungen im Sinne der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG. Danach benötigt ein Anlageberater nur eine Erlaubnis gemäß § 34c Abs. 1 Nr. 3 GewO, wenn er Kunden bezogen auf Investmentfondsanteile berät40. Diese Anlageberater unterliegen nicht der Erlaubnispflicht nach dem KWG, sondern lediglich nach der GewO. Wer über den Kauf bzw. Verkauf von sonstigen Finanzinstrumenten wie Aktien, Zertifikaten, Geldmarktinstrumenten, Devisen oder sonstigen Wertpapieren gewerbsmäßig berät, muss bei der BaFin gemäß § 32 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1a KWG einen Erlaubnisantrag stellen. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 32 KWG ist u. a., dass der Antragsteller über Kapital in Höhe von mindestens 50.000 Euro und über die fachliche Eignung für die Leitung eines Finanzdienstleistungsinstituts verfügt. Im Gegensatz zu den Vorgaben für Versicherungsvermittler existieren noch keine Berufshaftpflichtversicherungsvorgaben für Anlageberater. Welche Qualifikationen die Berater in Vertriebstrukturen wie der „Deutschen Vermögensberatung “ oder der „AWD“ haben, ist auf deren Internetseiten kaum ersichtlich. Zwar bieten beide Finanzdienstleistungsunternehmen verschiedene Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten an41. In deren Stellenangeboten für „Finanzberater“ werden jedoch keine Qualifikationen im Finanzbereich vorausgesetzt42. 39 Siehe S. 11. 40 Siehe hierzu: http://www.bme-law.de/fileadmin/pdf_s/Finanz_Business/fb-007-0014-1_Recht.pdf. 41 Siehe http://www.dvag.com/BerufChancen/AusundWeiterbildung bzw. http://awd.de/awdde/de/home/karriere/ausbildung_finanzberater.html 42 http://awd.de/awdde/de/home/karriere/finanzberater/freie_stellen.html bzw. http://selbststaendigkeit.dvag.com/selbststaendigkeit.html - 14 - 7. Zusammenfassung Auch die Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes wird wahrscheinlich keine entscheidenden Impulse für den Anlegerschutz am „Grauen Kapitalmarkt“ erzeugen. Der Anlagebetrug am „Grauen Kapitalmarkt“ ist weitgehend ein nationales Problem43. Eine Lösung ist somit auf nationaler Ebene zu suchen. Die zur Bekämpfung der Kriminalität am Grauen Kapitalmarkt vorhandenen Strafnormen setzen auf verschiedenen Ebenen an. Die seit langem verlangte Bildung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Börsendelikte bzw. für kapitalbezogene Delikte könnte ein wichtiger Schritt für die Durchsetzung des Strafrechts und damit für einen effektiv verstandenen Anlegerschutz sein44. Weiterhin wurden durch die Regelungen des Anlegerschutzgesetzes der Dualismus von organisiertem und „Grauem Kapitalmarkt“ weitgehend berücksichtigt. Durch § 13 Verk ProspG wird ein Gleichlauf zwischen börslicher und außerbörslicher Prospekthaftung geschaffen. Mit § 13a VerkProspG in Verbindung mit der Prospektpflicht nach § 8f VerkProspG wurde für den „Grauen Kapitalmarkt“ eine zusätzliche Anspruchsnorm geschaffen, welche im Bereich der börsengesetzlichen Prospekthaftung kein Pendant findet. Aller Erfahrung nach werden es weitere staatliche Regulierungen alleine vermutlich nicht schaffen, unseriöse Geschäfte zu verhindern bzw. diese wirksam zu verfolgen. Der Anleger sollte daher auch in Zukunft die Anbieter prüfen und Verantwortung für seine Anlageentscheidungen selbst übernehmen. Es scheint daher notwendig, die Anleger weiterhin für das Thema zu sensibilisieren und sie darüber aufzuklären. 43 Hagemann, S. 614. 44 Hagemann, S. 615. - 15 - 8. Quellen ACHENBACH, Hans (1986): Das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität . In: Neue Juristische Wochenschrift 1986, S. 1835. ACHENBACH, Hans; RANSIEK, Andreas (2004): Handbuch Wirtschaftsstrafrecht. ASSMANN, Heinz-Dieter; SCHNEIDER, Uwe H. (2003): Wertpapierhandelsgesetz. ASSMANN, Heinz-Dieter; SCHÜTZE, Rolf A. (2007): Handbuch des Kapitalanlagerechts . AWD, Internetauftritt: http://www.awd.de [Stand: 01.10.2008]. DECKERT, Martina; VON RÜDEN (1998), Jens: Anlegerschutz durch europäisches Kapitalmarktrecht. Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 1998, S. 46-54. DEUTSCHE VERMÖGENSBERATUNG, Internetauftritt: http://www.dvag.com/ [Stand: 01.10.2008]. FINANZMARKTAUFSICHTSBEHÖRDE ÖSTERREICH, Internetauftritt: http://fma.gv.at [Stand: 01.10.2008]. FLEISCHER, Holger (2004): Prospektpflicht und Prospekthaftung für Vermögensanlagen des Grauen Kapitalmarkts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz. In: Bankund Kapitalmarktrecht 2004, S. 339-347. HEISTERHAGEN, Christoph (2004): Die gesetzliche Prospektpflicht für geschlossene Fonds nach dem Regierungsentwurf des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes. In: Deutsches Steuerrecht, S. 2004, 1089. HAGEMANN, Michael H. (2005): „Grauer Kapitalmarkt“ und Strafrecht. HASENKAMP, Annabel (2004): Die neue Prospektierungspflicht für Anbieter geschlossener Fonds. In: Deutsches Steuerrecht 2004, 2154-2159. HEINZE, Stefan: Europäisches Kapitalmarktrecht (1999): Recht des Primärmarktes. KLAFFKE, Martin (2002): Anlagebetrug am grauen Kapitalmarkt: Theoriebasierte empirische Analyse aus ökonomischer Perspektive. OTT, Claus (2005): Verbraucherschutz auf dem grauen Kapitalmarkt: Private Kapitalanlagen in Immobilienfonds. In: Festschrift für Thomas Raiser zum 70. Geburtstag am 20. Februar 2005 S. 723 -749. - 16 - SPANNAGEL, Wolfgang (1981): Kapitalanlagen. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1981, S. 1080-1084. WERNER, Thomas; BURGHARDT, Ralf (2006): Der Graue Kapitalmarkt: Chancen und Risiken.