© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 135/20 Corona-Hilfen für Reedereien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 2 Corona-Hilfen für Reedereien Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 135/20 Abschluss der Arbeit: 11. Dezember 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. „Reeder“ 4 3. Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) 4 3.1. Errichtung und Zweck des WSF 4 3.2. Personelle Kriterien 5 3.3. Inhaltliche Kriterien 5 4. KfW-Sonderprogramm 2020 6 4.1. Allgemeine Voraussetzungen 6 4.2. Ort der Mittelverwendung und Beflaggung 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste wurden nach den Voraussetzungen für die Gewährung von staatlichen Corona-Hilfen für Reedereien gefragt. Dabei ist auch von Belang, inwieweit die deutsche Beflaggung der eingesetzten Schiffe Voraussetzung für die Unterstützung ist. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die zwei wichtigsten Corona-Hilfen des Bundes. Hilfen der Länder sind nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. 2. „Reeder“ „Reeder“ ist nach § 476 Handelsgesetzbuch (HGB)1 der „Eigentümer eines von ihm zum Erwerb durch Seefahrt betriebenen Schiffs“. Nach § 477 Abs. 2 HGB wird auch ein „Ausrüster“ im Verhältnis zu Dritten als Reeder angesehen. Ausrüster ist die Person, die ein ihr „nicht gehörendes Schiff zum Erwerb durch Seefahrt betreibt“ (§ 477 Abs. 1 HGB). Eine ähnliche Definition enthält das Seearbeitsgesetz (SeeArbG)2. § 4 Abs. 1 SeeArbG bezeichnet als „Reeder“ den „Eigentümer des Schiffes oder jede andere Organisation oder Person, die vom Eigentümer des Schiffes die Verantwortung für den Betrieb des Schiffes übernommen und […] sich verpflichtet hat, die [ihm obliegenden ] Aufgaben und Pflichten zu erfüllen […].“3 3. Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) 3.1. Errichtung und Zweck des WSF Mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz vom 27. März 2020 (StFG) wurde das nichtrechtsfähige Sondervermögen „Wirtschaftsstabilisierungsfonds – WSF“ errichtet.4 Dieser soll in der Corona-Krise laut Gesetzesbegründung „für einen begrenzten Zeitraum die notwendigen Maßnah- 1 Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. August 2020 (BGBl. I S. 1874) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/HGB.pdf. 2 Seearbeitsgesetz (SeeArbG) vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2112) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/seearbg/See- ArbG.pdf. 3 Vgl. auch die Mitgliederliste des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), https://www.reederverband.de/verband /mitglieder/ordentliche-mitglieder.html. 4 Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – WStFG) vom 27. März 2020, BGBl. I Nr. 14, S. 543, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/G/gesetz-zur-errichtung -eines-wirtschaftsstabilisierungsfonds.pdf?__blob=publicationFile&v=4, nunmehr insbesondere Abschnitt 2, Teil 1, des Stabilisierungsfondsgesetzes (Einbezug der Regelungen zum Finanzmarktstabilisierungsfonds ) unter https://www.gesetze-im-internet.de/fmstfg/StFG.pdf (Abschnitt 2). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 5 men zur Stabilisierung der Volkswirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen im erforderlichen Umfang umsetzen.“ Die Maßnahmen sollen die Sonderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) flankieren.5 § 16 Abs. 1 StFG definiert den „Zweck des Fonds“ wie folgt: „Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds dient der Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und durch Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Kapitalbasis von Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte.“ 3.2. Personelle Kriterien Die Hilfen können zugunsten von Wirtschaftsunternehmen der Realwirtschaft6 gewährt werden. Nach § 16 Abs. 2 StFG sind dies Unternehmen, die insbesondere keine Unternehmen des Finanzsektors sind und die vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt haben : 1. Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro, 2. mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie 3. mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Unter dieser Maßgabe können auch Reedereien in den personellen Anwendungsbereich der Hilfen fallen. 3.3. Inhaltliche Kriterien Über die Stabilisierungsmaßnahmen entscheidet nach § 20 Abs. 1 StFG das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf Antrag des Unternehmens nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei wird Folgendes berücksichtigt : 1. die Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands, 2. die Dringlichkeit, 3. die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb und 4. der Grundsatz des möglichst sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des Wirtschaftsstabilisierungsfonds. 5 Gesetzentwurf in Bundestags-Drs. 19/18109 vom 24. März 2020, S. 1, https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/181/1918109.pdf; für weitere Informationen vgl. auch https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Coronavirus/WSF/wirtschaftsstabilisierungsfonds.html. 6 Definition gem. Duden: „Teil der Gesamtwirtschaft, der nicht zur Finanzwirtschaft, zum Finanzmarkt gehört, sondern sich mit realen Dingen wie Waren und Dienstleistungen befasst“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 6 Soweit es sich um Grundsatzfragen, Angelegenheiten von besonderer Bedeutung sowie um Entscheidungen über wesentliche Maßnahmen und Auflagen handelt, entscheidet einvernehmlich ein interministerieller Ausschuss (Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Ausschuss). Den Unternehmen dürfen anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen (§ 25 Abs. 1 S. 1 StFG). Des Weiteren muss durch die Stabilisierungsmaßnahme eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie bestehen. Zudem dürfen die betreffenden Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht die EU-Definition von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ erfüllt haben (§ 25 Abs. 1 S. 2 StFG). Die Unternehmen müssen zusätzlich die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten (§ 25 Abs. 2 S. 1 StFG). Sie sollen insbesondere einen Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen leisten (§ 25 Abs. 1 S. 2 StFG). Spezifische Anforderungen für Reedereien im Hinblick auf die Beflaggung der Schiffe lassen sich aus diesen Vorschriften des StFG nicht ableiten. Dasselbe gilt für die das StFG präzisierenden Bestimmungen der Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Durchführungsverordnung.7 Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Schiffsflagge eine Rolle spielt, wenn es etwa darum geht, die Auswirkungen einer Stabilisierungsmaßnahme für die Wirtschaft Deutschlands bzw. die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu würdigen (§ 20 Abs. 1 StFG). So kann die Flagge z. B. maßgeblich dafür sein, welchen arbeitsrechtlichen Bestimmungen einschließlich beispielsweise Kündigungsschutz 8 die Beschäftigten auf dem Schiff unterworfen sind. Des Weiteren könnte eine ausländische Flagge ggf. als möglicher Anknüpfungspunkt für Hilfsmaßnahmen durch den Flaggenstaat, d. h. für anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten (vgl. § 25 Abs. 1 S. 1 StFG), dienen. Solche Finanzierungsmöglichkeiten wären vorrangig auszuschöpfen. 4. KfW-Sonderprogramm 2020 4.1. Allgemeine Voraussetzungen Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds kann der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen zur Refinanzierung der ihr von der Bundesregierung als Reaktion auf die Corona-Krise zugewiesenen Sonderprogramme gewähren (§ 23 StFG). Das KfW-Sonderprogramm 2020 fördert Investitionen und Betriebsmittel mittelständischer und großer Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Einzelunternehmer und Freiberufler.9 Die Pro- 7 Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Durchführungsverordnung vom 1. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2058), https://www.gesetze-im-internet.de/wsf-dv/WSF-DV.pdf. 8 Vgl. Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft für Transport- und Verkehrswirtschaft, Leitfaden zur Umsetzung des Seearbeitsgesetzes (Leitfaden SeeArbG), Ausgabe 4/2018, S. 27, https://www.deutscheflagge .de/de/redaktion/dokumente/dokumente-dienststelle/mlc-leitfaden.pdf. 9 Vgl. Merkblatt „KfW-Unternehmerkredit – KfW-Sonderprogramm 2020“, S. 1, https://www.kfw.de/PDF/Download -Center/F%C3%B6rderprogramme-(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente /6000000188_M_037_047_Unternehmerkredit.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 135/20 Seite 7 gramme richten sich an Unternehmen, die durch die Corona-Krise vorübergehend Finanzierungsschwierigkeiten haben. Dies bedeutet, dass das betreffende Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht in Schwierigkeiten war.10 4.2. Ort der Mittelverwendung und Beflaggung Allen Programmvarianten gemeinsam ist, dass der Ort der Mittelverwendung (Investition/Betriebsmittel ) Deutschland sein muss.11 Nach Auskunft des BMWi gilt hier zudem Folgendes: – Geht es um den Liquiditätsbedarf einer Reederei und nicht um die Förderung des Betriebs einzelner Schiffe, erfolgt die Förderung unabhängig von der Beflaggung der Reedereiflotte. – Soll nur der Betrieb einzelner Schiffe subventioniert werden, wären Staatshilfen mit der Auflage verbunden, dass das Schiff während der Laufzeit der Darlehen unter deutscher Flagge fährt und in ein deutsches Binnen- oder Seeschiffsregister eingetragen ist. Ein- Schiff-Kommanditgesellschaften sind jedoch aufgrund ihrer Fokussierung auf ein Schiff und entsprechender Risikostruktur nicht antragsberechtigt.12 *** 10 Vgl. die Übersicht des BMWi, „Maßnahmenpaket für Unternehmen gegen die Folgen des Coronavirus“ (Stand: 23. November 2020), S. 5, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/massnahmenpaket-fuer-unternehmen -gegen-die-folgen-des-coronavirus.pdf?__blob=publicationFile&v=70. 11 Vgl. Datenliste KfW-Sonderprogramm 2020, https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/F%C3%B6rderprogramme -(Inlandsf%C3%B6rderung)/PDF-Dokumente/6000004528_Infoblatt_Datenliste_037_047_075_076.pdf. 12 Auskunft des BMWi vom 8. Dezember 2020 auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste.