© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 133/20 Nutztiere und Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 2 Nutztiere und Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 133/20 Abschluss der Arbeit: 17.12.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung 4 3.1. Kälber 5 3.2. Legehennen 6 3.2.1. Kükentöten 6 3.2.2. Schnabelkürzen 7 3.3. Masthühner 8 3.4. Schweine 8 3.4.1. Kastenstandhaltung 8 3.4.2. Ferkelkastration 9 3.4.3. Kupieren der Schwänze 9 3.5. Kaninchen 10 4. Nutztiere, die nicht in der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung vorkommen 10 4.1. Rinder 10 4.1.1. Mastbullen 10 4.1.2. Milchkühe 10 4.1.2.1. Futtermittelvereinbarung 10 4.1.2.2. Label „Für mehr Tierschutz“ 11 4.2. Enten und Gänse 11 4.3. Puten 12 5. Tierübergreifende Verbesserungsvorschläge und Forderungen 13 5.1. Ausweitung der TierSchNutztV auf weitere Nutztiere 13 5.2. Verbindliches staatliches Tierwohlkennzeichen 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 4 1. Fragestellung Gegenstand dieses Sachstands ist die Frage, welche Nutztierarten nicht unter die Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung fallen und welche unterschiedlichen Vorschläge und freiwilligen Vereinbarungen für diese Tierarten von Tierschutzverbänden vorliegen. Ferner ist von Interesse welche Änderungs- bzw. Verbesserungsvorschläge von Tierschutzverbänden für die verschiedenen Tierarten vorliegen, für die bereits die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gilt. Der Sachstand bezieht sich auf eine Auswahl wesentlicher, im Netz offen zugänglicher Quellen. 2. Einleitung Für die Haltung von Nutztieren gelten gesetzliche Mindeststandards. Diese finden sich im Tierschutzgesetz (TierSchG)1 sowie in der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung – TierSchNutztV)2. Letztere enthält jedoch nicht für alle Nutztiere spezifische Regelungen.3 Der gesetzliche Standard für sogenanntes Biofleisch ist in den EU- Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau, insbesondere in der EG-Öko-Basisverordnung (EG) Nr. 834/2007 vom 28. Juni 2007,4 geregelt, die strengere Tierhaltungsstandards bestimmen.5 3. Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung dient der Umsetzung folgender EU-Richtlinien: – Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere (ABl. EG Nr. L 221 S. 23), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. EU Nr. L 122 S 1), – Richtlinie 91/629/EWG des Rates vom 19. November 1991 über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern (ABl. EG Nr. L 340 S. 28), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. EU Nr. L 122 S 1), 1 http://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/BJNR012770972.html. 2 https://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html. 3 https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/tierschutz-tierwohl-und-artgerechte -haltung-22080. 4 Durch die Verordnung (EU) 2018/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 tritt die derzeit geltende EU-Öko-Basisverordnung zum 1. Januar 2021 außer Kraft, https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/eg-oekoverordnung -folgerecht.html. 5 https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/oekologischer-landbau/bio-siegel.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 5 – Richtlinie 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen (ABl. EG Nr. L 203 S. 53), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2013/64/EU (ABl. L 353 S. 8), – Richtlinie 91/630/EWG des Rates vom 19. November 1991 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen (ABl. EG Nr. L 340 S. 33), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. EU Nr. L 122 S 1), – Richtlinie 2007/43/EG des Rates vom 28. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern (ABl. L 182 vom 12.7.2007 S 19). Nutztiere im Sinne der TierSchNutztV sind „landwirtschaftliche Nutztiere sowie andere warmblütige Wirbeltiere, die zur Erzeugung von Nahrungsmitteln, Wolle, Häuten oder Fellen oder zu anderen landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden oder deren Nachzucht zu diesen Zwecken gehalten werden soll“, § 2 Nr. 1 TierSchNutztV. Die TierSchNutztV enthält explizite Regelungen zu folgenden Nutztieren: Kälber („Hausrinder im Alter von bis zu sechs Monaten“, § 2 Nr. 3 TierSchNutztV), Legehennen, Masthühner, Schweine (Ferkel, Sau, Eber) und Kaninchen. Zu den konkreten Bestimmungen aus der TierSchNutztV siehe die Ausarbeitungen WD 5 – 3000 – 069/19 „Gesetzlicher Mindeststandard in der Nutztierhaltung in Deutschland“6 sowie WD 5 – 3000 – 078/19 „Fragenkatalog zu Nutztieren in ausgewählten EU-Staaten“7. 3.1. Kälber Für die Haltung von Kälbern bis zum Alter von sechs Monaten enthalten die §§ 5 ff. der Tier- SchNutztV ausdrückliche gesetzliche Anforderungen. Der Deutsche Tierschutzbund sieht dringenden Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Praxis der Enthornung. Dabei werden die Hornanlagen ausgebrannt, um eine Verletzung von Mensch und Tier durch die Hörner vorzubeugen. Die Prozedur sei sehr schmerzhaft und erst seit wenigen Jahren werde den Tieren dafür Schmerzmittel verabreicht. Dies sei aber nicht genug. Erforderlich sei vielmehr eine Sedierung und örtliche Betäubung durch einen Tierarzt.8 Grundsätzlich solle aber auf die Haltung von behornten Kälbern bzw. Rindern umgestellt werden. Unter besseren Haltungsbedingungen stellten die Hornanlagen dann keine Gefahr darstellen.9 6 https://www.bundestag.de/resource/blob/658256/5b211b3b95ed73db4e6acaca6ce67c91/WD-5-069-19-pdfdata .pdf. 7 https://www.bundestag.de/resource/blob/681266/17eed216ee3f98141acfa2cf942c4ae3/WD-5-078-19-pdfdata .pdf. 8 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/rinder/kaelber/. 9 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/manipulationen/#c7499. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 6 Neben anderen fordert auch die Welttierschutzgesellschaft den zwingenden Einsatz von Betäubungsmitteln und langfristig ein grundsätzliches Verbot der Enthornung.10 Teilweise bestehen auf Landesebene Vereinbarungen mit Landwirten über die Gabe von Schmerz- oder Beruhigungsmittel vor der Enthornung11 In Hessen ist beispielsweise per Erlass geregelt worden, dass bei der Enthornung von Kälbern Schmerz- und Beruhigungsmittel eingesetzt werden müssen.12 Zuvor bestand eine freiwillige Vereinbarung mit Landwirten.13 In einem Bericht zur Nutztierstrategie aus dem Januar 2019 hat das BMEL auf einen Entwurf zur „Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls bei Rindern, insbesondere zum Enthornen von Kälbern“ hingewiesen. Zum damaligen Zeitpunkt wurde über die Vereinbarung verhandelt. 14 3.2. Legehennen Mindestanforderungen für die Haltung von Legehennen finden sich in den §§ 12 ff. Tier- SchNutztV. 3.2.1. Kükentöten Zahlreiche Tierschutzverbände, darunter der Deutsche Tierschutzbund15 sowie VIER PFOTEN Deutschland16, fordern seit Jahren ein gesetzliches Verbot des Kükentötens. Im September 2020 hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einen Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes vorgelegt, nach dem das Kükentöten ab 10 https://welttierschutz.org/wp-content/uploads/2019/06/Positionspapier-Enthornung.pdf. 11 https://welttierschutz.org/wp-content/uploads/2019/06/Positionspapier-Enthornung.pdf. 12 https://www.hessen.de/pressearchiv/pressemitteilung/erlass-zur-schmerz-und-stressfreien-enthornung-vonkaelbern . 13 https://umwelt.hessen.de/pressearchiv/pressemitteilung/vereinbarung-zur-schmerz-und-stressfreien-enthornung -von-kaelbern. 14 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Nutztierhaltungsstrategie.pdf?__blob=publication File&v=6 , S. 30. 15 https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Hintergrundinformationen/Landwirtschaft /Kuekentoetungen_Hintergrund.pdf. 16 https://www.vier-pfoten.de/unseregeschichten/presse/september-2020-1/bmel-zum-gesetzlichen-ausstieg-ausdem -kuekentoeten-statement. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 7 Ende 2021 verboten werden soll.17 Bereits im Koalitionsvertrag verpflichtete sich die Bundesregierung das Kükentöten bis zur Mitte der Legislaturperiode zu beenden.18 Des Weiteren ist das BMEL nach eigener Aussage mit der Branche im Gespräch, um eine Branchenvereinbarung mit einer Verpflichtung zu kükentötenfreien Lieferketten zu erreichen.19 VIER PFOTEN Deutschland hält das Ausstiegsdatum im Gesetzentwurf für zu lang angesetzt und fordert gleichzeitig, die Alternative zur Geschlechtsbestimmung im Ei, die Zucht von Zweinutzungshühnern , zu fördern.20 Auch die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V. fordert in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMEL ein Verbot noch vor 2022 sowie die Heraufstufung des Kükentötens von einer Ordnungswidrigkeit auf eine Straftat.21 Die Bruderhahn Initiative Deutschland fördert die Aufzucht der Hähne, also der „Brüder“ der Legehennen zur Erzeugung von Fleisch. Der Mehraufwand der Mast wird auf die Eier umgelegt. Dabei entsteht ein Zuschlag pro Ei im Einzelhandel von etwa 4 Cent.22 3.2.2. Schnabelkürzen Beim Schnabelkürzen wird den Legehennen vorbeugend der vordere Teil des Schnabels amputiert , um Kannibalismus sowie Federpicken unter den Tieren zu verhindern.23 Das BMEL hat 2015 mit der Geflügelwirtschaft die „Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls , insbesondere zum Verzicht auf das Schnabelkürzen in der Haltung von Legehennen und Mastputen“ 24 unterzeichnet. Darin hat sich die Geflügelwirtschaft verpflichtet, ab 2016 bei Küken , die für die Legehennenhaltung bestimmt sind, keine Schnäbel mehr zu kürzen und ab 2017 keine schnabelgekürzten Legehennen mehr einzustallen.25 17 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierwohl-forschung-in-ovo.html. 18 https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/gesetzliches-verbot-ab-ende-naechsten-jahres-agrarministerin-juliakloeckner -will-das-kuekentoeten-verbieten/26171122.html. 19 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Peter Felser, Franziska Gminder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD vom 5. November 2020, BT-Drs. 19/24127, S. 4, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/241/1924127.pdf. 20 https://www.vier-pfoten.de/unseregeschichten/presse/september-2020-1/bmel-zum-gesetzlichen-ausstieg-ausdem -kuekentoeten-statement. 21 https://www.djgt.de/Nutztiere. 22 https://www.bruderhahn.de/. 23 https://www.praxis-agrar.de/tier/gefluegel/kein-schnabelkuerzen-mehr-bei-legehennen/. 24 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/EineFragederHaltungTierwohl .pdf?__blob=publicationFile&v=2. 25 https://www.tierwohl-staerken.de/nutztiere/themen/landwirtschaft-verstehen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 8 Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes hält die Vereinbarung für nicht ausreichend und fordert weiterhin ein gesetzliches Verbot.26 3.3. Masthühner Mindestanforderungen für die Haltung von Masthühnern sind in den §§ 16 ff. TierSchNutztV geregelt . Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert ein Verbot von Reserve-Antibiotika insbesondere in der Geflügelmast.27 Reserve-Antibiotika werden i. d. R. eingesetzt, wenn sich multiresistente Keime entwickelt haben, gegen die die gängigen Antibiotika wirkungslos sind. BUND sieht die Ursache für den hohen Bedarf an Antibiotika an den nicht artgerechten Haltungsbedingungen, die die Tiere krank machten.28 Auch der Deutsche Tierschutzbund kritisiert die übermäßige Gabe von Reserveantibiotika und verlangt ein Umdenken bei der Gabe von Antibiotika für Nutztiere insgesamt.29 3.4. Schweine Allgemeine sowie besondere Anforderungen an das Halten von Schweinen sind in den §§ 21 ff. TierSchNutztV geregelt. 3.4.1. Kastenstandhaltung Zahlreiche (Tierschutz)Organisationen und Verbände fordern seit langem ein Verbot beziehungsweise den Ausstieg aus der Kastenstandhaltung bei Säuen.30 26 Schröder, Schluss mit der „Freiwilligeritis“, Der kritische Agrarbericht 2020, 271 (273), https://www.kritischeragrarbericht .de/fileadmin/Daten-KAB/KAB-2020/KAB2020_271_277_Schroeder.pdf. 27 https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/freiwillig-reicht-nicht-reserveantibiotika-muessen -raus-aus-der-tierhaltung/. 28 https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/freiwillig-reicht-nicht-reserveantibiotika-muessen -raus-aus-der-tierhaltung/. 29 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/antibiotika/. 30 Beispielsweise foodwatch: https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2020/vor-entscheidender-abstimmung -im-bundesrat-knapp-600000-menschen-warnen-gruene-vor-faulem-kompromiss-beim-tierschutz/ ; ebenso die Bundestierärztekammer: https://www.wir-sind-tierarzt.de/2017/09/btk-positionspapier-nutztierhaltung /. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 9 Im Juli 2020 hat der Bundesrat einer Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zugestimmt . Diese sieht unter anderem die Abschaffung der Kastenstandhaltung vor. Allerdings bestimmt sie für das Deckzentrum eine Übergangsfrist von acht Jahren und für den Abferkelbereich eine Übergangsfrist von 15 Jahren.31 Dem BUND geht dies nicht weit genug. Er fordert ein konsequentes Verbot der Kastenstandhaltung .32 Ebenso fordert die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. eine schnellstmögliche Beendigung der Kastenstandhaltung in allen Bereichen.33 Auch foodwatch fordert weiterhin ein sofortiges Verbot.34 3.4.2. Ferkelkastration Fleisch von unkastrierten männlichen Ferkeln kann einen unangenehmen Geruch und Geschmack aufweisen, weshalb die Kastration bei Ferkeln gängige Praxis ist. Nach der Übergangsvorschrift des § 21 Abs. 1 TierSchG bedarf es bei der Kastration von männlichen Schweinen unter acht Tagen bislang keiner Betäubung. Durch eine Reform des Tierschutzgesetzes ist die betäubungslose Ferkelkastration ab dem 1. Januar 2021 verboten. Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert nicht nur das lange Hinauszögern des Verbots, sondern hält eine Kastration nur unter Vollnarkose und Schmerzmedikation aus Tierschutzsicht vertretbar . Daneben weist er auf weitere Alternativen, wie die Ebermast und die Impfung gegen Ebergeruch , hin.35 3.4.3. Kupieren der Schwänze Das routinemäßige Schwanzkupieren bei Schweinen, um gegenseitiges Schwanzbeißen unter den Tieren zu verhindern, ist durch EU-Recht seit 1991 verboten.36 Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass durch Ausnahmegenehmigungen der Eingriff in Deutschland dennoch gängige Praxis sei.37 Auch sei das gegenseitige Schwänzefressen der Tiere 31 https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kastenstand-schweine-bundesrat-100.html sowie https://www.agrarheute .com/tier/schwein/eilmeldung-bundesrat-besiegelt-fuer-kastenstand-570416. 32 https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/kommentar-umbau-der-nutztierhaltungjetzt -auf-den-weg-bringen/. 33 https://www.djgt.de/Nutztiere. 34 https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2020/foodwatch-statement-zum-kastenstand-beschluss-desbundesrats -von-tierschutz-weit-entfernt/. 35 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/schweine/ferkelkastration/. 36 https://www.lgl.bayern.de/tiergesundheit/tierschutz/tierhaltung_nutztiere/schweine/schwanzkupieren _schweine.htm. 37 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/manipulationen/#c7499. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 10 eine durch die derzeitigen Haltungsbedingungen hervorgerufene Verhaltensstörung, die bei einer Verbesserung der Haltung aufhöre.38 3.5. Kaninchen Für die Haltung von Kaninchen bestimmen die §§ 31 ff. allgemeine und besondere Anforderungen . Der Deutsche Tierschutzbund hält die Schutzvorschriften für nicht weit genug, da sie immer noch die Käfighaltung erlaubten.39 4. Andere Nutztiere Nicht in der TierSchNutztV vorkommend sind exemplarisch folgende Nutztiere: Rinder älter als sechs Monate (Mastrinder, Milchkühe), Schafe, Ziegen, Esel, Puten, Gänse, Enten, Tauben und Pferde. 4.1. Rinder Für Rinder (ausgenommen Kälber bis sechs Monate, siehe Punkt 3.1.) gelten derzeit lediglich die allgemeinen Vorschriften zur Tierhaltung oder freiwillige Vereinbarungen mit Molkereien und Handelsunternehmen.40 4.1.1. Mastbullen Der Neuland-Verein wurde 1988 von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), dem Bundeskongress entwicklungspolitischer Gruppen (BUKO), der Verbraucher-Initiative (VI) und dem Deutschen Tierschutzbund gegründet .41 Neuland-Betriebe verzichten auf die Anbindehaltung sowie Vollspaltenböden; Tiere sollen Einstreu sowie genügend Platz haben.42 4.1.2. Milchkühe 4.1.2.1. Futtermittelvereinbarung Der QM-Milch e.V. wurde auf Initiative des Deutschen Bauernverbands, des Deutschen Raiffeisenverbands sowie des Milchindustrie-Verbands mit dem Zweck eines bundesweit einheitlichen 38 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/manipulationen/#c7499. 39 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/kaninchenmast/. 40 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/rinder/. 41 https://www.tierschutzbund.de/organisation/partner/neuland/. 42 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/rinder/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 11 Qualitätsmanagements der deutschen Milcherzeugung gegründet. Der Verein gibt Qualitätskriterien für Milcherzeuger und Molkereien vor.43 Darunter fallen nicht nur Bestimmungen zur Milcherzeugung selbst, sondern auch Anforderungen an das Futtermittel für die Milchkühe und Einhaltung einer artgerechten Haltung der Milchkühe.44 Der QM-Milch e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Milchindustrie-Verband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., die QS Qualität und Sicherheit GmbH, der Deutsche Verband Tiernahrung e.V. sowie die GMP+ International B.V. haben die „Futtermittelvereinbarung über den Einsatz von Futtermitteln in der Milcherzeugung (Futtermittelvereinbarung)“45 unterzeichnet. Die aktuelle Fassung ist vom 10. Oktober 2019.46 4.1.2.2. Label „Für mehr Tierschutz“ Das Label „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes soll Verbrauchern helfen, Milch und Milchprodukte zu erwerben, die von Betrieben stammen, die ihre Milchkühe unter tiergerechten Bedingungen halten.47 Das Label gibt es seit 2017.48 Neben Milchkühen gibt es das Label auch für Mastschweine und Legehennen und soll langfristig auf alle landwirtschaftlich genutzten Tiere ausgeweitet werden.49 4.2. Enten und Gänse Bislang gibt es keine spezifischen gesetzlichen Regelungen zur Haltung von Enten und Gänsen. Lediglich auf Länderebene finden sich Vereinbarungen über die Haltungsanforderungen. Beispielsweise gibt es in Niedersachsen – die Vereinbarung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft, Landesverband e.V. zur Weiterentwicklung von Mindestanforderungen an die Haltung von Moschusenten aus dem Jahr 2013 („Moschusentenvereinbarung“);50 43 https://media.diemayrei.de/13/604713.pdf. 44 https://www.qm-milch.de/qualitaetsmanagement-beim-milcherzeuger. 45 https://media.diemayrei.de/47/721247.pdf. 46 https://www.qm-milch.de/futtermittelsicherheit-562028. 47 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/rinder/. 48 https://www.tierschutzlabel.info/verbraucher/. 49 https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/tierschutzlabel/. 50 Vereinbarung kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.ml.niedersachsen.de/startseite /themen/tiergesundheit_tierschutz/tierschutzplan_niedersachsen_2011_2018/enten_ganse/enten--gaense- 110595.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 12 – die Vereinbarung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft, Landesverband e.V. über die Weiterentwicklung der Mindestanforderungen an die Haltung von Pekingmastenten aus dem Jahr 2015 („Pekingentenvereinbarung“);51 – die Vereinbarung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft, Landesverband e.V. über Mindestanforderungen an die Haltung von Gänsen in Aufzucht und Mast aus dem Jahr 2020 („Gänsehaltungsvereinbarung“).52 4.3. Puten Für die Haltung von Puten gelten derzeit ebenfalls nur die allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Damit die Putenhaltung den Anforderungen aus § 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) entspricht, wurde 2013 auf Initiative des Verbands Deutscher Putenerzeuger (DVP) gemeinsam mit Vertretern des BMEL, den Fachministerien mehrerer Länder sowie mit Vertretern von Wissenschaft, anerkannten Tierschutzorganisationen und dem Deutschen Bauernverband die Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zu Haltung von Mastputen53 erarbeitet. Darüber hinaus enthält die vom BMEL und der Geflügelwirtschaft unterzeichnete Vereinbarung zur Verbesserung des Tierwohls, insbesondere zum Verzicht auf das Schnabelkürzen in der Haltung von Legehennen und Mastputen aus dem Jahr 2015 einen beabsichtigten Verzicht auf das routinemäßige Kürzen der Schnabel ab dem Jahr 2019, allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine zuvor durchgeführte Evaluierung dies rechtfertigt.54 In diesem Zusammenhang ist eine Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass ein flächendeckender gänzlicher Verzicht auf das Schnabelkürzen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu empfehlen sei.55 Die Initiative Tierwohl ist ein branchenübergreifendes Bündnis aus Landwirtschaft, Lebensmittelhandel , Gastronomie und Fleischwirtschaft. Geflügel- und Schweinefleisch56, das von einem 51 Vereinbarung Kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.ml.niedersachsen.de/startseite /themen/tiergesundheit_tierschutz/tierschutzplan_niedersachsen_2011_2018/enten_ganse/enten--gaense- 110595.html. 52 Vereinbarung kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.ml.niedersachsen.de/startseite /aktuelles/pressemitteilungen/gemeinsam-die-haltung-von-gansen-verbessern-187654.html. 53 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tierschutz/ZDG-Eckwerte-Haltung-Mastputen .pdf?__blob=publicationFile&v=5. 54 https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/EineFragederHaltungTierwohl .pdf?__blob=publicationFile&v=2 S. 13. 55 https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/tierschutz/tierhaltung/geflugel/ausstieg-aus-dem-schnabelkurzen -bei-puten-empfehlungen-zur-vermeidung-des-auftretens-von-federpicken-und-kannibalismus- 180775.html. 56 https://initiative-tierwohl.de/initiative/ueber-uns/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 133/20 Seite 13 Betrieb stammt, der an der Initiative Tierwohl teilnimmt und die Tierwohlkriterien, die über dem gesetzlichen Standard liegen, umsetzt, erhält ein Siegel. Für die Umsetzung der Kriterien erhält der Landwirt ein bestimmtes Tierwohlentgelt, das den entstehenden Mehraufwand ausgleichen soll.57 Das Geld stammt aus einem Fond, der vom Einzelhandel gespeist wird.58 5. Tierübergreifende Vorschläge 5.1. Ausweitung der TierSchNutztV auf weitere Nutztiere Die Bundestierärztekammer fordert, spezifische Haltungsvorschriften, wie sie für einige Tiere bereits in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthalten sind, für weitere Nutztiere zu erlassen , insbesondere für Junghennen und Elterntiere, Puten und Wassergeflügel.59 5.2. Verbindliches staatliches Tierwohlkennzeichen Die Verbraucherzentralen sowie zahlreiche Umwelt- und Tierschutzorganisationen begrüßen zwar grundsätzlich das vom BMEL eingeführte Tierwohlkennzeichen, fordern aber eine verpflichtende , keine bloße freiwillige Nutzung.60 *** 57 https://initiative-tierwohl.de/verbraucher/so-funktioniert-s/. 58 https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/tierschutz-tierwohl-und-artgerechte -haltung-22080. 59 https://www.bundestieraerztekammer.de/presse/archiv/16/2017/tieraerzte-fordern-mehr-tierschutz-in-der-nutztierhaltung /1298. 60 Vgl. beispielsweise: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe /verwirrende-tierwohllabel-die-frage-nach-mehr-transparenz-bleibt-33213, https://www.verbraucherzentrale .de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/tierschutz-tierwohl-und-artgerechte-haltung-22080 sowie https://www.bund.net/massentierhaltung/haltungskennzeichnung/.