Externe Kosten der Stromerzeugung - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 5 - 131/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Externe Kosten der Stromerzeugung Ausarbeitung WD 5 - 131/06 Abschluss der Arbeit: 10.08.2006 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 5 2. Zu den Begriffen der internen und externen Kosten und ihrer Anwendung 5 3. Interne Kosten der Stromerzeugung 6 3.1. Kostenbestandteile 6 3.2. Überblick über die Höhe der internen Kosten unterschiedlicher Kraftwerkstypen nach WAGNER et al. (2004) 7 4. Externe Kosten der Stromerzeugung 10 4.1. Methodik zur Quantifizierung externer Kosten 10 4.2. Einflussfaktoren auf externe Kosten der verschiedenen Energieträger 11 4.2.1. Fossile Energieträger 11 4.2.2. Erneuerbare Energien 11 4.2.3. Kernenergie 12 4.3. Qualitativer Überblick über externe Kosten der einzelnen Energieträger 12 4.3.1. Kohle 12 4.3.2. Erdgas 14 4.3.3. Schweröl 14 4.3.4. Windkraft 14 4.3.5. Photovoltaik 14 4.3.6. Biomasse 14 4.3.7. Kernenergie 15 4.4. Vergleich der Ergebnisse ausgewählter wissenschaftlicher Studien 16 - 4 - 4.4.1. Kohle 18 4.4.2. Schweröl 19 4.4.3. Erdgas 19 4.4.4. Kernenergie 19 4.4.5. Wasserenergie 20 4.4.6. Windenergie 20 4.4.7. Solarenergie / Photovoltaik 20 5. Anmerkung: Externe Kosten der Heizenergie 20 6. Schlussbemerkung 22 7. Literaturverzeichnis 23 - 5 - 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung betrachtet aktuelle wissenschaftliche Studien zu den Gestehungskosten von Strom. Dabei muss zwischen den internen und den externen Bestandteilen der Gesamtgestehungskosten unterschieden werden. Abschnitt 2 grenzt diese beiden Kostenbestandteile voneinander ab. In der wissenschaftlichen Literatur werden die internen und die externen Kosten der Stromgestehung getrennt voneinander behandelt . Abschnitt 3 betrachtet zunächst die internen Kosten. Eine größere Zahl von wissenschaftlichen Untersuchungen mit einer weiteren Bandbreite von Ergebnissen widmet sich den externen Kosten der Stromerzeugung. Abschnitt 4 gibt einen Überblick über die vorliegenden Ergebnisse und deren zugrunde liegenden Annahmen. In Abschnitt 5 wird abschließend kurz auf den verwandten Bereich der externen Kosten der Heizenergie eingegangen. 2. Zu den Begriffen der internen und externen Kosten und ihrer Anwendung Interne Kosten der Stromerzeugung sind diejenigen Kosten, die bei den Produzenten anfallen, mit denen sie kalkulieren und die sie im Zuge der Preisgestaltung an die Stromverbraucher weitergeben. Über diese internen Kosten hinaus verursacht die Herstellung von Strom aber noch weitere Kosten, die nicht bei den Produzenten anfallen, sondern bei Dritten. Diese Kostenbestandteile werden von der „Allgemeinheit“ getragen und als externe Kosten der Stromerzeugung bezeichnet. Die externen Kosten der Stromerzeugung gehen nicht in den Preis des erzeugten Stroms ein. Damit entsteht eine aus ökonomischer Sicht ineffiziente Situation: Der Preis von Strom spiegelt nicht vollständig die durch seine Herstellung verursachten Kosten wider. Es kommt zu einem Marktgleichgewicht mit einem zu hohen Umsatz an Strom. Die durch die Herstellung der letzten Einheiten von Strom verursachten Gesamtkosten (intern plus extern) liegen über dem durch den Strom gestifteten ökonomischen Nutzen. Deshalb ist es ein Gebot der ökonomischen Effizienz, die externen Kosten der Stromerzeugung so weit wie möglich zu „internalisieren“, indem sie den Verursachern angelastet werden. Erste Schritte in diese Richtung stellen in Deutschland die Ökosteuer und die Zertifikatspflicht für CO2- Emissionen bei der Stromerzeugung dar. Um die Angemessenheit solcher Maßnahmen beurteilen zu können, muss der Versuch unternommen werden, die Höhe der mit der Stromerzeugung verbundenen externen Kosten zu quantifizieren. Dabei stellen sich erhebliche Informationsprobleme, die im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung genauer analysiert werden. Auch die Schätzung der internen Kosten der Stromerzeugung ist für Außenstehende nicht ohne Unsicherheiten bezüglich der zu treffenden Annahmen mög- - 6 - lich. Die Informationsprobleme sind hierbei aber wesentlich geringer, da der Marktpreis für Strom, wie er sich z.B. in den Notierungen an der Leipziger Strombörse für den Großhandel ausdrückt, als Orientierungsmarke zur Kontrolle der Schätzungen verwendet werden kann. Da die externen Kosten der Stromerzeugung nicht auf Märkten verarbeitet werden, sind die Bandbreiten der Schätzungen sowie ihrer Annahmen größer und die Ergebnisse der entsprechenden Studien Gegenstand kontroverser Diskussionen. 3. Interne Kosten der Stromerzeugung 3.1. Kostenbestandteile Die internen Kosten der Stromerzeugung lassen sich in zwei große Blöcke einteilen, in fixe und variable Kosten. Fixe Kosten sind solche, die unabhängig von der Ausnutzung der Anlage allein durch deren Vorhandensein anfallen. Dazu zählen die Grundstückskosten, die Kapitalkosten und in kurz- bis mittelfristiger Betrachtung auch große Teile der Arbeitskosten. Die Kapitalkosten setzen sich aus Abschreibung und Verzinsung des eingesetzten Kapitals sowie den Aufwendungen für Versicherungen zusammen. Zu den Arbeitskosten zählen Löhne, Gehälter und Verwaltungsaufwendungen. Weitere fixe Kosten sind die Rückbaukosten der Anlagen nach dem Ende der Nutzungsdauer, insbesondere bei Atomkraftwerken . Variable Kosten entstehen dagegen nur beim Betrieb der Anlage, also bei der Energieumwandlung . Sie umfassen die Brennstoffkosten sowie Aufwendungen für Hilfsstoffe , die für die Prozesse benötigt werden (Wasser, Chemikalien, Energie). Dazu kommen Aufwendungen für Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen und Kosten der Entsorgung von Abfallstoffen (vgl. KUGELER 2001: 305-306). Für die Berechnung der durchschnittlichen internen Kosten pro Stromeinheit (kWh) müssen also alle anfallenden fixen und variablen Kosten für den betrachteten Zeitraumaddiert und durch die produzierte Strommenge geteilt werden. Bei einer Kalkulation der Kosten über die gesamte Lebensdauer des Kraftwerks müssen Annahmen über die Entwicklung der Inputpreise und Absatzmengen getroffen werden. Bereits aus dieser grundsätzlichen Überlegung lassen sich einige Aussagen über die Bestimmungsfaktoren der internen Kosten pro Kilowattstunde ableiten: Je länger die Lebensdauer einer Anlage ist, desto geringer sind die pro Stromeinheit anfallenden Abschreibungskosten. Je höher der verwendete Kalkulationszinssatz ist, desto höher sind die periodischen Kapitalkosten . Je höher der Wirkungsgrad der verwendeten Umwandlungstechnologie ist, desto geringer sind die Brennstoffkosten pro produzierter Stromeinheit. Je höher die - 7 - Auslastung einer Anlage ist, desto geringer sind die fixen Kosten pro produzierter Stromeinheit. Unterschiedliche Annahmen über die genannten Größen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Berechnung der internen Kosten. MERAN et al. (1998: 66 ff.) führen in ihrer Schätzung deshalb explizit Sensitivitätsanalysen für unterschiedliche Zinssätze , Abschreibungsdauern, Technologien und Brennstoffpreise durch. Auch die neueren Untersuchungen von WAGNER et al. (2004) und PFAFFENBERGER/HILLE (2004) geben in ihren Schätzungen jeweils eine Obergrenze und eine Untergrenze der internen Stromerzeugungskosten pro Kilowattstunde in Abgängigkeit von den getroffenen Annahmen an. 3.2. Überblick über die Höhe der internen Kosten unterschiedlicher Kraftwerkstypen nach WAGNER et al. (2004) PFAFFENBERGER/HILLE (2004) berechnen die internen Gestehungskosten von Strom anhand typisierter Referenzkraftwerke. Diese Vorarbeiten haben WAGNER et al. (2004) aufgenommen und unter Ergänzung der Daten der ursprünglichen Studie eine eigene Schätzung der Stromerzeugungskosten vorgelegt. Sie gehen dabei in drei Schritten vor. Zunächst werden alle relevanten Größen der unterschiedlichen Kraftwerke zusammengestellt . Dann werden jeweils die unteren und anschließend die oberen Grenzen der Stromgestehungskosten ermittelt. Die verwendeten Kalkulationszinssätze betragen 6 % bzw. 8 %. Das Vorgehen der Studie ist exemplarisch für ein Braunkohle-Kraftwerk in den folgenden drei Tabellen wiedergegeben. In dieser Aufstellung wird deutlich, welche Kostenbestandteile bei der Kalkulation der internen Gestehungskosten berücksichtigt werden müssen. Exemplarische Berechnung der Stromgestehungskosten eines Braunkohle-Kraftwerks (Teil 1) Quelle: WAGNER et al. 2004: 29. - 8 - Exemplarische Berechnung der Stromgestehungskosten eines Braunkohle-Kraftwerks (Teil 2, minimal) Quelle: WAGNER et al. 2004: 30. Exemplarische Berechnung der Stromgestehungskosten eines Braunkohle-Kraftwerks (Teil 3,maximal) Quelle: WAGNER et al. 2004: 31 Die Tabellen lassen erkennen, dass die Berechnungen in einigen Bereichen auf Schätzwerten beruhen. Für die notwendige Investitionshöhe, die Brennstoffkosten und die verwendeten Zinssätze sind Minimal- und Maximalwerte verwendet worden. Außerdem wurden vier unterschiedliche Stände der Technik mit unterschiedlichen Wirkungs- und Nutzungsgraden untersucht. Andere Annahmen wie z.B. die Nutzungsdauer oder die Bauherreneigenleistungen (Leistungen über die Errichtung des Kraftwerks hinaus, z.B. Grundstücke) sind dagegen in beiden Szenarien mit den gleichen Werten angesetzt. Deshalb bleiben selbst bei der Ermittlung von minimalen und maximalen Werten einige Unsicherheiten in der Berechnung bestehen. So werden etwa für die Bauherrenleistun- - 9 - gen in der Literatur zwischen 5 % und 20 % der Investitionssumme angesetzt (vgl. MERAN et al. 1998: 15). Je mehr unsichere Variablen in die Schätzungen eingehen, desto größer ist die Spannbreite der möglichen Ergebnisse für die Stromgestehungskosten . Im Folgenden sind die Ergebnisse von WAGNER et al. (2004) für die Berechnung der internen Stromgestehungskosten verschiedener Energieträger tabellarisch dargestellt. Die Werte beziehen sich auf die heutige typische Auslastung der jeweiligen Kraftwerkstypen und geben die Spanne zwischen den maximalen Kosten und den minimalen Kosten unter Berücksichtigung des derzeitigen Bestandes an Kraftwerken und einer prognostizierten verbesserten Technik im Jahr 2020 wieder. Dabei wurde ein Kalkulationszins von 6 % verwendet. Kraftwerkstyp Minimale Gestehungskosten (Ct/kWh) Maximale Gestehungskosten (Ct/kWh) Braunkohle 2,9 3,6 Steinkohle 3,1 3,8 Erdgas 5,2 7,9 Heizöl 30,0 44,0 Gas und Dampfturbine 5,4 7,3 Kraftwärmekopplung-Kohle 3,2 3,9 Wind 8,0 14,0 Photovoltaik 65,0 90,0 Wasser 3,0 10,0 Geothermie 6,0 8,0 Biomasse 8,0 20,0 Quelle: WAGNER et al. (2004): 32-36. Die Zahlen bei WAGNER et al. können einen Einblick in die Größenordungen der internen Stromgestehungskosten der unterschiedlichen Kraftwerksarten geben. Trotzdem wird deutlich, dass die Autoren eine Reihe von Annahmen treffen, die von ihrer Präferenz für konventionelle Energien geprägt sind. So werden für Wind, Photovoltaik und Biomasse bis zum Jahr 2020 keine signifikanten Effizienzverbesserungen vorausgesagt. Dagegen prognostizieren WAGNER et al. deutliche Einsparmöglichkeiten bei Kohleund Gaskraftwerken. Die Betreiber von Solarstromanlagen geben ihre Gestehungskosten bereits heute (2006) in der Regel mit weniger als 50 Cent je kWh an, was unter dem Minimalwert von WAGNER et al. liegt. Wie bei der Windenergie und vor allem der - 10 - Biomasse werden in diesem Bereich von den Betreibern solcher Anlagen erhebliche Effizienzreserven vermutet. Dagegen prognostizieren WAGNER et al. für Solarstrom und Biomasse zukünftig sogar höhere Kosten als heute, während sie der Windenergie so gut wie keine weiteren Effizienzverbesserungen zutrauen. Die Abhängigkeit der Berechnung der Gestehungskosten von den getroffenen Annahmen wird hieran deutlich. Die Kernkraft wird in den Studien von WAGNER et al. und PFAFFENBERGER/HILLE nicht untersucht, da die Autoren den Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland zur Zeit für eine nicht realistische Option der deutschen Energieversorgung halten. Die ältere Studie von MERAN et al. aus dem Jahr 1998 kommt zum Ergebnis, dass die internen Gestehungskosten einer Kilowattstunde Atomstrom mit 7,3-9,7 Pfennig am oberen Rand der Kosten der Braun- und Steinkohleverstromung liegen (Steinkohle: 7,1-8,3 Pf., Braunkohle: 7,8-7,9 Pf.). 4. Externe Kosten der Stromerzeugung 4.1. Methodik zur Quantifizierung externer Kosten Ziel der betrachteten Studien ist eine Quantifizierung der externen Kosten, so dass sie wie die internen Kosten in Eurobeträgen ausgedrückt werden können. Da die externen Kosten nicht oder nur indirekt auf Märkten verarbeitet werden, liegen zu ihrer Bewertung zunächst keine monetarisierten Werte vor. Der in den Studien vorgenommene Versuch einer Ableitung von Geldwerten zur Bewertung der externen Kosten macht die Studien miteinander vergleichbar und die Ergebnisse für die Umsetzung von Internalisierungsmaßnahmen nutzbar. Außerdem können Fortschritte in der Bewertungsmethodik direkt an der Veränderung der abgeleiteten Kostengrößen abgelesen werden. Für die Bewertung der externen Kosten hat sich die Orientierung an den Auswirkungen der Stromerzeugung, wie beispielsweise den Gesundheitsschäden, methodisch durchgesetzt . Eine Erfassung der Belastungen allein (z.B. Menge der Emissionen) reicht hingegen nicht aus, da der Zusammenhang zwischen Belastungen und Auswirkungen in der Regel nicht linear ist und die Folgen in hohem Maße von örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten abhängen. Mit Hilfe von so genannten Wirkungspfadansätzen („impact pathway approach“) werden komplexe Wirkungsketten zwischen Belastungen und deren Auswirkungen modelliert. Zur Quantifizierung und Bewertung externer Kosten gibt es zwei grundsätzliche Konzepte : Im Rahmen des Vermeidungskostenansatzes wird der Aufwand zur Reduktion bzw. Vermeidung der externen Kosten ermittelt, während bei Verwendung des Schadenskostenansatzes die verursachten Schäden gemessen werden (vgl. ZIESING 2003: 7-9). Im theoretischen Optimum entsprechen die Grenzvermeidungskosten den Grenz- - 11 - schadenskosten der durch die Stromerzeugung verursachten Belastungen. Dieses theoretische Optimum ist in vielen Fällen aber unbekannt, da die Schadenskosten nicht genau genug zu quantifizieren sind. Deshalb kommt als zweitbeste Alternative die Setzung einer angestrebten Umweltqualität (z. B. Kyoto-Ziele) und die Ermittlung der zu ihrer Erreichung notwendigen Vermeidungskosten in Frage. Zur Ermittlung der Schäden wird der Umweltzustand bei Betrieb eines Kraftwerks verglichen mit der Situation, die ohne Schädigung durch den Betrieb zu erwarten wäre. Die Quantifizierung der externen Kosten ist dann theoretisch durch die Zahlungsbereitschaft der betroffenen Bevölkerung für eine Vermeidung der auftretenden Belastungseffekte zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden entsprechende modellhafte Untersuchungen und Umfragen durchgeführt, bei denen, um Verzerrungen der Ergebnisse zu vermeiden, die Befragten über die Belastungsfolgen aufgeklärt werden müssen. Unter anderem werden die Zahlungsbereitschaften für eine Verbesserung der Situation, für die benötigte Entschädigung, damit ein Schaden geduldet wird oder für Versicherungen gegen den Eintritt eines Ereignisses erfragt. Außerdem ist es beispielsweise möglich, Mietpreise in einer betroffenen Region mit denen anderer Lagen in weniger geschädigten Gebieten zu vergleichen (vgl. FRIEDRICH 2005: 2-5; KREWITT 2002: 4-7). 4.2. Einflussfaktoren auf externe Kosten der verschiedenen Energieträger Zunächst ist zwischen fossilen Energieträgern, wie Kohle, Schweröl und Gas, erneuerbaren Energien, wie Wind-, Wasser-, Biomasse- und Solarenergie sowie der Kernkraft zu unterscheiden. Je nach Energieträger fallen sowohl beim Bau des Kraftwerks als auch während des Betriebs verschiedene externe Kosten an. 4.2.1. Fossile Energieträger Bei der Verbrennung des Energieträgers werden große Mengen von Schadstoffen in die Atmosphäre entlassen, die negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, das Wachstum von Pflanzen, die Haltbarkeit von Materialien und den Bestand von Ökosystemen haben können. Diese Luftverunreinigungen umfassen Kohlendioxid (CO2), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3), Fluorwasserstoffsäure (HF), Peroxiacetylnitrat (PAN) und Feinstaub (PM) (vgl. FRIEDRICH 2005: 9-10, KREWITT 2002: 7-14). 4.2.2. Erneuerbare Energien Bei den Systemen zur Nutzung erneuerbarer Energien ist der Betrieb der Stromerzeugungsanlage weitgehend emissionsfrei. Externe Kosten fallen vor allem bei der Fertigung der Komponenten und beim Bau des Kraftwerks an. Beispielsweise bedingt die Herstellung einer Photovoltaik-Anlage einen hohen Einsatz fossiler Energieträger. - 12 - Die während des Betriebs zu beachtenden externen Kosten resultieren aus Landschaftsverbrauch , Lärm und dem Risiko eines Dammbruchs bei der Nutzung von Wasserkraft (vgl. KREWITT 2002: 15). 4.2.3. Kernenergie Beim Einsatz von Kernkraftwerken sind externe Kosten durch Emission radioaktiver Stoffe bei der Uranerzgewinnung und -aufbereitung, Konversion, Anreicherung, Brennelementfertigung , beim Kraftwerksbetrieb, bei der Wiederaufarbeitung und der Endlagerung zu berücksichtigen. Darüber hinaus entstehen externe Kosten durch den Polizeischutz der Castortransporte und die unversicherten Risiken eines Unfalls, eines Terroranschlags oder einer Proliferation von radioaktiven Brennstoffen oder Know-hows (vgl. KREWITT 2002: 14-15). 4.3. Qualitativer Überblick über externe Kosten der einzelnen Energieträger1 Im Folgenden sollen die durch den Einsatz der einzelnen Energieträger verursachten Schäden näher beschrieben werden. Dabei werden jeweils die relevanten Einflussfaktoren der Entstehung externer Kosten bei der Stromerzeugung charakterisiert, wie sie in den dieser Ausarbeitung zugrundeliegenden Studien (vgl. den Überblick auf Seite 17) dargestellt sind. 4.3.1. Kohle Durch die Stromerzeugung aus Kohle werden Umweltschäden vor allem durch die vom Kraftwerk emittierten Luftschadstoffe verursacht. Die externen Kosten werden dabei wesentlich durch die verursachten direkten Gesundheitsschäden, die Beschädigung von Gebäuden und Materialien, die Beeinträchtigung des Ökosystems und den Beitrag zum globalen Klimawandel bestimmt. Durch die erhöhte Konzentration von Feinstaub, der zum Teil vom Kraftwerk direkt emittiert, vor allem aber durch die Umwandlung von SO2 und NO2 zu Sulfat- und Nitrataerosolen gebildet wird, kommt es zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Lebenserwartung in der belasteten Bevölkerung. Besonders häufig treten Atemwegserkrankungen auf. Die erhöhte Konzentration von säurebildenden und oxidierenden Luftverunreinigungen führt zu einer beschleunigten Korrosion von Materialoberflächen und somit zu einer Verkürzung von Instandsetzungsintervallen und zur Zerstörung von historischen Gebäuden . 1 Vgl. die entsprechenden Passagen bei Enquete Kommission (1995), Enquete Kommission (2002), IER (1997), Hohmeyer (2001), ExternE (2003) und Schlomann/Krewitt (2006). - 13 - Durch die zusätzliche Schwefel- und Stickstoffdeposition kommt es zu Eutrophierung und Versauerung von Ökosystemen, wie beispielsweise Wäldern und Seen. Die großen Mengen an Treibhausgasen, die durch Kohlekraftwerke emittiert werden, beschleunigen den Klimawandel, der zu vielfältigen negativen Folgen führt: Der mit der globalen Erwärmung verbundene Anstieg des Meeresspiegels durch Abschmelzen der Polkappen verursacht zusätzliche Kosten für den Küstenschutz oder Landverlust. Außerdem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Sturmfluten und es droht der Verlust von küstennahen Ökosystemen. Die Bevölkerung kleiner Inseln und tief liegender Küstengebiete ist einem sozio-ökonomischen Risiko ausgesetzt, das z.B. zu verstärkten Migrationsbewegungen führen kann. Während in den mittleren Breiten eine moderate Temperaturzunahme die Nahrungsmittelproduktion steigern würde, ist davon auszugehen, dass in den Tropen eine weitere Erwärmung zu Produktionseinbußen führt. Extreme Wetterereignisse, wie Dürren und heftige Niederschläge, werden wahrscheinlich die Nahrungsmittelproduktion erheblich mindern, entweder direkt oder über die Zunahme von Schädlingen bzw. Krankheiten . Die resultierenden Änderungen im Bedarf und den Handelsstrukturen könnten zu weit reichenden sozio-ökonomischen Implikationen führen. Nach Klimamodellanalysen erhöht sich bei steigender Temperatur in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts die Anzahl der von Wasserknappheit bedrohten Menschen deutlich . In Regionen die heute schon unter Wassermangel leiden, werden sich die Probleme durch den Klimawandel weiter verschärfen. Bei einem globalen Temperaturanstieg im Bereich von 1,5 - 2 °C käme es zu einem drastischen Anstieg der von Wasserknappheit betroffenen Menschen, da dann die Megastädte in asiatischen Entwicklungsländern erheblich in Mitleidenschaft gezogen würden. Die durch den Klimawandel verursachten Gesundheitsschäden lassen sich in direkte und indirekte Effekte einteilen. Zu den direkten Auswirkungen zählen z.B. die Folgen von extremen Wetterereignissen (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Asthma) oder wetterbedingten Katastrophen (z.B. Überschwemmungen, Erdrutsche). Die größten Gesundheitsschäden entstehen jedoch durch indirekte Auswirkungen, wie im Fall der durch Vektoren (z.B. Mücken, Zecken, Fliegen) übertragenen Infektionskrankheiten. Es muss damit gerechnet werden, dass Gesundheitseffekte durch Nahrungsmangel, Trinkwasserknappheit , Malariaausbreitung und Flutkatastrophen synergistisch wirken. Das Ökosystem und seine biologische Vielfalt können durch Klimaveränderungen irreversible Schäden erleiden, weil der Anpassungsfähigkeit der Arten Grenzen gesetzt sind. Die Verbreitungsgebiete von Arten werden sich verschieben, es kann zu schwerwiegenden Verlusten an Flächen und Arten kommen. Eine steigende CO2- - 14 - Konzentration der Atmosphäre führt auch zu einer zunehmenden Versauerung der Ozeane , mit möglicherweise großen Auswirkungen auf marine Ökosysteme. Durch den Klimawandel angestoßene singuläre nicht lineare Ereignisse stellen verheerende Risiken für den Menschen dar. Zu diesen großen nicht vorhersehbaren Einzelereignissen gehören beispielsweise der Zusammenbruch der thermohalinen Zirkulation, die Freisetzung großer Mengen an Methanhydraten, die Veränderung der kontinentalen Monsune, der Zerfall des westantarktischen Eisschilds und das Schmelzen des Grönlandeises . Die Folgen dieser Ereignisse sind unkalkulierbar und eine Anpassung durch den Menschen könnte fast unmöglich sein (vgl. KREWITT, SCHLOMANN 2006: 11- 13). 4.3.2. Erdgas Der Energieträger Gas verursacht prinzipiell die gleichen externen Kosten wie Kohle, jedoch in der Regel in einem wesentlich geringeren Umfang je erzeugter Kilowattstunde . Besonders durch GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke) lässt sich ein höherer Wirkungsgrad erreichen und der Schadstoffausstoß reduzieren. 4.3.3. Schweröl Durch mit Schweröl befeuerte Kraftwerke werden in massivem Umfang ähnliche Luftschadstoffe freigesetzt wie bei den anderen fossilen Energieträgern. 4.3.4. Windkraft Im Bereich der Windkraft entstehen Umweltschäden vor allem durch Emissionen von Luftschadstoffen in vorgelagerten Prozessstufen wie z.B. bei der Materialherstellung oder der Komponentenfertigung der Anlage. Das Wohlbefinden in direkter Nachbarschaft einer Windkraftanlage lebender Menschen kann durch Lärm gestört werden. 4.3.5. Photovoltaik Die Herstellung einer Photovoltaikanlage ist ein sehr aufwendiger, energieintensiver Prozess, der einen hohen Einsatz an fossilen Energieträgern bedingt. Daraus resultieren die unter Kohle genannten Faktoren von externen Kosten (vgl. KREWITT 2002: 15). 4.3.6. Biomasse Bei der Verbrennung des aus Biomasse gewonnen Biogases oder fester Bioenergieträger werden genau wie bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern Schadstoffe in die Luft abgegeben. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass das emittierte Kohlendioxid - 15 - zuvor in der Biomasse gebunden wurde, wodurch eine ausgeglichene CO2-Bilanz möglich ist. Grundsätzlich sind Luftverunreinigungen auch bei der Verbrennung von aus Biomasse gewonnen Energieträgern unvermeidlich. 4.3.7. Kernenergie Im Gegensatz zu den fossilen Energieträgern emittieren Kernkraftwerke keine Luftschadstoffe . Beim Einsatz der Kernenergie sind dagegen die nicht von Versicherungen gedeckten möglichen Unfallschäden als externe Kosten anzusehen. Die Folgen eines so genannten GAUs sind kaum zu erfassen und reichen von direkten Todesopfern über schwere Gesundheitsschäden und Missbildungen bis hin zur Zerstörung der Umwelt und Lebensgrundlage von vielen Tausend Menschen. Im Falle einer nuklearen Katastrophe wäre der betroffene Landstrich für Jahrzehnte bis Jahrhunderte unwirtlich. Neben einem Unfall besteht auch das Risiko eines terroristischen Anschlags auf einen Kernreaktor mit denselben katastrophalen Folgen. Die Risiken einer atomaren Katastrophe sind insoweit Teil der internen Kosten der Stromerzeugung, als die Kraftwerke Prämien für entsprechende Haftpflichtversicherungen zahlen. Zur Zeit sind Schadensfälle bei deutschen Atomkraftwerken über Haftpflichtversicherungen und Solidarvereinbarungen der Muttergesellschaften bis zur Höhe von 2,5 Mrd. Euro gedeckt. Die von einem GAU oder Terroranschlag verursachten Schäden könnten um ein Vielfaches darüber liegen. Des Weiteren besteht bei Verwendung der Atomkraft die Gefahr einer Proliferation von Wissen oder radioaktivem Material an Staaten oder Gruppen, die dieses zum Waffenbau missbrauchen könnten. Im Prozess des Abbaus, der Verarbeitung, der Nutzung, des Transports und der Lagerung von radioaktiven Stoffen wird trotz aller Sicherheitsmaßnahmen eine geringe Strahlendosis an ein großes Bevölkerungskollektiv abgegeben, wodurch Gesundheitsschäden verursacht werden (vgl. KREWITT, SCHLOMANN 2006, 30-37). - 16 - Übersicht der Schadenskategorien Schadenskategorie Schadstoff / Belastung Auswirkungen Mortalität PM10 Verkürzung der Lebenserwartung durch vorübergehende SO2, O3 und dauerhafte Belastung Benzol, BaP, Verkürzung der Lebenserwartung durch vorübergehende 1,3-butad., Diesel Part. und dauerhafte Belastung Lärm Verkürzung der Lebenserwartung durch dauerhafte Belastung Unfallrisiko Risiko eines Unfalls mit tödlichen Folgen Gesundheitsschäden PM10, O3, SO2 Krankenhausaufenthalte durch Atemwegsprobleme PM10, O3 Tage mit eingeschränkter Aktivität PM10, CO kongestive Herzinsuffizienz Benzol, BaP, Krebsrisiko (nicht tödlich) 1,3-butad., Diesel Part. PM10 zerebrovaskuläre Krankenhausaufnahmen, chronische Bronchitis, Chronischer Husten bei Kindern, asthmatischer Husten, geringfügige Atemprobleme O3 Asthma, Tage mit eingeschränkter Aktivität Lärm Herzinfarkt, Angina pectoris, Bluthochdruck, Schlafstörung Unfallrisiko Verletzungsrisiko durch einen Unfall Materialschäden SO2, saurer Regen Schädigung der Bausubstanz Asche Gebäudeverschmutzung Ernteverluste SO2 Ertragsänderung Getreide, Kartoffeln und Zuckerrüben O3 Ertragsänderung Getreide, Kartoffeln, Reis und Tabak saurer Regen Erhöhter Bedarf an Bodenbehandlung um Versauerung entgegenzuwirken N, S Düngeeffekte Treibhauseffekt CO2, CH4, N20 Weltweite Effekte auf Sterblichkeit, Gesundheit, Landwirtschaft , Energiebedarf, Wirtschaftsverhältnisse und Küstenverläufe durch Temperaturveränderung und Anstieg des Meeresspiegels Verlust von Öko- Lärm Verlust von Ökosystemen durch Lärmbelastung Systemen So2, NOx, NH3 Eutrophierung, Versauerung Quelle: FRIEDRICH 2005: 9-10. 4.4. Vergleich der Ergebnisse ausgewählter wissenschaftlicher Studien Eine Quantifizierung externer Kosten der Stromerzeugung ist in vielen Bereichen mit großen Unsicherheiten verbunden und in hohem Maße von zugrunde liegenden Annahmen abhängig. Dadurch kommen verschiedene Studien zu stark abweichenden Ergebnissen . Im Folgenden werden die wichtigsten wissenschaftlichen Studien der letzten Jahre vorgestellt und punktuell in ihrer Vorgehensweise verglichen. - 17 - Die hier betrachteten Studien sind: 1. Enquete-Kommission 12/8600 „Schutz der Erdatmosphäre“ (1995) 2. IER 1997 (Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Universität Stuttgart) 3. Hohmeyer 2001 4. Enquete-Kommission 14/9400 „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ (2002) 5. ExternE 2003: “External Costs – Research results on socio-environmental damages due to electricity and transport“ (EU-Kommission) 6. Fraunhofer Institut System- und Innovationsforschung (ISI), Barbara Schlomann DLR, Institut für Technische Thermodynamik, Wolfram Krewitt (2006) Zunächst werden die Ergebnisse der Studien in der folgenden Tabelle im Überblick dargestellt : Externe Kosten unterschiedlicher Stromerzeugungssysteme in ausgewählten Studien Externe Kosten Quelle der Verstromung Enquete IER 1997 Hohmeyer Enquete ExternE Fraunhofer (Angaben in €-Ct/kWh) 1995 2001 2002 2003 DLR 2006 Steinkohle - u. Schätzwert 0,60 1,62 2,64 17,20 3,00 6,30 - o. Schätzwert 15,67 15,15 20,32 6,00 Braunkohle - u. Schätzwert 0,85 1,89 2,94 22,46 3,00 7,90 - o. Schätzwert 19,62 19,11 25,81 6,00 Schweröl - u. Schätzwert - 2,96 5,20 24,27 5,00 - - o. Schätzwert - 21,08 30,24 8,00 Erdgas in - u. Schätzwert - 0,41 0,99 9,01 1,00 - Gasturbinen - o. Schätzwert - 5,66 10,93 2,00 Erdgas in - u. Schätzwert - - - - - 2,90 GuD - o. Schätzwert - - - Kernenergie - u. Schätzwert 0,01 0,07 - 200,00 0,20 - - o. Schätzwert 18,71 1,02 - Wasserkraft - u. Schätzwert 0,12 - 0,05 0,38 - 0,15 - o. Schätzwert 0,85 - 0,38 Windenergie - u. Schätzwert - 0,04 0,04 0,22 0,05 0,09 - o. Schätzwert - 0,22 0,23 0,15 Solarenergie/ - u. Schätzwert - 0,12 0,10 1,29 0,60 1,00 Photovoltaik - o. Schätzwert - 1,24 1,29 Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Hohmeyer, 2002, erweitert um Angaben aus den Studien Enquete -Kommission 2002, ExternE 2003 und Fraunhofer Institut DLR 2006. Schwarz markiert ist jeweils die Bandbreite der externen Kosten für jeden Energieträger Im Folgenden werden die Ergebnisse für die unterschiedlichen Energieträger noch einmal punktuell beleuchtet. - 18 - 4.4.1. Kohle Die niedrigen unteren Schätzwerte für Stein- und Braunkohle bei der Untersuchung durch Friedrich, Hohmeyer und Masuhr für die Enquete-Kommission von 1995 ergeben sich aus der Tatsache, dass eine Reihe von Schäden, wie beispielsweise die Gefährdung der Artenvielfalt, Schadstoffanreicherung in Böden, Verschmutzung von Oberflächenund Grundwasser und Naturschäden explizit nicht untersucht wurden, da bei damaligem Kenntnisstand eine Quantifizierung nicht möglich war. In seiner Untersuchung aus dem Jahre 2001 kommt Hohmeyer zu dem Schluss, dass die Schäden möglicherweise sehr viel höher sein könnten (oberer Schätzwert), da er die oben genannten Auswirkungen der Umweltverschmutzung mit einrechnet und ebenfalls von wesentlich höheren Schäden durch den, besonders durch die Verbrennung fossiler Energieträger ausgelösten, Treibhauseffekt ausgeht. Da die Kosten der globalen Erwärmung die gesamten externen Kosten der Stromerzeugung dominieren (vgl. KREWITT, SCHLOMANN 2006: 38), fallen verschiedene Annahmen in diesem Bereich besonders stark ins Gewicht. Hohmeyer rechnet auf der Basis der Annahmen einer Untersuchung von Azar/Sterner, die von 7 bis 134 Euro/t CO2 ausgehen, während die Mehrzahl der übrigen Studien mit Werten unter 50 Euro/t CO2 rechnet. Angesichts der hohen Unsicherheiten bei der Bewertung der durch Treibhausgasemissionen verursachten Schadenskosten weicht die ExternE-Studie vom Wirkungspfadansatz ab und schätzt die marginalen Vermeidungskosten einer Einheit CO2 (Vermeidungskostenansatz). Deren Höhe ist von den verfolgten Emissionsminderungszielen abhängig, wobei die Vermeidungskosten umso höher sind, je höher die Ziele gesetzt werden. Auf Grundlage des gesellschaftlich akzeptierten Kyoto-Ziels schätzt Friedrich für die ExternE-Studie einen Wert von etwa 20 Euro/t CO2, wodurch die externen Kosten aller CO2-emitierenden Technologien deutlich geringer ausfallen (vgl. FRIEDRICH 2003: 36-39). Auch an der regelmäßig hohen Bandbreite zwischen unterem und oberem Schätzwert lassen sich die hohen Unsicherheiten bei der Bewertung der zukünftigen Schäden insbesondere durch die Klimaveränderung erkennen. So führen, wie schon von der Enquete- Kommission von 1995 kritisiert, bereits kleinste Veränderungen der Annahmen zu Ergebnisabweichungen um Größenordnungen (vgl. HOHMEYER 2003: 20-21). Zum Beispiel ist unklar, wie ein Menschenleben zu bewerten ist, welche Diskontrate gewählt werden sollte und ob beispielsweise das Leben eines Menschen auf den Zeitwert abdiskontiert werden darf oder ob dies aus ethischen Gründen unterbleiben muss. Die von der Studie des Fraunhofer-Instituts angegebenen Werte sind als Untergrenze der errechneten Kosten anzusehen, da Kosten im Bereich der Schädigung und des Ver- - 19 - lustes von Ökosystemen nicht vollständig quantifiziert werden konnten. So sind Auswirkungen wie Versauerung und Eutrophierung ausdrücklich nicht erfasst. 4.4.2. Schweröl Bei der Verstromung von Schweröl ergeben sich in sämtlichen Untersuchungen aufgrund der stärkeren Luftverschmutzung höhere externe Kosten als beim Einsatz von Kohle, wobei auch hierbei die durch die Unsicherheiten in der Bewertung zukünftiger Schäden durch den Treibhauseffekt verursachte hohe Differenz zwischen oberem und unterem Schätzwert auffällt. 4.4.3. Erdgas Dass Erdgas im Vergleich zu Kohle oder Schweröl wesentlich umweltfreundlicher ist und dadurch weniger externe Kosten verursacht, spiegelt sich in den Ergebnissen aller Studien wieder. Sowohl die berechneten Werte als auch die Bandbreiten zwischen den Schätzwerten sind wesentlich geringer. Die Unsicherheiten bei der Bewertung des Klimawandels gelten hier analog. Krewitt und Schlomann weisen in ihrer Untersuchung für das Fraunhofer-Institut darauf hin, dass die durch die Stromerzeugung aus Erdgas erzeugten Kosten auf jeden Fall größer seien als die quantifizierbaren externen Kosten, da insbesondere durch die Importabhängigkeit nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsziele wie Versorgungssicherheit sowie mögliche geo-politische Implikationen zu berücksichtigen sind (vgl. KREWITT, SCHLOMANN 2006: 36-37). 4.4.4. Kernenergie Da Kernkraftwerke keine Treibhausgase emittieren, sind ihre externen Kosten in den meisten Studien wesentlich geringer als bei fossilen Energieträgern. Bei Betrachtung der zur Kernenergie ermittelten externen Kosten fällt jedoch auf, dass das Ergebnis der Enquete-Kommission von 2002 mit 200 Ct/kWh weit über denen aller anderen Studien liegt. Dies beruht auf der Tatsache, dass die übrigen Untersuchungen die externen Kosten ungedeckter Unfallschäden wegen der großen Unsicherheiten in der Bewertung explizit nicht beachteten. Lediglich die Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ (1995) berechnet diese Kosten teilweise mit ein. Die Enquete-Kommission von 2002 quantifiziert die externen Kosten des Risikos eines nuklearen Unfalls, indem sie die Eintrittswahrscheinlichkeit mit den zu erwartenden Schäden multipliziert. Beide Größen sind mit hoher Unsicherheit behaftet, weswegen das Ergebnis ebenfalls um Größenordungen vom wahren Wert abweichen kann. Diese Ungenauigkeit weisen die anderen Studien nicht auf, dafür nehmen sie aber in Kauf, den Hauptfaktor der externen Kosten der Kernenergie nicht in ihre Schätzungen mit aufzunehmen. - 20 - Obwohl Krewitt und Schlomann die Kernenergie nicht in ihre Studie mit einbeziehen, weisen sie darauf hin, dass durch ihre Verwendung unkalkulierbare Risiken eingegangen werden, die in einem Konflikt zu Nachhaltigkeitszielen stehen (vgl. KREWITT, SCHLOMANN 2006: 36) 4.4.5. Wasserenergie Grundsätzlich werden für die Stromerzeugung aus Wasserenergie in allen Studien geringe externe Kosten ermittelt und die geringe Abweichung der Schätzwerte deutet auf nur unwesentliche Unsicherheiten bei ihrer Schätzung hin. Lediglich in der Untersuchung der Enquete-Kommission von 1995 ist der obere Schätzwert etwas höher, was auf höhere vermutete Schäden im Normalbetrieb zurückzuführen ist2. 4.4.6. Windenergie Im Bereich der Windenergie sind sowohl die Unterschiede zwischen den Studien als auch die Bandbreiten zwischen unteren und oberen Schätzwerten relativ gering. Die Ähnlichkeit der Ergebnisse kann darauf zurückgeführt werden, dass die verursachten Schäden klar zuzuordnen sind und nur geringe Unsicherheiten bestehen. Lediglich beim Bau der Anlage werden in geringem Umfang Schadstoffe emittiert, deren Auswirkungen je nach Annahmen verschieden bewertet werden können. 4.4.7. Solarenergie / Photovoltaik Im Bereich der Photovoltaik werden externe Kosten ausschließlich durch vorgelagerte Prozesse wie den Bau der Anlage verursacht. Da hierbei nicht unwesentliche Mengen von Luftschadstoffen wie Treibhausgasen freigesetzt werden, beruhen die Unterschiede zwischen den Studien und die Abweichungen der Schätzwerte ebenfalls auf den bei der Kohle diskutierten unterschiedlichen Annahmen. 5. Anmerkung: Externe Kosten der Heizenergie Die bei der Betrachtung der externen Kosten der Stromerzeugung angestellten Überlegungen behalten auch bei der Betrachtung der externen Kosten der Heizenergie ihre grundlegende Gültigkeit. Auch in diesem Fall verursacht die Umwandlung von Brennstoffen in Energie entsprechende externe Kosten. Zum Heizen, sofern nicht auf Strom zurückgegriffen wird, eignen sich hauptsächlich die Energieträger Gas und Öl, in geringerem Maße ebenso Kohle und Holz (Pellets). Die qualitative Analyse der externen 2 Die Kommission beruft sich dabei auf Weidig, u.a. 1993. Diese Studie lag beim Verfassen dieser Arbeit nicht vor. Möglicherweise wurde das Risiko eines Dammbruchs in dieser Untersuchung höher bewertet. - 21 - Kosten der Umwandlung dieser Energieträger, wie sie im letzten Abschnitt durchgeführt wurde, bleibt gültig. Der grundlegende Unterschied zur Stromherstellung liegt darin, dass die Heizenergie dezentral in den jeweiligen Wohneinheiten in Wärme umgewandelt wird. Deshalb können bestimmte Filtertechniken, die in Großanlagen der Stromerzeugung möglich sind, nicht angewendet werden. Aus diesem Grund ist die dezentrale Beheizung von Wohneinheiten mit Kohle kontinuierlich auf dem Rückzug, da sie neueren Emissionsvorschriften nicht mehr entspricht. Interessant im Rahmen dieser Betrachtung scheint die Frage nach den externen Kosten von Holzpelletheizungen zu sein, da der notwendige Brennstoff als Alternative zu den Importen von Gas und Öl angesehen werden kann. Im Rahmen des ExternE Projektes der europäischen Union wurde eine Übersicht der externen Kosten unterschiedlicher Heizungsformen erstellt, die im Folgenden wiedergegeben wird: Quelle: Friedrich 2005: 25. Nach diesen Berechnungen liegen die externen Kosten der Heizenergie zwischen 2 und 4 Euro pro Gigajoule Heizenergie. Die Bestandteile der Kosten teilen sich weitgehend in direkte Gesundheitsbeeinträchtigungen (dunkler Teil der Säule, unten) und Treibhausgasemissionen (heller Teil der Säule, oben) auf. Folgende Charakteristika werden deutlich: Die Heizung in Mehrfamilienhäusern arbeitet effizienter als diejenige in Einfamilienhäusern . Gasheizungen verursachen die geringsten externen Kosten, Ölheizungen die höchsten. Die Bilanz von Gasheizungen lässt sich in Kombination mit Solarthermie noch verbessern. Holzpelletheizungen verursachen geringe Kosten durch Treibhausgasemissionen , da der verwendete Brennstoff Holz bei seiner Entstehung CO2 bindet . Dagegen verursachen Holzpelletheizungen relativ hohe Kosten durch Gesundheitsschäden , da bei der Verbrennung neben CO2 vermehrt weitere Stoffe wie z. B. Feinstaub freigesetzt werden. - 22 - 6. Schlussbemerkung Die vorliegende Ausarbeitung hat gezeigt, dass eine Vielzahl von Wissenschaftlern mit der Ermittlung der Gestehungskosten von Strom beschäftigt ist. Während die qualitative Identifizierung der Kostenbestandteile auch für die externen Kosten eindeutig ausfällt, ist die Bandbreite ihrer Quantifizierung weiterhin hoch. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der Unsicherheit von Wirkungszusammenhängen, ihren Bewertungen und deren zukünftiger Entwicklung begründet. Aus der Abweichung der Minimalwerte und der Maximalwerte der vorgestellten Ergebnisse um ein Vielfaches darf nicht geschlossen werden, dass die Bemühungen um eine Quantifizierung der externen Kosten der Stromerzeugung für die Formulierung einer angemessenen Energie- und Umweltpolitik wertlos sind. Ganz im Gegenteil stellt die Berücksichtigung dieser Größen bei aller Unsicherheit einen wichtigen Schritt zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung dar, die bei ihrer gänzlichen Ignorierung verfehlt würde. - 23 - 7. Literaturverzeichnis – Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestags (Hrsg.) (1995): Mehr Zukunft für die Erde – Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften Klimaschutz . Bonn. – Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ des Deutschen Bundestags (2002): Endbericht. Amtl. Drucksache Nr. 14/9400. – EU-Kommission (2003): External Costs – Research results on socio-environmental damages due to electricity and transport. http://www.externe.info/externpr.pdf [Stand: 31.07.06]. – FRIEDRICH, Rainer (2003): Ermittlung externer Kosten mit der ExternE-Methodik: Methode, Ergebnisse, Unterschiede. In: Ziesing, Hans-Joachim (Hrsg.) Externe Kosten in der Stromerzeugung, [Energie im Dialog, Band 4], S. 25-39. Frankfurt am Main. – FRIEDRICH, Rainer (2005): ExternE: Methodology and Results. http://www.externe. info/brussels/br0900.pdf [Stand: 31.07.06]. – HOHMEYER, Olav (2002): Vergleich externer Kosten der Stromerzeugung in Bezug auf das Erneuerbare Energien Gesetz. http://www.loy-energie.de/download/hohmeyer% 20externe%20kosten.pdf [Stand: 31.07.06]. – HOHMEYER, Olav (2002): Ausarbeitung zum aktuellen Sachstand der wissenschaftlichen Debatte um externe Kosten. http://www.wind-energie.de/fileadmin/dokumente/ Themen_A-Z/Externe%20Kosten/Studie_Hohmeyer_ExterneKosten.pdf [Stand: 31.07.06]. – HOHMEYER, Olav (2003): Vergütung nach dem EEG: Subvention oder fairer Ausgleich externer Kosten? In: Ziesing, Hans-Joachim (Hrsg.) Externe Kosten in der Stromerzeugung, [Energie im Dialog, Band 4], S. 11-24. Frankfurt am Main. – KREWITT, Wolfram (2002): Externe Kosten der Stromerzeugung. http://www.dlr.de/ tt/institut/abteilungen/system/publications/Externe_Kosten_der_Stromerzeugung.pdf [Stand: 31.07.06]. – KREWITT, Wolfram; SCHLOMANN, Barbara (2006): Externe Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Vergleich zur Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern. http://www.bmu.de/files/erneuerbare_energien/downloads/application/ pdf/ee_kosten_stromerzeugung.pdf [Stand: 31.07.06]. - 24 - – KUGELER, K. (2001): Vorlesungsskript Energiewirtschaft. Kapitel 10: Kostenanalysen in der Energiewirtschaft. http://www.lrst.rwth-aachen.de/skripte/ ew_kap_10_kosten.pdf [Stand: 17.06.2006] – MERAN, Georg et al. (1998): Stromgestehungskosten von Großkraftwerken. Öko- Institut. 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