© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 121/19 Digitale Mobilitätsplattformen Rechtliche Umsetzung in ausgewählten europäischen Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 2 Digitale Mobilitätsplattformen Rechtliche Umsetzung in ausgewählten europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 121/19 Abschluss der Arbeit: 13.03.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Ausgestaltung und Rahmenbedingungen für Mobilitätsplattformen 5 2.1. Finnland 6 2.2. Niederlande 8 2.3. Schweden 9 2.4. Vereinigtes Königreich 10 3. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 4 1. Einleitung Das Verkehrssystem befindet sich in einem steten Wandel und gerät auch mit Blick auf die gesteckten Klimaschutzziele der Bundesregierung stärker in den Fokus.1 Gerade in urbanen Gebieten steht dem Verbraucher für beruflich und privat zurückgelegte Strecken ein vielfältiges Angebot von Verkehrsmitteln zur Verfügung, das es ermöglicht, von einem sowohl ressourcen- als auch emissionsintensiven motorisierten Individualverkehr (Pkw, Moped, Krafträder)2 auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.3 Auch auf europäischer Ebene hat man sich den Themen Nachhaltigkeit und Verkehr gewidmet. Im Rahmen der finnischen EU-Ratspräsidentschaft (Juli - Dezember 2019) lag dabei ein Fokus auf der Förderung des Konzepts „Mobility as a Service“ (MaaS).4 MaaS beschreibt dabei einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die verschiedenen zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel möglichst nahtlos über verschiedene Schnittstellen elektronisch miteinander verknüpft und dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden.5 So soll der Zugang zu öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln kombiniert und das multi- sowie intermodale Reisen erleichtert werden. Im Fokus steht dabei die Entwicklung sogenannter gemeinsamer digitaler Mobilitätsplattformen . Diese stellen eine Art virtueller Marktplätze dar, auf denen Verkehrsangebot und Verkehrsnachfrage über das Internet zusammengeführt werden.6 Vor diesem Hintergrund sind den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages Fragen zur rechtlichen Umsetzung von digitalen Mobilitätsplattformen in den Ländern Belgien, Finnland, Frankreich, Irland, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich gestellt worden. Konkret liegen folgende Fragestellungen vor: 1 Die Bundesregierung, Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030, S. 8-12, Link: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975232/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019- 09-20-klimaschutzprogramm-data.pdf?download=1 (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 2 Forschungsinformationssystem Mobilität und Verkehr, Stärkung des multimodalen Verkehrssystems, Link: https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/446824/ (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 3 Mobilität in Deutschland - MiD - Ergebnisbericht, Projekt 5431, Dezember 2018, S. 3-7. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/mid-ergebnisbericht.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 4 EU2019.FI Finland’s Presidency oft he Council of the European Union, Digitalisation in Transport Services, Link: https://eu2019.fi/en/backgrounders/digitalisation-in-transport-services (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 5 MaaS Alliance, What is MaaS?, Link: https://maas-alliance.eu/homepage/what-is-maas/ (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 6 Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), Digitale Mobilitätsplattformen, Studie zur rechtlichen Weiterentwicklung des Personenbeförderungsrechts unter besonderer Berück-sichtigung digitaler Mobilitätsplattformen , Dezember 2017, S. 2, Link: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/DG/studie-digitale -mobilitaetsplattform-lang.pdf?__blob=publicationFile Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 5 Gibt es rechtliche Bestimmungen zu Aufbau und Betrieb von gemeinsamen Mobilitätsplattformen ? Wo und wie werden diese gesetzlich geregelt? - Welche gesetzliche Verpflichtung gibt es für (1) öffentliche und (2) private Verkehrsunternehmen , sich an gemeinsamen Informationsdiensten zu beteiligen bzw. Kooperationen einzugehen? - Welche rechtlichen Festlegungen gibt es zur Herausgabe, Veröffentlichung, Austausch und Zugang von und zu Verkehrsdaten? Gibt es rechtliche Bestimmungen welche weiteren Daten herausgegeben werden müssen? Gibt es rechtliche Festlegungen in welcher Form diese Daten vorliegen müssen? - Gibt es rechtliche Verpflichtungen zu offenen Schnittstellen hinsichtlich des Zugangs zu solchen Mobilitätsplattformen? - Gibt es rechtliche Verpflichtungen hinsichtlich des Zugangs für Dritte zur Software, Lizenzen , Verkaufsschnittstellen von Mobilitätsplattformen? Ist eine Garantie im Gesetz verankert, dass Fahrgäste ihren Zielort erreichen können müssen (Mobilitätsgarantie)? Zur Beantwortung des Fragenkatalogs wurden die oben aufgeführten Länder befragt. Die nachfolgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf den Länderantworten7. Aufgrund fehlender Rückmeldungen aus Belgien, Frankreich und Irland und einer ergebnislos verlaufenen Eigenrecherche sind Ausführungen zu diesen Ländern im Sachstand nicht enthalten. 2. Rechtliche Ausgestaltung und Rahmenbedingungen für Mobilitätsplattformen Vorab ist anzumerken, dass alle Länder, aus denen Antworten vorliegen, als zentrales Erfordernis für eine effektive Etablierung von MaaS in ihren Ländern einen möglichst offenen Datenverkehr zwischen den Akteuren im Verkehrssektor identifiziert haben und die getroffenen oder beabsichtigten Maßnahmen der Schaffung eines solchen dienen sollen. Als größte Hindernisse gelten danach die wirtschaftlichen bzw. wettbewerblichen Interessen der Beteiligten, für die es unter Umständen wirtschaftlich betrachtet sinnvoller erscheint, den Zugang zu ihren Daten zu beschränken, sowie die Inkompatibilität von bestimmten Daten mit verschiedenen Verarbeitungssystemen. Aus den Antworten geht hervor, dass im Fokus der rechtlichen Umsetzung von digitalen Mobilitätsplattformen die Gewährung des Zugangs von Daten unter fairen Bedingungen sowie die Sicherstellung der technischen Interoperabilität von Daten und Verarbeitungssystemen liegt. 7 Die Antworten wurden vom Verfasser des Sachstandes übersetzt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 6 2.1. Finnland Mit dem Gesetz über Verkehrsdienstleistungen (Act on Transport Services - Laki liikenteen palveluista )8 hat Finnland ein Gesetz erlassen, das einen ganzheitlichen Ansatz im Bereich des Verkehrs verfolgt und dessen Zentrum MaaS bildet. Die speziell für gemeinsame Mobilitätsplattformen einschlägigen Vorschriften sind im zweiten Kapitel des dritten Abschnitts9 enthalten. Dabei enthält das Gesetz keine detaillierten technischen Vorschriften, sondern regelt in grundsätzlicher Weise Aspekte „offener Schnittstellen“ und verwendet unbestimmte Rechtsbegriffe wie „fair, verhältnismäßig und nicht-diskriminierend“10. Dies soll den Beteiligten im Rahmen der bestehenden Sicherheits- und Verbraucherschutzstandards einen größtmöglichen Gestaltungsspielraum lassen und dafür sorgen, dass die gesetzlichen Vorschriften auch in einem sich rasch verändernden Regelungsbereich aktuell bleiben. Die Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen haben sicherzustellen, dass die wesentlichen Daten auf dem neuesten Stand über eine offene Schnittstelle frei verfügbar sind (Section 1, Subsection 1). Darüber hinaus müssen Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen (sowie Beteiligte, die ein Ticket- oder Bezahlsystem in deren Auftrag betreiben) dafür sorgen, dass zumindest eine Einzelfahrt zum Grundpreis zu erwerben oder eine solche zu reservieren ist (Section 2, Subsection 1). Gemäß Section 2, Subsection 3 sind Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen dazu verpflichtet, eine Schnittstelle zu öffnen und wenn sie die Schnittstelle eines anderen Anbieters nutzen, mit diesem im Rahmen der praktischen Ausgestaltung zu kooperieren. Die rechtlichen Verpflichtungen zur Herausgabe, Veröffentlichung, Austausch und Zugang von und zu Verkehrsdaten ergeben sich in erster Linie aus Section 1, Subsection 1 sowie Section 2, Subsection 1 und Section 2, Subsection 3. Wesentliche und aktuelle Daten im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen sind mindestens Informationen über Routen, Haltestellen, Zeitpläne, Preise, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit (Section 1, Subsection 111). Zudem besteht eine Meldepflicht bezüglich der Internetadressen der Schnittstellen der Verkehrsdienstleister gegenüber der zuständigen Behörde (Section 1, Subsection 2). Soweit Unterstützungsdienste, allgemeine Geschäftsbedingungen, Software und Lizenzen oder andere Dienste für die Abrufbarkeit der Daten erforderlich sind, müssen diese - wie auch der Zu- 8 Act on Transport Services, der Gesetzestext in englischer Fassung kann unter folgendem Link aufgerufen werden : https://www.finlex.fi/en/laki/kaannokset/2017/en20170320?search%5Btype%5D=pika&search %5Bkieli%5D%5B0%5D=en&search%5Bpika%5D=Act%20on%20Transport%20Services (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 9 Act on Transport Services, Part III, Chapter 2 (Section 1 – 7); sofern nicht anders gekennzeichnet, stammen die im Folgenden angeführten Normzitate aus diesem Teil des Gesetzes. Die konkreten Normen wurden vom Verfasser des Sachstandes eigenständig ermittelt. 10 Vgl. Act on Transport Services, Part III, Chapter 2, Section 4 („fair, reasonable and non-discriminatory“). 11 Zudem Part II A, Chapter 2, Section 3 (579/2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 7 gang zu den Informationssystemen selbst - zu „fairen, verhältnismäßigen und nichtdiskriminierenden Bedingungen“ angeboten werden (Section 4, Subsection 1). Damit sind „Beschränkungen“ wie Gebühren gerade nicht grundsätzlich ausgeschlossen; sie müssen jedoch den festgelegten Anforderungen genügen. Section 1, Subsection 4 enthält darüber hinaus eine Ermächtigungsgrundlage, auf deren Basis die Regierung diesbezüglich detailliertere Vorgaben zur Datenbereitstellung in Form einer Verordnung erlassen kann. Von dieser Ermächtigung wurde bereits im September 2017 Gebrauch gemacht .12 Bezüglich des Formats der Daten wird lediglich vorgeschrieben, dass diese in einem standardmäßigen , einfach zu bearbeitenden und computerlesbaren Format bereitgestellt werden müssen (Section 1, Subsection 1); ein konkretes Format wird also gerade nicht vorgeschrieben. Als Datenformate finden allerdings GTFS13 und NeTEx14 in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des finnischen „National Access Point (NAP)“15 Erwähnung. Als weitere Datenstandards kommen SIRI16 und Datex II17 in Betracht. Den Dienstleistungsanbietern muss ein Zugang zu den Ticketing- und Bezahlsystemen über eine offene Schnittstelle gewährt werden (Section 2, Subsection 1). Dieser wird in Form einer „Schnittstelle für Anwendungsprogrammierung (application programming interface - API)“ gewährt . Der finnische National Access Point (NAP) ist dabei als Katalog der verfügbaren APIs ausgestaltet . Auf diese Weise soll die Aktualität der Daten erhöht und die Gefahr für Cyber-Bedrohungen gesenkt werden. Dabei muss zwingend auf die Kompatibilität bzw. Interoperabilität von Schnittstellen und den angebotenen Dienstleistungen (s. nur Section 5, Subsection 1) sowie auf die Wahrung von (Daten-)Sicherheitsstandards geachtet werden (s. nur Section 4, Subsection 2). Kleinere Betriebe müssen bei der Digitalisierung von Informationen oder der Erstellung einer API 12 Verordnung 643/2017, schwedische Fassung (keine englische Übersetzung verfügbar), Link: https://www.finlex.fi/sv/laki/alkup/2017/20170643?search%5Btype%5D=pika&search %5Bpika%5D=643%2F2017 (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 13 Weitere Informationen zu GTFS (General Transit Feed Specification): Link: https://gtfs.org/ (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 14 Weitere Informationen zu NeTEx (Network Timetable Exchange): Link: http://netex-cen.eu/?page_id=58 (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 15 Terms of Service for the NAP service provided by the Finnish Transport and Communications Agency Traficom , Section 3, Subsection 2, Link: https://www.traficom.fi/sites/default/files/media/file/Terms%20of%20Service %20for%20the%20NAP%20service.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 16 Weitere Informationen zu SIRI (Standard Interface for Real-time Information): Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV), CEN TS 15531 Service Interface for Real time Information (SIRI), Link: https://www.vdv.de/siri.aspx sowie Transmodel, Standard Interface for Real-time Information, Link: http://www.transmodel-cen.eu/standards/siri/ (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 17 So beispielsweise im Benutzerhandbuch des deutschen MDM (Mobilitäts Daten Marktplatz) S. 34 (Nr. 30), https://service.mdm-portal.de/doc/MDM-Benutzerhandbuch.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). Weitere Informationen zum Datex II Standard: https://www.datex2.eu/datex2/specifications (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 8 unterstützt werden. Von der öffentlichen Hand werden darüber hinaus nur Mobilitätsdienstleistungen solcher Anbieter bereitgestellt, die Back-End-gestützte Ticketing- und Bezahlsysteme haben und Interoperabilität ermöglichen. So soll eine nahtlose, gegebenenfalls auf einem Benutzerkonto basierende personalisierte Ticketerstellung ermöglicht und dem Verbraucher mehrere Möglichkeiten zur Fahrkartenvalidierung (wie per Zahlungskarte und per Smartphone) angeboten werden können. Der Zugang zu erforderlicher Software, den notwendigen Lizenzen oder anderen Diensten muss zu „fairen, verhältnismäßigen und nichtdiskriminierenden Bedingungen“ ermöglicht werden (Section 4, Subsection 1). Section 2a schreibt zudem vor, dass auch dritten Verkehrsdienstleistern die Möglichkeit eröffnet werden muss, auf die Vertriebsplattformen zuzugreifen und im Auftrag eines ihrer Kunden Ticketkäufe zu tätigen, wenn eine entsprechende Ermächtigung von Seiten des Kunden vorliegt. Der Kunde kann zudem seine Einwilligung in die Verwendung von Daten aus etwaigen bestehenden Nutzerkonten erteilen, um Angebote oder sonstige Vergünstigungen von Dritten zu nutzen. Der Zugang zu den (Verkaufs-)Schnittstellen darf dabei nicht ohne weiteres beschnitten werden (Section 2a, Subsection 4). Im Übrigen enthält das Gesetz selbst keine gesonderte Mobilitätsgarantie18; unter Umständen kann eine solche jedoch den aktuellen Vorschriften zu Fahrgastrechten, die weiterhin Anwendung finden, zu entnehmen sein. 2.2. Niederlande Die Niederlande sehen in MaaS ein großes Potenzial, das Mobilitätssystem intelligenter, nachhaltiger und verbraucherfreundlicher zu gestalten und wollen dies durch zahlreiche Maßnahmen fördern. In den Niederlanden gibt es derzeit keine expliziten Vorschriften im Sinne einer Verpflichtung zur Mitwirkung am Aufbau von Mobilitätsplattformen, zur Bereitstellung von Daten oder Software oder dem Zugang zu eigenen Ticketing- und Bezahlplattformen. Vielmehr wird in der derzeitigen Phase auf die freiwillige Kooperation der Beteiligten gesetzt. Die überwiegende Mehrheit von Pilotprojekten auf dem Gebiet MaaS erfolgt in Form einer öffentlich -privaten Partnerschaft (ÖPP - Public Private Partnership). Sie dienen in erster Linie dem Lernen in diesem Bereich und sollen letztlich Aufschluss darüber geben, wie das MaaS-Ökosystem als Ganzes am besten verwaltet werden kann. Ermöglicht werden diese Kooperationen durch eine Novelle des Straßenverkehrsgesetzes (Wegenverkeerswet), auch bekannt als „Experitmentegesetz“ (Experimenteerwet). 18 Hierunter sind solche Vorschriften zu verstehen, die explizit das Erreichen des Zielbahnhofs garantieren. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 9 Im Bereich des Datenaustausches gibt es in den Niederlanden derzeit (noch)19 keine Pflicht zur Herausgabe und dem Teilen von Daten. Um einen möglichst gleichberechtigten und offenen Austausch von Daten zu gewährleisten, richtet die Behörde für Verbraucher und Markt (Autoriteit Consument & Markt - ACM) - zusätzlich zu den bestehenden wettbewerbsrechtlichen Vorschriften und dem Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung- ihr besonderes Augenmerk auf die Prävention von marktbeherrschenden Stellungen, weil sich diese aufgrund des regelmäßig exklusiven Zugangs zu umfangreichen und wichtigen Daten und entsprechend geringer Anreize zur Kooperation in besonderem Maße negativ auf einen freien Informationsaustausch auswirken. Der Datenaustausch zwischen der öffentlichen Hand und Unternehmen wird zudem von Seiten der Regierung aktiv gefördert. Zu den konkreten Ergebnissen dieser Anstrengungen zählen unter anderem: eine Übereinkunft zwischen den Benelux-Staaten und dem Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 2019 über die Verwendung gemeinsamer Standards für den Informationsaustausch über Verkehrsvarianten wie Zug, Bus, Car- oder Bike-Sharing, eine Vereinbarung mit Betreibern von Ladestationen über die Bereitstellung von Daten für eine Nationale Stelle für Daten über Ladestationen sowie die Etablierung konkreter Standards für den Datenaustausch („Open Trip Model“20 und „iShare“21-Vereinbarung) im Logistiksektor. 2.3. Schweden Die Entwicklung von MaaS - dort auch „Combined Mobility (CM)“ genannt - befindet sich in der Entwicklungsphase, sodass derzeit kein explizit auf MaaS bezogenes gesetzliches Rahmenwerk in Schweden existiert. Die Entwicklung und Förderung von MaaS in Schweden erfolgt im Rahmen von „KOMPIS (Kombinerad Mobilitet som Tjänst i Sverige - Combined Mobility as a Service in Sweden)“, ein Projekt, das von der „Arbeitsgruppe für die Nächste Generation Reisen und Verkehr (Samverkansgruppen för Nästa generations resor och transporter)“ der Regierung zu Förderungszwecken initiiert wurde. Der im Rahmen dieses Projekts erarbeitete Zeitplan22 umfasst die Zeiträume von 2017 - 19 Vgl. Dutch vision on data sharing between businesses, S. 6. Hier wird deutlich, dass ein Datenaustausch auf freiwilliger Basis zwar präferiert wird, erforderlichenfalls jedoch auch entsprechende rechtliche Verpflichtungen in Betracht gezogen werden. Dokument kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.government.nl/documents/reports/2019/02/01/dutch-visionon -data-sharing-between-businesses (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 20 Weitere Informationen zum Open Trip Model (OTM) sind unter folgendem Link zu finden: https://www.opentripmodel.org/ (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 21 Weitere Informationen zur iShare-Vereinbarung sind unter folgendem Link zu finden: https://www.ishareworks.org/en (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). 22 Vgl. An activity in the innovation partnership programme– the next generation of travel and transport, Combined mobility as a service in Sweden (Dezember 2018), S. 13, Link: https://kompis.me/wp-content/uploads/2019/01/F%C3%A4rdplan-KORR3dec-ENG.pdf (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 10 2020, 2021 - 2023 und 2024 - 2027 in den Bereichen 1. Wirtschaft und digitale Infrastruktur 2. Gesetzgebung, Politik und physische Infrastruktur 3. Pilotprojekte und Implementierung 4. Effekte und Folgen 5.Verfahrensmanagement und Etablierung einer Kollaborationsplattform. Neben zahlreichen angelaufenen Projekten haben unter anderem bereits öffentliche Verkehrsbetriebe ihre Verkaufsplattformen für Dritte geöffnet.23 2.4. Vereinigtes Königreich Im Vereinigten Königreich befindet sich MaaS noch in einer frühen Entwicklungsphase, sodass es auch hier keinen speziellen rechtlichen Rahmen gibt. Viele Tests im Bereich MaaS finden auf regionaler Ebene statt, wobei die „Transport for the West Midlands“24 eine Vorreiterrolle einnimmt. Um einen Anreiz für das Teilen von Daten zu schaffen, empfiehlt der Verkehrsausschuss25 des House of Commons einen „no data, no service-Ansatz“, bei dem Anbieter ihre Verkehrsdaten teilen müssen, wenn sie Verkehrsdienstleistungen in einem bestimmten Gebiet erbringen wollen.26 3. Zusammenfassung Bei MaaS handelt es sich um ein relativ neues Konzept, das zwar Einzug in die Politik der befragten europäischen Staaten sowie der EU gehalten hat, dessen Umsetzung - insbesondere durch die Etablierung von Mobilitätsplattformen - sich allerdings vielfach noch in Entwicklungs- bzw. ersten Testphasen mit zahlreichen Pilotprojekten, überwiegend in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft, befindet. Als zentrale Weichenstellung ist dabei von allen befragten Staaten die Öffnung des Datenaustausches zwischen den einzelnen Akteuren im Verkehrssektor identifiziert und ihre Förderung als Leitmotiv der getroffenen bzw. zu treffenden Maßnahmen festgelegt worden. Bei der Umsetzung müssten wirtschaftliche und Wettbewerbsinteressen der Unternehmen angemessen berücksichtigt werden. Zur Lösung dieser Problematik werden unterschiedliche Ansätze verfolgt. Während überwiegend zunächst auf eine freiwillige Kooperation gesetzt wird, gibt es in Finnland ein spezifisch auf 23 Ebd., S. 5,9 und 15. 24 Hierbei handelt es sich um die regionale Verkehrseinrichtung für die West Midlands Combined Authority. 25 Im Original „Transport Comittee“. 26 Vgl. UK Parliament, Mobility as a Service, Report Overview, Link: https://publications.parliament .uk/pa/cm201719/cmselect/cmtrans/590/report-overview.html#fifth-heading-link (zuletzt aufgerufen am 12.03.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 121/19 Seite 11 MaaS zugeschnittenes und umfassend zu einem solchen Datenaustausch verpflichtendes Regelwerk in Gestalt des Gesetzes über Transportdienstleistungen. ***