© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 116/20 Zur Ausnahmegenehmigung für Großraum- und Schwertransporte nach der Straßenverkehrsordnung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 2 Zur Ausnahmegenehmigung für Großraum- und Schwertransporte nach der Straßenverkehrsordnung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 116/20 Abschluss der Arbeit: 19.10.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Änderung der Zuständigkeit gemäß § 47 Absatz 2 Nummer 4 StVO 4 3. Auswirkungen der Zuständigkeitsänderung 5 4. Vereinheitlichung der Gebührenerhebung und deren Auswirkungen auf die Höhe 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 4 1. Fragestellung Im Zusammenhang mit der Straßenverkehrsordnung (StVO)1-Novelle 20202 stellt sich die Frage, inwieweit die Änderung der für die Ausnahmegenehmigung von Großraum- und Schwertransporten zuständigen Behörden zu deutlich längeren Bearbeitungszeiträumen der Anträge führen könnten. Außerdem stellt sich die Frage, ob es durch die Vereinheitlichung der Gebühren zu einer Erhöhung der Gebühren kommen könnte. 2. Änderung der Zuständigkeit gemäß § 47 Absatz 2 Nummer 4 StVO Großraum- und Schwertransporte bedürfen nach § 29 Abs. 3 StVO einer behördlichen Genehmigung . Die Neufassung der StVO bringt unter anderem eine Änderung im Hinblick auf die Zuständigkeit der Behörde für die Antragstellung mit sich: „[D]ie Änderung der örtlichen Zuständigkeit in § 47 StVO bei Erteilung von Erlaubnissen oder Genehmigungen für den Großraum- und Schwerverkehr und bei Ausnahmeerteilung vom Lkw-Sonn- und Feiertagsfahrverbot zur Vermeidung des Antragstourismus und der Mehrfachbeantragung […].“3 Damit entfällt die Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde am Wohnort, Sitz oder an einer Zweigniederlassung des Antragstellers. Dafür kann der Antrag nun auch bei derjenigen Behörde gestellt werden, in deren Bezirk der zu genehmigende Verkehr endet (zusätzlich zur bestehend bleibenden Zuständigkeit der Behörde, in deren Bezirk der zu genehmigende Verkehr beginnt.) Für den Fall einer flächendeckenden Ausnahmegenehmigung ist die Straßenverkehrsbehörde zuständig , in deren Bezirk die den Transport durchführende Person ihren Wohnort oder Sitz oder das den Transport durchführende Unternehmen seinen Sitz hat.4 Die geänderten Zuständigkeitsregelungen treten zum 1. Januar 2021 in Kraft. 1 Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 20. April 2020 (BGBl. I S. 814) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/BJNR036710013.html. 2 Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020, https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl120s0814.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s 0814.pdf%27%5D__1602777682083. 3 BR-Drs. 591/19, S. 53, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/591-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 4 BR-Drs. 591/19, S. 11, https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/591-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 5 3. Auswirkungen der Zuständigkeitsänderung Zur Begründung der Zuständigkeitsänderung heißt es in der Verordnungsbegründung: „Die Änderung soll dem in der Praxis seitens der Länder festgestellten Antragstourismus entgegenwirken . So verlegen Serviceagenturen mittlerweile ihren Sitz zu den Genehmigungsbehörden , bei denen besonders schnell und günstig die Bescheiderteilung erfolgt. Eine ungleiche Belastung der Behörden deutschlandweit ist die Folge, verbunden mit der Ungerechtigkeit , dass sich der Aufwand angehörter Behörden in der Regel in der Erhebung der Gebühr nicht angemessen widerspiegelt bzw. die anzuhörenden Behörden ungleich verteilt mit einem Aufwand ohne Gebührenweiterleitung belastet werden. Darüber hinaus wird auf diese Weise einer Mehrfachbeantragung bei unterschiedlichen Behörden entgegen gewirkt. Auch beantragen Unternehmen mittlerweile an mehreren Orten Erlaubnisse, um quasi in einem Wettbewerb, ohne dass die Erlaubnisbehörden die Mehrfachbeantragung kennen, so schnell wie möglich eine Erlaubnis – gleich von welcher Behörde – erhalten zu können. Dies führt zu einem vermeidbaren Mehraufwand seitens der Länderbehörden. Diese Praxis gilt es zu beheben . Daher wird nun in erster Linie auf die Orte abgestellt, in denen der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt oder endet. Nur die dort jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörden sind grundsätzlich künftig für die Erlaubniserteilung zuständig. Sind verschiedene Fahrtwege mit unterschiedlichen Start- oder Zielorten beantragt, so sind alle als Start oder Ziel angegebenen Orte maßgeblich. Bei flächendeckenden Erlaubnissen gibt es keinen festen Start- oder Zielort, daher wird hier auf den Wohnort bzw. Sitz der den Transport durchführenden Person bzw. des Unternehmens abgestellt. Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit der Behörde ist somit nicht mehr, wer den Antrag stellt, sondern wer den Transport durchführt.“5 Statistiken zur Zahl der Anträge aufgeschlüsselt nach Behördenzuständigkeit sind jedenfalls aus öffentlichen Quellen nicht verfügbar. Es lässt sich aber annehmen, dass in der Vergangenheit von der Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wurde, den Antrag an der Behörde des Unternehmenssitzes zu stellen. Hierfür spricht schon die Kritik einzelner Verbände gegen den Wegfall dieser Möglichkeit. Unter dieser statistisch wohl aber nicht weiter konkretisierbaren Annahme würde sich ein entsprechender Zuwachs bei anderen Behörden ergeben. Eine längere Bearbeitungszeit ist damit jedenfalls denklogisch noch nicht notwendigerweise verbunden und hängt u. a. vom Grad der Verfahrensvereinfachung oder Personalausstattung bei den zuständigen Behörden ab. Statistische Daten, aus denen sich eine belastbare Aussage ableiten könnte, liegen vermutlich nicht vor und sind jedenfalls aus öffentlichen Quellen nicht verfügbar. Die Antragstellung am Ort des Unternehmenssitzes mag u. U. aus Sicht der Unternehmer bequemer sein. Dies hängt aber von einer Vielzahl an Faktoren ab, u. a. auch der Nutzerfreundlichkeit der Antragstellung an anderen Standorten. Transportverbände sehen die Neuregelung im Hinblick auf eine zu erwartende Überlastung der Behörden kritisch, so z.B.: 5 BR-Drs. 591/19, S. 88 f., https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/591-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Hervorhebung durch Autor dieses Sachstands). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 6 „Die aktuell im Bundesrat diskutierte Novellierung der StVO sieht demnach unter anderem eine Neuregelung der Zuständigkeiten für Genehmigungen von Schwertransporten vor. Unternehmen sollen bei der Beantragung künftig nur noch zwischen zwei statt bisher drei Behörden wählen dürfen. Maßgeblich soll dabei der Ort sein, an dem der Schwertransport beginnt oder endet. Damit droht eine erhebliche Überlastung vor allem der Behörden, bei denen Schwertransporte starten, so die Transportverbände.“6 „Entweder werden die dann zuständigen Verkehrsbehörden durch die schiere Masse von Genehmigungsanträgen überlastet oder aber sie werden am Ziel mit Fallzahlen konfrontiert, die sie weder mit dem derzeitigen Personalbestand bewältigen noch bei fehlender Erfahrung und Sachkunde verwaltungsrechtlich 100-prozentig umsetzen können.“7 4. Vereinheitlichung der Gebührenerhebung und deren Auswirkungen auf die Höhe Die StVO-Novelle ändert darüber hinaus die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt)8 und führt damit ein neues, bundeseinheitliches Gebührensystem ein. Dieses sieht einen komplexen Algorithmus vor, der einen direkten Vergleich zu den derzeitigen vielfältigen Länderregelungen erschwert. Die Komplexität der Faktoren veranschaulicht das folgende Beispiel :9 6 StVO-Novelle könnte Schwertramsporte verzögern (10. Januar 2020), https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/stvo-novelle-koennte-schwertransporte-verzoegern- 2528302.html. 7 Stellungnahme des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V., der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten e.V. und der Transfrigoroute Deutschland e.V. (5. November 2019), https://www.bsk-ffm.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahme_StVO-Novelle.pdf sowie https://www.dvz.de/rubriken/politik/detail/news/bgl-kritisiert-geplante-stvo-novelle.html. 8 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 25. Januar 2011 (BGBl. I S. 98), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/stgebo_2011/BJNR009800011.html. 9 Beispiel und Grafik: https://www.stvo2go.de/grossraum-schwerverkehr/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 116/20 Seite 7 Die Grundgebühr für die Erteilung einer Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung beträgt (immer) 40,00 EUR. Diese wird mit einem Gesamtfaktor multipliziert, der in Abhängigkeit von verschiedenen Kriterien, beispielsweise dem Erlaubnis- oder Genehmigungszeitraum oder der Gesamtmasse , berechnet wird.10 Vor diesem Hintergrund ist der Umstand einzuordnen, dass die Prognosen über ein Steigen oder Sinken der Gebühren divergieren. In Bezug auf den Höchstsatz der Gebühr sollen einer Quelle zufolge die Gebühren eher sinken: „Die Gebührenordnung zu vereinheitlichen, macht aus Sicht von Draaf durchaus Sinn, denn seither habe passieren können, dass sich die Gebühren je nach Ort der Genehmigung zwischen 50 und 400 Euro bewegen – auch wenn die genehmigenden Behörden nur 20 oder 30 Kilometer auseinander liegen. „Diese Möglichkeit wird es nach der Reform des Paragrafen 47 dann nicht mehr geben.“ Das Gebührentool könne sich dann jeder Antragsteller auf seinen Rechner laden, der Grundbetrag von 40 Euro werde dann mit bis zu sieben Kategorien multipliziert , so dass die Gebühr letztlich höchstens 280 Euro betragen könne.“11 Nach einer anderen Quelle sollen die Gebühren steigen: „Laut Verordnungsentwurf soll die Grundgebühr immer 40 EUR betragen, die Höchstgebühr wird derzeit von 767 EUR auf bis zu 1.300 EUR steigen.“12 Der Industrie- und Handelskammer Siegen zufolge schätzen Fachleute, dass die Genehmigungen durchschnittlich 300 bis 400 Prozent teurer werden würden.13 *** 10 BR-Drs. 591/19, S. 20 ff., https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/591- 19.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 11 https://www.eurotransport.de/artikel/stvo-novelle-zu-schwerlasttransporten-gegen-genehmigungstourismusund -gebuehrenunterschiede-10885174.html. 12 Deutsche Verkehrs-Zeitung, Genehmigungen für Schwerlasttransporte werden teurer (27. August 2020), https://www.dvz.de/rubriken/logistik/detail/news/genehmigungen-fuer-schwerlasttransporte-werden-teurer .html (Anlage 1). 13 https://www.ihk-siegen.de/hn/presse/wirtschaftsreport/alle-ausgaben/2020/oktober/titelgeschichte-grossraumund -schwertransporte/.