© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 115/16 Fragen zu bestehenden und geplanten rechtlichen Vorgaben für Anbieter von Internetzugangsdiensten im Zusammenhang mit Netzneutralität und Qualitätstransparenz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Überblick über bestehende und geplante rechtliche Vorgaben für Anbieter von Internetzugangsdiensten im Zusammenhang mit Netzneutralität und Qualitätstransparenz 5 2.1. Regelungen der VO (EU) 2015/2120 zu Netzneutralität und Qualitätstransparenz 5 2.2. Regelungen der TK-TransparenzVO 7 2.3. Regelungen des Entwurfs für das 3. TKG-Änderungsgesetz 10 2.3.1. Änderung des § 47a TKG 10 2.3.2. Neufassung des § 126 Abs. 1 TKG 10 2.3.3. Änderung des § 149 TKG 11 3. Beantwortung von Einzelfragen zu bestehenden oder geplanten Regelungen für Anbieter von Internetzugangsdiensten im Zusammenhang mit Netzneutralität und Qualitätstransparenz 11 3.1. Rechtliches Verhältnis zwischen Art. 4 VO (EU) 2015/2120 und § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO 12 3.2. Normierung von Kompetenzen der Bundesnetzagentur zur Sicherstellung der Einhaltung der Pflichten der VO (EU) 2015/2120 durch den Entwurf für das 3. TKG-Änderungsgesetz 12 3.3. § 7 TK-TransparenzVO und die Definition der nicht vertragskonformen Leistung in Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 13 3.4. Voraussetzungen für Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VO (EU) 2015/2120 14 3.5. Möglichkeit der Sonderkündigung unter analoger Anwendung von § 46 Abs. 8 S. 3 TKG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit dient der Beantwortung einer Reihe von Fragen zu rechtlichen Vorgaben des Verbraucherschutzes im Telekommunikationsbereich im Zusammenhang mit der Qualität von Internetzugangsdiensten. Die Funktion von Internetzugangsdiensten lässt sich wie folgt beschreiben : „Mit einem Internetzugangsdienst stellt ein Anbieter über seine Telekommunikationsinfrastruktur eine Kommunikationsverbindung zwischen einem Endkunden und seiner eigenen Anbindung an das weltweite Internet her. Über diese Verbindung transportiert er Datenpakete , die der Endkunde mit anderen an das Internet angeschlossenen Endeinrichtungen austauscht.“1 Dabei hängt die Qualität des Internetzugangsdienstes von verschiedenen Faktoren ab (Anbindung des Kunden an die Infrastruktur des Anbieters, Güte des Transports der Datenpakete innerhalb der Infrastruktur des Anbieters, endkundenseitige Geräte- und Anschlussinfrastruktur).2 Diese Messparameter für die Qualität von Internetzugangsdiensten berücksichtigend hat die Bundesnetzagentur im Jahr 2012 eine Studie über die Qualität von Internetzugängen durchgeführt und deren Ergebnisse im April 2013 veröffentlicht.3 Dabei zeigte sich zum einen, dass die zahlreichen Kundenbeschwerden über Abweichungen zwischen der vertraglich vereinbarten „bis zu“-Bandbreite und der tatsächlichen Bandbreite bei Internetzugangsdiensten berechtigt waren. Zum anderen offenbarte die Prüfung der diesen Internetzugangsdiensten zu Grunde liegenden Verträge, dass fast alle Anbieter gegenüber ihren Kunden flexible Angaben zur verfügbaren Bandbreite machten und die Kunden somit meist nur sehr vage wussten, mit welcher Leistung sie tatsächlich rechnen konnten.4 Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Erwägungen geht die vorliegende Arbeit einer Reihe von Fragen nach bereits bestehenden und geplanten rechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit den Themen Netzneutralität und Qualitätstransparenz bei Internetzugangsdiensten nach. 1 So die Definition bei Lukas, Kai/Marx, Almuth/Schöttler, Bernd Oliver/Sudhues, Christoph (2014). Dienstequalität von Breitbandzugängen II. Abschlussbericht der Studie der zafaco GmbH im Auftrag der Bundesnetzagentur vom 05.06.2014. S. 5. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen _Institutionen/Breitband/Breitbandmessung/qualitaetsstudie/qualitaetsstudie-node.html (letzter Abruf: 19.01.2016). 2 Details dazu bei Lukas, Kai/Marx, Almuth/Schöttler, Bernd Oliver/Sudhues, Christoph (2014). A. a. O. (Fn. 1). S. 5 ff. 3 Bundesnetzagentur (2013). Bundesnetzagentur veröffentlicht Ergebnisse der Messkampagne. Pressemitteilung vom 11.04.2014. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen /DE/2013/130411_ErgMesskampagne.html (letzter Abruf: 19.01.2017). Die Studie ist auf den Internetseiten der Bundesnetzagentur abrufbar. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/cln_1412/DE/Sachgebiete/Telekommunikation /Unternehmen_Institutionen/Breitband/Breitbandmessung/qualitaetsstudie/qualitaetsstudienode .html (letzter Abruf: 19.01.2017). 4 So die Ausführungen bei Bundesnetzagentur (2013). A. a. O. (Fn. 3). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 5 Zu diesem Zweck werden nachfolgend die für diese Themenbereiche maßgeblichen Regelungen überblicksartig skizziert, die auf europäischer und nationaler Ebene bereits bestehen bzw. deren Erlass konkret geplant ist (2.). Auf dieser Darstellung aufbauend werden im Anschluss die konkreten Fragen beantwortet (3.). 2. Überblick über bestehende und geplante rechtliche Vorgaben für Anbieter von Internetzugangsdiensten im Zusammenhang mit Netzneutralität und Qualitätstransparenz Nachfolgend werden die für die Beantwortung der Fragen wesentlichen bestehenden und geplanten europarechtlichen und nationalen Vorschriften überblicksartig dargestellt. 2.1. Regelungen der VO (EU) 2015/2120 zu Netzneutralität und Qualitätstransparenz Von erheblicher Bedeutung ist die Verordnung (EU) 2015/2120 vom 25. November 2015 (VO (EU) 2015/2120)5. Ausweislich des Erwägungsgrundes 1 sollen mit dieser Verordnung „gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer geschaffen werden.“ Damit definieren die Vorgaben der VO (EU) 2015/2120 zum einen die Grundlage zur Wahrung der Netzneutralität (gleichberechtigte und nichtdiskriminierende Behandlung des Datenverkehrs ).6 Ausweislich des Erwägungsgrundes 18 verfolgt die VO (EU) 2015/2120 ein weiteres Ziel: „Die Bestimmungen über die Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet sollten durch wirksame Bestimmungen über Endnutzer ergänzt werden, die Fragen insbesondere im Zusammenhang mit Internetzugangsdiensten regeln und es Endnutzern ermöglichen, sachkundige Entscheidungen zu treffen. […] Anbieter von Internetzugangsdiensten sollten die Endnutzer klar darüber informieren, wie die eingesetzte Verkehrsmanagementpraxis[7] sich auf die Qualität des Internetzugangsdiensts, die Privatsphäre des Endnutzers und den 5 Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union. ABl. EU Nr. L 310 vom 26.11.2015. S. 1. 6 So Bundesnetzagentur (2016). Netzneutralität. Themenseite der Bundesnetzagentur. Stand: 07.12.2016. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Breitband /Netzneutralitaet/Netzneutralitaet-node.html (letzter Abruf: 19.01.2017). Zum Begriff der Netzneutralität vgl. die Erläuterungen bei Body of European Regulators for Electronic Communications – BEREC (2016a). Erläuterungen zu BERECs Leitlinien zur Netzneutralität. Nicht-autorisierte Übersetzung des BEREC-Dokuments BoR (16) 127b durch die Bundesnetzagentur. S. 1. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads /DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Breitband/Netzneutralitaet/BE- REC_Factsheet_NN_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (letzter Abruf: 19.01.2017). 7 Zum Begriff des Verkehrsmanagements im vorliegenden Kontext vgl. die Informationen bei Body of European Regulators for Electronic Communications – BEREC (2016a). A. a. O. (Fn. 6). S. 4 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 6 Schutz personenbezogener Daten auswirken könnte […]. Um den Endnutzern in solchen Fällen eine Handhabe zu geben, sollten Anbieter von Internetzugangsdiensten daher zu ihrer Information im Vertrag die Geschwindigkeit angeben, die sie realistischerweise zur Verfügung stellen können. Als in der Regel zur Verfügung stehende Geschwindigkeit ist die Geschwindigkeit zu verstehen, die ein Endnutzer meistens erwarten kann, wenn er auf den Dienst zugreift.“ In diesem Zusammenhang sind die Vorgaben des Art. 3 VO (EU) 2015/2120 sowie des Art. 4 VO (EU) 2015/2120 zu sehen.8 Die Normen lauten auszugsweise: „Artikel 3 Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet (1) Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen. […]“ „Artikel 4 Transparenzmaßnahmen zur Sicherstellung des Zugangs zu einem offenen Internet (1) Die Anbieter von Internetzugangsdiensten stellen sicher, dass ein Vertrag, der Internetzugangsdienste umfasst, mindestens folgende Angaben enthält: a) […] […] d) eine klare und verständliche Erläuterung, wie hoch die minimale, die normalerweise zur Verfügung stehende, die maximale und die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit von Internetzugangsdiensten bei Festnetzen oder die geschätzte maximale und die beworbene Download- und Upload-Geschwindigkeit von Internetzugangsdiensten bei Mobilfunknetzen ist und wie sich erhebliche Abweichungen von der jeweiligen beworbenen Download- und Upload-Geschwindigkeit auf die Ausübung der Rechte der Endnutzer gemäß Artikel 3 Absatz 1 auswirken könnten; […] 8 Zur Bedeutung dieser Regelungen vgl. insbesondere Body of European Regulators for Electronic Communications – BEREC (2016b). BEREC-Leitlinien zur Umsetzung der europäischen Netzneutralitätsregeln durch die nationalen Regulierungsbehörden. Nicht-autorisierte Übersetzung des BEREC-Dokuments BoR (16) 127 vom 30.08.2017 durch die Bundesnetzagentur. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads /DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Breitband/Netzneutralitaet/Leitlinien- Deu.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (letzter Abruf: 19.01.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 7 (4) Jede erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung bei der Geschwindigkeit oder bei anderen Dienstqualitätsparametern zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter der Internetzugangsdienste gemäß Absatz 1 Buchstabe a bis d angegebenen Leistung gilt – sofern die rechtserheblichen Tatsachen durch einen von der nationalen Regulierungsbehörde zertifizierten Überwachungsmechanismus festgestellt wurden – für die Auslösung Bestimmung der Rechtsbehelfe , die dem Verbraucher nach nationalem Recht zustehen, als nicht vertragskonforme Leistung. Dieser Absatz gilt nur für Verträge, die nach dem 29. November 2015 geschlossen oder erneuert werden.“ An diese Vorgaben anknüpfend normieren Art. 5 und 6 der VO (EU) 2015/2120 Regelungen, die deren Einhaltung sicherstellen sollen. Im für die vorliegende Arbeit interessierenden Zusammenhang lauten die Normen auszugsweise: „Artikel 5 Aufsicht und Durchsetzung (1) Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen genau und stellen sicher, dass Artikel 3 und 4 des vorliegenden Artikels eingehalten werden, und fördern die kontinuierliche Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten auf einem Qualitätsniveau , das den Fortschritt der Technik widerspiegelt. Für diese Zwecke können die nationalen Regulierungsbehörden Anforderungen an technische Merkmale, Mindestanforderungen an die Dienstqualität und sonstige geeignete und erforderliche Maßnahmen für einen oder mehrere Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Anbieter von Internetzugangsdiensten, vorschreiben. […]“ „Artikel 6 Sanktionen Die Mitgliedstaaten erlassen für Verstöße gegen die Artikel 3, 4 und 5 Vorschriften über Sanktionen und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. […]“ 2.2. Regelungen der TK-TransparenzVO Am 1. Juni 2017 wird die Verordnung zur Förderung der Transparenz auf dem Telekommunikationsmarkt (TK-TransparenzVO)9 der Bundesnetzagentur in Kraft treten.10 9 Verordnung vom 19.12.2016, BGBl. I S. 2977. 10 Dazu Ufer, Frederic (2015). Die TK-Transparenz-Verordnung der BNetzA. Überblick und Bewertung. Multimedia und Recht (MMR). 18. Jahrgang (2015). München: C. H. Beck. S. 226 ff. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens siehe § 15 TK-TransparenzVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 8 Die Ermächtigungsgrundlage bildet im Wesentlichen § 45n Telekommunikationsgesetz (TKG)11. Mit den Regelungen der TK-TransparenzVO soll „eine transparente, vergleichbare, ausreichende und aktuelle Information des Verbrauchers oder – auf dessen Verlangen – des Endnutzers über die Merkmale seines Telekommunikationsdienstes sichergestellt werden. […] Die wesentlichen Inhalte der Verordnung stellen sich wie folgt dar: 1. Produktinformationsblatt Die Anbieter stellen dem Verbraucher bzw. Endnutzer vor Vertragsschluss ein Produktinformationsblatt zur Verfügung, das die wesentlichen Vertragsbestandteile aufzeigt (Vertragslaufzeiten ; minimale, normalerweise zur Verfügung stehende und maximale Datenübertragungsrate ; Rahmenbedingungen zu einer etwaigen Reduzierung der Datenübertragungsrate („Drosselung“)). […] 2. Überprüfung der Datenübertragungsrate nach Anschlussschaltung Nach Anschlussschaltung erhält der Verbraucher bzw. Endnutzer einen Rechtsanspruch auf Information zur aktuellen Datenübertragungsrate seines Mobilfunk- bzw. Festnetzanschlusses . Die Anbieter können alternativ zu einer anbieterseitigen Messung auf das zukünftige Messtool der Bundesnetzagentur verweisen. 3. Darstellung und Speicherung der Messergebnisse Die Anbieter werden verpflichtet, dem Verbraucher bzw. Endnutzer „auf einen Blick“ die vertraglich vereinbarte minimale und maximale Datenübertragungsrate und die tatsächlich gemessene Datenübertragungsrate darzustellen. Die Messergebnisse müssen speicherbar sein und im Online-Kundencenter hinterlegt werden können. So kann der Verbraucher ohne größeren Aufwand mehrere Messungen durchführen und seinem Anbieter etwaige Abweichungen zwischen tatsächlicher und vertraglich vereinbarter Datenübertragungsrate mitteilen. […]“12 So normiert § 1 Abs. 1 TK-TransparenzVO die Pflicht, dass Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, die Internetzugangsdienste anbieten, für alle Angebote, die gegen- 11 Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004, BGBl. I S. 1190; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3346. 12 Deutscher Bundestag (2016a). Verordnung zur Förderung der Transparenz auf dem Telekommunikationsmarkt (TK-Transparenzverordnung – TK-TransparenzV). Entwurf der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation , Post und Eisenbahnen vom 15.06.2016. BT-Drs. 18/8804. S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 9 über Verbrauchern vermarktet werden, ein Produktinformationsblatt bereitzustellen haben, welches die in § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO festgelegten Angaben enthält. Dabei lautet die Norm auszugsweise: „§ 1 Produktinformationsblatt (1) […] (2) Das Produktinformationsblatt enthält ausschließlich folgende Angaben: 1. […] […] 5. die minimale, die normalerweise zur Verfügung stehende und die maximale Datenübertragungsrate für Download und Upload; für den Zugang zu Mobilfunknetzen ausschließlich die geschätzte maximale Datenübertragungsrate für Download und Upload, […]“ Nach § 2 Abs. 2 TK-TransparenzVO müssen Verbraucher vor Vertragsschluss auf die bereitgestellten Informationen hingewiesen werden. Die Überprüfbarkeit der Datenübertragungsrate ist Regelungsgegenstand des § 7 TK-Transparenz VO. Die Norm lautet: „§ 7 Überprüfbarkeit der Datenübertragungsrate (1) Anbieter eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes, die über einen Zugang zu einem öffentlichen Telekommunikationsnetz Internetzugangsdienste anbieten, müssen es Verbrauchern und, auf deren Verlangen, anderen Endnutzern ermöglichen, sich nach der Schaltung des Anschlusses über die aktuelle Qualität der in Absatz 2 genannten Produktmerkmale zu informieren, indem 1. eine anbieterinitiierte Messung durchgeführt wird, 2. ein Angebot des Anbieters zur Messung besteht, die durch den Verbraucher oder Endnutzer durchgeführt werden kann, oder 3. ein Angebot der Bundesnetzagentur zur Messung besteht. (2) Die Messung der Datenübertragungsrate, die über den Zugang des Verbrauchers oder des Endnutzers erreicht wird, umfasst mindestens 1. die aktuelle Download-Rate, 2. die aktuelle Upload-Rate und Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 10 3. die Paketlaufzeit.“ 2.3. Regelungen des Entwurfs für das 3. TKG-Änderungsgesetz Wie oben bereits gezeigt, werden die Mitgliedstaaten insbesondere durch Art. 6 VO (EU) 2015/2120 dazu verpflichtet, sanktionsfähige Bestimmungen dieser Verordnung mit wirksamen Sanktionen zu versehen. Diesem Zweck soll der im Oktober 2016 von der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf für das Dritte Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (3. TKG-ÄndG-E) dienen.13 Nachfolgend werden die wesentlichen einzelgesetzlichen Regelungen dieses Artikelgesetzentwurfs überblicksartig erläutert. Dabei orientiert sich die nachfolgende Darstellung an der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom Oktober 2016. Ob und wenn ja, mit welchem konkreten Inhalt diese Regelungen tatsächlich in Kraft treten werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen. 2.3.1. Änderung des § 47a TKG Mit Art. 1 Nr. 2 lit. b) des 3. TKG-ÄndG-E soll § 47a TKG dahingehend geändert werden, dass bei der Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur auch dann ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden kann, wenn es zwischen einem Teilnehmer und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten zum Streit darüber kommt, ob der Anbieter dem Teilnehmer gegenüber eine Verpflichtung erfüllt hat, die sich auf die Bedingungen oder die Ausführung der Verträge über die Bereitstellung der Dienste bezieht und mit den Vorgaben des Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 der VO (EU) 2015/2120 zusammenhängt.14 2.3.2. Neufassung des § 126 Abs. 1 TKG Mit Art. 1 Nr. 4 des 3. TKG-ÄndG-E soll § 126 Abs. 1 TKG neugefasst werden, indem die in der VO (EU) 2015/2120 normierten Verpflichtungen in den Katalog des § 126 Abs. 1 TKG aufgenommen werden.15 § 126 TKG gewährt der Bundesnetzagentur für den Fall, dass ein Unternehmen gegen seine Verpflichtungen verstößt, umfangreiche Eingriffsbefugnisse, wobei das Gesetz ein gestuftes Verfahren vorsieht: Zunächst ist dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Abhilfe zu geben (§ 126 Abs. 1 TKG). Sollte das Unternehmen trotz Fristsetzung seinen Pflichten nicht nachkommen, ist die Bundesnetzagentur in einem weiteren Schritt berechtigt, die zur 13 So auch Deutscher Bundestag (2016b). Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes . Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.10.2016. BT-Drs. 18/9951. S. 1. 14 Deutscher Bundestag (2016b). A. a. O. (Fn. 13). S. 5. 15 Deutscher Bundestag (2016b). A. a. O. (Fn. 13). S. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 11 Durchsetzung der Verpflichtung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (§ 126 Abs. 2 TKG). Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Bundesnetzagentur gar die Tätigkeit eines Unternehmens untersagen (§ 126 Abs. 3 TKG).16 2.3.3. Änderung des § 149 TKG Mit Art. 1 Nr. 6 lit. b) des 3. TKG-ÄndG-E soll darüber hinaus § 149 TKG geändert werden, indem Verstöße gegen bestimmte Verpflichtungen der VO (EU) 2015/2120 als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten definiert und die Höhe der Bußgelder für die einzelnen Pflichtverstöße festgelegt werden.17 Nach diesem Gesetzentwurf soll ordnungswidrig handeln, wer gegen die VO (EU) 2015/2120 verstößt , „indem er vorsätzlich oder fahrlässig […] 2. entgegen Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 1 nicht sicherstellt, dass ein dort genannter Vertrag die genannten Angaben enthält, 3. einer vollziehbaren Anordnung nach Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 Satz 2 zuwiderhandelt “.18 Nach den geplanten Änderungen des § 149 Abs. 2 TKG (Bußgeldhöhe) sollen Verstöße gegen die Informationsverpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 mit einer Geldbuße bis zu 100.000 EUR und Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen nach Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 mit einer Geldbuße bis zu 500.000 EUR geahndet werden können.19 3. Beantwortung von Einzelfragen zu bestehenden oder geplanten Regelungen für Anbieter von Internetzugangsdiensten im Zusammenhang mit Netzneutralität und Qualitätstransparenz Vor dem Hintergrund dieser abstrakten Darstellung der bestehenden bzw. geplanten Rechtslage werden nachfolgend die konkreten Fragen des Auftrags beantwortet. 16 Dazu umfassend Meyer-Sebastian, André (2013). In: Geppert, Martin/Schütz, Raimund (Hrsg.). Beck’scher TKG- Kommentar. 4. Auflage (2013). München: C. H. Beck. § 126 Rn. 1 ff. 17 Deutscher Bundestag (2016b). A. a. O. (Fn. 13). S. 7. 18 Deutscher Bundestag (2016b). A. a. O. (Fn. 13). S. 7. 19 Vgl. Art. 1 Nr. 6 lit. c) des 3. TKG-ÄndG-E. Deutscher Bundestag (2016b). A. a. O. (Fn. 13). S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 12 3.1. Rechtliches Verhältnis zwischen Art. 4 VO (EU) 2015/2120 und § 1 Abs. 2 TK-Transparenz VO Wie gezeigt, verpflichtet Art. 4 Abs. 1 UA. 1 lit. d) VO (EU) 2015/2120 Anbieter von Internetzugangsdiensten dazu, dass ihre Verträge über Internetzugangsdienste auch Angaben darüber enthalten , wie sich erhebliche Abweichungen von der jeweiligen beworbenen Internetgeschwindigkeit auf die Ausübung der Netzneutralitätsrechte von Endnutzern nach Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 auswirken könnten. Und da es sich um eine Vorschrift innerhalb einer europäischen Verordnung handelt, gilt diese Regelung in Deutschland unmittelbar und ohne weiteren Umsetzungsakt .20 Dass eine entsprechende Regelung in § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO fehlt, ist wegen der unterschiedlichen Anwendungsbereiche der Normen nicht problematisch. Während Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 verbindlich vorgibt, welche Angaben ein Vertrag über Internetzugangsdienste zu enthalten hat, regelt § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO den Inhalt des Produktinformationsblattes, das der vorvertraglichen Information dienen soll. Insofern ergänzen sich die Regelungen des Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 und des § 1 Abs. 2 TK-TransparenzVO.21 3.2. Normierung von Kompetenzen der Bundesnetzagentur zur Sicherstellung der Einhaltung der Pflichten der VO (EU) 2015/2120 durch den Entwurf für das 3. TKG-Änderungsgesetz Wie oben gezeigt, zielt der 3. TKG-ÄndG-E in der dieser Bearbeitung zu Grunde liegenden Fassung darauf ab, insbesondere die Vorgaben des Art. 6 VO (EU) 2015/2120 umzusetzen, indem der Bundesnetzagentur als zuständiger Verwaltungsbehörde die gesetzlichen Befugnisse eingeräumt werden sollen, Verstöße gegen Verpflichtungen der VO (EU) 2015/2120 sanktionieren zu können. Sollte Art. 1 Nr. 6 lit. b) und lit. c) des 3. TKG-ÄndG-E in der vorliegenden Fassung in Kraft treten , kann die Nichtangabe von Informationen, zu deren Angabe die Unternehmen nach Art. 4 Abs. 1 UA. 1 lit. d) VO (EU) 2015/2120 verpflichtet sind, mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 EUR geahndet werden. Dies beträfe dann auch die Pflicht, dass die Verträge klare und verständliche Erläuterungen enthalten müssten, wie sich erhebliche Abweichungen von der jeweiligen beworbenen Download- und Upload-Geschwindigkeit auf die Ausübung der Rechte der Endnutzer gemäß Art. 3 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 auswirken könnten. Sollte Art. 1 Nr. 4 des 3. TKG-ÄndG-E in der vorliegenden Fassung in Kraft treten, würden sämtliche Pflichten der VO (EU) 2015/2120 Bestandteil des Katalogs des § 126 Abs. 1 TKG. Im Falle von deren Verletzung könnte die Bundesnetzagentur dann von den Eingriffsbefugnissen des § 126 TKG unter den normierten Voraussetzungen Gebrauch machen. 20 Siehe Art. 288 Unterabsatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. EU Nr. C 202 vom 07.06.2016. S. 47). Nach Art. 10 Abs. 2 VO (EU) 2015/2120 gilt die Norm seit 30.04.2016. 21 So auch Weber, Lieselotte (2016). Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung zur Förderung der Transparenz auf dem Telekommunikationsmarkt. Stellungnahme der Bundesnetzagentur in der Öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie am 28.09.2016. S. 2 f. Link: http://www.bundestag.de/ausschuesse 18/a09/anhoerungen/anhoerungen_archiv/inhalt-anhoerung-tktransparenzv-28-09-2016/461890 (letzter Abruf : 19.01.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 13 3.3. § 7 TK-TransparenzVO und die Definition der nicht vertragskonformen Leistung in Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 Wie oben gezeigt, sind Anbieter von Internetzugangsdiensten nach § 7 TK-TransparenzVO dazu verpflichtet, ihren Kunden nach Anschlussschaltung die Möglichkeit zu geben, sich über die Qualität ihres Internetanschlusses (Download-, Upload-Rate und Paketlaufzeit) durch die Messung der entsprechenden Parameter informieren zu können. Zu diesem Zweck bietet die Bundesnetzagentur unter der Internetadresse www.breitbandmessung.de eine entsprechende Dienstleistung an, die sie als Überwachungsmechanismus im Sinne des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 ansieht.22 Dass diese Dienstleistung/dieses Messtool der Bundesnetzagentur die Fragen danach unbeantwortet lässt, - ob die weiteren Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 für die Bejahung einer nicht vertragskonformen Leistung vorliegen (erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichung), - ob somit eine nicht vertragskonforme Leistung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 vorliegt und - ob die Voraussetzungen der maßgeblichen Rechtsbehelfe nach deutschem Recht23 erfüllt sind, ist mit den Vorgaben des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 vereinbar. Dies ergibt sich bereits daraus , dass die Verordnung den Mitgliedstaaten oder einer nationalen Regulierungsbehörde gar nicht vorschreibt, einen Überwachungsmechanismus einzurichten oder zu zertifizieren. Wenn die nationalen Regulierungsbehörden allerdings einen für die Zwecke von Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 eingeführten Überwachungsmechanismus zur Verfügung stellen, gilt dieser auch als zertifizierter Überwachungsmechanismus nach Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120.24 Die Frage, ob darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 inhaltlich weiter konkretisiert werden müssen, ist seitens des zuständigen Normgebers zu beantworten .25 Gleiches gilt für die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen der nationale Gesetz- und/oder Verordnungsgeber weitere Vorgaben zur Festlegung von Mindestanforderungen 22 So Weber, Lieselotte (2016). A. a. O. (Fn. 21). S. 3. 23 Vgl. in diesem Zusammenhang Eschweiler, Wilhelm (2016). Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 07.11.2016 zum 3. TKG-ÄndG-E. Wortprotokoll der 93. Sitzung. Protokoll-Nr. 18/93. S. 11; Blohm, Susanne (2016a). Verbraucherrechte im Telekommunikationsmarkt stärken. Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbands e. V. zum Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes vom 03.11.2016. S. 3 ff. Link: http://www.bundestag.de/ausschuesse18/a09/anhoerungen/anhoerungen _archiv/inhalt-anhoerung-7-11-2016/478020 (letzter Abruf: 19.01.2017). 24 So auch Body of European Regulators for Electronic Communications – BEREC (2016b). A. a. O. (Fn. 8). S. 43 (Rn. 161). 25 Nach Ansicht des Verbraucherzentrale Bundesverbands e. V. ist diese Frage zu bejahen. Vgl. Blohm, Susanne (2016a). A. a. O. (Fn. 23). S. 5 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 14 an die Dienstequalität und/oder an verschiedene Geschwindigkeitsarten erlassen kann. In diesem Zusammenhang wäre jedenfalls die Frage zu klären, ob der europäische Gesetzgeber mit Art. 5 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VO (EU) 2015/2120 eine abschließende Regelung getroffen hat.26 3.4. Voraussetzungen für Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VO (EU) 2015/2120 Wie oben gezeigt, sind die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 Abs. 1 UA. 1 S. 1 VO (EU) 2015/2120 dazu verpflichtet, die Einhaltung der Vorgaben aus Art. 3 und 4 VO (EU) 2015/2120 zu überwachen und die kontinuierliche Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzzugangsdiensten auf einem Qualitätsniveau zu fördern, das den Fortschritt der Technik widerspiegelt. Nach Satz 2 können die nationalen Regulierungsbehörden zu diesem Zweck - Anforderungen an technische Merkmale, - Mindestanforderungen an die Dienstqualität oder - sonstige geeignete und erforderliche Maßnahmen für einen oder mehrere Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Anbieter von Internetzugangsdiensten, vorschreiben. Weitere Voraussetzungen normiert Art. 5 Abs. 1 UA. 1 VO (EU) 2015/2120 nicht. Im Hinblick auf die rechtlichen Maßstäbe, die für derartige Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 UA. 1 S. 2 VO (EU) 2015/2120 gelten, führt das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)27 aus: „Die Auferlegung solcher Anforderungen und Maßnahmen sollte nach deren Wirksamkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit bewertet werden: Wirksamkeit setzt voraus, dass die Anforderungen von den Unternehmen umgesetzt werden können und dass sie voraussichtlich rasch dazu führen, dass die Verschlechterung des Internetzugangsdienstangebots für Endnutzer oder sonstige Verstöße gegen die Verordnung verhindert oder beseitigt werden. 26 In ihrer Stellungnahme zum Entwurf für das 3. TKG-Änderungsgesetz plädieren die beteiligten Technik- und Wirtschaftsverbände jedenfalls dafür, zunächst die praktischen Auswirkungen der VO (EU) 2015/2120 sowie der TK-TransparenzVO abzuwarten, bevor auf nationaler Ebene eine Entscheidung darüber getroffen wird, ob einzuhaltende Mindestbandbreiten definiert werden. Vgl. ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e. V. et al. (2016). Gemeinsame Position zum Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes vom 03.11.2016. S. 5, 7. Link: http://www.bundestag.de/ausschuesse18/a09/anhoerungen/anhoerungen _archiv/inhalt-anhoerung-7-11-2016/478020 (letzter Abruf: 19.01.2017). 27 Das GEREK bzw. im Englischen das Body of European Regulators for Electronic Communications (BEREC) wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 zur Einrichtung des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und des Büros (ABl. EG Nr. L 337 vom 18.12.2009. S. 1) eingerichtet. Die Aufgaben des GEREK, in dem jede Regulierungsbehörde der Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 4 VO (EG) 1211/2009), sind Regelungsgegenstand des Art. 3 VO (EG) 1211/2009 und umfassen insbesondere die Abgabe von Stellungnahmen zu telekommunikationsrechtlichen Fragestellungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 15 Notwendigkeit setzt voraus, dass von den wirksamen Anforderungen und Maßnahmen die am wenigsten belastenden ausgewählt werden, d. h. dass andere Regulierungsinstrumente als nicht ausreichend, nicht wirksam oder zur Behebung der Situation nicht schnell genug einsetzbar gelten. Verhältnismäßigkeit heißt, dass die Anforderungen auf den adäquaten Umfang begrenzt werden und dass die durch die Anforderung auferlegte Verpflichtung einem legitimen Ziel dient, für das Ziel angemessen ist und dass es keine andere Möglichkeit zur Erreichung dieses Ziel gibt, die schonender und genauso wirksam ist. Wenn zum Beispiel nur bestimmte Internetzugangsanbieter schlechtere Internetzugangsdienste anbieten oder gegen die Verkehrsmanagementbestimmungen der Verordnung verstoßen, können verhältnismäßige Anforderungen insbesondere an diese Internetzugangsanbieter gerichtet sein.“28 Im Hinblick auf die durch Art. 5 VO (EU) 2015/2120 ermöglichten Maßnahmen und die damit in Zusammenhang stehenden Voraussetzungen ist die Bundesnetzagentur der Auffassung, dass sie „auch Anforderungen an die verschiedenen Geschwindigkeiten aufstellen [könne], wie zum Beispiel theoretisch an die minimale, normalerweise verfügbare und maximale Geschwindigkeit . Ob eine solche Notwendigkeit besteht, dass die Bundesnetzagentur von diesen Befugnissen Gebrauch macht, muss auf Grundlage von Fakten entschieden werden. Also zunächst einmal ist ein Faktencheck notwendig. Und die Bundesnetzagentur wertet derzeit die im ersten Betriebsjahr der Breitbandmessung erhobenen umfangreichen Daten aus. Wir veröffentlichen hierüber auch einen Endbericht. Und aus den Ergebnissen kann sich dann gegebenenfalls Handlungsbedarf mit Blick auf die Festlegung von Mindestqualitäten ergeben. Wir gehen aber unabhängig davon aus, dass diese Ergebnisse einen Druck auf die Anbieter mit schlechteren Werten ausübt, also allein aus der Publizitätswirkung und dass sich dann die Qualität verbessert oder mit realistischen Leistungsparametern gearbeitet wird oder mit realistischen Leistungsparametern geworben wird und diese dann auch in den Verträgen anzugeben. Daher beachten wir, dass die Breitbandmessung der Bundesnetzagentur über die Zeit hinaus den Qualitätswettbewerb befördert.“29 3.5. Möglichkeit der Sonderkündigung unter analoger Anwendung von § 46 Abs. 8 S. 3 TKG bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 Sollten die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 vorliegen und die tatsächlich geleisteten Internetzugangsdienste als nicht vertragskonform im Sinne dieser Norm gelten, stellt 28 Body of European Regulators for Electronic Communications – BEREC (2016b). A. a. O. (Fn. 8). S. 49 f. (Rn. 181). 29 So Eschweiler, Wilhelm (2016). A. a. O. (Fn. 23). S. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 16 sich die Frage, welche Rechtsbehelfe dem Endnutzer nach deutschem Recht zur Verfügung stehen .30 In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob Endnutzern ein Sonderkündigungsrecht unter analoger Anwendung von § 46 Abs. 8 S. 3 TKG zukommen kann. § 46 lautet dabei auszugsweise: „§ 46 Anbieterwechsel und Umzug (1) […] […] (8) Der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, der mit einem Verbraucher einen Vertrag über öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste geschlossen hat, ist verpflichtet, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz wechselt, die vertraglich geschuldete Leistung an dem neuen Wohnsitz des Verbrauchers ohne Änderung der vereinbarten Vertragslaufzeit und der sonstigen Vertragsinhalte zu erbringen, soweit diese dort angeboten wird. Der Anbieter kann ein angemessenes Entgelt für den durch den Umzug entstandenen Aufwand verlangen, das jedoch nicht höher sein darf als das für die Schaltung eines Neuanschlusses vorgesehene Entgelt. Wird die Leistung am neuen Wohnsitz nicht angeboten, ist der Verbraucher zur Kündigung des Vertrages unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats berechtigt. […]“ Die analoge Anwendung einer Norm, sprich die Erstreckung von Rechtsfolgen dieser Norm, die kraft ihrer Tatbestandsvoraussetzungen für einen konkreten Fall gilt, auf einen anderen Fall,31 setzt kumulativ - das Fehlen von Analogieverboten, - das Vorliegen einer Regelungslücke und - die Wertungsgleichheit von ungeregeltem und geregeltem Sachverhalt voraus.32 Ob in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 VO (EU) 2015/2120 vorliegen, eine Regelungslücke gegeben ist, weil den Endnutzern bzw. Verbrauchern trotz nicht vertragskonformer Leistung kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der es ihnen ermöglicht, sich von den 30 Insbesondere die Frage, ob bestehend Rechtsbehelfe ausreichend sind, wurde in den Stellungnahmen und im Verlauf der öffentlichen Anhörung zum 3. TKG-ÄndG-E problematisiert. Vgl. exemplarisch dazu Eschweiler, Wilhelm (2016). A. a. O. (Fn. 23). S. 11 sowie Blohm, Susanne (2016b). Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am 07.11.2016 zum 3. TKG-ÄndG-E. Wortprotokoll der 93. Sitzung. Protokoll-Nr. 18/93. S. 12. 31 So die Definition von Reimer, Franz (2016). Juristische Methodenlehre. 1. Auflage 2016. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Rn. 555. 32 Reimer, Franz (2016). A. a. O. (Fn. 29). Rn. 562. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 115/16 Seite 17 Verträgen über die Erbringung von Internetzugangsdiensten zu lösen, ist sehr fraglich. Regelungslücke bedeutet dabei, dass ein regelungsbedürftiger Sachverhalt ungeregelt ist.33 Bereits nach geltendem Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)34 können Endnutzer bzw. Verbraucher bei Vorliegen der konkreten Voraussetzungen von bestimmten Rechtsbehelfen Gebrauch machen, um sich von Verträgen über die Erbringung von Internetzugangsdiensten zu lösen. So besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen etwa die Möglichkeit, von den Verträgen nach § 323 BGB zurückzutreten oder die Verträge nach § 314 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen.35 Die Tatsache allein, dass es gegebenenfalls aufwändig und schwierig sein kann, das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Normen in einem gerichtlichen Verfahren darzulegen und zu beweisen, vermag die Annahme einer Regelungslücke nicht zu rechtfertigen, wird allerdings mitunter als Argument für eine explizite Verankerung eines Sonderkündigungsrechts im TKG herangezogen. 36 * * * 33 So Reimer, Franz (2016). A. a. O. (Fn. 29). Rn. 568. 34 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738; zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.05.2016, BGBl. I S. 1190. 35 So auch ANGA Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber e. V. et al. (2016). A. a. O. (Fn. 26). S. 5 sowie Eschweiler , Wilhelm (2016). A. a. O. (Fn. 23). S. 11. 36 So die Argumentation dafür, dass ein Sonderkündigungsrecht im TKG verankert werden sollte. Vgl. Blohm, Susanne (2016a). A. a. O. (Fn. 23). S. 4 ff.